Donnerstag, 18. Dezember 2025

Great Women #441: Frauen beim Nürnberger Prozess

Ich weiß nicht, warum ich immer wieder vor Weihnachten über Frauen poste, die mit der unseligen Zeit in unserer Geschichte zu tun haben: Widerstandskämpferinnen, Geflüchtete... Es ist wohl eher Zufall. Und dieses Mal ist der Grund, dass ich mal wieder sofort fasziniert war, als ich aus Anlass des 80. Jahrestages der Nürnberger Prozesse am 20. November von ihnen erfahren habe. Es geht also heute nicht um eine einzelne Frau und es gibt auch keine kompletten Lebensgeschichten zu lesen. Ich möchte einfach, am Beispiel von fünf Frauen - einer Stenografin, einer Dolmetscherin, einer Zeugin, einer Juristin & einer Filmtechnikerin - zeigen, dass auch Frauen an der Aufklärung über diese menschenverachtenden Verbrechen mitgewirkt haben und das einmal würdigen. Eine kleine Horizonterweiterung sozusagen.

"Jetzt sitzen also der Krieg, der Pogrom, 
der Menschenraub, der Mord en gros 
und die Folter auf der Anklagebank."
Erich Kästner

Schaut man sich mal die Fotos vom damaligen Geschehen an, sieht man so gut wie nur Männer: auf der Anklagebank, am Richterpult und bei den Anklägern. In Wirklichkeit haben auch Frauen zur Aufklärung der Verbrechen des Nationalsozialismus beigetragen, ebenso zur Erinnerung an die Opfer.

Da ist zum einen die Stenografin Piilani Andrietta Ahuna, 1923 in der Hauptstadt Hawaiis, Honolulu, als zweites von fünf Kindern des Moses Moke Ahuna und der Annie Elizabeth Hohu geboren. Nach ihrem Schulabschluss 1940 und einer Ausbildung an einer Wirtschaftshochschule arbeitet sie als Gerichtsstenografin in Hilo, der größten Stadt auf Big Island, bei die Anhörungskommission für internierte Kriegsgefangene. Hawaii ist mit dem Angriff auf Pearl Harbor selbst zum Kriegsschauplatz geworden.

Als sie 1945 Ferien in San Francisco  macht, bekommt sie mit, dass die US-Armee Stenografen für den Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess sucht, jenes Tribunal, vor dem 24 Mächtige des Nationalsozialismus angeklagt werden sollen. Piilani Ahuna bewirbt sich, erhält eine Zusage und kommt mit gerade mal 22 Jahren ins kriegszerstörte Deutschland. Sie ist höchstmotiviert, zur Aufklärung der Verbrechen der Nationalsozialisten beizutragen. So ist sie z. B. bei den Zeugenvernehmungen zum Nürnberger Prozess in englischer Sprache zusammen mit einem gewissen Leo Katz an der Befragung von Rudolf Höß, dem Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz, beteiligt. Die Aussagen werden in der eidesstattlichen Erklärung 3868-PS in englischer Sprache zusammengefasst. 

Piilani Andrietta Ahuna, rechts bei der Eheschließung mit Kornfeld

Schon bald nach ihrer Ankunft in Nürnberg lernt sie Alfred Kornfeld kennen, einen der Korrespondenten des "Time Magazine". Bereits im November heiraten sie, und schon drei Wochen später verunglückt der frisch gebackene Ehemann tödlich bei Frankfurt auf der Autobahn. Piilani Ahuna Kornfeld geht erst einmal in die Vereinigten Staaten zurück.

Wenige Monate später findet sie sich wieder in Europa ein, um an der Sorbonne in Paris internationales Recht zu studieren und den Kontinent zu bereisen. Ihre Erfahrungsberichte aus Nürnberg publiziert sie im August 1947 im "Honolulu Star-Bulletin". Darin beschreibt sie Hermann Göring so:

"Er war rücksichtslos, aber zugleich charmant; gierig, aber großzügig; brutal, aber freundlich." Göring sei sicherlich "die komplexeste Person, die ich je getroffen habe oder treffen möchte". 

