Samstag, 25. Januar 2025

Meine 4. Kalenderwoche 2025

 "Ich glaube, 
wir können uns respektvoll widersprechen
 und unsere Ideen äußern
 und weiterhin für die Überzeugungen eintreten, 
die uns gegeben wurden, 
ohne zu Gewalt in der Sprache zu greifen."
Mariann Edgar Budde

"I knew one day I’d have to watch powerful men 
burn the world down – 
I just didn’t expect them to be such losers. 
.....
It’s time for us to start getting revenge on the nerds."

"Weil wir aber vom Zeitalter der Vernunft 
ins Zeitalter der Mythen 
und Symbole übergetreten sind,
 ist es würdig und recht, 
den Orangenator Pmurt zu nennen."
Kurt Kister


884 Tage ist es jetzt her, seit ich unfreiwillig Single geworden bin. Weil die Sonne mal willig und mein verabredetes Treffen krankheitsbedingt ausfallen musste, bin ich mit der Bahn zum Friedhof gefahren. 


Ich wollte mich über meinen Status beim Verursacher beklagen. ( Ja, manchmal kippt die Stimmung. )


Und dann ergab sich ein Gespräch mit einer anderen Witwe im Bestattungsgarten. So viele Empfindungen, Erfahrungen, Lebensperspektiven gemeinsam! Plötzlich war wieder da: Unser Leben, auch jetzt, auch unter diesen Bedingungen, ist schön & es allemal wert.

Schon immer fand ich den Denker im Rosenrondell des Friedhofes meinem Mann ähnlich. Der hatte auch solch klassisch - griechisches Profil und leicht gelocktes Haar, damals, beim Kennenlernen.



Mir ging's nachher wieder gut. Meine Alternative für den Samstagabend - ein karnevalistisches Singen - lockte mich dann allerdings nicht mehr.

Nach einer weiteren Frostnacht in diesem Januar von knapp -5°C und aufkommendem Nebel war mir nach Wärme zumute. Also habe ich mir Schakschuka gemacht und...

... noch einmal mein neues Kleid aus molligem Nickistoff angezogen ( wo doch die Zitronenfalterin in dieser Woche nach dem Lieblingsoutfit fragte ). Die austauscharme Luft voller Feinstaub triggert mal wieder meine Atemwege, wie sie es tut, seit ich als Kind in die Köln-Bonner-Bucht "verschleppt" worden bin. Zum Glück habe ich mir auch in diesem Winter bisher keinen akuten Infekt eingehandelt, so dass ich damit zurechtkommen kann. Rausgehen mag ich dann nicht unbedingt. Beim Gang zum öffentlichen Bücherschrank blieb es.

Frau K. braucht einen neuen Personalausweis. Daher ging es am Montag von Kopf ( Friseurin ) bis Fuß ( Podologin ) gepflegt zum Fotografen. Auf dem Heimweg begegnete mir diese Frage. Die Antwort ist klar ( gerade & erst recht an DIESEM Montag ): Philanthropin.

Ich hab diesmal nichts verfolgt, weder im Radio, noch in den social media, noch bei meinen Online-Zeitungen, dieses Spektakel um Dlanod Pmurt ( O-Ton Kurt Kister ). Gemessen an dem, was auf meinem Blog los war, haben sich da auch ganz viele abgelenkt und plötzlich wurden Great-Women-Posts aufgerufen, wat dat Zeuch häld. Ich hab gelesen und mir Ofengemüse gemacht.

Eigentlich mag ich diesen Anblick aus dem Badezimmerfenster wie der am Dienstagmorgen... Und nochmal wurde das Kleid angezogen, da so wohlig auf der Haut und somit der Seele. ( Dann kam es in die Wäsche. 😂 )

Aber so richtig behaglich war mir mental immer noch nicht ( und nach dem neuen Attentat erst recht nicht ). Das Epigramm von 1953 von Erich Kästner weckte am Mittwoch allerdings auch meinen Widerstandsgeist:

Eine Mutfrage 
 
Wer wagt es,
sich den donnernden Zügen entgegenzustellen? 
Die kleinen Blumen zwischen den Eisenbahnschwellen.

