Donnerstag, 2. Januar 2025

Great Women #402: Rita Levi - Montalcini

Endlich mal wieder eine veritable Nobelpreisträgerin. Dazu noch jemand, der richtig alt geworden ist und - wie ich - das Alter zu schätzen wusste. Da bin ich neugierig geworden, mehr über sie herauszufinden, über Rita Levi - Montalcini, deren Todestag sich vorgestern zum 13. Male jährte. 

"Vor allem darf man schwierige Momente nicht fürchten. 
Gerade da gelingt oft das Beste."
.....
"Das Gehirn geht nicht in Rente, 
so lange wir es benutzen." 

Rita erblickt zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Paola am 22. April 1909 in Turin das Licht der Welt. Die Eltern Zeffora Adele "Adelina" Montalcini und Dr. Adamo Levi sind sehr kultiviert und schätzen intellektuelle Tätigkeiten - sie ist Malerin, 30 Jahre alt, er Ingenieur & Mathematiker, 42 Jahre alt, seit 1901 miteinander verheiratet. Beide stammen von sephardischen Juden ab und können ihre Wurzeln bis ins Römische Reich nachverfolgen, sind aber im Piemont zu Hause. Die Kinder werden nicht als Jüd*innen erzogen.

Familie Levi: links außen der Vater, rechts außen die Mutter, vor ihr Rita
(ohne Jahr)
In Europa ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Monarchie die vorherrschende Regierungsform - in Italien regiert König Viktor Emanuel III. - und das Frauenbild ist noch ein gänzlich anderes als heute. Es ist die allgemeine Überzeugung einer männlich dominierten Gesellschaft, dass Frauen in der Ehe ihre Erfüllung finden und dem Mann zu folgen haben. Vater Levi, das unangefochtene Oberhaupt der Familie, teilt eine solche Überzeugung: Eine akademische Bildung für seine Töchter - neben den Zwillingen noch Anna "Nina", 1904 geboren - sei nicht notwendig. Der autoritäre Vater hat zwei Tanten, die in Literatur und Mathematik promoviert haben und macht deren hohe Bildung für ihre unglücklichen Ehen verantwortlich.

Für Bruder Luigi "Gino" (*1902), das älteste Kind, sieht das natürlich ganz anders aus.

Also besucht Rita die Mädchenschule, die vor allem auf ein Leben als gute Ehefrau und Mutter vorbereitet. Sie ist eine eher mittelmäßige Schülerin. Schon in jungen Jahren regt sich in ihr der Widerstand gegen das übliche Lebensmodell, noch ohne zu wissen, worauf sie selbst hinaus will. Die untergeordnete Rolle ihrer Mutter - ein liebenswürdiger Mensch, so Rita - gefällt ihr nämlich gar nicht. Als Teenager hat sie die Idee, Schriftstellerin zu werden wie die Schwedin Selma Lagerlöf, die ihre große Schwester Anna besonders verehrt.

Dennoch kann man die Atmosphäre, in der das Mädchen groß wird, als liebevoll - familiär charakterisieren. Später aufgefundene Briefe belegen die tiefe Verbundenheit, Zuneigung und Komplizenschaft zwischen Eltern und Geschwistern.
Als Studentin
(1930er Jahre )

Als Giovanna, das geliebte Kindermädchen der Familie, unheilbar an Krebs erkrankt, entschließt sich die 19jährige Rita dann, Medizin zu studieren. Da ihre schulische Ausbildung dafür nicht ausreicht, paukt sie acht Monate lang Griechisch, Latein und Mathematik, um eine externe Prüfung ablegen zu können, zwecks Berechtigung zum Medizinstudium. Zunächst weiht sie nur ihre Mutter in ihre Pläne ein:
"Mit 20 Jahren wurde mir klar, dass ich mich unmöglich in die Frauenrolle, wie sie meinem Vater für mich vorschwebte, einfügen könnte und bat ihn um Erlaubnis, eine berufliche Karriere einzuschlagen." 