Sie selbst trifft in Europa auf den Simultandolmetscher Siegfried Ramler, mit dem sie und ihr Mann sich schon während des Prozesses angefreundet hatten. Ramler stammt aus einer jüdischen Wiener Familie und war 1938 den Nazis nach London entflohen. Sie kommen sich bald näher, heiraten im Januar 1948 in Paris und ziehen im Jahr darauf nach Hawaii, wo sie vier gemeinsame Kinder bekommen. Piilani Ahuna Kornfeld Ramler stirbt mit 79 Jahren am 23. Juli 2003 in Hilo, nachdem sie schon länger an Alzheimer erkrankt gewesen ist. 

Als Dolmetscherin ist die gerade mal 27jährige Elisabeth Kieffer als Angehörige der französischen Delegation dabei. 69 Dolmetscherinnen und Dolmetscher sind es insgesamt. Geboren ist Elisabeth Kieffer, später verheiratete Heyward, in St. Petersburg. Ihre Eltern kommen als russische Emigranten 1920 zunächst nach Berlin, gehen dann nach Frankreich. Sie kann also drei Sprachen sprechen und mit ihrem polyglotten Talent arbeitet sie für die älteste Nachrichtenagentur der Welt, die "Agence France Presse". Sie kommt nach Nürnberg auf Empfehlung eines Kollegen und wird zuständig für die Übersetzung aus dem Englischen ins Französische, mit einem Training von gerade mal zwei Wochen. "Das ist menschlich nicht leistbar", denkt sie zunächst, denn das Simultandolmetschen ist bis dahin noch nicht verbreitet gewesen, obwohl es bei Sitzungen des Völkerbunds in Genf technisch erprobt und das Filene-Findlay-System der amerikanischen Firma IBM 1926 patentiert worden ist. Nürnberg wird die erste "Hochschule" für simultane Interpretation. 

Elisabeth Kieffer Heyward

Höchste Konzentration ist also vonnöten, und Elisabeth berichtet später: 

"Ich war komplett vertieft in die Arbeit, in die Technik. Ich war entkoppelt vom psychologischen Inhalt meiner Arbeit". 

Abgestumpft sei sie nicht gewesen, sie habe allerdings auch keine Rachegefühle oder Feindseligkeiten gegen die Deutschen empfunden.

Nach ihrer Zeit in Nürnberg arbeitet Elisabeth Kieffer als selbstständige Dolmetscherin, später dann für die Vereinten Nationen in New York. Dort lernt sie ihren Mann, den Australier & stellvertretenden Exekutivdirektor von Unicef, Dick Heyward, kennen und bekommt mit ihm zwei Söhne. Sie leitet bis 1981 die französische Abteilung des Dolmetscherdienstes der Vereinten Nationen und im Anschluss daran ist sie wieder als Freiberufliche tätig. Im Alter von 87 Jahren stirbt Elisabeth Kieffer Heyward am 29. Juli 2007 in New York.

Als Auschwitz-Überlebende tritt die Polin Seweryna Szmaglewska als Zeugin der sowjetischen Anklage im Prozess in Erscheinung. Die 1916 in Przygłów nahe Łódź Geborene, nach dem Tod ihrer Eltern in einer Pflegefamilie Aufgewachsene, hat nach der Besetzung Polens durch die Deutschen ihre Studien der polnischen Sprache abgebrochen, um in ihrer Heimat als gläubige Katholikin aus dem Untergrund Widerstand zu leisten. Nachdem ein SS-Mann das Zurechtschieben ihrer Brille auf der Straße als geheimes Widerstandssignal gedeutet hat, wird sie 1942 der Gestapo in die Hände geliefert und  am 7. Oktober nach Birkenau gebracht, wo sie zunächst nahe den Eisenbahngleisen arbeiten muss, die zu einem der Krematorien führen. In Birkenau ist sie fast 1000 Tage. Beim Todesmarsch im Januar 1945 kann sie gleich am zweiten Tag fliehen.

