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Dienstag, 9. September 2025

Recycling - Shirt

 Da durfte doch die Overlock-Maschine nach langer Zeit mal wieder aus dem Dunkeln...


Im Dritte-Welt-Laden in der Nachbarschaft gekauft, war das T- Shirt mit den Anzüglichkeiten auf meinen Stadtteil  ( für nicht - Kölner*innen: Nippes ist die Bezeichnung für mein Veedel ) schon etwas knapp ausgefallen, hat es der Trockner weiter schrumpfen lassen. Da die Qualität sonst sehr gut & das Motiv gefällig, habe ich es mittels des Schnittmusters "Ottobre Creative Workshop 301" weiter "geschrumpft" für die jüngste Enkelin. Fand die lustig und hat es sofort noch hier in Köln getragen.

                                                              

Verlinkt mit dem Creativsalat im September


Samstag, 6. September 2025

Meine 36. Kalenderwoche 2025

 
"Die Gleichgültigkeit der Natur 
verschluckt die menschlichen Geschicke.
.....
Die Geschichte wird dämonisiert, 
aber die Panik entbehrt empirischer Grundlagen. 
.....
Der Macht des Zufalls sind Propheten nicht gewachsen.
.....
Zufälle sind Einfallstore magischer Weltdeutung, 
in der alles in einem Kausalnetz verwoben ist."
Helmut Lethen, Kulturwissenschaftler

"Frauen erheben oft die Stimme an Stellen, 
wo Männer schweigen"
Nicole Schilling, Generalin

Das zurückliegende Wochenende habe ich hemmungslos vertrödelt. Statt "Kölner Lichter" habe ich mir Literatur-Videos eines (von mir) neu entdeckten YouTube-Kanals angeguckt, gelesen, mir was Schönes gekocht, mit Familienangehörigen, auch entfernteren, telefoniert. Am späten Sonntagnachmittag bin ich dann auf den Hansaring ins Kino gegangen:



"In die Sonne schauen" von Mascha Schilinski, in Cannes mit dem Preis der Jury ausgezeichnet, wollte ich mir angucken. Vorneweg: Wenn ich vorher vielleicht mehr über den Film gewusst hätte, hätte ich eher Abstand genommen, so verstört war ich letztendlich. 

All das Böse, was Menschen widerfahren kann oder was sie sich gegenseitig antun, diese ganze Gewalt - eine solche Ahnung von Gefahr, von Tod, davon, dass diese Welt nicht zum Besten eingerichtet ist, hat den ganzen Film über gelauert. Getriggert wurden eigene Erfahrungen in meiner bäuerlichen Familie von damals durch Geschehnisse in der Sequenz aus der wilhelminischen Zeit. Dass sich historische Traumata in der Familie vererben und auch nachfolgende Generationen verfolgen, wird visuell ständig durchdekliniert - mir hätte sehr viel weniger bildliche Darstellung & Intensität gereicht. 

Warum Kinder noch in den Szenen, die in der aktuellen Gegenwart spielen, von den Geistern der Vergangenheit geplagt und in Richtung Tod gezogen werden, war mir eine nicht nachvollziehbare Zumutung. Einige Aussagen, gelesen bei Roger Willemsen in "Der Knacks" wie "Als Kind bewegt man sich in der Idee seines eigenen Todes wie der Angehörige einer Geheimloge"... "Kinder haben sich an das Leben vielleicht noch nicht genug gewöhnt, um es für unverzichtbar zu halten", haben meine Gedanken dann etwas relativiert. Meinen eigenen Erfahrungen war das fremd.

Die Sonne, die doch im Filmtitel, hat mir einfach gefehlt, auch wenn es Feste & Feiern im Film gab...


Deutlich wurde mir mal wieder der Unterschied zwischen Kino & Literatur. Parallel zum Film habe ich am Wochenende Rilkes "Malte Laurids Brigge" gelesen. Da geht es auch viel um Tod & Sehnsucht nach ihm, Krankheit, Leid. Aber die Bilder, die mir aus den Worten kommen, habe ich in gewisser Weise unter Kontrolle, sie bedrängen mich nicht und ich kann sie in meine Erfahrungen einordnen.

Natürlich hätte ich viel lieber einen solchen Abendhimmel mit weitem Horizont über der Ostsee wie meine Kinder zu Beginn dieser Woche...


Aber ich freue mich auch über das Septemberlicht in Magnolie & Küche. Andrea fragte in dieser Woche bei den Fotofragezeichen: "Erste Septemberwoche: Für Dich Spätsommer oder Frühherbst?" Immer noch Sommer, wie man/frau sieht.




Am Mittwochmorgen wurde ich "händysch" mit einem Sonnenaufgang über der Ostsee begrüßt. Aber tausendmal lieber war mir, die Kinder am Spätnachmittag in realiter zu umarmen. Sie haben sich gleich über meine verschiedenen Farben hergemacht und Meeresszenen aquarelliert.



Auch den Tisch haben sie gedeckt und immer wieder Freude daran, meine bunten Schätze herauszuholen und zu verwenden. Hach ist das schön, die Mädchen wieder einmal um mich zu haben! 



Am Nachmittag gab es Besuch von der holländischen Freundin mit ihrer Enkelin, und die Tochter hat dafür ihren leckeren Apfelkuchen gebacken.