Ihr Vater stellt sich zum Glück seiner Tochter nicht in den Weg, und sie kann an der Universität von Turin mit sechs weiteren Frauen unter etwa 300 männlichen Studierenden das Medizinstudium beginnen. An der Universität gerät sie an Giuseppe Levi ( nicht mit ihr verwandt, aber der Vater von Natalia Ginzburg - siehe dieser Post ), einem der größten Histologen Italiens. Der ist ein einflussreicher und effektiver Lehrer der Naturwissenschaften mit sehr sorgfältiger wissenschaftlicher Methodik. Er wird ihr Mentor. Unter seiner Anleitung und mit seinem Schutz kann Rita den tief verwurzelten Sexismus, der zu dieser Zeit in der Wissenschaft verbreitet ist, aushalten bzw. überwinden. In seinem Labor lernt sie auch ihre Mitstudenten Salvador Luria und Renato Dulbecco kennen, von denen später noch die Rede sein wird.

Nachdem sie 1936 ihr Medizinstudium mit summa cum laude abgeschlossen hat, bleibt Rita als Levis Assistentin an der Universität, denn sie glaubt nun nicht mehr, dass sie als Ärztin arbeiten möchte, sondern dass ihr Platz in der Forschung ist. Ihre Entscheidung, sich dem Nervensystem und seiner Entschlüsselung zu widmen, basiert auf der Faszination, die seine Komplexität & Schönheit bei ihr ausgelöst hat.

Doch ihre akademische Karriere wird 1938 durch Benito Mussolinis Rassenmanifest und die anschließende Einführung von Gesetzen, die Juden von akademischen und beruflichen Laufbahnen - auch die der Ärztin - ausschließen, beendet. Rita nutzt 1939 die Chance einer Einladung des Instituts für neurologische Forschung in Brüssel nach Belgien, um dort an einem Forschungsprojekt teilzunehmen. Doch ihr Aufenthalt ist nur von kurzer Dauer, weil sie eine deutsche Besetzung des Landes befürchten muss. Sie kehrt noch im selben Jahr nach Italien zurück. Ihre Familie dort steht vor der Wahl, entweder in die Vereinigten Staaten auszuwandern oder unter Mussolinis Rassengesetzen in Italien zu bleiben.

Die Levi - Montalcinis entscheiden sich für Italien. 

"Ich beschloss dann, zu Hause eine kleine Forschungseinheit einzurichten und richtete sie in meinem Schlafzimmer ein. Meine Inspiration war ein Artikel von Viktor Hamburger aus dem Jahr 1934 über die Auswirkungen der Gliedmaßenentfernung bei Hühnerembryonen. Mein Projekt hatte kaum begonnen, als Giuseppe Levi, der aus dem von den Nazis besetzten Belgien geflohen war, nach Turin zurückkehrte und sich mir anschloss. Zu meinem großen Stolz wurde er so mein erster und einziger Assistent."

Der Bruder hilft ihr, ihre eigenen mikrochirurgischen und gewebemanipulierenden Geräte – unter anderem mit umgeformten Nähnadeln und modifizierten Uhrmacherpinzetten - zu bauen. Die Entdeckung ihrer Aktivitäten hätte zu Gefängnis oder Tod führen können.

"Bei jedem Alarm nahm ich das binokulare Zeiss-Mikroskop und andere wertvolle Teile der Laborausstattung in den Luftschutzkeller mit, ich wusste, dass sich der Aufenthalt dort wieder über Stunden hinziehen würde."

Von links nach rechts:
Gino, Rita, Adele, Paola Levi-Montalcini
(1940)
Nach diesen schweren Bombenangriffen der anglo-amerikanischen Luftstreitkräfte auf Turin im Jahr 1941 zieht sich die Familie schließlich in die Berge zurück und mietet dort ein Landhaus, eine Fahrstunde von der piemontesischen Hauptstadt entfernt, wo ihr Minilabor wieder aufgebaut und die Experimente fortgesetzt werden. Mit dem Fahrrad sammelt sie auf Bauernhöfen Hühnereier ein - "für meine Kinder" lügt sie - und beobachtet dann unter dem Mikroskop, wie sich das Nervensystem von Hühnerembryonen unter Umwelteinflüssen verändert. Hinterher werden aus den Eiern schmackhafte Omelette...