139 Zeugen sagen im Nürnberger Prozess aus, darunter nur vier Frauen -Seweryna Szmaglewska ist eine davon. Die Ankläger wollen von ihr allerdings nur vom Leid der Kinder wissen. Also erzählt sie ihnen davon und endet ihre Aussage so:

"Im Namen aller Frauen, die im Konzentrationslager zu Müttern geworden sind, möchte ich heute die Deutschen fragen: Wo sind diese Kinder?" 

Und an anderer Stelle berichtet sie über den Umgang mit den Kindern, die nicht in Auschwitz geboren, sondern mit ihren Familien dorthin deportiert worden sind:

"Zu der Zeit, als die meisten Juden in Gaskammern vernichtet wurden, wurde ein Befehl erlassen, die Kinder in die Öfen des Krematoriums oder in die Gräben um das Krematorium herum zu werfen, ohne sie vorher zu vergasen.“
Seweryna Szmaglewska, rechts während des Prozesses

Der Ankläger Lev Smirnov versteht nicht recht und fragt nach, ob die Kinder lebend in die Öfen geworfen wurden. Szmaglewska betont ausdrücklich, dass sie lebendig hineingeworfen worden sind. 

"Das Geschrei dieser Kinder konnte man im ganzen Lager hören." 

Nach dem Prozess kehrt sie nach Polen zurück. Schon am Tag nach ihrer Flucht hat sie begonnen ihre Erinnerungen niederzuschreiben zur Aufzeichnung der Verbrechen wie zur Selbsttherapie. Sie vollendet das Werk im Sommer 1945. Sie schreibt aus einer vitalen Empörung heraus, ihr Stil ist nicht gekennzeichnet durch Erschöpfung & Niedergeschlagenheit. Noch im selben Jahr werden die Aufzeichnungen unter dem Titel "Dymy nad Birkenau" ( dt.: "Rauch über Birkenau") veröffentlicht und Teil der Anklage gegen die Nationalsozialisten. Heute ist das Buch Pflichtlektüre in polnischen Schulen.

Sie heiratet ihren Studienfreund Witold Wiśniewski, den sie im KZ wiedergetroffen, aber auch wieder aus den Augen verloren hat, weil er schon 1944 auf einen Todesmarsch geschickt worden ist. Sie wird bald Mutter zweier Söhne und eine erfolgreiche Schriftstellerin, vor allem von Kinderbüchern. Ihr bekanntestes Werk von 1960 "Czarne Stopy" ( dt.: "Schwarze Füße" ) wird 1986 erfolgreich verfilmt. Seweryna Szmaglewska stirbt am 7. Juli 1992 in Warschau. 

Der NDR hat am 19. November dieses Jahres einen vierteilige Podcast "Seweryna und die unsichtbaren Nazis" gestartet sowie bereits am 9. November das Dokudrama "Nürnberg 45-Im Angesicht des Bösen", in dem auch Seweryna Szmaglewska eine Rolle spielt, ausgestrahlt.

Die vierte Frau, die hier ins Gedächtnis gerufen werden soll, ist die Völkerrechtlerin, Hilfsanklägerin, Richterin Aline Marie Radégonde Chalufour, über die es wenig Quellenmaterial gibt. Wenn, wird sie als sehr angesehen & hochgebildet  beschrieben, die aber in ihrem Leben mit einer männlich geprägten Justiz aus einer anderen Zeit konfrontiert gewesen ist. 

1899 im nordfranzösischen Dieppe geboren geht sie in Paris zur Schule, studiert dort später Anglistik und Rechtswissenschaften, promoviert 1927 in Völkerrecht. Weil sie als Frau zu dieser Zeit keinen Zugang zu einem Amt als Richterin oder Staatsanwältin bekommt, geht sie ins Ausland und gibt juristische Fachpublikationen heraus. Sie unterrichtet auch nach 1937 mehrere Jahre in einer boarding school in Dalat/Vietnam. Dort ist es wie in Frankreich, aber mit mehr Möglichkeiten, findet sie. Ab 1942 ist sie im kanadischen Exil in Ottawa für das Freie Frankreich unter Führung von Charles de Gaulle tätig.

Aline Chalufour

Im Juni 1944 holt sie der Justizminister der provisorischen französischen Regierung, François de Menthon, in seinen Arbeitsstab und macht sie im November zum Mitglied des "Service de recherche des crimes de guerre ennemis". 