Ich geb das mal gerne an alle meine Leser*innen weiter. Mariann Edgar Budde, Bischöfin der Episkopalkirche der Vereinigten Staaten, ist so eine "kleine Blume". ( Natürlich wird sie wieder als "links" geframt, ist sie tatsächlich jedoch nur ihrem Gott gegenüber verantwortlich. )

Wenn Kirchenmenschen so klar verständlich, wahrhaftig, unverschwurbelt und ruhig sprechen, ist auch eine Agnostikerin wie ich immer wieder bereit, ihre Haltung zu Religionen zu überdenken...

Ich halte es da in vielem mit Kurt Kister, der mir diese Woche schrieb:

"Wenn ein Politiker oder eine Politikerin, eine Partei oder ein Monarch sich darauf beruft, von Gott auserwählt, gesandt, gerettet oder beauftragt zu sein, ist allerhöchste Vorsicht geboten. Der Allerhöchste nämlich hat schon lange keine Aufträge mehr erteilt, wenn er es denn jemals getan hat. Zum Beispiel ist jeder Versuch, Gebietsansprüche mit göttlichem Willen zu begründen, metaphysischer Imperialismus, der keinen Deut besser ist als nackter Imperialismus."

Mit ihm stimme ich auch in der Idee überein, - wenn Gott denn je mit im Spiel sein sollte - "könnte dies auch darin bestehen, den unbotmäßigen Menschen wieder einmal, noch einmal eine Prüfung aufzuerlegen. Pmurt jedenfalls übererfüllt alle Kriterien, die für eine göttliche Prüfung nötig sind."

Auf die "Habenseite" dieser Woche gehört das Geburtstagspäckchen von Karin, dass im 2. Anlauf endlich zu mir gefunden hat - vielen Dank für Zitronensirup & bunte Ringelsocken! - und das gemeinsame Essen mit Schwägerin & Freund, ebenfalls ein nachgeholtes Geburtstagsereignis. So was habe ich diese Woche gebraucht. Und viel RUHE. Die konnte ich aber fotografisch nicht abbilden.


Springer und die Erfahrungen mit seinen politischen Kampagnen gehören zu meinem Lebensweg von frühester Jugend an. Verlogen & verleumderisch und misanthropisch bis aufs Hemd - nicht mein Verständnis von gutem Journalismus! Was der Verlag und sein oberstes Revolver-Blatt sich diese Woche wieder mal in Richtung Manipulation - ich möchte glatt sagen: Volksverblödung bis -verhetzung - geleistet haben, als sie den eindeutigen Auftritt von E. Musk bei der Inauguration klein geredet bzw. als irritierend - seltsame Geste in den Bedeutungskontext ( "Framing" ) "so sehen das nur LINKE" gesetzt haben, hat mich bestätigt. Es ist ja nicht das erste und einzige Mal. ( Mittlerweile gibt es sogar schon eine kleine Bewegung, die das Boulevardblatt in Zeitschriftenauslagen unter anderen Blättern versteckt oder in den hinteren Fächern versenkt. )

Nur mal zur Kenntnisnahme: Inzwischen gehört der Verlag zu 35,6 % einem amerikanischen Großkonzern, einer sogenannten Heuschrecke, der KKR. KKR zählt zu den größten Investoren in fossile Energien, unter anderem Anteilseigner an LNG-Terminals & großen US-amerikanische Öl-Pipelines, hat also ein Interesse, damit Profit zu machen . 
" 'Heuschrecken' meint Private-Equity-Gesellschaften und Hedge Fonds, deren Ziel ist, aufgekauften Unternehmen Schulden aufzubürden und sie mit höchstmöglicher Rendite wieder zu verkaufen. Das geschieht, indem öffentlich gehandelte Unternehmen nach dem Kauf von der Börse genommen werden, um sie also dem Licht der Öffentlichkeit zu entziehen. Wenn KKR die Kontrolle über ein Unternehmen konsolidiert hat, folgen häufig Umstrukturierungen wie Massenentlassungen, Aufspaltungen oder Fusionen, um das Unternehmen profitabler zu machen. Nach einer gewissen Zeitspanne wird dann das nun wertvollere Unternehmen wieder abgestoßen und auf diese Weise Gewinn erzielt. Ganz ähnlich ist das auch nach dem Einstieg von KKR bei Springer passiert."
Auffallend war, dass es besonders viele Treffen zwischen KKR und Kanzleramt vor und während der Debatte um das Heizungsgesetz gab und viel Lobbyarbeit geleistet wurde. Dafür gibt es Belege. KKR nimmt auch drei Posten im Springer-Aufsichtsrat wahr. Vorstandschef Mathias Döpfner sowie Unternehmens-Erbin und vormalige Haupteigentümerin und Aufsichtsrätin Friede Springer ziehen mit KKR laut interner Vereinbarung zusammen an einem Strang.