Die Jüngste hatte die Idee, die holländische Etagère mit orangefarbenen Bonbons zu bestücken. Jetzt habe ich ( zusammen mit dem aus Lübeck mitgebrachten Marzipan ) wieder verführerische Süßigkeiten im Haus, nachdem ich etliche Wochen keine mehr bei mir geduldet habe. 🤣 Damit wäre dann auch Andreas erste Frage beim Fotofragezeichen -  "Was isst du, wenn du frustriert bist?" - beantwortet...



Nach dem Besuch des neu eröffneten Spielplatz in einem Park in der Nähe haben wir uns noch einen gemeinsamen Restaurantbesuch gegönnt. Pfifferlingsalat ist eh gesünder für mich 🤣.



Das war dann letztendlich eine Woche, in der ich mein Herz erwärmen und die Finger weitgehend vom Computer lassen konnte. Deshalb schließe ich den Post auch nur ab mit meinen Angaben zu den Verlinkungen - mit Andreas Samstagsplausch in Berlin, dem Fotofragezeichen der anderen Andrea am Bodensee und dem Mosaic Monday von Heidrun - und wünsche euch allen ein schönes Wochenende!


                                                                                



Dienstag, 2. September 2025

Bücherlese August

 "Gute Literatur ist Kunst, 
die zum Denken anregen soll. 
Ich kann Ihnen sagen: 
Lesen hält nicht jung, aber wach."
Klaus Willbrandt

"Ein Roman ist ein Spiegel, 
der sich auf einer Landstraße bewegt.
Bald spiegelt er das Blau des Himmels wider, 
bald den Schlamm und die Pfützen des Weges."
Stendhal "Rot und Schwarz"

Mein Lesemonat August hat eigentlich noch in den letzten Tagen des Juli eingesetzt, als ich zum letzten, ins Deutsche übersetzten Buch von Benjam Myers gegriffen habe, das ich bis dahin noch nicht gelesen hatte: "Cuddy - Echo der Zeit". Und es hat mich nicht enttäuscht! 




Es ist ja ein nicht im üblichen Sinne historischer Roman rund um den Mönch & Heiligen Cuthbert ( deutsch: Gisbert ) und seine imposante Kathedrale in Nordengland, genauer in Durham, heute ein Weltkulturerbe. Es hat mich fasziniert, wie Myers durch sehr unterschiedliche Textsorten reale historische Begebenheiten über die Jahrhunderte bis heute aufgreift und schildert, jeweils auch stilistisch der jeweiligen Epoche angemessen, finde ich: 

Ein bisschen spooky im 19. Jahrhundert, als ein rationaler, atheistischer Oxford - Professor zur Exhumierung von Cuthbert eingeladen wird, im Saga - Stil ganz zu Beginn, als im 9. Jahrhundert eine eingeschworene, mönchische Gemeinschaft den mumifizierten Leichnam des Cuthberts vor den immer wieder einfallenden Wikingern in Sicherheit bringen und eine letzte Ruhestätte für ihn suchen muss. Die Episode, die in der Zeit des Kathedralenbaus spielt, hat etwas von der Art der Canterbury Tales, deftig & rau. Die aus der Zeit des englischen Bürgerkrieges 1650, als die Kathedrale kurzzeitig ihren Zweck als Ort der Verehrung verliert und zum temporären Lager für verletzte Soldaten im englischen Bürgerkrieg wird, erinnerte mich an die Elendsschilderungen bei Grimmelshausen. 

Der letzte Teil, die Geschichte eines jungen Mannes unter sehr prekären Lebensumständen, ließ mich ein bisschen an den Myers - Bestseller "Offene See" denken: Der von Gelegenheitsarbeiten lebende und seine schwer kranke Mutter unterstützende Michael stößt bei einem Job in der Kathedrale plötzlich auf wohlwollende, warmherzige Menschen und fühlt sich dadurch ermutigt, auf eine bessere Zukunft zu hoffen. Nach dem Tod der Mutter lässt er sein altes Leben hinter sich. Die 550 Seiten habe ich an drei Tagen verschlungen.



"Die Karthause von Parma", in jungen Jahren gelesen, hatte immer einen guten Platz in meinem Lektürengedächtnis besetzt, und die Verfilmung von "Rot und Schwarz" von 1954, gesehen in meinen Teenagezeiten im schulischen Filmclub ( mit anschließend reichlicher Schwärmerei für Gérard Philipe ), haben immer mal den Wunsch aufkommen lassen, diesen Roman von Stendhal von 1830, heute zur Weltliteratur gerechnet, endlich auch zu lesen. Seit 2004 stand eine ganz neue Übersetzung von "Rot und Schwarz" in unserer Bibliothek - und nach 21 Jahren ist sie endlich auf meinen Nachttisch umgezogen. Ich muss sagen: keine einfache Lektüre für mich! 

