Posts mit dem Label Lyrik werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Lyrik werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 29. Juni 2025

Mein Freund, der Baum: Meine persönliche Baumgeschichte

Im zurückliegenden Monat habe ich die Suche nach einem neuen Baum sehr, sehr lässig betrieben. Als ich mich dann gestern noch zwecks Pirsch in den Botanischen Garten aufmachen wollte, ging es mir nicht so, dass ich mir das zugetraut hätte. Also greife ich zurück auf einen Post, den ich schon in ähnlicher Form veröffentlicht habe und der ganz viel von meiner jahrzehntelang gewachsenen Liebe zu den grünen Baumfreunden erzählt.
Hilde Domin
Ziehende Landschaft 
  
Man muss weggehen können
und doch sein wie ein Baum:
als bliebe die Wurzel im Boden,
als zöge die Landschaft und wir ständen fest.
Man muss den Atem anhalten,
bis der Wind nachlässt
und die fremde Luft um uns zu kreisen beginnt,
bis das Spiel von Licht und Schatten,
von Grün und Blau
die alten Muster zeigt,
und wir zu Hause sind,
wo es auch sei,
und niedersitzen können und uns anlehnen,
als sei es an das Grab
unserer Mutter.

 


Der erste Baum, der einen großen - im wahrsten Sinne des Wortes  -  Eindruck auf mich als kleines Kind gemacht hat, war die Doppellinde auf der höchsten Höhe eines Höhenzuges namens Lindenberg, der das Dorf meiner Kindheit in nordöstlicher Richtung einschließt. Eine Landmarke bis heute, allerdings nicht mehr so beeindruckend wie einst, weil ihr die Wohnbebauung ganz schön auf die Pelle gerückt ist. Dort am Hang wohnte meine Lindenberg - Oma, und bei vielen Besuchen in ihrem uralten Haus habe ich den Berg noch weiter erklommen, unter der Linde gestanden und über den mächtigen Baum gestaunt.




Mein zweiter "Lebensbaum" war der große Walnussbaum im Garten hinter meinem Elternhaus. Hier habe ich ihm ein Denkmal gesetzt, denn er ist schon lange nicht mehr der alte. Den Geruch der zwischen den Fingern zerriebenen Blätter mag ich nach wie vor sehr viel lieber als den Geschmack der Nüsse. Und ich kann es bis heute nicht lassen, wenn ich in unserem Tälchen an Nussbäumen vorbeikomme und muss ihn auch immer meinen Enkeln unter die Nase reiben, so betörend finde ich ihn.


Obwohl neben dem Treppenaufgang zu meinem Elternhaus eine Reihe ganz junger Birken stand, haben die mich viel weniger beeindruckt als die Lärchen mit einem ähnlichen, besonders ansprechenden Maigrün. Oberhalb unseres Gartengeländes auf der Hügelkuppe gab es ein kleines lichtes Wäldchen aus Lärchen mit einem ebenso grünen, weichen, gräsernen Waldboden, durchwebt von zarten, wilden Glockenblumen, zierlichen Karthäuser- und weißen Lichtnelken, heiteren Margeriten, bevölkert mit Widderchen und Grashüpfern. Und dort habe ich gerne gesessen und das ganze Tal mit dem Dorf überblickt. Diese Erinnerungsbilder sind für mich der Inbegriff des Sommers, als er noch nicht so gnadenlos überhitzt war. Lärchen sind bis heute meine liebsten Nadelbäume, auch in ihrer unübertroffen grandiosen Herbstfärbung, die dem Odenwald im November ein besonders eindrückliches Aussehen verpasst.

Auch vor unserer Wohnung in Bonn stand eine Birke neben den Autoparkplätzen. Wichtiger waren aber die Ahörner hinterm Haus, Kletterbäume par excellence, bis mir von meinen Eltern deutlich gemacht wurde, das schicke sich nicht für ein Mädchen in der beginnenden Pubertät, darin mit den Jungen in leichter Kleidung herumzuklettern. So war das in den 1960er Jahren!

Auch bei meiner ersten Kölner Wohnung gab es eine Birke vor dem Fenster mit meinem Schreibtisch, die längst den heißen & regenarmen Sommern zum Opfer gefallen ist. Die imponierend, da unüblich hohen Birken in der südwestlichen Ecke unseres Häusercarrées, deren Schwanken im Wind ich immer vom Bett aus meditierend verfolgen konnte, sind auch schon vor längerer Zeit gefällt worden. Mit ihrem dicht unter der Erdoberfläche liegenden Wurzelwerk waren sie einigen Nachbarn nicht mehr geheuer, die ihre Standsicherheit in Frage stellten. Seitdem ist im Geviert kein Buchfink mehr zu vernehmen, die ja für ihre Nester eine größere Höhe bevorzugen.

Der zweite Baum, der im Bett liegend lange mein Herz erwärmt hat ( besonders, als ich einmal mit einer Angina während seiner Blüte ans Bett gefesselt war ), war der beachtliche Birnbaum im Garten unserer Nachbarn zur Rechten. Auch er fiel der Säge zum Opfer, weil er nicht mehr gesund genug war und den Nachbarn zu viel Schatten gespendet hat. Ihm, wie der großen Zahl anderer Bäume, die in unserem Häusercarrée wuchsen, habe ich beim Fällen immer hinterher geweint, selbst den düsteren Koniferen, als ihre Eigentümerin sie hat entfernen lassen. Inzwischen ist aus der Vogelperspektive nur noch mein Grundstück und das der Nachbarin gegenüber grün von Bäumen, abgesehen von einer mächtigen Robinie in der südöstlichen Ecke. Als wir das Haus vor fast vierzig Jahren gekauft hatten, war es genau umgekehrt gewesen.

Zum  Glück sind  meine eigenen, vor 38 bzw. 37 Jahren gepflanzten Bäume inzwischen so groß, dass sie mir Schutz & Schirm sind, ein für die Augen wunderbar erholsames Grün, Schatten für meine allergiegeplagte Haut, Früchte und vor allem unendliche Freude das ganze Jahr über bieten. Dabei war die mittlerweile haushohe Magnolie einst nicht mehr als ein Bäumchen mit gerade mal drei Trieben! 

Meine Bäume, auch wenn ich nicht mehr darin herumzuklettern vermag, gehören zu meinem Fitnessprogramm, besonders im Frühjahr und Herbst, wenn ich tagelang mit dem Auffegen der Blütenblätter bzw. des Laubes beschäftigt bin. Aber das macht in diesen Jahreszeiten ja auch irgendwie Spaß.

Auch an der Schule, an der ich am längsten unterrichtet habe, habe ich mich mit meiner Baumliebe verewigt: Dort steht eine Esskastanie, die ich zusammen mit meiner damaligen Klasse bei einem Wettbewerb der Stadt gewonnen hatte. Die hat sogar die Belastung durch eine Umsetzung während einer Neubauphase auf dem Schulhof überstanden und trägt inzwischen die Früchte, wie es sich die Kinder meiner Klasse gewünscht hatten. Die sollten den Tieren überlassen bleiben, so, wie die  meisten Kirschen an meinem zweiten Hausbaum, die Amseln in der Zeit nach dem Brüten wieder auf die Beine helfen oder den Alexander- oder  Halsbandsittichen ermöglichen, in unseren Breiten gut zu leben.