Rita kann Viktor Hamburgers Experimente wiederholen und erweitern und kommt schließlich zu dem Schluss, dass seine Ergebnisse zwar richtig gewesen sind, seine Interpretation jedoch nicht. Sie stellt nämlich fest, dass Nervenzellen absterben, wenn ihnen ihre Ziele fehlen, und legt damit den Grundstein für einen Großteil ihrer späteren Forschungen, für das moderne Konzept des Nervenzelltods als Teil der normalen Entwicklung. 

Als Juden dürfen sie und Guiseppe Levi ihre Erkenntnisse nicht in italienischen Zeitschriften publizieren, aber ihre Forschungsergebnisse werden 1944 von der "Academia Pontificia Scientiarum" gedruckt & veröffentlicht. Sie finden allerdings kaum Resonanz, denn der Text ist auf Latein und eine religiöse Institution wird nicht wirklich von Wissenschaftlern ernst genommen. Es ist aber die einzige Möglichkeit gewesen, die rassistischen Mussolini-Gesetze zu umgehen.

Mit dem deutschen Einmarsch in Italien im September 1943 werden die meisten Juden im Norden des Landes zusammengetrieben und nach Auschwitz deportiert. Historiker gehen davon aus, dass zwischen September 1943 und dem Ende des Krieges im März 1945 mehr als zehntausend Juden aus Italien in Konzentrationslager verbracht worden sind. Ein Großteil von ihnen - ungefähr 7700 - werden ermordet, hauptsächlich in Auschwitz.

Rita, ihre Mutter & Geschwister - der Vater ist seit 1932 tot - reisen 1943 unter falschem Namen in Italiens Süden und leben illegal im Untergrund in Florenz. Während dieser Zeit steht Rita in Kontakt mit den Partisanen der Partito d'Azione und fälscht mit ihrer Schwester Paola Ausweise für jüdische Mitbürger*innen. Bis zur Befreiung der Stadt werden sie von nicht-jüdischen Familien unterstützt. 

Im August 1944 gelingt es den vorrückenden angloamerikanischen Armeen die deutschen Invasoren aus Florenz zu vertreiben. Im angloamerikanischen Hauptquartier wird Rita als Ärztin eingestellt und einem Lager für Kriegsflüchtlinge zugeteilt, wohin Menschen aus dem Norden vor dem dort noch herrschenden Krieg in Sicherheit gebracht werden. Epidemien an Infektionskrankheiten und Typhus verbreiten den Tod unter den Flüchtlingen, für die Rita als Krankenschwester und Ärztin zuständig ist und nicht nur mit ihnen ihr Leiden, sondern auch die Todesgefahr teilt.

Der Krieg in Italien endet im Mai 1945 wie bei uns. Rita kehrt mit ihrer Familie nach Turin zurück und kann ihre akademischen Positionen an der Universität wieder aufnehmen. Sie ist jetzt 36 Jahre alt. 

Auf einem Kongress in Chicago 1950
Beeindruckt von ihren Forschungsergebnisse in ihrem improvisierten Labor, lädt Viktor Hamburger sie 1947 für ein Semester an der Washington University in St. Louis in den USA ein. Hamburgers Absicht ist zunächst herauszufinden, wer von ihnen beiden mit seinen Anschauungen Recht hat. 

Auf dem Schiff trifft sie ihren Studienfreund Renato Dulbecco wieder, in St. Louis dann auch Salvador Luria. Beide werden bedeutende Krebsforscher und schon 1969 (Luria) bzw. 1975 (Dulbecco) ihre Nobelpreise erhalten. Rita wird lange eine einmalige Erscheinung unter lauter männlichen Neurowissenschaftlern sein...