Stendhal weicht so gänzlich ab von dem bis dahin literaturgeschichtlich für Romane üblichen Inhalt & Stil, schreibt sehr präzise und unpathetisch, mit viel Ironie ( was ich ja mag ) und  wechselt immer wieder die Erzählperspektive. Da muss frau schon konzentriert bleiben, zumal die Hauptperson der Handlung, Julien Sorel, ein talentierter und ehrgeiziger Junge aus der Provinz, gnadenlos opportunistisch ist und seine ständig wechselnden Gefühle und Anschauungen thematisiert werden. Gleichzeitig beschreibt Stendhal deutlich, was verantwortlich ist für die miserablen gesellschaftlichen Zustände, die Sorel von der von ihm ersehnten Macht & dem Reichtum fern halten, all dieser Dünkel, die Hypokrisie & Heuchelei, die in der nachnapoleonischen Ära, also während der Restauration in Frankreich, herrschen, als Adel & Klerus wieder die Oberhand zurückgewonnen hatten.

Mein Eingangszitat  - das genau so in die sonstige Handlung vom Autor eingeschoben wird, um seine Schilderungen zu begründen -  illustriert, wie Stendhal neben den schönen auch die hässlichen, neben den erhabenen auch die niedrigen Seiten menschlicher Charaktere und der von ihnen gestalteten Welt zeigt. Sein Spiegel hat eben keine blinden Flecken, und er mag sich nicht vorwerfen lassen, dass das von ihm so gespiegelte Dasein halt genau so ist, wie es ist. Moralist ist er wahrlich nicht und er überlässt der Leser*in ein Urteil. Meines war dann: die Liebesgeschichte ist gräßlich in ihrem Ende. Und so viel Gefühlsmanöver! Was die beiden Frauen in der Geschichte anbelangt: Es fiel mir schwer, ihre psychologischen Motive nachzuvollziehen, auch wenn Simone de Beauvoir Stendhal das Verdienst einräumt, als erster Romanschriftsteller Frauen eine wichtige Rolle in seinem Werk zugewiesen zu haben.

Meine nächste Lese-Unternehmung stellt so etwas wie eine Emanzipation von meinem einstigen Lebensgefährten dar, der ein Spezialist war für endlos ausufernde literarische Projekte wie die von Marcel Proust, Robert Musil, James Joyce, Peter Weiß oder David Foster Wallaces "Unendlicher Spaß". Nur Uwe Johnson und seine "Jahrestage" waren nicht darunter. Ich habe also die 4-Bände-Box als Mängelexemplar gekauft und MIR den ersten Band vorgeknöpft.

Zunächst einmal: Die Art & Weise des Herrn Johnson, in Montagen, Collagen oder Mosaiken aus Zeitungsnotizen, Episoden, Erinnerungen, Charakterbildern, Dialogen und Briefen rund um seine Hauptfigur Gesine Cresspahl zu erzählen, sagt mir sehr zu. Seine Protagonistin ist eine alleinerziehende, aus Mecklenburg stammende Dolmetscherin, die in New York im Dienste einer Privatbank steht. 

Rein äußerlich umfasst das Werk, welches als Hauptwerk des Autors gilt, ein ganzes Jahr, vom 20. August 1967 bis zum 20. August 1968,  und das in der Stadt New York. Aber das ist nur die eine Zeitebene. Weitere Ebenen betreffen die ganze Geschichtsepoche vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zum August 1968, vom Mord an Rathenau bis zur Ermordung Martin Luther Kings, vom Kapp‑Putsch bis zum Einmarsch der Roten Armee in die Tschechoslowakei, der dem Prager Frühling ein Ende setzt. Im Zentrum steht allerdings die ( allabendliche ) Erzählung der Lebensgeschichte der Vorfahren Gesine Cresspahls. Damit ihre Tochter Marie nach "für wenn ich tot bin" was davon hat, wird die auf Tonband aufgenommen. So gestaltet Johnson einen Chor an Stimmen aus verschiedensten Zeiten und unterschiedlichster Menschen  an diversen Orten über vier dicke Bände hinweg.

Hineinmontiert in diese Erinnerungen werden immerzu Nachrichtenschnipsel der "New York Times", deren Lektüre für Gesine Cresspahl unabdingbar ist, die in Wirklichkeit aber "tatsächliche Erfindung" des Autors sindund durch die die politischen Geschehnisse des Jahres in die Erzählung einfließen. Rasch hintereinander werden dann den Erinnerungen gleichgesetzt beispielsweise die Nachricht von einem schlecht durch einen Brand vertuschten Mord in der Stadt, das Verbrennen von Zeitungen in der deutschen Öffentlichkeit bei Studentenunruhen und der Suizid eines Nazis in Wuppertal, der einst in einer Synagoge 800 polnische Juden verbrannt hat - ein alle Systemgrenzen unterlaufender Strang von Gewalt-Geschichte zieht sich durch das Buch, und Johnson erweist sich unermüdlicher, akribischer Kollektor von Fakten, einer, der auch die Namen derjenigen nennt, die das Leid der Opfer zu verantworten haben. 

Für mich zeitweilig war das Spannendste, das im fraglichen Zeitraum, in dem der Roman angesiedelt ist, meine eigene Entwicklung als politisch interessierter Mensch gefallen ist, und ich kann mich gut erinnern an viele Nachrichten, Zeitgenossen und Hypes wie den fortschreitenden Vietnamkrieg mit all seinen Toten, die Ermordung Che Guevaras, die Stalintochter Swetlana, Rassenunruhen bzw. die Bürgerrechtsbewegung in den Staaten und das sozialistische Reformbestreben in Prag. An Empfindungen, die ich damals als Teenager mitten im  Kalten Krieg verspürt habe, gelang es durch die Lektüre wieder anzuknüpfen. 