Die Strafverfolgung von Kriegsverbrechern ist nun der Schwerpunkt ihrer  juristischen Arbeit. Schon im Vorfeld des Prozesses trifft sie am 20. November 1945 in Nürnberg ein.

Aline Chalufour bringt eine Mehrfach - Qualifikation mit und wird zu einer unentbehrlichen Stütze der französischen Anklagebehörde. Noch wichtiger ist ihre Rolle als Mittlerin zwischen den französischen, britischen und amerikanischen Anklagevertretern, die nicht immer miteinander können, ja teilweise über tiefere Gräben hinweg kommunizieren müssen und juristisch völlig diverse Traditionen pflegen.

Ihr ist es zu verdanken, dass in diesem Prozess die Opferperspektive Eingang findet - eine Aufgabe, der sich nur die französischen Ankläger damals gestellt haben. Als sogenannte Hilfsanklägerin ist ihre Aufgabe, Beweise für die Verbrechen im Konzentrationslager Mauthausen und die Erschießungen von Zivilisten zu sammeln, die die Deutschen in Frankreich als Geiseln genommen haben. Sie befragt also Zeugen und listet die Namen der Opfer auf. Im Prozess kommt sie nicht zu Wort - das bleibt den Männer vorbehalten.

Anerkennung bekommt die 47jährige sowieso nicht. Zwar empfiehlt sie der französische Chefankläger François Dubost für eine Position im französischen Justizdienst, der endlich im April 1946 auch Frauen offen steht. Aber sie wird erst 1949 nach allerlei Widerständen in der männerdominierten Nachkriegsjustiz, bereits fünfzig Jahre alt, mit einer Stelle in Saint-Pol, einer kleinen Gemeinde 220 Kilometer nördlich von Paris, abgespeist.

Zunächst bleibt sie also noch in Deutschland: Mit ihren in Nürnberg gesammelten Erfahrungen bei der Strafverfolgung von NS-Verbrechern vertritt sie für Frankreich die Anklage beim ersten Ravensbrück-Prozess der britischen Militärjustiz in Hamburg im Dezember 1946 bis Februar 1947. Danach wird sie Leiterin der französischen Editionsabteilung der Nürnberger Prozessakten. Wie schon während des Prozesses muss sie sich um die zwischen Franzosen und vor allem Amerikanern bestehenden Spannungen bemühen.

Aline Chalfour fühlt sich später in der ihr zugedachten Rolle in Frankreich nicht wohl, und es kommt mehrfach zu Differenzen mit ihren Vorgesetzten. Angeblich beschädigt sie das Ansehen des Gerichts. Im Dezember 1966 geht sie in ihrer Geburtsstadt in den Ruhestand.

1976 veröffentlicht die französische Tageszeitung "Le Monde" einen Zeitzeugenbericht von ihr aus Anlass des 30. Jahrestages des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses.

Sie stirbt mit 90 Jahren am 26. Oktober 1989 in Saint-Cloud. Vor zwei Jahren traut sich ein französischer Jurist in einem wissenschaftlichen Aufsatz Aline Chalfour als die einzige Anklägerin in Nürnberg zu charakterisieren, die "weit mehr als eine Richterin" gewesen sei, da "sozial engagiert", eine "katholische Patriotin" und dazu eine "kosmopolitische Juristin". Was er verschweigt: dass sie eine aktive Feministin gewesen ist und für das Frauenwahlrecht, welches in Frankreich erst nach der Befreiung von den Nazis 1944 eingeführt worden ist.

Das "Memorium Nürnberger Prozesse" hat zum besonderen Jahrestag zusammen dem Games Studio "Playing History" das  Serious Game "Tribunal 45 – Working on Justice" herausgebracht. Das auf Deutsch und Englisch verfügbare Spiel macht die Ereignisse von 1945 aus der Sicht Aline Chalufours nachvollziehbar, in deren Rolle man als Spieler schlüpft.  Man bekommt die Sprachbarrieren mit, auch, wie der juristische Alltag in Nürnberg gewesen ist, bei dem vor allem die unterschiedlichen Rechtsauffassungen und Prozess-Praktiken aufeinander treffen: Die US-Amerikaner mit ihren scharfen Auseinandersetzungen zwischen Anklage und Verteidigung, diesen Kreuzverhören. Und auf der anderen Seite die europäisch-französische Tradition, nach der die Anklage auch entlastendes Material zu berücksichtigen hat. Dazu kommen die Sprachbarrieren, politische Spielchen und sonstige Eifersüchteleien.