Da sollten jetzt Alarmglocken schrillen, mindestens aber klingeln: 

Das auflagenstärkste Tagesblatt in Deutschland hat in den vergangenen Jahren in mehr als hundert Artikeln kampagnenmäßig den Wirtschaftsminister und das Heizungsgesetz der noch aktuellen Regierung attackiert. Das Gesetz wurde in Grund & Boden gestampft, und die Mitbürger verunsichert bzw. manipuliert bis aufgehetzt. Rede mal mit Fachleuten: Mein Heizungsinstallateur hat sich die Haare gerauft über all den Schwachsinn, der da von Springerblättern in deutsche Hirne implementiert worden ist!

2025 will KKR das Mediengeschäft von Springer wieder übrigens wieder abgeben. Ziel erreicht? Ein "Geschmäckle" bleibt. 

Und der neueste move des Blattes weist für mich daraufhin, in welche Richtung unserer Land in Zukunft gedeut werden soll. Da steht nicht die Mittelschicht im Blickpunkt - immerhin hat die kleine Bundesrepublik inzwischen schon Platz vier in der Liste der Milliardäre weltweit erobert!

Letzte Woche ging es an dieser Stelle u.a. auch um die Verbal-Windmühle ( O-Ton: Tobias Mann ), die nicht nur mit der ihr eigenen Mimik, sondern mit den Armen mühlend sich für die Abschaffung von Windrädern ausgesprochen hat. Ihre Alternative: Atomkraftwerke. 

Wo bekommen wir bloß das dafür notwendige Uran her? 

Unser Land muss 100% davon aus fremdem Ländern besorgen, bis 2023 waren das Kasachstan, Niger oder Russland. Die Frage der Endlagerung des Mülls ist insofern geklärt, dass es nicht Söders Bayern sein wird, also die restlichen 71 Millionen Menschen in Deutschland damit konfrontiert sein werden. Wegducken? 
Auch der Steinkohleimport Deutschlands liegt bei hundert Prozent, Erdöl kommt zu 98% und Erdgas zu 95% aus dem Ausland - lauter schreiende Widersprüche. Aber die Windkrafträder müssen weg! Mehr Abhängigkeit bitte! Sehr patriotisch das, die Oligarchen in diesen Exportländern zu füttern. Arsch für Deutschland...

Mal davon abgesehen ist die Forderung absurd: Knapp die Hälfte des in Europa mittlerweile produzierten Stromes stammt aus erneuerbaren Energiequellen. Solar ist jetzt wichtiger als Kohle, Windkraft sogar wichtiger als Gas, dessen Anteil im 5. Jahr in Folge abgenommen hat. Klar, dass die Russlandfreunde nichts davon halten, wenn weniger in die Kriegsschatulle des Zaren fließt.

Ich bin dann mal weg. Auf'm Heumarkt...

                                        


Verlinkt mit dem Samstagsplausch der Berliner Andrea und den Fotofragezeichen der am Bodensee. Und wenn ich dran denke, mit dem Mosaic Monday bei Heidrun

Freitag, 24. Januar 2025

Friday - Flowerday #4/25


Was hilft an eher grauen Januartagen,
auch an diesem Freitag?
Gelb!