In diesem Band, den ich nun im August gelesen habe, steht die Erinnerung der Protagonistin an die unterschiedlichen menschlichen Entwicklungen der Cresspahls, Papenbroecks und der mit ihnen vernetzten Personen im Vordergrund, von der Weimarer Republik bis zum  Beginn des totalitären Nazideutschlands, zu dessen Start Gesine im ( erfundenen ) Jerichow in Mecklenburgs Westen im Haus ihrer Großeltern geboren wird. Die jähen Wechsel von Cuts aus dem banalen Alltag von Gesine & Marie in New York und der biografischen Historie lassen einen als Leserin zugleich fremd und vertraut im Material bewegen, auf die Dauer aber in einen wahren Lese-Sog geraten. Am Ende des ersten Bandes hatte ich diese Jerichower, Gesine Cresspahl und ihr forsches Tochterkind irgendwie ins Herz geschlossen und bin neugierig, wie es weitergeht.



Doch erst einmal brauchte ich eine Verschnaufpause vom arg konzentrierten Lesen und hab eine Empfehlung von Wolfgang M. Schmitt & Elke Heidenreich aufgegriffen: "Hermelin auf Bänken" von Patrick Holzapfel - ein unaufgeregter, kleiner Roman über das Sitzen auf Bänken in Wien.

Holzapfel macht nichts anderes, als von der kippeligen Lebenslage eines jungen Menschen zu erzählen, der auf die existenzielle Frage "Wohin mit mir?" eine etwas ungewöhnliche, aber doch eigentlich naheliegende Antwort hat: "Erst mal hinsetzen!". Die Ideen - diverse Banktypen, Wiener Plätze & Gassen, Trauer, "Sandler" - die das Buch ausmachen, haben mich erst einmal angesprochen, die ganz einfache Sprache in kurzen Sätzen machte es mir zunächst schwer. Am Ende hatte ich mich in die Art der Trauer des "Bankiers" hineingefunden und konnte sie spüren.

Zwischendurch habe ich auch in Donna Leons "Ein Leben in Geschichten", ein Geschenk von Sunni - an dieser Stelle noch mal ein "Dankeschön"! -, geschmökert, weil ich einen Post ( Great Women Nr. 431 ) über die Schriftstellerin verfassen wollte. Im Plauderton erzählt die berühmte Krimi-Autorin von verschiedenen Stationen ihres Lebens, ihrer Kindheit in New Jersey, dem Familien- & Farmleben bei den Großeltern mütterlicherseits, erstem Schultag, Halloween- oder Weihnachtsfeiern und von den Ursprüngen ihrer Liebe zu klassischer Musik seit Teenagertagen, aber noch viel mehr von ihrem venezianischen Alltagsleben. Besonders ihre Mutter würdigt sie liebevoll. Das ergibt ein farbiges Kaleidoskop an erlebten Geschichten, die leicht erzählt und damit auch leicht zu lesen sind.




Gegen Ende des Monats habe ich wieder ein Buch aus der im Hause vorhandenen Bibliothek in die Hand genommen, indem ich einen Klassiker der deutschen Literatur aus dem 18. Jahrhundert aus dem Regal herausgezogen habe, einer, der auch Aufnahme in die Zeit-Bibliothek der 100 Bücher gefunden hat ( selbst in die von 2023): 

"Anton Reiser", ein Bildungsroman von Karl Philipp Moritz. Mich haben schon immer alle möglichen Tendenzen von Religiosität interessiert & beschäftigt, in diesem Fall geht es um die Ideen des Quietismus und des Pietismus. Dazu kommt, dass mich Geschichten rund um Kindheit & Aufwachsen seit jeher ansprechen, was wahrscheinlich an meiner pädagogischen Vorbildung, aber auch meiner Erfahrung- schon in Kindergartenalter - des Widerspruchs zwischen religiösem Anspruch & Alltagsausführung liegt. Das hat mich auch diesmal motiviert.

"Anton Reiser" gilt als erster psychologischer Roman deutscher Sprache. Sein Autor hat bereits rund hundert Jahre vor Sigmund Freud eine psychologische Zeitschrift herausgegeben und Fallstudien erstellt, aus denen der Roman hervorging. Kaum je zuvor sind in der deutschen Literatur seelische Zustände derart präzise und konkret erfasst worden.