An die echte Aline Chalufour erinnert seit Mai dieses Jahres auch eine Gedenktafel im Nürnberger Justizpalast.

Die letzte Frau in dieser Serie ist die Filmtechnikerin Lieselotte "Lilo" Balte. Lilo Balte ist Berlinerin, am 12. Januar 1918 in Schöneberg zur Welt gekommen. Nach der Schule und dem Erwerb von Englisch- & Französischkenntnissen beginnt sie 1934 eine Ausbildung für Innendekoration, Reklame, Zeichnen und Modemacht anschließend zwei Jahre beim Warenhaus Wertheim eine Lehre und arbeitet dort bis März 1943 als Dekorateurin und Werbeberaterin, bevor sie sich mit einem Atelier für Reklame, Inneneinrichtung und Graphik selbständig macht. Im gleichen Jahr gelangt sie zum Film: Für die UFA ist sie als Schnittmeister-, Produktions- und Tonmeisterassistentin tätig.

Damit ist sie qualifiziert für die Bedürfnisse der Spezialisten des US-Militärgeheimdienstes OSS, die Filmmaterial suchen, um einen Beweisfilm - "The Nazi Plan" - zu produzieren. Lieselotte spricht sehr gut Englisch und ist technisch bewandert. Eigentlich ist ein Kollege ins Auge gefasst worden, der aber empfiehlt die 28jährige, die einen Job braucht & Geld für ihre Familie. "Ich glaube, sie hat damals nicht wirklich realisiert, wovon sie ein Teil war", wird ihre Tochter später sagen. Sie wird von Commander Ray Kellogg angeheuert und geht mit ihm dann nach Nürnberg. Sie hilft bei der Übersetzung des Films ins Deutsche, bei der Auswahl seiner Sequenzen und bei seinem Schnitt.

Lieselotte Balte

Der Film - das "Document 3054–PS, Exhibit US 167" - wird bereits am 11. Dezember 1945 in einer Länge von 194 Minuten im Gerichtssaal gezeigt, also noch vor Beginn des Hauptkriegsverbrecherprozesses vor dem Internationalen Militärgerichtshof. 

Es ist eine unkommentierte Zusammenstellung von deutschen Wochenschauen und Filmberichten der Jahre 1921 bis 1944 im Originalton, z. T. mit später hinzugefügten englischen Untertiteln. Über 40 Minuten gezeigt wird ein Ausschnitt aus Leni Riefenstahls Film "Triumph des Willens" über den NSDAP-Reichsparteitag 1934. Der Film nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als mit ihm zum ersten Mal bewegte Bilder als Beweismittel in einem Gerichtsverfahren eingesetzt werden.

Juristisch hatte "The Nazi Plan" vergleichsweise wenig Gewicht, im Urteil des Hauptkriegsverbrecherprozesses findet der Film sogar nur in einem Nebensatz Erwähnung. Zur Dokumentation des verbrecherischen Vorgehens der Nationalsozialisten dienen die gesammelten Aufnahmen allerdings bis heute. Das ZDF hat  übrigens schon 2019 dazu eine Mini-Serie produziert.

Nach ihrer Arbeit in Nürnberg kehrt Lieselotte Balte nach Berlin zurück, nimmt dann aber eine Anstellung bei der US-Armee in Berchtesgaden an. Dort lernt sie 1951 den jüdischen US-Soldaten Lawrence Ashkins kennen. Mit ihm geht sie in die Vereinigten Staaten, wo sie im August 1954 in New York heiraten und später eine gemeinsame Tochter bekommen. 

Erst kurz vor dem Tod ihrer Mutter im Jahr 2011 erfährt diese Tochter von dem "special project", wie es in einem Passierschein für Lieselotte genannt wird.

"Als ich jung war, hat meine Mutter nicht viel über ihr Leben in Deutschland gesprochen. Ich glaube, sie hat es für sich einfach abgeschlossen und weitergemacht, ohne die Vergangenheit."

Der Tochter teilt sie allerdings noch mit, sie habe in Nürnberg "das Richtige tun" und "einen Beitrag leisten wollen". Lieselotte Balte Ashkins stirbt mit 93 Jahren im Dezember 2011 in San Diego County, California. Auch für sie ist eine Gedenktafel im Nürnberger Justizpalast installiert worden.

Die öffentliche Erinnerung an diese Prozesse reduziert sich immer auf Robert Jackson und Telford Taylor als Chefankläger. Neben ihnen standen etliche Frauen, Juristinnen, die mit ihnen in Nürnberg gearbeitet haben. Ein paar Namen möchte ich abschließend hier noch festhalten: Katherine Boardman Fite, Cecelia Goetz, die später im Krupp-Prozess das Eröffnungsplädoyer halten wird, Harriet Zetterberg und Belle Mayer Zeck. Ihr Auftreten war halt nicht glamourös wie das ihrer berühmten männlichen Kollegen, doch sie leisteten die intellektuelle Hintergrundarbeit, die dieses Auftreten erst möglich gemacht hat.

                                                                        

Und hier noch ein paar Links zu früheren Frauenporträts-
alles Frauen, die in diesen Tagen einen Gedenktag haben:


5 Kommentare:

  1. Liebe Astrid,

    was für ein Thema und was für Frauen.

    Warum du vor Weihnachten postest?
    Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass dieses Thema eigentlich jeden Tag von neuem erzählt werden muss, damit es nicht vergessen wird.

    Daher danke ich dir -wieder einmal - für die Vorstellung der Great Women.

    Wie grausam der Mensch sein kann und was er für eine Lust am Leid anderer hat, schrecklich.

    Nachdenkliche Grüße,
    Claudia

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  2. Liebe Astrid,
    das ist doch ein Thema, das immer aktuell ist, auch vor Weihnachten.
    Ich habe im November die Sendung über Seweryna Szmaglewska gesehen und fand das sehr beeindruckend.
    Mir sind als junges Mädchen die schrecklichen Erlebnisse der Kinder sehr bewusst geworden als ich wir aussuchen durften welches Gedicht von Johannes R. Becher wir lernen und vortragen wollten. Der Schüler neigt ja zu Bequemlichkeit und sucht ein kurzes einfaches Gedicht aus. Ich war über die Kinderschuhe aus Lublin gestolpert und habe damals diese vielen Strophen auswendig gelernt. Ich kann es nicht mehr aufsagen, aber das Gefühl ist sehr gegenwärtig.
    Danke für Dein Porträt.
    Elke

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  3. Milá Astrid, děkuji Ti velice za dnešní dojemnou zprávu, jsem ráda a oddychla jsem si, že kniha Ti byla v pořádku doručena. Manžel v ní listoval předtím, než jsem ji vypravila na cestu do Kolína nad Rýnem, spousta míst ho v knize zaujala, obzvlášť místa, která důvěrně známe, ale už v úplně jiné podobě, než jsou v knize zachycena. (Tak jsem jeden výtisk dodatečně objednala i pro něj a dostane ho pod stromeček). Jsi obdivuhodná a velice inspirativní žena ( i pro mně) a těší mě, že jsem ti mohla udělat radost. Srdečné pozdravy posílám z Ostravy! Katka

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    1. Děkuji za tato milá slova! Jsem znovu dojatá. Doufám, že si to váš manžel užije stejně jako já. V neděli přijedou moji sourozenci a rodiny, budeme se na to dívat a budeme myslet na naši milovanou maminku.

      Ještě jednou vám za všechno děkuji!

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  4. Danke für die Erinnerung an diese tollen Frauen. Ich bin immer wieder beeindruckt, was du alles herausfindest.

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst! Kommentare ohne ein Blog- Konto bei Google oder Wordpress bitte nur mit Namensnennung!
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