In den letzten Jahren mit seinen unerbittlichen Klimaveränderungen sind viele Bäume bei uns in einen bedauernswerten Zustand  geraten, der meines Erachtens nicht mehr zu übersehen ist.  Gewünscht hätte ich mir und vor allem den jungen & jüngeren Leuten, die sich in den letzten Jahren eingesetzt haben, mehr Bundesgenoss*innen im Kampf um den Erhalt einer unserer  wichtigsten Lebensgrundlagen. Ein Leben ohne Bäume ist für uns nicht möglich, das sollten wir uns immer wieder klar machen, und mir sind sie das, was anderen ihr Hund oder ihre Katze ist: des Menschen bester Freund. Das ist auch fünf Jahre, nachdem ich diesen Post verfasst habe, immer noch so. 

Jetzt seid ihr wieder dran, ihr Lieben, die ihr mit mir diese Baumliebe teilt! Was habt ihr in diesem Juli entdeckt, Schönes wie Bitteres? Die Verlinkung ist wieder bis zum 26. Juli möglich.

                                                                               

You are invited to the Inlinkz link party!

Click here to enter

Samstag, 1. Februar 2025

Meine 5. Kalenderwoche 2025

 "Kanzler wird man bei uns in aller Regel, 
weil die anderen Kandidaten 
noch seltsamer sind."
Friedrich Küppersbusch
"Eine Nation braucht keine Realität.
Es reicht eine Paranoia."
.....
"Hausverstand:
Das ist jene Art von Verstand, 
dem es seit Jahrzehnten verboten war, 
das Haus zu verlassen, 
weshalb er sich erfolgreich zur Paranoia  
weiter entwickelt hat. 
Hausverstand ist also Intellekt mit Stockholmsyndrom."
Severin Groebner, österr. Kabarettist
"Früher war man Punk, 
wenn man provozieren wollte, heute ist man Patriot."
Joko Winterscheidt
"Verflucht diejenigen, die das Recht der Fremden, 
Waisen und Witwen beugen! 
Und alles Volk soll sagen: Amen."
5. Buch Mose, Deuteronomium 27.19

Eskortiert von Nachbarn, Freund*innen vom Karnevalsstammtisch, ehemaligen Kolleg*innen - einer veritablen Veedelsgruppe - bin ich am letzten Samstag auf den Heumarkt gegangen. "#5 vor 12" - diese Losung war für Köln ausgegeben.


Die zehntausend Schritte waren gut angelegt. Vierzigtausend Teilnehmer sollen es gewesen sein, so die Polizei. Sehr viel "junges Gemüse" ( 🤗 ), sehr viele Altersgenoss*innen. Da trifft frau viele langjährige Bekannte, wie schön!

"Es ist nicht dasselbe
Wie an Isar und Elbe
Köln ist nicht perfekt
Köln ist einfach korrekt"

( Daniel Dickopf /Wise Guys "Köln ist einfach korrekt"; 1997 )

Bei aller Politik, blieb auch Raum für Privates: So konnte ich lange beim gemeinsamen Laufen mit einer Freundin reden, die seit nunmehr zehn Jahren Witwe ist und für sich eine Umgehensweise mit dem Verlust ( "Das Leben gehört den Lebenden." ) gefunden hat, aber auch immer wieder feststellt, dass doch recht viele Mitmenschen nicht zu fassen vermögen, was so ein schwarzes Loch in der eigenen Biografie immer wieder aufs Neue bewirkt, und wollen, dass man sie nicht damit behelligt. ( Im "Potpourri" am Mittwoch habe ich dann eine Witwe wiedergesehen, die sich nach nun schon fünfzehn Jahren immer noch monatlich mit ihrer Trauergruppe trifft und schätzt, dass dort dieses periodische Traurigsein verstanden wird. ) Was kann frau sich mehr wünschen, als Gemeinschaft?

Nachdem ich Fotos für den 12tel Blick ( den Sonnenschein ausnutzend ) "geschossen" und bearbeitet hatte, habe ich handschriftlich Briefe an CDU-Politiker*innen geschrieben, denn das, was der Kanzlerkandidat in den letzten Tagen abgesondert hat, geht auf keine Kuhhaut, verrät er doch die Seele seiner Partei, wie sie mir mein Vater noch nahe gebracht hat ( der rotiert inzwischen in seinem Grab im Dorf meiner Kindheit ). Und wo ich schon mal dran war, habe ich auf Anregung von Ghislana auch noch ein paar Dankesworte an die Bischöfin in Washington verfasst, bevor ich meinen Verveine - Tee und Berliner zur rheinischen Kaffeepause genossen habe.


Am Montag wurde es höchste Eisenbahn, meinen neuen 12tel-Blick zu fotografieren. Ich bin dann gleich quer durch die Innenstadt ( rechts ein Teil des römischen Nordtores - mein Bild der Woche ) gelaufen zu meiner Bank.

Das macht bei Sonnenschein einfach Freude ( vorbei am Kolping- Denkmal am gleichnamigen Platz mit der Minoritenkirche ).

Die "Domspitze" von Printen Schmitz - eher dem auf dem Foto abgeschnittenen Turm gleich - habe ich dann aber erst zu Hause genossen.


Ich geb's ja zu: sehnsüchtig belauere ich schon die Knospen meines Magnolienbaumes ( dabei haben wir noch sieben Wochen Winter ). Auf dem Heimweg vom Bezirksrathaus...


... hab ich mir ein Kaffeepäuschen im "Potpourri" gegönnt und eine liebe Bekannte getroffen ( siehe weiter oben ).


Da die Floristennachbarn noch im Urlaub sind, musste ich meine Alternative aufsuchen. Dabei festgestellt, dass die Kastanie, die, seit ich hier wohne, am südlichen Ende unserer Einkaufsstraße steht, irgendwie angeschlagen aussieht.


"Das ganze Internet", so der Groebner, "verwandelt sich langsam aber sicher in einen einzigen Faschingsumzug." Das ist noch sehr lustig und freundlich formuliert, und ich musste zustimmend auflachen.

Ich hatte dann an dieser Stelle einen langen Beitrag zu diesem Thema formuliert gehabt, den ich schließlich aber aus diesem Post geworfen habe. Die Ereignisse dieser Woche haben ein Gefühl verstärkt, diese Republik ist mehr denn je in einer Schlechtwetterlage gefangen, Umschwung nicht in Sicht. Es gibt nur noch ein Wahlkampfthema. Und das lässt nur noch den Schluss zu, dass es keinen interessiert, was uns, unseren Wohlstand, unsere Wirtschaft, unsere Infrastruktur, ja, unsere elementaren Lebensgrundlagen, vor allem auch für unsere Kinder & Kindeskinder, tatsächlich bedroht und angegangen werden müsste durch künftige Politik. 

Wird Politik nur noch für Blaune gemacht? Warum bekommen es so viele Politiker nicht hin, sich vor die Mehrheit der Bürgerinnen & Bürger und ihre Anliegen zu stellen?

Irgendwann muss dann aber auch mal Schluss sein mit diesem Oh-Gott-oh-Gott-wie-soll-das-nur-alles-werden-Monismus: Zur gleichen Zeit habe ich selbst, hier auf meinem Blog, viel Aufmunterndes gefunden. Auch Klickzahlen, wie seit dem Monat, in dem der Herr K. gestorben ist, nicht mehr. 

Dafür sage ich allen, die bei mir im Januar vorbeigeschaut haben, ausdrücklich


Irgendwie hat mich das aufgerichtet ( neben den Gesprächen übers Trauern & mit meinem Arzt ) in dieser bedrückenden Woche.

                        Astrid



Verlinkt mit dem Samstagsplausch & den Fotofragezeichen sowie dem Mosaic Monday.

Samstag, 21. Dezember 2024

Meine 51. Kalenderwoche 2024

"Zukunft ist das, was Menschen daraus machen."
Florence Glaub, Zukunftsforscherin

"Wer die Geschichte der Menschheit als negativ erzählt, 
beeinflusst auch die Zukunft entsprechend.
.....
Erfolg hatten in der Evolution diejenigen,
die kooperativ und sozial waren -
nicht die Stärksten.
.....
Wenn man aber Forschung und Fakten berücksichtigt, 
sind die Zyniker die Naiven"
Rutger Bregman, niederländischer Historiker

"Wenn ich eine negative Nachricht sehe, 
dann schaue ich hin, 
denn es könnte ein Säbelzahntiger sein."
Marina Weisband, ukrainisch-deutsche Publizistin

"Wie gelingt Fortschritt? 
Indem eine Gesellschaft Probleme löst 
und daraus lernt."
Rahel Jaeggi, Schweizer Philosophin


Boah! Da klingelt es letzten Samstag um Viertel nach zehn, und ich liege noch im Bett! Aus dem Fenster im 1. Stock ( die Geranien blühen immer noch! ) verständige ich mich mit dem Postboten, und er deponiert die Post auf der Fußmatte. In der Post war u.a. die schöne Brosche von Roswitha/weggefaehrtin. Sofort angesteckt und dann ein herzliches Dankeschön an dich in der alten Heimat!

Den ganzen Tag über habe ich noch aussortierten Weihnachtschmuck und mehr übers Nachbarschaftsnetz unter die Leute gebracht. Da konnte ich erst in der Dämmerung zum Supermarkt gehen. Früher habe ich das gerne gemacht und in die erleuchteten Fenster gespinkst, mein liebster Adventskalender...


Als ich Sonntafrüh wach wurde, wurde ich erstmalig der Tatsache gewahr, was da in einer Woche auf mich zukommt. Die Tochter um Hilfe gebeten, und schon konnte ich Bestellungen für Lieferdienste aufgeben und weitere Listen anfertigen. Anschließend habe ich meine muckende Overlockmaschine gründlich gewartet und den Schlafanzug fertig genäht, der seit Freitag herumlag. Dann war es Zeit, die restlichen Geschenksendungen zu verpacken, Plätzchendosen zu füllen, weitere aussortierte Weihnachtssachen unter die Leute zu bringen und schließlich & endlich mein neues MacBook mit dem alten zu synchronisieren. Zwischendurch kamen zum Glück die Nachbarn auf eine Stunde zum Tee vorbei, sonst wäre der Tag völlig ungemütlich gewesen. Ungemütlich war auch der Montag, so vom Wetter her gesehen. Bei meinem Stadtgang habe ich da  nicht fotografieren mögen.



Von der Nachbarin zur Rechten hatte ich erfahren, dass der kleine Laden von "Aktion Gruen" immer montags geöffnet ist. Und so bin ich dort endlich zu Vogelfutter gekommen, denn seit der grauslichen Mottenplage in den noch von meinem Mann angelegten Großvorräten hatte ich mir kein solches mehr ins Haus holen wollen. Aber ich mag doch meine kleinen Nachbarn so gerne und will sie durch den Winter bringen! Abends habe ich in der ARD-Mediathek den Film "Bach - ein Weihnachtswunder" angeschaut. Sehr aufwühlend! 


Ein Besuch bei der Friseurin stand  in dieser Woche an...

... und einer auf dem Friedhof ( 28 Monate ist mein Mann nun tot ),...



Der Eisenholzbaum/Parrotie im Winter




... immer wieder noch das Backen von Weihnachtsplätzchen ( Nr. 10 & 11 ), Sortieren und Schmücken und viel Simelieren über die über siebzig Weihnachtsfeste, die schon hinter mir liegen. Die Alben, die davon erzählen, habe ich aus der Schublade im Sekretär geholt.

Hinter dem "Efeugewölle" ist mein Häuschen versteckt...









Am Freitag gab es doch tatsächlich Himmelsblau & Sonnenlicht.

Am frühen Abend war ich dann in der Nachbarschaft bei Freunden zum Weihnachtssingen. Es swingte ordentlich!


Der Anfang der Jahreszeit, die so ganz die meine ist, beschäftigt mich auch immer wieder, verbunden mit Dankbarkeit, weil es nun gemächlich wieder heller wird.


Solche und ähnliche Aussagen sind mir in den letzten Wochen vermehrt in den social media begegnet. Und sie haben mich angesprochen... Sie haben mich daran erinnert, dass für mich Weihnachten lange nicht den Glanz hat wie für die Jüngeren in der Familie, wie es mir stinkt, dass dafür so ein Weihnachtsmann allen Ruhm einheimst. Und offensichtlich scheint das momentan auch immer mehr anderen Frauen so zu gehen.

Weihnachten, dass hieß für mich über mindestens zwanzig Jahre: Doppel- bis Dreifachbelastung. 

Frau K. in der unteren Reihe, Mitte
Projektthema "Engel"
Beruflich habe ich meinen Schüler*innen die schönsten Wochen des Jahres beschert: Drei Wochen Projektunterricht zu besonders ansprechenden weihnachtlichen Themen ( Engel, Sterne, Weihnachten in aller Welt z.B., immer  dem Jahrgang angepasst ). Das Herstellen eines dreizehnteiligen Kalenders mit Bildern aus dem Kunstunterricht gehörte auch Jahr für Jahr zum Programm ( und da nicht alle Kinder im Schulhalbjahr mit ihren Arbeiten fertig wurden, musste nachgearbeitet werden  und ich den Überblick behalten ). Natürlich wurde dieser Kalender liebevoll als Geschenk für die Eltern verpackt in selbst hergestelltes Papier mit einen selbst gebastelten  Gebamsel verziert. Und natürlich geschah das an den allerletzten Schultagen vor den Ferien. Und ebenso natürlich brauchte es dabei Hilfe, und jedes Kind hatte das Gefühl, zu kurz zu kommen und viele machten durch Quengeln aus meinem Hirn Haschée: 

Einmal habe ich einem Kind, dass besonders ungeduldig war, entnervt gesagt: "Dann fass mal meine Stirn an, dann weißt du, wie es mir geht." Den Ausdruck von Ekel in seinem Gesicht, nachdem es an meine Stirn, in Schweiß gebadet, gepackt hatte, habe ich bis heute nicht vergessen. Zu all dem gab es in diesen Wochen den gemeinsamen Besuch eines Weihnachtsstückes, eine Weihnachtsfeier mit Eltern, Geschwistern, Großeltern, für die Gedichte, Lieder und Musikstücke eingeübt werden mussten. Und manches Mal, wenn mein Mann oder Mütter mir den Teig zur Verfügung stellten, wurden auch Plätzchen dafür gebacken. Fragt mich nicht, unter welchen Bedingungen das in verlotterten deutschen Schulgebäuden stattfand!

Kein Wunder, dass die Kinder in diesen Wochen immer aufgeregter, ja regelrecht durchgeknallter wurden vor lauter Erwartungen an das große Fest. Frau/man stelle sich das malgenommen mit zwanzig bis dreißig kleinen Menschen vor. Jauchzet, frohlocket... 