Anton ist eigentlich ein Anti-Held, ein - heute würde man sagen: ein hochbegabter - melancholischer Träumer, der eine furchtbare Kindheit bei seinen ( gegensätzlich ) religionsfanatischen & lieblosen Eltern, zudem in größter Armut, zubringt. Dass Liebe und Anerkennung durch Eltern und Lehrer für einen aufwachsendes Menschenkind wichtig ist, erscheint uns heute als Binsenweisheit. Als Moritz das Buch geschrieben hat, regierte der Rohrstock und in aller christlichen Nächstenliebe wurden Kinder gebrochen. Schon in jungen Jahren, nachdem er glücklicherweise Lesen gelernt hat, flüchtet Anton sich zunächst in die Welt der klassischen Sagen, dann Romane und später des Theaters, sucht sein Glück in der Geistesbildung. Und obwohl er immer wieder Gönner und Fürsprecher findet, die ihm Ausbildung und Studium finanzieren, misslingen seine Vorhaben wiederkehrend. Anton tappt einfach in den Zeiten der Aufklärung und der dadurch ermöglichten Befreiung aus der Unmündigkeit vollkommen in die persönliche Orientierungslosigkeit. Das hat durchaus was Neuzeitiges.
"An guten Vorsätzen war er unerschöpflich – Dies machte ihn aber auch beständig mit sich selbst unzufrieden, weil der guten Vorsätze zu viele waren, als dass er sich selber jemals hätte ein Genüge tun können."
Der Roman ist im Prinzip ein Exempel des Scheiterns und kann als die Schilderung tiefster Depression und manischen Schaffenswillens auf der Suche nach sozial-emotionaler Resonanz gelesen werden. Er ist aber gleichzeitig auch eine Kindheitsanalyse, die der Autor an sich selbst durchführt. Er hat mich auf eine Weise in seinen Bann gezogen, und ich habe um den "Jüngling" manches Mal gebangt, dass ihm doch jetzt endlich etwas glücken möge. Das vermag nur große Literatur. Und ganz nebenbei habe ich so schöne, gar lustige Ausdrücke wie Galimathias, haranguieren oder hertragieren, siegwartisieren, insinuant und  demohngeachtet kennengelernt...

Nicht auf dem fotografierten Stapel liegt  "Ein Garten über der Elbe" von Marion Lagoda, die darin die wahre Geschichte der Elsa Hoffa, der Gärtnerin der legendären Hamburger Bankiersfamilie Warburg in Blankenese, romanhaft wiedergibt. Das habe ich mir zu Gemüte geführt, um mich ein wenig von den sprachlich anspruchsvolleren Büchern zu erholen. 


Das funktionierte dann allerdings so mittelprächtig, wenn die Sprache sich abgeschmackter Formulierungen bedient: Frühlingstage sind immer zauberhaft, Wände eichengetäfelt und Brote dick mit Butter beschmiert usw. Ich habe selber ja lange gegärtnert, da langweilen die ständigen Beschreibungen. Es wird sehr gradlinig erzählt, historische Kenntnisse eingeflochten, ebenso literarische, Liebesverhältnisse so dargestellt, dass sie einen nur ganz selten berühren können. Das ist immerhin einmal gegen Ende des Romans geglückt, als es um den Naziterror gegenüber der Gärtnerin ging. Alles in allem zeigt der Roman redliches Bemühen. Mehr allerdings für mich persönlich nicht.

Aus den Buchbeständen aus meinem Elternhaus hatte mir der Bruder einen großen Korb zugedacht. Beim Sichten ist mir die eigenwillig illustrierte Ausgabe von 1958 von E.T.A. Hoffmanns "Fräulein von Scuderi" in die Hände gefallen. Meine Mutter ist immer wieder auf diese Kriminalerzählung - die erste übrigens in der deutschen Literatur - zu sprechen gekommen, hat sie sie wohl sehr beeindruckt. 

Ich hab sie dann auch noch mal mit Vergnügen an einem Abend gelesen, denn die Sprache ist auffällig leidenschaftlich, emotional und schwärmerisch und das Ereignis spannend entwickelt & dargestellt. Und das auf so wenigen Seiten! Interessant, dass auch hier das Interesse an psychischen Störungen aufgegriffen wird, wie es ja schon bei Karl Philipp Moritz der Fall gewesen ist. Übrigens gab es die Titelheldin wirklich: Madeleine de Scudéri war Dichterin, begünstigt vom Sonnenkönig, und ein wichtiges Mitglied literarischer Salons in jener Epoche.
 

Eine ganze Reihe von Büchern, auch aus diesem Korb, habe ich aber wieder in meinem Wägelchen zum öffentlichen Bücherschrank gefahren.

Verschlungen habe ich an den letzten Augusttagen noch die Biographie des Kulturwissenschaftlers Helmut Lethen "Denn für dieses Leben ist der Mensch nicht schlau genug", denn da ging es um viel Zeitgeschichte, die ich auch, obwohl etwas jünger, größtenteils mitgemacht habe und die für mich sehr entscheidend gewesen sind. Durch diese Erfahrungen mit Kriegstraumatisierten, Nachkriegsarmut, Wirtschaftswunder, 68er Revolte, mit Kunst, Literatur, Film hat sich bei mir wie bei Lethen ein Ich-Gefühl entwickelt, aber keine nationale Identität, von der derzeit so viel geredet wird, die mir aber vorkommt wie eine Plombe, mit der eine Leerstelle ausgefüllt werden soll. Über die eigene Vergangenheit kann keiner souverän verfügen. Insofern hat mir die Lektüre viel gebracht: "Wer die Akteure auf eine einzige Identität verpflichtet, will die Geschichte stilllegen", so Lethen. Wie wahr.
In diesem hinter mir liegenden Lesemonat habe ich doch eine rechte Zeitreise unternommen: ( Wenn ich "Cuddy" miteinbeziehe ) vom 10., 13. und 17. Jahrhundert bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert, weiter dann übers 19. Jahrhundert und Anfang wie Mitte des 20. bis hin in unsere Tage. Und meine Bilanz: Hat wieder Spaß & Zeitvertreib  und noch mehr Nachdenken gebracht!