Außerdem:
Das ist Südfrankreich per se!


Drei Stängel aus dem ersten gekauften Tulpenstrauß
des Jahres 2025 durften noch dazu in die Vase.


Etwas Kiefer auch noch...


( Die Teelichthalter habe ich aus Nordholland
mitgebracht bekommen. )


Versuch einer Lilamalerie - Perspektive 😂


Habt ihr schon mal solche Alstromerien gesehen?
Die brachte mir die Nachbarin, die Ex-Floristin vorbei:

Mit diesen
wünsche ich euch ein schönes letztes Januarwochenende!

                                                          


Und wieder ist hier der Platz für eure Blumendekorationen:

You are invited to the Inlinkz link party!

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Donnerstag, 23. Januar 2025

Great Women # 405: Cora Berliner

Cora Berliner, heute vor 135 Jahren geboren, wer ist das? Neugierig, wie ich in puncto Frauen bin, habe ich mich mal wieder aufgemacht zu recherchieren...


"Eine Frau geht da umher, 
der die Feindseligkeit gegen die Juden 
in die Haut schneidet. [...]
Es ist der Körper der Frau,
 in den die Zeit eindringt."
Esther Dischereit  

Cora Berliner wird also am 23. Januar 1890 als jüngstes Kind von Fünfen in Hannover in der Hildesheimer Str. 237 geboren. Ihre Eltern sind die 37jährige Hanna Dessau und ihr gleichaltriger Mann, der Handelsschuldirektor Manfred Berliner, seit 1881 verheiratet. 
Die Eltern Berliner

Coras Schwester Ida ist schon 1882 zur Welt gekommen, der Bruder Siegfried 1884, später ein bekannter Physiker, der Bruder Bernhard 1885, später ein ebenso renommierter Neurologe & Psychologe, Lehranalytiker am Berliner Psychoanalytischen Institut, und die Schwester Änne 1888. Ida und Änne werden nach ihrer Heirat bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in die USA auswandern. 

Die Berliners sind in der Stadt Hyannover eine prominente intellektuelle, jüdische Familie.

Väterlicherseits sind sie zunächst Textilkaufleute gewesen. Manfreds Bruder Emil, schon 1870 in die Vereinigten Staaten ausgewandert, wird sich einen Namen machen als Erfinder der Schallplatte & des Grammophons und hat mit dem gemeinsamen Bruder Joseph die erste Telefonfabrik in Europa und die erste Schaltplatten- und Grammophon-Fabrik auf europäischen Boden, die Deutsche Grammphon GmbH in Hannover, gegründet, während Manfred die erste private Hannoveraner Handelsschule etabliert hat. Der hat auch mehrere Bücher und Artikel über kaufmännische Themen veröffentlicht. Die Dessaus in Hamburg sind ebenfalls eine Kaufmannsfamilie gewesen. 

Schon während Coras Kindheit sind die familiären Bindungen zu den USA sehr eng, und es kommt zu häufigen Besuchen bei der Familie in Hannover., insbesondere von den Verwandten aus Washington. Neben Joseph und Emil ist auch ein dritter Bruder Manfreds, Jacob Berliner, vorübergehend in die USA gegangen, und sie haben sich in Washington, DC niedergelassen.

Das Mädchen Cora besucht eine Höhere Töchterschule, welche der drei in Hannover damals ansässigen, habe ich nicht herausbekommen. 1909 legt sie die Reifeprüfung ab. Bereits im Alter von 15 Jahren ist sie Mitglied der "Jüdischen Bahnhofshilfe" geworden, die jüdische Flüchtlinge aus Russland während ihres Aufenthalts auf deutschen Bahnhöfen unterstützt. Cora hat also von früher Jugend an das Bedürfnis zu helfen, und zeit ihres Lebens Freude daran, ihr außergewöhnlich umfangreiches Wissen mit anderen Menschen zu teilen. 

1909, mit gerade mal neunzehn Jahren, wird sie auch Mitglied des Vorstandes der Akademischen Unterrichtskurse für Arbeiter und hält im Rahmen dieser Kurse Unterricht ab. In Freiburg und Göttingen studiert sie nach der Reifeprüfung jeweils ein Semester lang Mathematik, merkt jedoch schnell, dass diese Fachrichtungen ihrem Bedürfnis, mit Menschen umzugehen, nicht gerecht werden. So wechselt sie für sieben Semester nach Berlin und im Jahr 1914 dann nach Heidelberg, um Nationalökonomie, i.e. Staatswissenschaft und Volkswirtschaft, zu studieren.

Auch während des Studiums engagiert sie sich in der jüdischen Jugend- und Frauenbewegung und übernimmt leitende Funktionen im "Verband der jüdischen Jugendvereine Deutschlands" (VJJD). Bereits im November 1911 wird Cora zur Dezernentin für die Organisation der weiblichen Jugend gewählt und im April 1912 auf dem Treffen des Distriktverbandes Mitteldeutschland zur Geschäftsführerin des VJJD.

Sie selbst versteht sich als liberale Jüdin und in erster Linie als gute deutsche Staatsbürgerin, entsprechend ist ihr pädagogisches Konzept.

Sie kämpft besonders darum, dass auch Mädchen Mitglieder der Jugendvereine werden dürfen - mit gleichen Rechten und ohne Einschränkungen! Die "Erziehung zum Judentum" in einer nichtjüdischen Umgebung liegt ihr am Herzen. Ihrer Meinung nach soll die Verbreitung der jüdischen Lehre und des jüdischen Wissens, eine Verbesserung der Hebräischkenntnisse, die ethische Erziehung, aber auch die Erziehung der jüdischen Jugend dazu führen, dass jüdische Jugendliche zu treuen Deutschen, werden die ihren staatsbürgerlichen Pflichten nachkommen sollen. 

Ihre praktische und theoretische Arbeit im VJJD liefert ihr umfangreiches Material für ihre Doktorarbeit 1916 zum Thema: "Die Organisation der jüdischen Jugend in Deutschland. Ein Beitrag zur Systematik der Jugendpflege und Jugendbewegung." Sie besteht summa cum laude zum Dr. rer. pol. bei Prof. Emil Lederer in Heidelberg.

Ihr frühes Engagement macht sie später zu einer der Wegbereiterinnen der sozialen Arbeit mit besonderem Augenmerk auf die Situation berufstätiger Frauen: Sie wird eine der Ersten sein, die sich für die Errichtung eines Seminars zur Ausbildung von Kindergärtnerinnen einsetzt. Doch dazu später.

Im Alter von 26 Jahren startet sie im Frühjahr 1916 ihre Tätigkeit als Dezernentin bei der Stadtverwaltung Schöneberg ( damals noch nicht zu Berlin gehörig ). Sie ist verantwortlich für die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung  – mitten im Ersten Weltkrieg eine anspruchsvolle Aufgabe! Parallel arbeitet sie ehrenamtlich für den VJJD. 1916 wird sie auch in den Vorstand des neu gegründeten "Deutschen Verbandes der Sozialbeamtinnen" (DVS) gewählt.

Drei Jahre später, nach dem 1. Weltkrieg, wird sie als Beamtin ins Reichswirtschaftsministerium aufgenommen. Ihr Tätigkeitsbereich umfasst jetzt Verbraucherschutzfragen und Genossenschaften. Sie ist die einzige Frau unter ausschließlich männlichen Kollegen. 

Im gleichen Jahr wählt der VJJD Cora zu seiner Ersten Vorsitzenden bei nur zwei Gegenstimmen – deutlicher Beleg für die hohe Wertschätzung! Drei Monate nach Amtsantritt richtet Cora ein Referat für Palästina ein, was ihre Biografinnen als Hinweis auf eine Annäherung an zionistische Positionen interpretieren.

1921 stirbt Coras Mutter Hannah, und der Vater verheiratet sich erneut, wird aber ebenfalls zehn Jahre später sterben.

Im Jahre 1923 erhält Cora Berliner den Rang einer Regierungsrätin. Auch in dieser Hinsicht ist sie wieder Vorreiterin. Eine solche Führungsposition für eine Frau ist in dieser Zeit, in der die Frauen gerade erst das Wahlrecht erhalten haben, ungewöhnlich. Ihr Vorgesetzter, der Ministerialrat Hans Schäffer, ebenfalls Jude, schreibt über sie: 
"Ich selbst traf sie das erste Mal bei einer Referentenbesprechung, in der sie als einzige Frau unter zwanzig Männern ihren Standpunkt geschickt vertrat. (…) Fräulein Berliners Auftreten machte einen solchen Eindruck auf mich, dass ich sie mir im Austausch gegen einen älteren Regierungsrat überweisen ließ."

Hans Schäffer wird auch im Privaten mehr als ein guter Freund: Mit dem verheirateten Vater von vier Kindern entwickelt sich eine Liebesbeziehung, die erst nach Coras Tod bekannt werden wird. ( Hans Schäffer wird 1929 Staatssekretär im Finanzministerium werden. )  

1929

Ab 1924 bis 1933 ist sie Assistentin des Direktors des Statistischen Reichsamtes. An dieser Stelle ist sie daran beteiligt, die deutsche Außenhandelspolitik auf Goldwährung umzustellen, um die deutsche Währung zu stabilisieren. Sie verschafft sich einen Ruf als exzellente Fachfrau für alle wirtschaftlichen Probleme.

 Deshalb wird Cora 1927 auch der deutschen Botschaft in London als Beraterin der Wirtschaftsabteilung überstellt - für ein halbes Jahr. 1930 erklimmt sie schließlich den Gipfel einer in damaligen Zeiten ungewöhnlichen Karriere für eine Frau, dazu noch Jüdin: Sie wird Professorin für Wirtschaftswissenschaft am neu geschaffenen Berufspädagogischen Institut in Berlin. Engagiert wirkt sie hier bei der Ausbildung von Gewerbelehrerinnen mit. 

Am Berufspädagogischen Institut lernt Cora Gertrud Kaufmann, ebenfalls Professorin, kennen, die zu ihrer besten Freundin wird. Zusammen verbringen sie viele Wochenenden und Urlaube miteinander, auch dann noch, als das für Gertrud Kaufmann als Nichtjüdin gefährlich wird.
Für Juden und Jüdinnen ist zunächst nicht wirklich absehbar, was die nationalsozialistische Machtübernahme am 30. Januar 1933 für sie bedeuten wird. Die meisten Juden sind noch davon überzeugt, dass, so Moshe Zimmermann, israelischer Historiker und Antisemitismusforscher, "auch der nationalsozialistische Antisemitismus kontrollierbar und Hitler letztlich an den Weg der Gesetze gebunden sei". Im ärgsten Fall glaubte man an eine Rückkehr ins Mittelalter bzw. an den Rückfall in ein gettoisiertes Leben wie vor der Aufklärung. Doch bald beginnen die Nazis durch die Erlassung von Gesetzen und Verordnungen mit der Ausgrenzung, Missachtung und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung. 
Aufgrund des nationalsozialistischen "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums", das am 7. April 1933 in Kraft tritt, setzt auch Coras beachtlicher Laufbahn ein Ende. Sie wird – wie die meisten jüdischen Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst oder "öffentlich wirksamen Berufen" – entlassen. 

Am 25. April 1933 wird als eines von über 300 Gesetzen im Jahr der Machtergreifung, das sich auf die jüdische Gemeinschaft bezieht, das "Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen" erlassen. Dieses unterbindet "einstweilen noch nicht völlig den Besuch jüdischer Schüler und Studenten an den verschiedenen Lehranstalten", aber es beschränkt "die Zahl der jüdischen Schüler auf 1,5% von allen Schülern an einer bestimmten Anstalt". Allen "nicht-arischen" Schülern und Studenten wird also der Besuch von weiterführenden öffentlichen sowie privaten Schulen wesentlich erschwert. 

Von links nach rechts: Hannah Karminski, Hans Schäffer, Paula Fürst


Cora widmet sich jetzt, unfreiwillig freigestellt, dem Aufbau zentraler Selbsthilfeorganisationen für die Juden im Nazi - Deutschland. 

Frauen des "Jüdischen Frauenbundes", allen voran Cora, versuchen, das jüdische Bildungs- und Erziehungswesen neu zu gestalten. Gemeinsam mit der sieben Jahre jüngeren Hannah Karminski, einer ausgebildeten Kindergärtnerin und spätere Sozialarbeiterin, und der gleichaltrigen Emmy Wolff, einst Assistentin der Reichstags-Politikerin Gertrud Bäumer, initiieren sie die Ausbildung von Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen. Emmy Wolff hat dafür einen "ungefähren Plan" entworfen. 

Man richtet einen Versuchslehrgang zur Ausbildung jüdischer Frauen & Mädchen ein, "in Verbindung mit einer Haushaltausbildung jüngerer Mädchen" sowie eine Musterkindergarten und -hort. Mit Hilfe eines Freundeskreises, dem auch offizielle Stellen angehören sollen wie die "Reichsvertretung der deutschen Juden", der "Jüdische Frauenbund" (JFB) und die "Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden", soll die Ausbildungsstätte aufgebaut werden. Doch es kommt zu Unstimmigkeiten hinsichtlich der konfessionellen sowie inhaltlichen Ausrichtung des geplanten Kurses und zu der Frage, wer dessen Trägerschaft übernehmen soll.

Cora, groß, schlank, intelligent und lebhaft, immer in Eile, immer beschäftigt, wird von Zeitgenossen als ungeduldig gegenüber anderen Menschen, aber auch gegenüber sich selbst beschrieben.

Inzwischen 43 Jahre alt, widmet sie ab da ihre ganze Kraft als stellvertretende Vorsitzende des Jüdischen Frauenbundes der Auswanderung von Mädchen und Frauen. Bei der im September 1933 gegründeten "Reichsvertretung der Deutschen Juden" ( ab 1935 "Reichsvertretung der Juden in Deutschland" ) übernimmt sie eine Funktion als Leiterin der Abteilung Statistik und ist zuständig für wirtschaftliche und soziale Fragen. In diesen Jahren verfasst sie immer wieder Berichte über die gegenläufigen wirtschaftlichen Entwicklungen für Juden nach der Machtergreifung, immer auch unter Berücksichtigung der besonders schwierigen Situation jüdischer Frauen. Gleichzeitig ist sie weiterhin im JFB aktiv. 
"Das Arbeitspensum dieser ungemein regen Frau ist kaum zu ermessen", schreibt Almut Nitzsche hier. "Selbst unter den veränderten Bedingungen findet Cora Berliner Gelegenheit, ihr Wissen als Lehrende weiterzugeben, unter anderem in der Lehrerfortbildung und in Kursen für Sozialarbeiter."
Obwohl keine Zionistin, unternimmt sie 1936 eine Recherchereise nach Palästina, weil sie wissen will, "wie die Menschen aus Deutschland in Palästina leben, wie sie sich akklimatisiert haben und wie sie sich ihre Zukunft vorstellen". Sie bleibt drei Wochen, trifft deutsche Auswanderer und besucht zahlreiche jüdische Institutionen und Organisationen. Nach ihrer Rückkehr verfasst sie für ihre Freunde und Verwandten einen Bericht mit dem Titel "Unpolitische Reise nach Palästina", der jedoch nie veröffentlicht werden wird.

1936 ist es auch, als Hans Schäffer sie zu überreden versucht, nach Schweden auszuwandern, um von dort aus zu bereits lebenden Verwandten in den USA zu gelangen. Ihr Bruder Bernhard ist nämlich schon mit seiner elf Monate alten Tochter Gabriele und seiner zweiten Ehefrau in den Staaten und hat dort die "Psychoanalytic Study Group of San Francisco" begründet. 

Cora lehnt ab: "Mein Leben würde keinen Sinn machen, wenn ich die Leute verlasse, für die ich verantwortlich bin." Schäffer selbst ist schon 1933 mit seiner ältesten Tochter in das skandinavische Land emigriert. Seine restliche Familie ist ihm 1936 gefolgt.

Wie alle anderen jüdischen Institutionen und Organisationen wird das Büro der Reichsvertretung nach der Pogromnacht im November 1938 geschlossen, die meisten Führungskräfte verhaftet. Die anderen tauchen unter. Cora hält mit einer andere Frau Kontakt, und sie treffen zu geheimen Sitzungen zusammen. Im November 1938 werden die Büros der Reichsvertretung allerdings wieder geöffnet, die Verhafteten entlassen und nachdrücklich der Auftrag erteilt, die Auswanderung jüdischer Menschen zu beschleunigen.
1940

1939 unternimmt Cora eine letzte Reise nach Schweden, um dort vierhundert Menschen in Sicherheit zu bringen. Sie hat nunmehr ganz die Leitung des Ausschusses für Auswanderung, Information, Statistik und Frauenauswanderung innerhalb der Reichsvereinigung übernommen. Weiterhin hält sie die Beziehungen zu Konsulaten und Botschaften der Länder, die noch Juden aufnehmen, aufrecht, bis im Oktober 1941 den Juden die Auswanderung endgültig ganz verboten wird.

Cora arbeitet dennoch weiter für verschiedene Abteilungen der Reichsvereinigung sowie innerhalb der Jüdischen Gemeinde Berlins. Im Frühjahr/Sommer 1940 setzen sie die Auswirkungen einer nicht ausgeheilten Lungenentzündung allerdings erst einmal schachmatt. 

Von September 1940 bis Mai 1942 kann sie dann ihre Aktivitäten in der Reichsvereinigung  ( wahrscheinlich auch für die Jüdische Gemeinde ) wieder aufnehmen. Es scheint so, dass Cora inoffiziell eine Zeitlang auch den Generalsekretär der Reichsvereinigung vertreten hat, auch wenn dazu in den bisher aufgefundenen Dokumenten nichts vermerkt ist. 

Anfang 1941 trifft sie ein persönlicher Verlust schwer, als Otto Hirsch, ihr langjähriger Kollege und guter Freund, Mitbegründer der Reichsvertretung, verhaftet und im Konzentrationslager Mauthausen umgebracht wird.

Auch sich selbst kann Cora Berliner nicht mehr retten. Sie bemüht sie sich offensichtlich noch um ein Affidavit, notwendig für die Einreise nach Amerika, wird aber dann aus ihrer Wohnung in Berlin-Wilmersdorf, Pariser Straße 18, am 22. oder 24. Juni 1942 abgeholt und mit anderen leitenden Mitarbeiter*innen der Reichsvereinigung deportiert. Das ist einem letzten Brief an Hans Schäffer zu entnehmen. Gertrud Kaufmann verabschiedet sich noch von ihr am Bahnhof, bevor der Transport in Richtung Königsberg abgeht. 

Sie kann gesichert dem sogenannten "16. Osttransport"( DA 40 ) in Richtung Osten zugeordnet werden, die genauen Umstände sind umstritten. Zwei Tage später langt der Zug in Minsk an. Die 770 Menschen, die er transportiert hat, werden wohl kurz darauf im Vernichtungslager Maly Trostinez ermordet. Von Cora Berliner gibt es nach ihrer Ankunft in Minsk kein Lebenszeichen mehr, das Datum ihrer Ermordung ist unbekannt. 52 Jahre alt ist sie nur geworden.

Cora Berliner hat - einen Tag vor ihrer eigenen Deportation - über einen Besuch bei ihren Freundinnen Hannah Karminski & Paula Fürst im Juni notiert: "Als ich sie am letzten Tag vor ihrer Deportation besuchte, saßen sie draußen in der Sonne und lasen Goethe." Nichts kann die Bizarrerie der Situation der deutschen Juden in jenen unseligen Zeiten besser beschreiben...

                                                            


Und abschließend wieder die Liste mit den Namen der Frauen, 
über die ich schon geschrieben habe 
und die in der letzten Woche einen Gedenktag gehabt haben, als da sind: