Über den ägyptischen Nobelpreisträger Nagib Machfus bin ich Ende der 1980er Jahre auf den Schweizer Unions-Verlag aufmerksam geworden und in seinem Repertoire an internationaler Literatur auch auf die Bücher meiner heutigen Protagonistin gestoßen, der Algerierin Assia Djebar. Da sie heute vor zehn Jahren in Paris gestorben ist, war das Anlass genug, euch, liebe Leser*innen, mit ihr & ihrem spannenden Leben bekannt zu machen.
"Für mich ist es die erste Freiheit,
die der Bewegung,
der Verschiebung,
die überraschende Möglichkeit,
die eigene Macht zu haben,
zu kommen und zu gehen,
von drinnen nach draußen,
von privaten zu öffentlichen Orten und umgekehrt."
Am 30. Juni 1936 kommt Assia Djebar in Cherchell, der einstmals römischen Stadt Caesarea, als Fatima-Zohra Imalayène zur Welt. Die Stadt liegt an der algerischen Mittelmeerküste, rund 90 Kilometer von der Hauptstadt Algier entfernt. Assia ist das erste Kind ihrer Eltern Tahar Imalhayène, geboren 1911 in Gouraya in der Provinz Tipasa und nun Französischlehrer, und der fünf Jahre jüngeren Bahia Sahraoui. Bald nach ihr kommt ein Bruder auf die Welt, der mit einem halben Jahr stirbt; ein weiterer Bruder wird fünf Jahre, eine Schwester acht Jahre nach Assia geboren werden, Sakina, über die nicht viel mehr bekannt ist, als dass sie später Endokrinologin werden wird.
Die Familie Imalayène,, Assia rechts neben dem Vater auf dem Foto ist vorne Maurice, ein franz. Nachbarsjunge zu sehen |
Als Spahi nimmt der Großvater am Kolonialkrieg der Franzosen gegen die Chinesen in Tonkin/Vietnam teil und ist später in der Ehrengarde in Paris bei Empfängen von Staatsgästen wie dem russischen Zaren beteiligt.
Sein Sohn Tahar wird an der "L'École normale musulmane d'instituteurs de Bouzaréa" zum "Lehrer der Republik" ausgebildet - eine große Mission unter den gegebenen politischen Verhältnissen. Er unterrichtet als einziger Araber unter lauter Franzosen an der Grundschule von Mouzaïa die Sprache der Kolonisatoren. 1967 wird er erster Generaldirektor der CNEP, einer Art algerischer Sparkasse, werden.
Die Mutter Bahia gehört zur angesehenen maurischen Familie Berkani, Berber, die in der Region des Berges Chenoua westlich der Hauptstadt zu Hause sind und die Chenouis genannt werden und eine ganz eigene Sprache sprechen. Die wird das Kind zu seinem späteren Bedauern nicht lernen.
Ihre Großmutter, Lla Fatma Sahraoui, stammt von einem Kämpfer an der Seite von Abd el-Kader ab, der 1830 die Berberstämme in Westalgerien zum Widerstand gegen die französischen Kolonisatoren vereint & angeführt hat. Mit Abd el-Kader wird der Vorfahre auch das Exil in Marokko teilen.
Mit diesem Hintergrund wird sich das Mädchen immer zwischen den Sphären bewegen:
Sie wächst einmal hinein in eine Welt, deren Intimität und Zärtlichkeit sie oft beschwören wird, wiewohl es den Frauen verboten ist, aus der eigenen Haustür zu treten, hinaus auf die Straßen, in die Welt, unter der Weite des Himmels auch nur umherzulaufen, die singen und miteinander reden - wie ihre Mutter liebt sie andalusische Musik. Und dann ist da die Welt, in die sie der Vater eintreten lässt, in der er Anzug, Krawatte und eine Aktentasche, aber auch noch den roten türkischen Fez trägt, und sie schnell auf den Geschmack bringt am Lesen.
Mitidja - Ebene |
An der Hand des Vaters geht sie an einem Herbstmorgen zum ersten Mal in die Schule von Mouzaïa, mit der Mutter dagegen immer donnerstags in den Hamam. Sie lebt in einer Stadt der Kolonialisierung, grau und staubig, während die andere Welt, leuchtend, voller Farben, Gerüche, Lieder, die der fruchtbaren Mitidja- Ebene ist, jener Region des Landes mit uraltem, landwirtschaftlichen und kulturellen Erbe, voller Weizen- und Gerstenfelder im Wind, Orangen-, Mandarinen- und Zitronenbäumen. Diese Quintessenz wird unbestreitbar eine unerschöpflich inspirierende Quelle für die Schriftstellerin werden. Später wird sie einmal von diesem "Planeten" sprechen, einem "der von wunderschönen Geschöpfen namens Frauen bewohnt wird, die körperlich und geistig so schön sind, dass keine Tortur, nicht einmal der Anblick von uns, sie entstellen kann."
Anders als in ihrer eher westlich beeinflussten Familie leben Assias Cousinen und weiblichen Verwandten von ihrer Verheiratung bis zum Einsetzen des Alters zurückgezogen, vor den Blicken, dem Kontakt und dem Einfluss von Ausländern verborgen. Im Algerien des 19. Jahrhunderts mag das eine Strategie zur Wahrung der Identität gewesen sein, nun ist es zu einer geradezu vollkommenen Unterdrückung des schönen Geschlechts geworden. Auch Assias Mutter kann nicht unverhüllt auf die Straße gehen und ist hierbei auf die Begleitung ihrer Tochter angewiesen. Die Ehe der Eltern löst sich allerdings vorsichtig aus diesen Traditionen, sie nennen sich beim Namen, statt sich mit "Mann" und "Frau" anzusprechen.
Im frühen Kindesalter fühlt sich Assia durchaus als "Tochter ihres Vaters". Seine Idealisierung erfährt einen ersten Riss, als er ihr das Fahrradfahren verbietet, weil er meint auf dem Fahrrad zeigt sie ihre Beine. Gegenüber der Heranwachsenden erweist er sich als Sittenwächter von puritanischer Strenge, obwohl er sich doch dem Aufstieg seiner Tochter in die Welt der Bildung nicht widersetzt und seiner Frau eine wirkliche Gleichberechtigung ermöglicht, ja sogar daraus eine neue Kraft, neuen Schwung gewonnen hat.
Zunächst besucht sie neben der Grundschule noch eine private Koranschule, als eines von zwei Mädchen unter lauter Jungen. Was sie dort erwirbt ist neben dem Glauben ein ungewöhnliches Durchsetzungsvermögen.
Es folgt das Internat des "Collèges de Blida" in Algier, wo sie sich, da sie kein klassisches Arabisch lernen kann, Latein, Griechisch und Englisch aneignet – und französische Literatur zu lesen beginnt: die von André Gide, von Paul Claudel, von Marcel Proust - die gesamte französische Literatur dieser ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diese Leidenschaft teilt sie mit einer gleichaltrigen Freundin mit italienischen Wurzeln, die Assia auch davor bewahrt, sich in sich selbst zurückzuziehen, und die mit ihr kleine Fluchten in die Welt außerhalb des Internats unternimmt.
Im Collège ist sie das einzige muslimische Mädchen, weshalb sie unerschütterlicher in ihren Überzeugungen wird. Es ist aber auch eine Zeit der vorsichtigen Kontakte zwischen den Geschlechtern. Als sie einen Brief von einem Studenten erhält, der um eine Brieffreundschaft nachsucht, reagiert der Vater heftig. Trotz seiner Aufgeklärtheit im Sinne der Französischen Revolution und seiner Überzeugung von den Vorzügen der Bildung, wird er, wie Assia später schreibt, zum "Bewacher des Gynäkeions".
Mit siebzehn Jahren wirft sich Assia nach einem Streit mit ihrem (Brief-) Freund vor eine Straßenbahn, kommt aber glimpflich davon. Was da in ihr vorgegangen ist, wird sie immer wieder, auch literarisch beschäftigen. Sie sieht es aber auch auf dem Hintergrund der beginnenden Auseinandersetzungen mit dem Kolonialherren, der ab 1954 in einem bewaffneten Konflikt mit einer Dauer von acht Jahren münden ( Algerienkrieg ) wird. Zu diesem Zeitpunkt besucht sie schon die sogenannte Hypokhâgne ( Vorbereitungsklasse auf ein Studium ) des Bugeaud-Gymnasiums in Algier. Der Vater hat keine Einwände gegen den Vorschlag ihres Direktors, dass seine nunmehr achtzehnjährige Tochter anschließend die Khâgne ( letzte Vorbereitungsklasse ) an der "École Normale Supérieure" am Lycée Fénelon in Paris absolvieren soll.
1954 überquert Assia also zum ersten Mal das Mittelmeer. Sie findet sich wieder unter den Söhnen & Töchtern der Pariser des Boulevard Saint-Germain und des Boulevard Saint-Michel im Herzen des Quartier Latin. Mit ihrer Lehrerin Dina Dreyfus, Ehefrau des renommierten Ethnologen Claude Lévi-Strauss, hat sie Glück. Im Jahr darauf tritt sie in "École Normale Supérieure" in der Rue de Sèvres ein. Dort möchte sie das literarische Arabisch lernen. 1956 beschließt sie, der Streiklosung der UGEMA, der Allgemeinen Union algerischer muslimischer Studenten, zu folgen und legt ihre Prüfungen nicht ab. Sie wird deshalb aus der Schule ausgeschlossen.
Bei dieser Gelegenheit verfasst sie ihren ersten Roman "La Soif". Um ihre Familie nicht zu schockieren, nimmt sie den nom de plume Assia Djebar an: Assia bedeutet im Arabischen "Trost" und Djebar "Unnachgiebigkeit". Im Mittelpunkt des auf Deutsch erst 1993 erschienenen Romanes steht die 20jährige Nadia, Tochter eines Algeriers und einer Französin. Die Autorin beschreibt darin genüsslich und völlig unüblich in der Literatur ihres Heimatlandes die Freuden körperlicher Liebe. Kein Wunder, dass die französische Kritik das Werk mit "Bonjour tristesse" von Françoise Sagan (siehe dieser Post ) vergleicht.
Schon im nächsten Jahr veröffentlicht Assia "Les Impatients" (dt: "Die Ungeduldigen"). Wieder steht mit Dalila eine Frau im Mittelpunkt, deren psychologische & körperliche Befindlichkeit von der jungen Schriftstellerin einfühlsam u. vielschichtig beschrieben wird. Die junge Frau möchte ihre Liebe zu Salim offen zeigen und lehnt alle Angebote ab, die darauf hinauslaufen, altbewährte Arrangements für die Situation zu finden, um ihrem Bruder die Liebe zu verheimlichen. Weil sie nicht lügen will, ist sie bereit, sich einsperren zu lassen. Schließlich folgt sie dem Geliebten nach Paris. Hier haben wir es mit einem frühen, wenn nicht dem frühesten Werk dieses Genres in der islamischen Welt zu tun...
"Die Erziehung, die ich von meiner Mutter und anderen Verwandten erhielt, basierte auf zwei unumstößlichen Regeln: erstens, sprich nie über dich selbst; und zweitens, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, so sprich zumindest anonym." Daran hält sich die Zwanzigjährige in ihren Romanen nicht.
1957 ist ihr eigener Bruder Samir den algerischen Maquis beigetreten. Er wird verhaftet, freigelassen, wieder in den Widerstand gehen und wieder verhaftet werden. Kurz vor 1960 findet Assias Mutter den Mut und genug Energie, um ebenfalls das Mittelmeer zu überqueren und kreuz und quer durch Frankreich zu reisen, von Gefängnis zu Gefängnis, um ihren Sohn zu suchen - für eine muslimische Frau ihrer Generation ein kühnes Unterfangen.
Assia selbst heiratet 1958 jenen Freund, vor dem sie fünf Jahre zuvor im Streit geflohen & unter die Straßenbahn geraten ist, den Schriftsteller & Theatermann Ahmed Ould-Rouis, unter dem Pseudonym Walid Garn Mitglied der FLN wie Assias Bruder und in Frankreich politisch verfolgt. Mit ihm geht sie über die Schweiz nach Tunesien, wo sie als Investigativjournalistin für die Zeitung "El Moudjahid" arbeitet und auf die Not der Flüchtlinge der bombardierten Stadt Sakiet-Sidi-Youssef aufmerksam macht ( literarisch erst verarbeitet in "Les Allouettes naives" 1967 ).
Schließlich kann sie, von General de Gaulle 1959 als "literarisches Talent" anerkannt, ihr Geschichtsstudium wieder aufnahmen und gleichzeitig zeitgenössische Geschichte des Maghreb an der Fakultät für Literatur in Rabat lehren. Sie arbeitet zudem an einer Diplomarbeit über die Schutzpatronin von Tunis am Ende des 12. Jahrhunderts, Aïcha El Manoubia. Am 1. Juli 1962 kann Assia nach Algerien zurückkehren und wird Professorin an der Universität Algier, die einzige, die Kurse zur modernen und zeitgenössischen algerischen Geschichte abhält. In dieser Zeit des postkolonialen Übergangs stellt sich die Frage nach der Unterrichtssprache: Ihr wird Unterricht in Arabisch auferlegt, was sie ablehnt und woraufhin sie Algerien verlässt.
Weil Assia akzeptieren muss, dass sie keine eigenen Kinder bekommen kann, adoptiert sie 1965 Mohammed und 1966, zurück in Paris, Djalila. Sie widmet sich jetzt ihrer Familie statt zu schreiben: Nach "Les Allouettes naives" folgt ein jahrelanges Schweigen, über das sie sich selbst manchmal wundern wird. Es sind ihre Scharnierjahre - "années charnière". Aber sie hat sich jetzt für das Kino entschieden und ist begeistert von dieser neuen Ausdrucksform.
Film Still |
Der erste Film wird auf der Biennale von Venedig gezeigt, wo er den Internationalen Kritikerpreis gewinnt ( es ist nur noch eine einzige digitale Kopie des Films vorhanden), der zweite 1983 den Sonderpreis der Berlinale für den besten historischen Film. Beim zweiten Film hat sie schon mit ihrem gleichaltrigen Dichterkollegen Malek Alloula zusammengearbeitet, den sie 1980 heiraten wird. Von ihrem ersten Mann hat sie sich bereits im Oktober 1975 scheiden lassen, nachdem sie im Jahr zuvor nach Algier zurückgekehrt ist, um dort an der Fakultät für Geschichte zu lehren und dann Kurse für französischsprachige Literatur und Kino zu geben.
Eugène Delacroix "Die Frauen von Algier" (1834) |
Bei ihrem nächsten Buch - " L'Amour, la fantasia" (1985; dt. "Fantasia" der "Algerischen Tetralogie 1. Teil" ) "schneidet" sie wie bei einem Film Szenen aus der historischen Tragödie ihres Landes gegen solche autobiografischer Natur, die von ihrer Kindheit und Jugend erzählen. Es zeigt sich, dass sie eine gewissenhafte Historikerin ist, die die Quellen in Algerien wie Frankreich konsultiert hat. Im intimen Teil des Buches erteilt sie hauptsächlich den Frauen das Wort - bei den Männern ist das nicht nötig, sie haben es ja. Und davon berichtet Assia. Es wird ihr bekanntester Roman, der sie in die Kategorie der wirklich gefeierten Schriftsteller aufnimmt.
Es folgt "L'Ombre sultane" (1987, dt: "Die Schattenkönigin" ) der "Algerischen Tetralogie, 2. Teil" - das Buch, mit dem ich ihre Bekanntschaft gemacht habe. Sie schreibt darin von einer Frau, die in ihrem Pariser Exil das Glück erotischer Erfüllung gefunden hat, aber wie von einem Schatten vom Unglück einer Frau verfolgt wird, die in Algerien an ihrer Stelle in der Unterordnung unter den Ehemann lebt und verkümmert. Sie beschwört mit diesem Text die weibliche Verbundenheit. Für das Buch erhält sie den LiBeraturpreis des Ökumenischen Zentrums Frankfurt.
1990 |
1991 lädt uns ihr Buch "Loin de Médine. Filles d'Ismaël" ( dt. "Weit weg von Medina" ) zu einer Reise ein, mit ihr die letzten Tage des Propheten Mohammed in seiner Stadt zu erleben, um die Frauen, die ihm nahe stehen, darunter seine Tochter Fatima, besser zu verstehen oder gar erst zu entdecken.
Der dritte Teil der "Algerischen Tetralogie", "Vaste est la prison" (1995; dt. "Weit ist mein Gefängnis" ) bringt ihr den Maurice-Maeterlinck-Preis ein. Der Titel zitiert übrigens ein Berberlied: "Weit ist das Gefängnis, das mich erdrückt, woher soll mir die Erlösung kommen?" Die Ehrendoktorwürde der Universität Wien wird ihr in dem Jahr verliehen. Eine ebensolche erlangt sie in Montreal und Osnabrück.
Inzwischen hat die algerische Tragödie von Neuem begonnen: Jetzt werden keine Dorfbewohner mehr ermordet, jetzt sind es die Intellektuellen in den Städten, die den Preis für ihre Meinungsfreiheit zahlen. Ihr Schwager, der Dramatiker Abdelkader Alloula, ist darunter, mit einer Kugel durch den Kopf ermordet. In "Le Blanc d'Algérie" ( 1996; dt. "Weißes Algerien" ) schreibt sie von all den tragischen Todesfällen, die ihr Land ihr beschert und die sie in tiefen Schmerz versetzen und sie mischt sich erstmalig direkt ins politische Geschehen ihrer Heimat ein. Als Romanautorin überträgt sie diese Idee des Todes auch auf die Sprache in "Oran, langue morte" ( dt."Oran - Algerische Nacht" ) ist der Titel eines 1997 veröffentlichten Romans, für den sie den Yourcenar - Preis ( siehe auch dieser Post ) erhält.
Ein weiterer Roman "Les Nuits de Strasbourg" ( dt: "Nächte in Straßburg" ) erscheint ebenfalls in dem Jahr. Er erzählt von einer Kunsthistorikerin Thelja, die neun Nächte mit ihrem wesentlich älteren Geliebten in Straßburg verbringt und gleichzeitig über ein verlorenes Manuskript der Äbtissin Herrad von Landsberg schreibt. Die sinnliche Beschreibung der Liebesnächte steht neben kunstvoll eingewobenen Geschichten zahlreicher anderer Paare, die sich finden und trennen.
Trennen wird sich Assia auch von ihrem Mann, 1999, dem Jahr, in dem sie zum Mitglied der Königlichen Akademie für französische Sprache und Literatur Belgiens gewählt wird und die Medaille der Frankophonie der Académie Française verliehen bekommt. Zwei Jahre zuvor hat sie eine Professur für französische und frankophone Studien an der Louisiana State University übernommen.
2006 |
Literaturpreise und Auszeichnungen prasseln auf Assia Djebar ein, darunter 2000 auch der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für ihr Gesamtwerk. Schließlich wird Sie am 16. Juni 2005 von den 40 "Unsterblichen" in die Französische Akademie aufgenommen. Die Presse, die breite französische Öffentlichkeit, die die Schriftstellerin endlich wirklich entdecken, feiern diese Wahl als einen Triumph für die französischsprachige Welt. Assia ist die erste Schriftstellerin aus Nordafrika, die in die Organisation gewählt worden ist und überhaupt erst die fünfte Frau...
Abgesehen von einer Erklärung der ehemaligen Kulturministerin Khalida Toumi und einigen Presseartikeln fehlt in ihrem Heimatland eine offizielle Anerkennung - als ob eine gewisse Schande dabei wäre, dass eine algerische Schriftsteller*in in diese Institution der ehemaligen Kolonialmacht integriert worden ist. Das Land, das sie beständig geliebt hat, gibt es ihr nicht im gleichen Maße zurück. "Es reichte nicht, dass sie sie mit Albert Camus verglichen haben! Sie haben sie nicht einmal ins Arabische übersetzt! Wir können ihre Bücher nicht einmal in Algier finden", protestieren einige ihrer Verwandten einmal entnervt.
2002 und 2003 sind noch zwei Romane von ihr erschienen - "La femme sans sépulture" ( dt: "Frau ohne Begräbnis" ) und "La Disparition de la langue française" ( dt: "Das verlorene Wort" ) 2007 kommt "Nulle part dans la maison de mon père" ( dt: "Nirgendwo im Haus meines Vaters" ) heraus. Was immer fehlen wird: der vierte Teil der "Algerischen Tetralogie".
Denn es wird still um Assia Djebar: Sie erkrankt an Alzheimer und stirbt am 6. Februar 2015 in einem Krankenhaus in Paris. Malek Alloula, von dem sie seit 2005 geschieden ist, ereilt dasselbe Schicksal neun Tage später in Berlin. Überlebt wird sie von ihrer inzwischen 97jährigen Mutter, ihrem Bruder wie der Schwester, die sie in ihrem Geburtsort mit der Tochter Djalila und deren Kindern am 15. Februar 2015 nach dem Freitagsgebet zu Grabe tragen.
Die algerische Schriftstellerin hinterlässt ein Werk, welches mehr als 15 Romane sowie Kurzgeschichten, Essays und Gedichte umfasst. Ihre Bücher sind in über fünfzehn Sprachen übersetzt. Aus allen Arbeiten kann frau die gleiche Beobachtung ziehen: Wenn es eine Haltung gibt, die bei Assia Djebar völlig fehlt, dann ist es Populismus oder Demagogie.
"Die französische Sprache ist zumindest schriftlich zu meiner geworden. Französisch ist daher der Ort, an dem meine Arbeit erforscht wird, der Raum meiner Meditation oder meiner Träumerei, vielleicht das Ziel meiner Utopie, ich würde sogar sagen: Tempo meiner Atmung, Tag für Tag."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst! Ich setze allerdings voraus, dass am Ende eines anonymen - also von jemandem ohne Google- oder sonstigem Blog -Account geposteten - Kommentars ein Name steht. Gehässige, beleidigende, verleumderische bzw. vom Thema abweichende Kommentare werde ich nicht veröffentlichen.
Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass dieser und die personenbezogenen Daten, die mit ihm verbunden sind (z.B. User- oder Klarname, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.