                                                               

Samstag, 30. August 2025

Meine 35. Kalenderwoche 2025

 "Geht einmal euren Phrasen nach bis zu dem Punkt, 
wo sie verkörpert werden."
Louis-Sébastien Mercier, 1740-1814
"Vernunft ist unsexy. 
So wie fast alles, was ein Leben nachhaltig besser macht."
"Herzkater" Dana Buchzik
 "... wenn man tatsächlich so genial ist, 
dass diese Genialität nur von einem selbst erkannt wird – 
nun, dann ist genial... 
genau das falsche Adjektiv."
Hubert Wetzel, Korrespondent in Brüssel


Ich liebe mein Veedel immer mehr. Hier haben sogar die Dreckflecken auf dem Fahrstuhlboden in der Galeria Kaufhof Herzform... Was aber noch viel ausschlaggebender ist:
"In Köln ist man am wenigsten allein", und zwar weltweit. Zu diesem Ergebnis kommt der neue "World’s Loneliest Cities Index 2025" von Nova Tech Industries. Köln zeichne sich durch eine ausgewogene Kombination aus "starker sozialer Infrastruktur und exzellenter Gesundheitsversorgung" aus, so die Studie.
Endlich mal wird dieser Charakterzug der Stadt auch mal in einem Ranking gewürdigt! Die Stadt mag nicht schön sein, aber die Menschen sorgen für Wohlbehagen. Das erfahre ich jeden Tag. Und die Gesundheitsversorgung stimmt. ( Vor Jahren habe ich das mal für mein Viertel als Teil dieses Posts erfasst. Inzwischen ist z.B. in meinem Veedel noch einiges mehr dazu gekommen. )

Bemerkenswert: Hinter Köln rangieren auch Berlin, Hamburg und München unter den Top Ten der Städte mit dem geringsten Einsamkeitsrisiko. Das sollte frau/man sich auf der Zunge zergehen lassen! Strengen sich defätistische Kreise doch immer wieder an, hierzulande alles madig zu machen. 


Mit Zwetschgen aus meiner badischen Ursprungsprovinz habe ich einen sauleckeren Kuchen gebacken und mit meiner urkölschen Nachbarin verschnabuliert, während die Tochter mich durch Fotos aus der Heimat meiner geliebten Ma und Oma erfreut hat. So ist die Welt, nicht anders! Vielfältig!


Die Nacht auf Sonntag hatte wieder Temperaturen unter zehn Grad hervorgebracht ( am Flughafen wurden gar 7,2°C gemessen, in der Nacht darauf sogar nur 4°C ). Bei tagsüber 20°C habe ich mir im Anschluss ans Bücher-Wegbringen die Beine vertreten.



Komisch: Im Biergarten war nichts los, dafür umso mehr auf den Wiesen im Tälchen.


Wenn ich beim Zahnarzt in Ihrefeld bin, muss ich ab und an beim Laden vorbeischaun, der alles hat, was man haben will, aber nicht braucht. Die Sessel "Lord Yo" von Philippe Starck hab ich allerdings schon und mag sie immer noch sehr.


Andrea, die Zitronenfalterin, stellte auch diese Woche zwei Fragen, deren eine - nach dem Sommerabschluss - ich mit diesem Foto vor dem Dom beantworten möchte: Ich habe an den beiden Hitzetagen dieser Woche noch mal mein absolutes Lieblingskleid dieses Sommers ausgeführt, marineblau mit weißen Tupfen. Ob ich das noch mal in der nächsten Zeit tragen kann?  Frage 1: "Was ist Eure schönste Erinnerung, die ihr aus dem August mitnehmt?" Die habe ich, finde ich, schon mit meiner Monatscollage am Donnerstag hier im Blog, beantwortet.



Endlich ist es mir auch mal gelungen, wenn auch eher rudimentär, da durch die Scheiben des Wintergartens, meinen allmorgendlichen kleinen Besucher zu fotografieren, als er am heißen Dienstag in der Gabelung der Magnolie "gechillt" hat. Ich hab dergleichen am Abend auf der Terrasse mit Lesen versucht - die Luft war unangenehm drückend.



Neun Jahre ist es her, seit unsere Ma uns bar ihrer Güte & grenzenlosen Liebe auf dieser Erde zurückgelassen hat. Ganz viel an sie gedacht habe ich, als ich die Bücher durchgeschaut habe, die mein Bruder aus dem Elternhaus mir angeschleppt hat. Vom "Fräulein von Scuderi" von E. T. A. Hoffmann - eine romantisch-realistische Erzählung, die sie aufgrund der Liebesgeschichte beeindruckt hat - hat sie sehr oft geredet. Das Buch musste unbedingt in meiner Bibliothek bleiben.


Am Mittwoch habe ich mir wieder die Haare schneiden lassen und dabei über die Decke im Salon meditiert. Mit einigem Schrecken habe ich anschließend den Zustand der Kastanienbäume unterwegs am Bouleplatz registriert: Miniermottenschäden! 



Da musste ich mich auf der Bank von meinem 12tel-Blick 2022 hinsetzen und einiges auch an meinem inneren Auge vorbeiziehen lassen.

Seit 22 Tagen hatte es bei uns nicht mehr geregnet: Am Donnerstag, pünktlich um zwei gab es ein Gewitter mit zwanzigminütigem Regen ( 2 Liter ). Das war's dann aber auch schon wieder. Anders als angekündigt: ein friedlicher Abend nach einem schönen Besuch der Freundin am späten Nachmittag.


Sie hat mir so eine tolle Etagère aus altem Porzellan in Delfter Blau aus Schoorl mitgebracht. So witzig, so holländisch! Ja, das Meer... in dem schwimmt zur Zeit meine jüngste Enkelin. Und ich bekomme bei den Fotos Sehnsucht...



"Es ist schwer, seinem Gewissen zu folgen, 
wenn die Stimme der Eitelkeit ebenso laut spricht."
Leo Tolstoi, 1828-1910

Fast möchte man meinen, Putins Reich sei eine Art Seniorenhort für narzisstische Männer. Denn dort findet nun auch Woody Allen durch seinen Zuschaltung bei einem Moskauer Filmfestival in der Diktatur die Bewunderung, die ihm zuletzt im Westen aus Gründen versagt geblieben ist. Zu diesen alten weißen Männern rechne ich inzwischen allerdings auch die im alten Schlachtschiff der hiesigen Frauenbewegung der 1970er Jahre agierende Alice Schwarzer, die in der letzten "Emma" einen Artikel publizieren ließ, der westlichen Angaben zu Kindesentführungen aus der Ukraine in Zweifel zieht und die Fakten zu "Propaganda-Fiktionen, die seit Kriegsbeginn von zahlreichen Menschenrechts-NGO fabriziert und in großen westlichen Medien kolportiert werden" degradiert.

Der Dank des Zaren ist ihr gewiss, ebenso wie Woody Allen oder Hollywood-Regisseur Oliver Stone, Actionheld Steven Seagal und Schauspieler Gérard Depardieu, kann er sich doch in der Illusion sonnen, kulturell keinesfalls isoliert zu sein. Na ja... der amerikanische Präsident gibt da ja auf der politischen Ebene in seiner Infantilität ( oder Demenz? ) auch kein besseres Bild ab.

                                                           


Wie jeden Samstag verlinke ich mich auch heute wieder mit Andreas Samstagsplausch in Berlin, dem Fotofragezeichen der anderen Andrea am Bodensee und dem Mosaic Monday von Heidrun 


Donnerstag, 28. August 2025

Monatscollage August 2025

 

Geschafft:
Trauertage,
Sommerhitze
(aushaltbar),
Erntemilben!

Umringt
&
umgeben
von lauter lieben
Menschen,
besonders der Tochter,
von 
Bäumen, Blumen, Büchern
war
doch noch ein recht schöner
Sommermonat
aus diesem August
geworden.
Dennoch atme ich auf,
trete gerne
dem September
entgegen...

Sehr gefreut habe ich mich 
über die vierzehn Verlinkungen
( trotz Sommerferien )
 zu


Danke wieder an euch alle,
die ihr mitgemacht habt!

( Bis einschließlich Samstag ist eine Verlinkung
noch möglich. Dann gibt es nen neuen Post. )

                                          

Gesammelt wird dieser Monatsrückblick von die_birgitt auf ihrem Blog.

Samstag, 23. August 2025

Meine 34. Kalenderwoche 2025

 "... früher oder später geschieht in jedem Leben
 ein Schicksalsschlag, ein Bruch. 
Niemand bleibt gänzlich verschont, 
und darin liegt etwas Tröstliches. 
Wir sind damit nicht allein. 
Die meisten haben ein 'Ach' unter ihrem Dach, 
mit dem sie umgehen lernen. 
Auch wenn sie vorher glaubten, 
sie würden es nicht schaffen. Sie können es.
.....
Was heute zu kurz kommt, 
ist der Gedanke der praktischen 
und nicht abstrakten Nächstenliebe 
und die Würdigung der Normalität 
und des Maßhaltens im besten Sinne."
Daniela Krien, Schriftstellerin

"Die größte Freiheit einer Person besteht darin,
wie sie mit Dingen oder Personen umgeht." 
Jürgen Schmieder, Autor
Samstagabend der vorletzten Woche: Flott einen Imbiss für mich und meine Tochter improvisiert, bevor wir bei mir um die Ecke in eine toll erhaltene Stadtvilla des Jugend- bzw. Heimatstils zu einem Gratiskonzert gingen.


"The Köln Concert" von Keith Jarrett stand auf dem Programm, aufgeführt von der Pianistin Hanna Shybayeva, und das ausgerechnet in den Räumen, die u.a. die Kulisse im Film "Köln 75" über die Organisation dieses Konzertes durch die damals 18jährige Vera Brandes abgegeben haben. Die Villa Henn ist ein denkmalgeschütztes Haus von 1907 mit einer noch ursprünglichen Innenausstattung. Das repräsentative Vestibül besitzt z.B. marmorne Wandverkleidungen, Böden und Treppen. 



Anschließend haben wir uns auf "meinem" Plätzchen einen Aperol Spritz gegönnt und die Tochter konnte ausführlich aus dem vergangenen Schuljahr der Kinder und ihren Erfahrungen mit dem bayerischen Schulsystem berichten, was mich als Ex-Lehrerin interessiert. Am Sonntagmorgen weckte uns die Sonne.

Die hatte sich am Nachmittag hinter Wolken verzogen, als wir mit der Rheinseilbahn in den Rheinpark auf Bäumesuche gefahren sind.



Die haben wir auch angetroffen ( nur nicht die, die wir suchten 🤣 ). Dafür ganz viele feiernde Gruppen, ...


...zum Beispiel die, die gemeinsam den indonesischen Nationalfeiertag begangen haben.








Am Montag dann haben wir, die Tochter & ich, den von Nadine im nachbarlichen Blumenladen gefertigten Kranz zum Grab meines Mannes gebracht. Die liebe Sieglinde hatte mir schon ein kleines Kunstwerk mit beschützendem Engel zugeschickt. Danke dir! Er hat geholfen, und ich bin ganz leichten Mutes in diesen doch so gefürchteten Tag gegangen ( und abends ganz gewöhnlich zur Aquafitness ).



Jetzt gibt es auch wieder ein Fahrrad in meinem Haushalt: Die Tochter ist eine begeisterte Radlerin wie ihr Vater selig und hat sich von der Cousine eines geliehen, um auch in Köln einfacher herumzukommen.

Der Zitronenfalterins Fotofrage Nr. 1 ist in dieser Woche schnell beantwortet: "Mit wem oder was hast du viel Zeit in dieser Woche angenehm verbracht?" Frage 2: "Ich bin diese Woche dankbar für……?" kann ich gleich mit beantworten: Dass ich den traurigen Jahrestag in der Gesellschaft meiner Tochter verbringen und etliche tiefer gehende Gespräche mit ihr führen konnte, wozu wir ja aufgrund unserer Lebensumstände nicht so häufig kommen. Sie hat im zurückliegenden Jahr so viel an Veränderungen zu bewältigen gehabt und neben ihren beiden Kindern ein eigenes, neues Ziel in Angriff genommen und durchgezogen. Ich kann eigentlich mit Stolz nicht viel anfangen, aber in ihrem Fall bin ich es aus tiefstem Herzen.


Am Donnerstag hieß es dann auch wieder für dreizehn Tage Abschied nehmen...


Zum Wochenende war ich dann also wieder alleine. Da freut frau sich, wenn mir per Post "Gesellschaft geleistet" wird: Sunni hat mich quasi an ihrem Besuch der Ausstellung von Pablo Picasso & Jean Cocteau im Kunsthaus Apolda Anteil nehmen lassen. Ich danke dir herzlich dafür!


Ich habe in der zurückliegenden Woche sehr viel weniger verfolgt, was sich auf der gesellschaftlich-politischen Ebene abgespielt hat, dazu waren die - sonst ja seltenen - Gespräche mit der Tochter en face à face einfach viel wichtiger. Nur meine lokale Tageszeitung war dran... 

Und ja, da bin ich auf eine neue seltsame Blüte der Skandalisierungstrategie der Rechtspopulisten gestoßen: Ein Kölner Illustrator berichtete in der Zeitung:
"Ich durfte in den letzten 36 Stunden eine winzige Kostprobe davon nehmen, was Mitmenschen von mir tagtäglich an Anfeindungen und Diskriminierung über sich ergehen lassen müssen. Und ganz ehrlich: Diese Erkenntnis bricht mir das Herz."
Und was hat Moritz Adam Schmitt gemacht? Er hat den Auftrag angenommen, für die Käsemarke "Milram" des Deutschen Milchkontors Bilder zum Thema "Gemeinschaft" zu kreiieren. In seinen Motiven spiegele sich lediglich das, was er tagtäglich in seinem Umfeld erlebe: Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben.

"Diese Menschen gehören für mich – und, wie ich glaube, auch für unsere Stadt – genauso dazu wie der Dom oder der Rhein."

Vor anderthalb Wochen erreichten ihn erste negative Rückmeldungen per Mail, bevor dann die social media über ihn und die beiden anderen Illustratoren sowie die Firma hergefallen sind. Hass & Rassismus wie persönliche Beleidigungen & Angriffe auf die Privatpersonen kannten mal wieder keine Grenzen.

"Ich kann die Aufregung ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Es gibt so viele wichtigere Probleme auf dieser Welt, und eine Gruppe von Menschen regt sich über bunte Käseverpackungen auf." Über Geschmack, egal ob visuell oder kulinarisch, könne man streiten, so Moritz Adam Schmitt.
Aber so eine Eskalationsspirale in Gang setzen? Synapsenkurzschluss! Aus Alltagsprodukten politische Schlachtfelder generieren? Was machen die demnächst aus linksdrehendem Jogurt? Höchstwahrscheinlich geht es wieder um die Deutungshoheit über die Realität. Ein ideologisches Spiel mit klarer Agenda: Haltung diskreditieren, Vielfalt delegitimieren, Angst schüren.

Da kann ich nur mit Sarkasmus reagieren wie zum Beispiel "Der Postillion"...

( Die Käsegeschichte ist ja geradezu nett verglichen mit einer ekelhaften Desinformationskampagne des rechtsextremen Aktivisten "Shl*mo F*nkelstein", der verbreitet, in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg seien Ziegen missbraucht worden, gedeckt von der Leitung. Ich will nicht in Details gehen, aber darauf hinweisen, welch Geistes Kind solche Leute sind... )

                                                                                  


Wie jeden Samstag verlinke ich mich mit diesem Post wieder mit Andreas 
Samstagsplausch in Berlin, dem Fotofragezeichen der anderen Andrea am Bodensee und dem Mosaic Monday von Heidrun