Die zierliche und elegante Frau ist schon rein körperlich das genaue Gegenstück zu Hamburgers 1,80 Meter Größe, erst recht aber in ihrem Temperament: Während sie aufgrund von Eingebungen große intuitive Sprünge macht, arbeitet Hamburger langsam und sorgfältig, Schritt für Schritt. Trotzdem weiß die junge Forscherin innerhalb weniger Stunden, dass sie den richtigen Arbeitsplatz gefunden hat. Sie bleibt dort nicht nur ein paar Monate, sondern dreißig wissenschaftlich äußerst erfolgreiche  Jahre.

Rita arbeitet mit "obsessivem Drang zum Erfolg", so Kollegen: 1948 bemerkt sie in Hamburgers Labor an der University of Washington in St. Louis, dass ein bestimmter Tumortyp bei Mäusen das Nervenwachstum anregt, wenn er in Hühnerembryonen implantiert wird. Das wird ausgelöst durch eine bestimmte Chemikalie – ein Protein –, welches von den Tumorzellen produziert wird. Gerne wird die Geschichte kolportiert, dass Rita Versuchsmäuse in ihrer Handtasche von St. Louis nach Brasilien mitgenommen hat, um dort eine weitere Untersuchung im Institut für Biophysik an der Universidade Federal do Rio de Janeiro beim brasilianischen Biophysiker Carlos Chagas jr. zu starten, der über die Laboreinrichtungen verfügt hat, die ihr gefehlt haben. 

Stanley Cohen links, mit Viktor Hamburger rechts
(1986)

Um dieses Protein (Nervenwachstumsfaktor genannt, abgekürzt NGF ) und seine Kommunikationswege zu untersuchen, beginnt Rita 1952 eine Zusammenarbeit mit Stanley Cohen, einem ruhigen Biochemiker, der als Postdoktorand der American Cancer Society an die Washington University berufen worden ist. Dem gelingt es, aus dem von ihr zur Verfügung gestellten Material eine Proteinuntereinheit aus dem Tumor zu isolieren. Cohen lüftet schließlich weitere Geheimnisse der komplizierten Nachrichtenübertragung im Körper. Sie finden heraus, dass eine gestörte Kommunikation zwischen den Zellen eine der Hauptursachen für die Entstehung bösartiger Tumoren ist. Diese mühselige Arbeit dauert fast ein Vierteljahrhundert, aber ihre Bedeutung für die Kontrolle des Zellwachstums und damit für Krebs ist offensichtlich und immens. Für diese für die Krebsforschung also relevante Forschungsarbeit werden Rita Levi-Montalcini und Stanley Cohen 1986 gemeinsam den Nobelpreis für Physiologie & Medizin erhalten.

Nobelpreisverleihung durch den schwedischen König

Doch noch einmal zurück zu Ritas Karriere in der Wissenschaft: 1956 wird ihr die Stelle eines außerordentlichen Professors und 1958 die eines ordentlichen Professors an der Washington University in St. Louis angeboten, eine Position, die sie bis zu ihrer Pensionierung 1977 innehat. 

Von Sehnsucht nach ihrer Familie getrieben - Bruder Gino und Zwillingsschwester Paola sind lange vor ihr die Berühmtheiten der Familie gewesen, er als Architekt, sie als Künstlerin in allen möglichen Kunstausstellungen -, beginnt Rita 1962 eine Arbeitsgruppe in Rom aufzubauen. Ihre Forschungstätigkeit teilt sie ab da zwischen Italien und den USA auf, leitet somit zwei Forschungsgruppen auf zwei Kontinenten. In Rom wird sie schließlich auch von 1969 bis 1978 Leiterin des Instituts für Zellbiologie des Nationalen Forschungsrates. Nach ihrer Pensionierung 1979 wird sie Gastprofessorin an diesem Institut.

Mit Bruder Gino & Schwester Paola

Sie teilt sich nach dem Tod der Mutter 1963 eine Wohnung mit ihrer Zwillingsschwester in Rom. Es freut sie, Paola bei ihrer künstlerischen Arbeit beobachten zu können, und die beiden unternehmen viele gemeinsame Reisen, um Galerien und Museen zu besuchen. Familie spielt eine wichtige Rolle in ihrem Leben. Eigene Kinder? Darauf antwortet sie einmal: "Wenn man ein Kind hat, weiß man nicht, wen man in sein Zuhause aufnimmt." Und eine romantische Beziehung, eine Ehe? Sie sei immer auf Flitterwochen oder luna di miele – im Grunde verliebt gewesen – nicht nur in Hühnerembryonen, sondern auch in das Gehirn...

Die ersten Monate nach Erhalt des Nobelpreises findet die zu diesem Zeitpunkt 77jährige besonders schwierig. Obwohl sie in den wichtigsten wissenschaftlichen und kulturellen Kreisen Italiens und der ganzen Welt verkehrt hat, katapultiert sie der Ruhm, den sie durch die Medien erlangt, aus einer Welt voller zwischenmenschlicher Beziehungen in die Welt einer einzelnen Person vor einem großen, heterogenen Publikum. Schließlich findet sie ihren Weg, mit der neuen Situation umzugehen:

2008
Jetzt erst entsteht eine Beziehung zu den jungen Menschen, die forschen. Zuvor, als sie noch unterrichtet hat, hat sie sich nicht gerne viel Zeit dafür genommen, denn der Unterricht hat ihr wertvolle Minuten & Stunden für die Forschung geraubt. 

Bis Mitte 2012 geht sie jeden Tag ins Labor, um die Fortsetzung ihrer Arbeit zu verfolgen, die sie selbst aufgrund einer Makuladegeneration - sie ist zuletzt fast völlig blind - nicht mehr durchführen kann. Sie hat sich seit den 1970er Jahren immer lauter gegen die Benachteiligung weiblicher Wissenschaftler innen ausgesprochen. Den Geldbetrag, den sie im Zuge des Nobelpreises erhalten hat, stellt Rita diesem wissenschaftlichen Nachwuchs auf ihrem Spezialgebiet zur Verfügung.

Obwohl Rita selbst einmal über sich sagt,  "ich stehe ausschließlich im Dienst der Forschung", ist sie auch sozial und politisch aktiv. Sie engagiert sich beispielsweise bei Amnesty International, besonders gegen Gewalt gegen Frauen. Ebenso wirkt sie als Präsidentin der Multiple-Sklerose-Gesellschaft. Zu aktuellen, gesellschaftspolitischen Fragen nimmt sie ebenfalls Stellung. Gelegenheit hat sie dazu als Senatorin auf Lebenszeit, wozu sie von Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi 2001 ernannt wird. Ihre Stimme hat sie in dieser Funktion öfter gegen Projekte von Silvio Berlusconi in seiner Zeit als italienischer Regierungschef erhoben. 

In Italien ist Rita Levi - Montalcini ein Symbol für wissenschaftliche Errungenschaften, ihre Integrität und ihr soziales Gewissen wird weithin verehrt. Das Land ist schockiert, als der ehemalige Gesundheitsminister Duilio Poggiolini, der wegen Korruption angeklagt worden ist, 1994 behauptet,  ihr Nobelpreis sei vom italienischen Pharmakonzern Fidia gekauft worden. Die Preisträgerin, von der man aufgrund ihres Temperaments eine wütende Reaktion auf diese persönliche Verleumdung erwartet hat, antwortet mit distanzierter und beinahe verächtlicher Würde. Beppo Grillo lässt sie 2003 nicht so ungeschoren davonkommen und verklagt ihn, weil er die damals 94jährige in einer Show eine "alte Hure" genannt hat.

Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen  ( hier nachzulesen ) ist die bemerkenswerteste  neben dem Nobelpreis die, dass sie als erste Frau ( und als Atheistin dazu ) 1974 in die Päpstliche Akademie der Wissenschaften berufen worden ist.

Unumstritten ist sie in Wissenschaftlerkreisen nicht unbedingt: So bezeichnet sie ein ehemaliger Mitarbeiter als eine Mischung aus Marie Curie und der Operndiva Maria Callas. Bei anderen hat sie den Eindruck erweckt, ihr Forschungsgebiet sei ihr persönliches Eigentum. Als sich immer mehr Forscher*innen mit NGF beschäftigen, sieht sie das schon mal als Eindringen in ihr Territorium an. Andere wiederum geben ihr den wohlwollenden Beinamen "Königin des NGF".

Ihrer Leidenschaft, der Forschung, geht sie lebenslang nach. In einem Interview aus Anlass ihres 100. Geburtstages meint sie: 
"Mein Gehirn arbeitet jetzt besser als mit 20. Hinzu habe ich noch den Vorteil der vielen Erfahrung, die ich angesammelt habe. Ich hätte nie gedacht, dass ich 100 Jahre alt werde, ich hatte ein Leben voller Freude, wie sie Wenige gehabt haben." 
Sie veröffentlicht noch lange Aufsätze & Bücher, darunter "In Praise of Imperfection: My Life and Work" (1988) und das einzige auf Deutsch erhältliche "Ich bin ein Baum mit vielen Ästen. Das Alter als Chance" (1999).

Rita Levi-Montalcini stirbt am 30. Dezember 2012 in ihrem Haus in Rom im außergewöhnlichen Alter von 103 Jahren. Am nächsten Tag wird sie im Senat aufgebahrt und anschließend nach Turin überführt, wo eine kurze private Zeremonie mit jüdischem Ritus gefeiert wird. Am 2. Januar 2013 findet noch eine öffentliche Trauerfeier statt. Ihre Asche wird im Familiengrab auf dem Cimitero monumentale di Torino beigesetzt.

Heute sind in Italien rund neunzig Schulen aller Ordnungen und Klassen nach ihr benannt. Ihre Nichte Piera Levi-Montalcini hat das Levi-Montalcini-Netzwerk gegründet, welches alle Schulen durch eine Absichtserklärung mit der Levi-Montalcini-Stiftung verbindet, die Bildung und Forschung für junge Frauen in Afrika und Italien zu unterstützt. Das gemeinsame Ziel besteht darin, Kinder schon in sehr jungen Jahren im logischen Denken und in der Beobachtung der Welt um sie herum zu fördern und zu schulen. 

"Für mich war im Leben alles einfach. Schwierigkeiten wurden von mir abgeschüttelt, wie Wasser auf den Flügeln einer Ente." Schön, wenn frau das trotz alledem am Ende seines Lebens sagen kann...

                                                                 

Auch im neuen Jahr gibt es unter dem Donnerstagspost wieder eine Liste mit den Namen der Frauen, über die ich schon geschrieben habe und die einen Gedenktag gehabt haben, als da sind:

2 Kommentare:

  1. Liebe Astrid,
    Na dann wollen wir Dir zuerst mal ein gutes, friedliches neues Jahr wünschen und uns bedanken bei Dir, daß Du uns wieder eine neue Great Women unter den Weihnachtsbaum gelegt hast. Die Frauen-Familie wächst unaufhaltsam weiter, so wenig wüßten wir davon ohne Dich. Herzliche Grüße von Helga mit Kerstin

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  2. Was für Hindernisse dieser bewundernswerten Frau in den Weg gelegt wurden. Sie muss einen eisernen Willen, grenzenlosen Mut und Pioniergeist besessen haben, um ihre Mission durchzuführen.
    Liebe Grüße
    Andrea

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst! Ich setze allerdings voraus, dass am Ende eines anonymen - also von jemandem ohne Google- Account geposteten - Kommentars ein Name steht. Gehässige, beleidigende, verleumderische bzw. vom Thema abweichende Kommentare werde ich nicht veröffentlichen.

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