Zuhause wartete auch ein Kind & eine große Familie auf ähnlichen Weihnachtszauber mit Besuch eines Weihnachtsstückes, mindestens eines Weihnachtsmarktes, gemeinsamem Basteln des Tannenbaumschmuckes ( jedes Jahr gab es ein neues Thema beim Kinderbaum ) oder von Geschenken für die geliebten Großeltern. Und ebenso hochgejuchert & nervlich angespannt war auch dieses Kind. 

Geschenke für alle Familienmitglieder mussten erdacht, gefunden, gekauft, verpackt werden. Mein Mann gab sich immer viel Mühe mit dem Geschenk für mich, backte seine fünfundzwanzig Stollen für Kollegen, Freunde, Nachbarn und seine Plätzchen, die bis Karneval reichten, und beförderte den Baum in den Ständer & platzierte die ( echten ) Kerzen unter feuerpolizeilich genehmen Gesichtspunkten. Er kochte auch Teile des Weihnachtsmenüs ( übrigens ganz vorzüglich ). Aber für all das andere Drumherum war ich zuständig, auch für Einkaufs- und sonstige Listen, Besorgen, Verteilen, selbstredend auch für die ganze Weihnachtspost für die auch entfernte Verwandtschaft, die jährlichen Fotokalender für die Großeltern. Und klar, habe ich kurz vor Schluss auch noch den grade verlassenen Schwager zum Essen aufgenommen und manch anderen Wunsch kurzfristig erfüllt, bevor es dann am Weihnachtsfeiertag auf die Reise per Auto zu den Eltern bzw. ( wer grad dran war ) zur Schwiegerfamilie ging. Jauchzet, frohlocket... Entspannung war anders.

Ich kann mich erinnern, dass ich einmal - da war die Tochter schon Studentin und aus dem Studienort ins Elternhaus gekommen - so erschöpft war, dass ich auf eine blöde Bemerkung von ihr dermaßen ausgerastet bin, dass ich zur "Bescherung" erst am nächsten Tag in der Lage war, als ich mich wieder eingekriegt hatte... 

Vor zwanzig Jahren hat sie dann allmählich Jahr für Jahr immer mehr übernommen ( vor allem das aufwändige mehrgängige Essen am Weihnachtsabend ) und in den letzten Jahren für mich und meinen Mann fürsorglich Weihnachtsatmosphäre geschaffen, zuletzt für mich alleine. Mittlerweile war sie selbst völlig in die übergroßen Fußstapfen des weihnachtlichen Helden getreten.

Jauchzet, frohlocket... 

Das Weihnachtswunder ergab sich - gänzlich wundersam - beim Hören der ersten Takte des Bachschen Oratoriums. Als ich mir in dieser Woche den dazugehörigen Film angeschaut habe, gab es am Schluss viele, viele Tränen aus Erinnerung an diese Magie, die dieses Fest auch für mich hatte, als ich noch Kind und unbelastet war, aber auch später, als ich mit dem mir eigenen, verfluchten Perfektionismus eine solche für meine Familie geschaffen habe. Ich bin gespannt, ob sich davon wieder etwas einstellen wird in den nächsten Tagen.

Die Inszenierung des Weihnachtsmannes, ob er Santa Claus oder Père Noël oder sonst wie genannt wird, empfinde ich inzwischen immer mehr als anmaßend und blöde. Mit Befana, der italienischen Weihnachtshexe, kann ich mich eher identifizieren. Denn zaubern, dass tun wir Frauen in dieser Zeit allemal viel mehr und besser.

                                                        


Donnerstag, 21. November 2024

Great Women #398: Lona "Muschelkalk" Ringelnatz

Ringelnatz kennt wohl jeder, jede Grundschullehrerin seine Ameisen, die in Altona auf der Chaussee schlapp machen oder den Briefmark, der da sehr viel mobiler in puncto Reisen ist. Entsprechend viele Schulen tragen seinen Namen. 'Muschelkalk' ist dann schon eher nur eingefleischten Kennern des humoristischen Reimers ein Begriff bzw. dass das der Spitzname der Frau ist, die in seinen letzten vierzehn Lebensjahren an seiner Seite gewesen ist. Lona Ringelnatz hat aber auch ein kulturell reiches Leben abseits von ihrem berühmten Ehemann geführt, über das mein heutiger Post erzählen wird.

Rastenburg
(1917)

Lona "Muschelkalk" Ringelnatz kommt als Leonharda - Rufname "Lona" - Pieper am 22. November 1898, also morgen vor 126 Jahren, in Rastenburg in Ostpreußen zur Welt. Sie ist die Tochter des Bürgermeisters der Stadt, Wilhelm Pieper, 1861 in Horsthausen bei Herne geboren, ausgebildeter Verwaltungssekretär. Die Mutter, Johanna Raske, stammt ebenfalls aus dem Westen, aus Isselburg im Münsterland. Lona ist das jüngste ihrer drei Kinder: Bruder Hans ist 1893, Schwester Gerda 1894 geboren. 

Die Familie hat schon seit einigen Jahren im deutschen Osten nach einem Umzug 1894 nach Landsberg an der Warthe gelebt, wo der ehrgeizige Vater in seiner beruflichen Karriere weiter kommen kann.

Die Mutter stirbt, da ist das Mädchen noch ein Kleinkind von zwei Jahren. Der Vater heiratet 1902 Elise Loewner, eine Ostpreußin, die Hauslehrerin bei einem Baron von Boitzenburg gewesen ist. Die wird die wichtigste Bezugsperson der Halbwaisen und noch weitere drei weitere Töchter mit Lonas Vater  bekommen: Hilde (*1904), Ursula (*1908) und Elisabeth (*1909).

Die Familie gehört zur guten Gesellschaft in der Zehntausend-Einwohner-Stadt, wohnt auf der Rastenhöhe am Stadtrand und verfügt über eine eigene Sitzbank in der protestantischen Kirche der preußischen Garnisonsstadt. Als Bürgermeister veranlasst der Vater die Erweiterung des Schienenverkehrs und lässt Wasserwerk wie Kanalisation mit Kläranlage installieren. Er engagiert sich darüberhinaus im Vorstand des Ostpreußischen Städtetages und Reichsverbandes deutscher Städte. Bürgermeister wird er bis 1921 bleiben.

Lona besucht in ihrem Geburtsort die Höhere Töchterschule, die bis zur zehnten Klasse geht. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, wird sie mit ihren drei kleinen Schwestern nach Samland, der Halbinsel, die Kurische Nehrung und Frisches Haff voneinander trennt, in Sicherheit gebracht. Dort leben sie bei einer befreundeten Gärtnerfamilie, kehren nach einem Jahr aber wieder nach Rastenburg zurück. Lona pflegt anschließend mit ihrer älteren Schwester verletzte Soldaten im Lazarett in Rastenburg.

1916 darf sie dann eine berufliche Ausbildung beginnen, da ist der Vater sehr fortschrittlich eingestellt. Für Lona wäre auch eine Ausbildung zur Lehrerin nach ihrem Schulabschluss möglich. Da sie besondere Freude an den Sprachen Englisch & Französisch hat, entscheidet sie sich für diesen Fächerschwerpunkt und wählt als Ausbildungsort Eisenach, wo Dorothea "Dora" Kurtius in der Burgstraße 16 eine entsprechende Institution mit angeschlossenem Pensionat unterhält. Mit dem Zug reist die 17jährige erwartungsfroh im Frühsommer 1916 nach Thüringen.

Dora Kurtius hat dereinst im Münchner "Simpl" den dortigen "Hausdichter" Hans Bötticher kennen & schätzen gelernt. Sie ist es, die ihm in finanziellen Nöten 1912 einen Posten eines Privatbibliothekars beim Grafen Yorck von Wartenburg vermittelt. Er besucht sie immer wieder in ihrem Eisenacher Mädchenpensionat und findet unter ihren Schülerinnen so manchen Schwarm. Auch seine Urlaube vom Kriegsdienst auf den Sperrschiffen vor der Nord- und Ostseeküste verbringt er gerne in der Wartburgstadt. Und so trifft der fast 33jährige auch auf die blutjunge Lona.

Schon am 6. Juni schreibt er ihr: "...Wenn Du so viel im Herzen wie im Kopf hast möchte ich einmal mit Dir den ganzen Wartburg-Abhang herunterkollern … sei geküsst von Deinem frechen Hans." Doch sie bleibt ihm gegenüber reserviert, einmal, weil es ihre Art ist, zum anderen ist sie mit ihren Gedanken zu Hause in Rastenburg. Dort ist die Stiefmutter gestorben, und der Vater mit den kleineren Geschwistern allein. Ihr Verhalten bringt ihr bei Hans den Namen "Muschelkalk" ein, erscheint sie ihm doch wie der harte, hochwertige Mörtel aus Muschelschalen, der an der Küste üblich ist. Nach einem zweiten Treffen bedauert sie ihr Verhalten dann aber auch schon: 

"... dass ich nicht lieber zu Dir war. Doch ich kann so schwer zeigen, was ich fühle. Glaub mir, ich hab Dich auch lieb, sehr lieb und möchte Dir so gern etwas Liebes tun." 

Hans scheint sie sich als seine Frau vorstellen zu können, wendet sich dann aber in Cuxhaven der Schauspielerin Annemarie Ruland zu, der er das Interesse am Schreiben eines Theaterstückes verdankt. Zwar dankt er Lona & ihren Geschwistern höflich für ein Weihnachtspäckchen, doch weiterer Kontakt unterbleibt und kommt erst wieder zustande, nachdem der Krieg vorbei ist und Hans ohne Sold & Uniform in Berlin zurechtkommen muss. In einem Gedicht vom 6. Dezember 1918, welches er ihr schickt, nennt er sie eine "muschelverkalkte Perle" - der Kontakt bleibt weiterhin lose. Lona ist nach ihrem Abschluss nun als Sprachlehrerin in Rastenburg tätig, wo sie im Elternhaus bei ihrem zum dritten Mal verheirateten Vater wohnt.

Im November 1919 treffen sich die beiden wieder in einer Berliner Weinstube - ein Rendezvous, das von ihrem Bruder vermasselt wird. In der weiteren brieflichen Tuchfühlung klären sie immer wieder ihre Lebenskonzepte & Emotionen. Der fünfzehn Jahre Ältere konfrontiert sie u.a. mit seinen Vorstellungen von Sexualität, was die junge Frau durchaus verwirrt. Er schreibt ihr: "Du bist noch ganz verstrickt in die schmutzige Wolle, mit dem die kleinliche Bourgeoisie ihre Kinder umspinnt."

Doch Lona mag ihn sehr, ihn, der nun so zielstrebig als Dichter Jochim Ringelnatz durchstarten will, und fasst ein gemeinsames Zusammenleben ins Auge.

Hans Gustav Bötticher, am 7. August 1883 im sächsischen Wurzen als Sohn eines Musterzeichners und später hauptberuflichen Verfassers von humoristischen Versen und Kinderbüchern auf die Welt gekommen, verbringt seine Kindheit & Jugend in Leipzig, wo er als Schüler auffällt ( Lehrerurteil: "ein Schulrüpel ersten Ranges" ) und schließlich mit dem Einjährigen-Freiwilligen-Examen (Obersekundareife) abgeht, um ab 1901 als Schiffsjunge auf einem Segelschiff zu arbeiten. 
Doch auch das glückt ihm nicht vollends, und er wird letzten Endes dreißig Berufe während dieser Zeit ausüben, hungern und darben, bis er 1904 Militärdienst bei der Kaiserlichen Marine ableisten bzw. im Jahr darauf als unbezahlter Lehrling in eine Hamburger Dachpappenfirma tätig werden kann. Er verfasst gleichzeitig Gedichte und malt Ölbilder. 
Über Stationen in Frankfurt/Main & Amsterdam gelangt Hans Bötticher als Buchhalter in ein Münchner Reisebüro. Die Stelle erschleicht er sich mit der Behauptung, fünf Sprachen zu sprechen. Mehr Erfolg verschaffen ihm seine Auftritte in der Münchner Künstlerkneipe "Simpl" und Buchveröffentlichungen wie Zeitschriftenbeiträge & Gedichte. Finanziell wird er aber ausgenutzt, so dass er nach Tirol, Riga, Kurland ausweicht. Es folgen Tätigkeiten als Bibliothekar, Fremdenführer, Schaufenstergestalter, bevor er sich bei Kriegsbeginn freiwillig zur Marine meldet. Nach Kriegsende sympathisiert er kurzzeitig mit der Novemberrevolution und nimmt das Pseudonym Joachim Ringelnatz an, mit dem er ab da seine Gedichte  unterzeichnen wird.

Die Zeitgeschichte erschwert das alles: Hans muss als ehemaliger Soldat nach München zurück, so die Vorschriften der Demobilisierung. Und Lona erhält eine Stelle als Lehrerin in Godesberg bei Bonn. Als er von der "Simpl"-Wirtin Kathi Kobus ein Angebot über 1200 Mark Gage erhält, drängt er auf Hochzeit. Ja, er wird richtig ungeduldig, auch weil der künftige Schwiegervater so lange zögert, auf sein durchaus sehr bürgerlich abgefasstes Heiratsgesuch zu antworten, und Lona lieber einen gemeinsamen Wohnsitz in Rastenburg nehmen würde. Es geht viel Post hin und her, es wird argumentiert und gefordert - der so kesse Dichter hat da so seine patriarchalischen Vorstellungen vom "Hausgeistchen"  und was er tun wird, "wenn Muschelkalk in meinen Händen nicht das wird, was ich erhoffe?", da wird mir beim Lesen ganz schwummerig! Die junge Frau gibt nach und zieht nach München.

Hochzeitsfoto
Überraschenderweise kommt "Muschelkalk" bei der Bohème im "Simpl" gut an, und am 7. August 1920 - Ringelnatz' 37. Geburtstag - findet die Hochzeitsfeier bei einer Frau namens Friedländer statt, die derartiges privat veranstaltet. Lona ist gerade mal 21 Jahre alt.

Einen Tag später wird im "Simpl" gefeiert und am 17. August erfolgt die standesamtliche Trauung mit anschließendem zweisamen Essen in einer Weinstube. Dort trägt der Dichter seiner jungen Frau das berühmte "Ansprache eines Fremden an eine Geschminkte vor dem Wilberforcemonument" vor: 

Das ist nun kein richtiger Scherz.
Ich bin auch nicht richtig froh. 
Ich habe auch kein richtiges Herz.
Ich bin nur ein kleiner, unanständiger Schalk.
Mein richtiges Herz. Das ist anderwärts, irgendwo
Im Muschelkalk.

So der Schluss des Gedichts...

Trotz vollkommen neuer Umgebung, politischen Unwägbarkeiten, der  Zugehörigkeit zur Bohème - Lona wird später über diese Phase formulieren:

"Es war schon eine turbulente Zeit, diese Jahre nach dem ersten Weltkrieg, die Kokainzeit... nun, mir hat das alles nicht geschadet, obwohl ich die jüngste in unserem Kreis war." ( Quelle hier )

Das erste Mal lebt sie so nah bei ihrem und mit einem Mann ( zunächst in seinem Einzelzimmer ), der sehr eigenwillige Gewohnheiten & Vorlieben hat. Schließlich können die beiden als Schwarzmieter in eine Zweizimmerwohnung in der Hohenzollernstraße 31a/Gartenhaus in Schwabing ziehen. Zehn Jahre werden sie dort bis zu ihrem Umzug nach Berlin im Februar 1930 bleiben. Von ihrer beider Angst vor Ausweisung aus der Wohnung legt das Gedicht "Angstgebet in Wohnungsnot" (1923) Zeugnis ab. 

Auch sind sie in  immer wieder in Geldnot. Ringelnatz arbeitet aushilfsweise als Prüfer der Postüberwachungsstelle in München und tritt wieder im "Simpl" auf, sie gibt Sprachunterricht und untervermietet ein Zimmer. Die Wohnung ist ein sehr persönliches Museum mit Kuriositäten, die Ringelnatz aus aller Welt gesammelt hat und Zeichnungen wie Malereien befreundeter Künstler an den Wänden wie auch Skulpturen, darunter der heute berühmte Ringelnatzkopf von Renée Sintenis, und einer penibel geführten Bibliothek.

Lona ist nie aufs Hausfrauendasein vorbereitet worden, lässt ihren Mann kochen ( was der gerne tut ), wäscht allerdings die Wäsche im entsprechenden Kessel in der Gemeinschaftswaschküche, lässt sich aber auch gerne von ihm zum Ausgehen bewegen. Vor der Inflation kann das Paar im Laufe der Zeit dann so viel Geld sammeln, dass ein Hauskauf avisiert wird ( die Inflation macht einen Strich durch die Rechnung ). 

Schon wenige Wochen nach der Eheschließung hat Ringelnatz ein Engagement im Berliner Kabarett "Schall und Rauch". Dabei lernt er den weltbekannten Stummfilmstar Asta Nielsen kennen, die seine Darbietungen schätzt. Auch der Bremer Silberwarenfabrikant Carl Wilkens wird ein Fan und lässt in die Mitte einer massiven Holztür seines neuen Geschäftes den Kuttel Daddeldu schnitzen. So heißt die Kunstfigur, mit der der Künstler, gekleidet in einen Matrosenanzug, nun auftritt.

Das junge Ehepaar ist also immer wieder für längere Zeit getrennt und führt eine ausführliche Korrespondenz. Daraus kann man die Konfliktpunkte in der Beziehung ablesen: Sie kann nicht gut mit Geld umgehen, er gibt Grund zur Eifersucht, hat doch die junge Frau alles auf eine Karte gesetzt und sich für den lebenserfahreneren Mann entschieden. Auch Wäsche wird mittels Post hin und her geschickt, schmutzig oder gewaschen.

Ein Glücksfall ist für uns heute, dass Lona seine wie ihre Briefe systematisch sammelt, später mit Schreibmaschine abschreiben lässt und eine Kopie an einen Sammler in Halle weitergibt. Auch seine Gedichte & seine ganzen Manuskripte schreibt zunächst sie selbst auf der Schreibmaschine ab, verschickt diese, liest Korrektur der Bücher, die zur Veröffentlichung anstehen, und kümmert sich um weitere Engagements ihres Mannes. Lona scheint alles zu geben, um ihm, den aufsteigenden Star der Kabarettszene, zu unterstützen.

Eher selten kann sie ihn an seinen Auftrittsorten besuchen, dazu ist dann doch nicht genug Geld da. Während er zwei Singlereisen - 1925 nach Paris und 1928 nach London - unternimmt, beschränkt sie sich auf Familienbesuche in Rastenburg und sucht Unterhaltung & Abwechslung in München - die Stadt mag sie inzwischen gern. Ihre anfängliche Zurückhaltung in der Münchner Gesellschaft legt sie bald ab, kann locker Konversation betreiben und wird sehr beliebt in einem immer umfangreicheren Freundeskreis, darunter auch etliche künstlerisch tätige Frauen. Eine Freundschaft entwickelt sich auch mit dem Ringelnatz-Verehrer Dr. Julius Gescher aus Traben-Trarbach an der Mosel, der das Paar 1925 zum Weihnachtsfest in das Haus seiner Mutter einlädt.

Sie wird auch immer versierter im Umgang mit Verlagen & Verlegern, lernt Einzelheiten der Buchherstellung kennen, die Bedeutung von Rezensionen, Honoraren und Tantiemen. Zunächst erscheinen nur kleine Heftchen mit Ringelnatz-Poemen von weniger als 20 Seiten bei Alfred Richard Meyer, später entwickelt sich der Kontakt zum Verlag Kurt Wolff und die ersten, bis heute bekannten Gedichtbände kommen heraus. Auch Prosa von ihm wird ab 1922 veröffentlicht. Später wird er seine Bücher selbst illustrieren oder die Umschläge entwerfen. Schließlich kann er über die Berliner Galerie von Alfred Flechtheim Bilder im Wert von 64.000 Mark verkaufen, was er seiner Frau mit Freuden mitteilt.

Lona in München ist nun sein unabkömmlicher  "Lebensadjudant", führt all seine Bücher, was dem Ordnungsmenschen sehr wichtig ist, einmal darüber, wann & wo welcher Text angenommen worden ist, wie hoch das Honorar bzw. wann es gezahlt worden ist. Ein anderes Buch vermerkt, wann welches Manuskript verfasst und/oder gegebenenfalls überarbeitet worden ist. Und dann gibt es noch ein "Kritikenbuch" bzw. ein Adressbuch ( vergleiche auch dieser Post ).

Lona sammelt auch in Umschlägen die Kabarett-Plakate von seinen Auftritten, alles gesondert in Kartons mit "Erledigt" oder "Unerledigt" auf dem Etikett. Ihr Mann hat durchaus selbst einen Überblick, aber die Kontakte zu den verschiedenen Kabaretts hält Lona und schreibt dafür launige Briefe, von denen selbst er entzückt ist.

Seine Reisen als Künstler kommen dem natürlichen Drang des Dichters nach Veränderung, nach Erlebnis und Abenteuer lange entgegen, erschließen sie ihm doch neue Schauplätze und bringen Inspiration für immer neue Gedichte, die unterwegs notiert werden. Doch Lona nimmt auch immer mehr die Schattenseiten dieses Lebens wahr:

"Abgesehen von den wenigen literarischen Kabaretts, wie Wolzogens Schall und Rauch oder der Wilden Bühne der Trude Hesterberg in Berlin, mußte Ringelnatz sowohl in Berlin als auch in anderen Städten in ganz gewöhnlichen Tingeltangels zusammen mit Tanz-Girls, primitiven Komikern usw. auftreten."

Gegen Ende der zwanziger Jahre erstarkt zudem die politische Reaktion deutlich, und das Leben als Kabarettist wird durch den wachsenden Nazieinfluss immer mehr erschwert. Besonders in München, der von diesen anmaßend als "Hauptstadt der Bewegung" beanspruchten Stadt, verschlechtert sich das politische wie das kulturelle Klima zusehends. "Aus der dümmsten Stadt in der Welt" ziehen die Ringelnatz schlussendlich im Frühjahr 1930 nach Berlin und richten sich in einer Atelierwohnung am Sachsenplatz ein. Sie sind jetzt 32 bzw. 47 Jahre alt.

Wohnhaus Sachsenplatz, heute Brixplatz
Wirtschaftlich geht es ihnen zunächst ganz gut. Lona kann als freie Mitarbeiterin im Verlag Internationale Bibliothek arbeiten, fertigt Übersetzungen an, vervollkommnet ihr Fähigkeiten auf der Schreibmaschine und lernt Spanisch. Das Paar wohnt in einem Teil der Stadt, in dem Prominente ihre Nachbarn sind wie Paul Hindemith, Max Schmeling und Anny Ondra, Veit Harlan und die Schauspieler Hilde Körber & Walter Rilla, Heinrich George, Berta Drews, Paul Wegener zu ihrem Freundeskreis gehören. Auch intensiviert sich der Kontakt zu Asta Nielsen & Renée Sintenis. Noch herrscht ein fröhliches Miteinander und ein tolles Einweihungsfest wird am Sachsenplatz gefeiert.

Beim "Geheimen Kinder-Spiel-Buch" ( 1931) verlangt die Zensurbehörde den Vermerk "Nur für Erwachsene" auf dem Einband. Bald dürfen einige der Ringelnatz - Gedichte aus vorwiegend moralischen Gründen nicht mehr veröffentlicht werden. Das schränkt die Existenzgrundlage des Ehepaares ein. Dennoch gewinnt Lona immer mehr Selbstsicherheit & Selbstbewusstsein, kontrolliert die Tantiemenzahlungen und managt Konflikte ihres sehr leicht aufbrausenden Mannes geschickt. Was die Bewältigung des Alltags anbelangt, ist sie ohnehin die Überlegene. Auch schafft sie sich ein weiteres Standbein als Lehrerin für Stenografie.

Den Beeinträchtigungen, denen sie sich durch den Umzug aus München zu entgehen gehofft hatten, entgehen sie aufgrund der hitlersche Machtübernahme nicht. Ringelnatz - Veröffentlichungen bei Rowohlt befinden sich zunächst in der Grauzone und im Juli 1933 kann noch die Gedicht-Sammlung "103 Gedichte" publiziert werden. Im Oktober erhält er dann allerdings ein Auftrittsverbot. Dass es dem Dichter auch physisch nicht gut geht, ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu übersehen.

Einmal noch darf Ringelnatz zu einem Gastspiel in die Schweiz reisen. Todkrank kommt er im Februar 1934 mit dem Flieger nach Berlin zurück. Seine seit langem schwelende Magen- und Lungentuberkulose ist zum Ausbruch gekommen. 

Der Freund Julius Gescher verschafft ihm über seinen Freund, den Arzt & Dichter Gottfried Benn, einen Platz im Sanatorium "Waldhaus Charlottenburg" in SommerfeldDen Sommer 1934  kann er noch dank eines Spendenaufrufes von Freunden in dem Sanatorium in der Nähe von Berlin verbringen. Lona besucht ihn regelmäßig, liest ihm englischsprachige Literatur vor, aber auch Märchen, spielt mit ihm Schach, packt ihm kleine "Scherzverschen" unters Kopfkissen oder lässt diese ihm beim Frühstück durch die Schwester zukommen. Aber auch mitgebrachter Alkohol ist ihm ein Trost.

Über den Stand seiner Erkrankung unterrichtet ihn sein Arzt bewusst nicht. "Sie ist über seinen Zustand aufgeklärt", schreibt ihre Biografin Barbara Hartlage - Laufenberg hier. "Aber glauben will sie es nicht."

Im Oktober kehrt er in die gemeinsame Wohnung zurück, schreibt immer noch, hat literarische Pläne. Seine Frau spricht von einem "traurigen Idyll" und lebt mit ihm in dem Bewusstsein, dass das Ende nah ist. Am 17. November 1934 ist die Lebenskerze des Joachim Ringelnatz' dann abgebrannt. Die 36 Jahre alte Lona steht nun alleine da. Den Rest ihres Lebens wird sie sich darum bemühen, dass sein Werk überlebt. Nachlasspflege und alltäglicher Existenzkampf werden die nächste Zeit prägen.

Lona muss die Wohnung aufgeben und zieht in die Achenbachstraße, vergräbt sich jedoch nicht. Sie nimmt eine Stelle beim Kunst- & Antiquitätenhändler Wertheim an - auf die Tantiemenzahlungen von Rowohlt kann sie sich nicht verlassen. Sie tippt weiter unveröffentlichte Ringelnatz - Texte ab und bereitet Schwarzweiß-Fotos von 20 seiner Gemälde vor.

Mit dem gemeinsamen Freund Hans Siemsen, Exilant in Frankreich, unterstützt vom Lektor Franz Hessel ( siehe auch dieser Post ), bringt sie seine noch unveröffentlichten Texte heraus ( "Der Nachlaß", 1935 ) und stellt mit u.a. dem Verleger Karl Heinz Silomon das Buch "In memoriam Joachim Ringelnatz" zusammen, das 1937 als Privatdruck in kleiner Auflage erscheint, finanziert durch einen Mäzen und eine erste aussagekräftige Darstellung seines Lebens und Wirkens. Wäre dieses Buch in falsche Hände geraten, hätte das für Lona den Weg ins KZ bedeutet...

Ihre Arbeit bei Wertheim verliert sie, als der innerhalb von vier Wochen sein Geschäft schließen muss, kommt aber zu einer Halbtagsstelle bei einem Städtebau-Architekten und wird freie Lektorin bei Rowohlt, indem sie Gutachten zu englisch- & französischsprachiger Literatur erstellt. An Freund Siemsen schreibt sie einmal: "Mir geht es bis auf das verlorene Ringelnatz - Dasein gut."

Im Sommer 1938 verliert sie allerdings auch wieder ihre Arbeit bei Rowohlt, weil der Verlag Berufsverbot erhält. Inzwischen hat sich eine romantische Beziehung zu Julius Gescher entwickelt, und Lona ist von ihm schwanger. Ihn zu heiraten, weist sie erst einmal weit von sich. Als der gemeinsame Sohn Norbert am 14. Dezember 1938 gesund zur Welt kommt, ist sie überglücklich & erleichtert, dass sie als Vierzigjährige alles heil an Leib & Seele überstanden hat. Ein paar Wochen später heiratet sie dann doch Julius Gescher, zieht zu ihm und befindet sich erstmals in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen, hat ein Kindermädchen und arbeitet in der Praxis ihres Mannes im Büro. 

Mit ihrem Sohn
( 1942 )

Zu Beginn des Krieges wird Julius Gescher im Berliner Westend für ein Reserve-Lazarett dienstverpflichtet. Dort kann er die Erstausgaben und Gemälde von Joachim Ringelnatz in einem Keller einlagern - zum Glück: Als 1943 bei einem schweren Angriff auf Berlin ihre Wohnung völlig ausbrennt, ist auch Lona mit ihrem kleinen Sohn im Luftschutzkeller des Krankenhauses. Anschließend zieht sie mit dem Jungen zu ihrer Schwiegermutter an die Mosel. Norbert wird dort 1944 eingeschult, Lona hat immerhin Kontakt zu zwei anderen Frauen. Ihr Mann kommt in seinen Urlauben zu Besuch, auch Weihnachten 1944.

Das ist ihr letztes Wiedersehen: Am 25. Mai 1945 stirbt Julius Gescher in Berlin an einer Infektion mit Scharlach, die er sich bei der Operation eines erkrankten Soldaten zugezogen hat. Lona ist noch keine 47 Jahre alt und zum zweiten Mal Witwe, dazu alleinerziehend.

Von Geschers Tod erfährt sie erst Monate später, im Juli gerüchteweise, dann im September amtlich. Sie versucht ein Übersetzungsbüro aufzumachen, verdingt sich dann aber als Dolmetscherin bei der Militärdienststelle in Zell an der Mosel. Erst sind dort Amerikaner, dann Franzosen, auch im Haus der Schwiegermutter einquartiert. Doch Lona will zurück nach Berlin, verträgt sie doch das schwülwarme Sommerklima an der Mosel nicht ( was ich gut verstehen kann ). 

Auf eine Zuzugsgenehmigung muss sie länger warten, und in Berlin braucht sie ja eine Wohnung. Ein Glück ist, dass sie in Berlin den fast zwanzig Jahre jüngeren ehemaligen Drucker & Lektor bei Rowohlt & Kleinverleger während der Nazizeit, Karl Heinz Henssel, kennt. Und der erhält sogar als einer der ersten 1946 von den Alliierten eine Druckerlizenz. Zunächst wird aber nur der kleine Norbert von einer Vertrauten Lonas nach Berlin gebracht, wo er bei den Henssels wohnen kann. Der ist es auch, der Lona zunächst zu einem Zimmer, dann einer Wohnung in Zehlendorf verhilft.

In seinem Verlag kann sie dann auch bald als Übersetzerin und Lektorin für 450 Reichsmark arbeiten. Im März 1949 hält sie ihre erste Übersetzung von Gedichten des späteren Nobelpreisträger Saint-John Perse in den Händen. Sie ist wohl stolz darauf, dass sie Eigenes schaffen kann, und legt Wert darauf, dass sie bei Henssel wie anderen Verlagen als Leonharda Gescher aufgeführt wird.

Nachdem Deutschland durch die Nazis von neuen Entwicklungen auf künstlerisch-literarischem Gebiet ausgeschlossen gewesen ist, besteht ein großer Appetit auf das, was anderswo geschrieben worden ist. Übersetzungen sind also gefragt, und Lona ist da ob ihrer Sprachkompetenz prädestiniert. Zunächst erarbeitet sie allerdings mit Henssel erst einmal ein 500-Seiten- Sammelband mit Ringelnatz-Gedichten, der 1950 unter dem Titel"Und auf einmal steht es neben dir" herauskommt. Zum 70. Geburtstag ihres Mannes 1953 kommt eine billigere Ausgabe mit Gedichten in die Buchhandlungen, von ihr ausgewählt.

Ab 1954 erscheinen drei ihrer Übersetzungen der Bücher von Monique Saint-Hélier, einer Schweizerin & Freundin Rilkes, im Suhrkamp Verlag. 

Für diesen Verlag übersetzt sie auch "Moderato Cantabile" von Marguerite Duras ( siehe dieser Post ) und für den Verlag Hoffmann & Campe Michel de Castillos "Elegie der Nacht", ein Buch, dass die Leser der Nachkriegszeit aufrüttelt. Der Autor beschreibt darin die Leidensgeschichte des Jungen Tanguy im KZ Mauthausen - seine eigene Geschichte! 1960 wird diesem Buch der Sonderpreis des Deutschen Jugendbuchpreises verliehen. Ein kleiner Erfolg auch für die Übersetzerin!

Für Henssel überträgt sie auch 1956 "My Left Foot" ( dt. "Mein linker Fuß" ) des Dubliners Christy Brown, 1957 "Haunted Land" ( dt. "Wir sind erst achtzehn doch alt wie Berge" ) des Australiers Randolph Stow und 1958 "The Lost World of the Kalahari" ( dt. "Die verlorene Welt der Kalaharen" ) des Südafrikaners Laurens van der Post, alle aus dem Englischen. In den 1960er Jahren vertraut ihr der Rowohlt Verlag Texte des bedeutenden afroamerikanischen Schriftstellers James Baldwin an, die in ihrer Übersetzung 1963 herauskommen: "Schwarz und Weiß oder Was es heißt, ein Amerikaner zu sein" ( verärgert ist sie, weil bei diesem Buch der Name "Ringelnatz" verwendet wird ). Insgesamt übersetzt sie in der Nachkriegszeit neunzehn Bücher.

Lona (1959), Norbert Gescher (o.J.)
Außerdem veröffentlicht Lona 1964 einen Teil der Briefe, die Ringelnatz ihr geschrieben hat, versehen mit erläuternden Zwischentexten unter dem Titel "Reisebriefe an M". In diesem Fall, die mit dem Werk von Ringelnatz zu tun haben, tritt sie wieder als Muschelkalk Ringelnatz auf, sie nutzt also unterschiedliche Namen, um jeder ihrer verschiedenen Lebenssituationen ihr Recht zu lassen. Sie wird betonen, dass ihr ihre Nachkriegstätigkeit ein Stück eigenes Leben bedeutet hat, die ihr auch  durchaus Anerkennung in den Feuilletons  verschafft. Ihr gilt aber auch das Verdienst, dass die Werke ihres Mannes in der Nachkriegszeit gleich wieder präsent sind ( und dadurch sich bis heute großer Bekanntheit & Beliebtheit erfreuen ).

Seit 1957 wohnt Lona in der Klopstockstraße in der Nähe des Bahnhofs Zoo, nachdem der Sohn Abitur gemacht und ein Studium der Theaterwissenschaften aufgenommen hat ( später geht er auf eine Schauspielschule ). Der Sohn wird auch die Nachlassverwaltung für Joachim Ringelnatz & seine Werke übernehmen.

Zu Beginn der 1970er Jahre lassen Lonas geistige Fähigkeiten nach und sie kann nicht mehr alleine leben. Ihr Sohn dreht mit seinem Freund Dieter Schwarz 1972 einen 30-minütigen Film, der an ihrem 75. Geburtstag 1993 vor einem kleineren Kreis aufgeführt wird.

Schließlich wird Lona in der Bonhoeffer- Klinik, einer Einrichtung für psychisch Kranke, untergebracht, die damals auch Menschen mit Demenz aufnimmt. Doch Sohn Norbert übernimmt die Vormundschaft und Verleger Henssel erreicht über einen befreundeten Arzt, dass sie in einer Klinik des Theodor-Wenzel-Werks untergebracht wird. Die Ringelnatz - Tantiemen reichen für die Finanzierung des Aufenthaltes. Dort stirbt Lona Ringelnatz am 26. Februar 1977 mit 78 Jahren. 

In seiner Todesanzeige im Berliner "Tagesspiegel" bittet der Sohn um Spenden für die "Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger" statt Blumen & Kränzen - eine Hommage an ihren ersten Mann, der das Meer über alles geliebt hat. Sie selbst ruht auf dem Friedhof Heerstraße im heutigen Ortsteil Berlin-Westend an der Seite ihres zweiten Mannes Julius Gescher.

2020/21 sorgt eine Ausstellung im Cuxhavener Ringelnatz-Museum dafür, dass mit dem Namen "Muschelkalk" eine ganz konkrete Person, eine Frau aus Fleisch & Blut, die mehr als die Hälfte ihres Lebens ganz für sich allein existiert hat, verbunden werden kann - gut so, finde ich.

       

 

Auch heute wieder die Verlinkungen zu den Posts der Frauen, die in der vergangenen Woche einen Gedenktag hatten: