Vor fünf Wochen bei meinem Besuch im Münchner "Sudetendeutschen Museum" bin ich auf sie gestoßen. Und bald stand fest: Ich versuche mehr über Barbara König herauszufinden ( was nicht ganz einfach war ), die in diesem Monat hundert Jahre alt geworden wäre.
"Mir schien – und scheint noch -,
dass es keine Vergangenheit gibt
und dass Vergessen nichts
als eine Stelle
vorübergehend gelöschter Gegenwart."
Barbara König erblickt am 9. Oktober 1925 in Reichenberg ( heute Liberec, fünftgrößte Stadt Tschechiens ) in der Region Nordböhmen der damaligen Tschechoslowakei das Licht der Welt.
Ihre Familie hat deutsch-tschechisch-ungarische Wurzeln, und Barbaras Eltern empfinden sich noch als k. u. k. Österreicher, denn Reichenberg, an der Lausitzer Neiße gelegen, hat bis zum Ende des 1. Weltkrieges zum Habsburgerreich gehört.

Die Stadt ist eine Gründung deutscher Siedler des 13. Jahrhunderts. Später im 19. Jahrhundert, nachdem sich der Bergbau aufgrund der Erschöpfung der Vorkommen an Eisenerz, Silber, Kupfer, Blei und Zinn erledigt hat, entwickelt sich die Stadt zu einem Zentrum der Textilindustrie. Der 1. Weltkrieg bereitet der "Goldenen Zeit
" der Stadt ein jähes Ende: Da Reichenberg keine Schwerindustrie hat, hat ihr der Krieg keine wirtschaftlichen Vorteile eingebracht. Die Textilindustrie hingegen verliert ihre Märkte in Österreich, Ungarn und Jugoslawien. Im November 1918 ist Reichenberg für einige Wochen Hauptstadt der deutsch-österreichischen Provinz Deutschböhmen, wird aber von tschechischem Militär mit einiger Gewalt besetzt. Diese Lösung kann dann auch bei der Friedenskonferenz mit dem Vertrag von Saint-Germain durchgesetzt werden, und die Region wird der Tschechoslowakei zugeschlagen. Als die deutschen Sozialdemokraten sich nach dem Friedensvertrag mit dem neuen Staat abzufinden beginnen und Vorschläge für seinen föderativen Aufbau nach national abgegrenzten Bezirken machen, stößt das auf absoluten Widerspruch aller tschechischen Parteien. Konflikte sind beiderseits vorprogrammiert, auch aufgrund sich wirtschaftlich verschlechternder Verhältnisse unter der deutschen Minderheit. Von Reichenberg aus agitiert der Hitler-Gefolgsmann Konrad Henlein mit der Forderung nach Anschluss der Grenzregionen an das Deutsche Reich und funktioniert einen Turnerverband zu seiner Sudetendeutschen Partei um. Bei den tschechoslowakischen Kommunalwahlen 1938 erhält diese bis zu 90 Prozent der Stimmen der deutschen Minderheit. Die Rolle der Stadt als Zentrum der sudetendeutschen völkischen Bewegung, der Deutschnationalen Partei und schließlich ab 1933 der Sudetendeutschen Partei wird in der Bundesrepublik nach dem verlorenen 2. Weltkrieg allerdings gerne & lange verschwiegen.
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Friedland mit Kafkas "Schloss" im Hintergrund |
Doch zurück zu Barbara König:
Hineingeboren in eine sehr gut situierte Familie, wächst Barbara mit ihrem ein Jahr jüngeren Bruder in einer großbürgerlichen Wohnung in Friedland - und auch einer zweiten in Reichenberg - auf. Halb-feudal wird sie ihre Lebensumstände charakterisieren, so mit Pferd & Wagen. Ihre Umwelt ist böhmisch geprägt, und im Alter wird Barbara sagen:
"Es ist fast unmöglich, von einer so intensiven Landschaft und Gesellschaft, die es in Böhmen gibt, nicht geprägt zu werden. Ich finde diese Mischung aber ganz wunderbar. Meine Mischung hat mir viel mehr Flexibilität gegeben, als wenn ich nur Deutsche gewesen wäre." ( Quelle hier )
Schon mit sieben Jahren fängt sie an, Gedichte zu schreiben, um bei ihrer Mutter die Aufmerksamkeit zu bekommen, die ihr Bruder vorzugsweise bekommt. 1936 muss das Mädchen mit seiner Familie mit dem Suizid des Vaters ( "keiner wußte, warum" ) und seinen Folgen klarkommen:
"Mit ihm war unsere malerische Kindheit versunken, der Friedländer Park, das Hupmobil, die Pferde, der Landauer, Kati, die Köchin, und Bürger, der Chauffeur. Seither hatte ich alle meine Energien auf den Versuch verwendet, mich auf meinen neuen Status einzustellen: Halbwaise in bescheidenen Verhältnissen." ( Quelle: BR-Online Gespräch mit Barbara König )
Doch Barbara kann im Nachhinein dieser Bohème-Lebensweise mit ihrer Mutter als Putzfrau anstelle des Dienstpersonals etwas abgewinnen, denn sie lernt mit weniger Geld umzugehen, was ihr später zu Gute kommen wird.
Zwei Jahre später weitere einschneidende Veränderungen: Im September 1938 steht der Einmarsch der Hitlertruppen in Reichenberg bevor und Schießereien mit Tschechen werden befürchtet. Da nimmt die Mutter das Angebot des Reiches an, prophylaktisch mit ihren Kindern ins Sauerland auszuweichen. Barbara schreibt über den Aufenthalt dort:
"Schöne Gegend, blauer Himmel, aber spartanische Unterkunft, Pfefferminztee Kartoffelernte, jungdeutsche Erbauungsbücher, dazwischen Nachrichten aus dem Volksempfänger, umbraust von tosendem Jubelgeschrei: das waren unsere zurückgebliebenen Landsleute, die den Einmarsch der Befreier begrüßten - das Sudetenland war heimgekehrt ins Reich." ( Quelle hier )
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Naziaufmarsch in Reichenberg |
Wieder zurück in Reichenberg ist die Stadt flaggenverhangen, vieles passiert, "doch nichts Sensationelles". Barbara kommt sich vor wie jemand, der mit Zahnschmerzen im Kino sitzt und auf eine atemberaubende Handlung wartet, um den Schmerz zu vergessen.
Neue Lehrer beginnen den Unterricht mit ausgestreckter Hand, alte Bekannte tragen Uniform, Freunde des Vaters "in Stadtpelz und Melone" verschwinden aus dem Stadtbild. Schließlich muss sie von einer koedukativen Schule in eine Oberschule nur für Mädchen, wo eine erste große "BDM-Welle" sich aufzutürmen beginnt. Doch Barbara will den "Zauber" des gemeinsamen Singens aufputschender Lieder nicht, denn sie hatte "gerade erst mein Hirn entdeckt". Was die Lehrerinnen, aber auch die Nachbarn anbelangt: "Da war so viel Ungereimtes."
Als das Chaos wächst, kann der vierzehnjährige Teenager dann aber auch nur noch schlecht schlafen. Der Bruder meint nur: "Right or wrong, my country." Barbara erkrankt an Scharlach & Diphterie mit anschließendem Gelenkrheumatismus und ein Herzkollaps droht. Der kommt nicht, aber der 2. Weltkrieg bricht aus und die Mitgliedschaft im BDM wird obligatorisch. Aufgrund ihrer Erkrankung bleibt sie davon befreit ( allerdings auch von ihren liebsten Beschäftigungen wie Tennis & Ballett ). Die nächsten zwei Jahre werden die glücklichsten ihrer Schulzeit: Während die Mitschülerinnen singen, turnen, marschieren, liest sie, schreibt Gedichte, schaut sich Filme an.
Im Sommer 1942 nehmen die Nazis furchtbare Rache für das Attentat auf Reinhard Heydrich in Prag ( ich sage nur Lidice und Ležáky ). Barbaras Familie betrifft das insofern, als der Mutter nun der jüdische Schwiegervater vorgehalten und für die Tochter die Nichtzulassung zur Universität angedroht wird: "Ich hatte das Fürchten gelernt", schreibt sie. Im Februar 1944 endet ihre Schulzeit mit dem Notabitur.
Die Achtzehnjährige wird der Pressestelle der NS-Volkswohlfahrt zugeteilt, wo sie über die Kinderlandverschickung usw. zu berichten hat. Über eine Anzeige wird nach jemandem gesucht, der einem ukrainischen Arzt im Range eines deutschen Majors Sprachunterricht erteilen könne. Barbara fühlt sich berufen. In der Infektionsabteilung eines Krankenhauses kommt es auf Dauer nicht nur zum Deutschlernen, sondern auch zu einer Romanze mit dem geradezu deutsch aussehenden jungen Mann. Sie werden denunziert. Im September 1944 wird Barbara ebenso wie der junge Arzt verhaftet und verhört. Angeblich hat letzterer "politische Verbindungen" in Prag gepflegt. Die anschließende, fünfeinhalb Monate dauernde Haft macht aus dem "allzu passiven Resistenzler" einen "Gegner des Regimes", so Barbara über sich im Nachhinein.
"Es gab eine Art geheimen Engel in der Gestapo von Reichenberg, einen Mann im Range eines Majors, der versucht hat, Leute freizubekommen, die sonst vielleicht getötet worden wären. Unter jenen Leuten war auch ich." ( Quelle BR - Online )
"... an einem strahlenden Februartag 1945", als die russische Artillerie schon hinter dem Riesengebirge zu hören ist, wird sie entlassen und diesen Tag ab da jedes Jahr als ihren persönlichen "Liberty Day" feiern. Zwei Monate später ist der Krieg aus und der Terror der tschechischen Revolutionsgarden setzt ein. Barbara begibt sich auf die riskante Flucht - mal heißt es alleine, mal mit Mutter & Bruder -, kommt nach Süddeutschland.
Ermutigt durch einen Preis bei einem Wettbewerb des "
Mannheimer Morgen", wendet sie sich 1947 dem Journalismus zu: Zwei Jahre arbeitet sie für die "
Deutsche Nachrichtenagentur" (DENA) in Bad Nauheim, für die sie englische Artikel verfasst. Dann wird sie Redakteurin der "
Neuen Zeitung", von ihren amerikanischen Herausgebern als Mittel zum Zweck der politischen Umerziehung und im Besonderen der Entnazifizierung der Deutschen gedacht. Ihre Erfahrungen mit den Amerikanern sind durchweg positiv und werden eine Vorliebe für das Land begründen. Eine journalistische Ausbildung hat die junge Frau nicht, bekommt aber 1950/51 durch ein Stipendium die Möglichkeit, Zeitungswissenschaft und Creative Writing in den USA zu studieren. Anschließend redigiert sie bis 1953 eine Zeitschrift für internationalen Austausch namens "
kontakt".
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Eines der ersten Treffen der Gruppe; die Dame rechts dürfte Ilse Schneider- Lengyel sein |
Noch vor dieser Zeit erhält Barbara ein Telegramm von
Hans Werner Richter, dem Begründer der legendären "
Gruppe 47". Inzwischen haben sich deren Versammlungen zum literarischen Jahreshighlight entwickelt, werden medial begleitet und bringen so die Diskussionen rund um die neueste Literatur an die deutsche Nachkriegs- Öffentlichkeit. Mit diesem Telegramm lädt Richter die Teilzeit - Schriftstellerin zum Treffen am 11. Mai 1950 in das Kloster
Inzigkofen im Allgäu ein. Barbara findet Richter "
fürchterlich arrogant. Kaum dass er mir die Hand gegeben hat. Was denkt sich der?" Und Richter, der sich nicht mehr erinnern kann, sie eingeladen zu haben:
"Du lieber Gott, eine Mischung zwischen einer Schlange und einer Katze, was will die hier und wie kommt sie hierher?"
Er möchte sie loswerden, aber Barbara insistiert, hat dann aber keine Nerven mehr, ihren eigenen Text vorzulesen, nachdem sie das Prozedere mitbekommen hat und wie Richter "
die Bestien" der Kritik hinterher loslässt. Der Suhrkamp - Lektor
Friedrich Podszus, ein wohl sanfter, liebevoller Mensch, so Zeitgenossen, nimmt es ihr ab. Es ist eine Lustmordgeschichte mit dem Titel
"Irre Wünsche", und die Autorin wird sich später nur noch an eine positive Beurteilung von
Wolfdietrich Schnurre erinnern. Den Rest des Nachmittags versucht sie, das Zittern ihrer Hände zu verbergen. Was sonst noch bei den Treffen außer Trinken, Rauchen, Tanzen passiert, verschweigt sie diskret.
Ansonsten urteilt sie später über die Treffen & das Ritual: "
Mit einer Prise Masochismus wird selbst das zum Spaß." Barbara gehört zusammen mit
Ilse Schneider - Lengyel ( die fürs erste Treffen ihr Seegut zur Verfügung gestellt, für entspannte Badefreuden und fürs Essen gesorgt hat ),
Ilse Aichinger (1951),
Ruth Rehmann (1958),
Gisela Elsner (1958),
Gabriele Wohmann (1960) - und als berühmteste
Ingeborg Bachmann (1952) - zu den wenigen Frauen, die in diesen elitären Kreis eingeladen worden sind. Ilse Aichinger und Ingeborg Bachmann sind die zwei Ausnahmefrauen der "
Gruppe 47", insofern als sie den Preis der Gruppe gewonnen haben, was vor und nach ihnen keiner Frau mehr gelungen ist.
1955 gibt Barbara "in ihrer Neigung zum mondänen, zum wohlhabenden, reichen Leben", so Richter, einem Verleger aus großbürgerlicher Familie in Frankfurt das Eheversprechen. "... im Grunde war es eine Wiederholung meiner Biografie.[... ] fast ähnlich in der Möblierung mit Büchern an den Wänden und Perserteppichen usw." Doch schon bald lässt sie sich scheiden, geht 1958 nach München und beginnt ein Leben als freie Schriftstellerin. In dem Jahr erscheint bei Hanser die Erzählung "Das Kind und sein Schatten".
Um 1960 herum lernt sie den vier Jahre jüngeren Hansl Mayer kennen, Kohlenhändler in
Dießen am Ammersee. Der betreibt sein Kohlelager in Bahnhofsnähe, das bald Schauplatz der "
Kohlefeste" wird, an denen Hans Werner Richter, aber auch andere aus dem Autorenkreis der "
Gruppe 47" wie z.B.
Günter Grass, den Barbara schätzt ( "
Grass war hinreißend." ), teilnehmen. 1960 nimmt sie auch an der Tagung in Aschaffenburg teil und liest dort das erste Kapitel aus ihrem Roman "
Kies", in dem es um den quälenden Selbstfindungsprozess einer jungen Frau geht, die zur einzigen Überlebenden eines Flüchtlingsschiffs geworden ist.
Marcel Reich-Ranicki vergleicht ihren Text mit Stefan Zweig ( siehe auch
dieser Post ) oder
Anna Seghers und findet ihn zu "
hübsch, zu glatt, zu gekonnt". Widerspruch kommt von
Walter Jens. Die kontroverse Diskussion bringt der Autorin das Interesse eines breiteren Publikums ein. Trotz der eher harschen kollegialen Beurteilungen wird sie in Zukunft fast immer bei den Tagungen dabei sein.
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1966 |
Unterdessen heiratet sie Hansl Mayer und bekommt mit ihm die Tochter Stephanie und verfasst ihren zweiten Roman "
Die Personenperson", der 1965 publiziert wird.
"Im selben Jahr, als "Personenperson" herauskam, wurde in Amerika zum ersten Mal die multiple Persönlichkeit offiziell entdeckt. Es wurden eigene Gesetze gemacht. Ich bekam für "Personenperson" den "Ohio State Award" als Preis."
Vordergründig liest sich das Buch wie ein amüsantes Lustspiel und wird von der Kritik mit Lob aufgenommen und ist auch ein Verkaufserfolg.
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1972 |
Ihr nächstes Buch nach dem Erzählband "
Spielerei bei Tage" ( 1969 ) ist "
Schöner Tag, dieser 13." 1973, eine Art Tagebuch, mehr oder weniger autobiografisch. Heute kann man den literarischen und zeitdokumentarischen Rang dieses Werkes eher erkennen, denn es beschreibt den großen Emanzipationsprozess einer jungen Frau, die sich aus einer bürgerlichen Ehe löst und Rollenvorstellungen der Nachkriegszeit zu überwinden versucht und zu ihrer schriftstellerischen, aber auch zu ihrer erotischen Identität findet. Das wird mit Witz und Ironie erzählt, aber auch manche Erfahrung zugespitzt, z.B.:
Ja, Liebe ist nur ein Verlegenheitswort. Es schließt den Terror nicht ein, der da mit drin steckt."...
Barbara König wird später betonen, dass ihre Lebenserkenntnisse auch in der achtundsechziger Zeit gewonnen worden sind, ihr damals beim Erscheinen des Buches aber nur ihr Wirtschaftswunder - Luxusleben angekreidet worden ist.
Zunächst verzichtet die Autorin auf die "Loopings", die sie sich auch für ein Frauenleben wünscht, denn sie fühlt sich verantwortlich für ihre Tochter. 1975 erlaubt sie sich, den Ruf als Gastdozentin für Deutsche Literatur an der University of Austin, Texas anzunehmen. Sie veröffentlicht in dieser Zeit Hörspiele, die 1985 unter dem Titel "Ich bin ganz Ohr" veröffentlicht werden. Die Hörspiele drehen sich immer um existentielle Grundfragen wie Selbstfindung, Liebe, Partnerschaft, Kindheit, Erwachsensein, Alter, Traum und Wirklichkeit. Schon 1979 hat sie die Drehbücher für Episode 11 & 12 der Fernsehreihe "Die Magermilchbande" verfasst, damals eine bei meinen Schülern sehr geschätzte Reihe.
1980 folgt Barbaras dritter Roman "Der Beschenkte". Darin geht es um die historische Verantwortung, als der Protagonist erkennen muss, dass er durch den Opfergang eines Priesters im Konzentrationslager sein Leben behalten hat. Bei einer Feier zu Ehren des Geistlichen beginnt er am Sinn seines bisherigen Lebens zu zweifeln.
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Mit Hans Werner Richter (1982) |
1981-84 ist sie Vizepräsidentin der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, sie ist Mitglied des PEN-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland, der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste.
Ab ihrem sechzigsten Geburtstag arbeitet Barbara an einem Buch über das Problem des Altwerdens, aus dem gelegentlich ein paar Passagen veröffentlicht werden. Fertig ist es auch zu ihrem siebzigsten nicht:
"... denn nachdem ich alles eher heiter behandelt und nicht mit finsteren Tönen belegt habe, habe ich danach das Problem nicht mehr gesehen - es hatte sich aufgelöst. Das ist ein Beispiel dafür, dass sich Dinge durch Schreiben lösen."
1989/90 weilt sie als Ehrengast der Villa Massimo in Rom.
Literarisch tritt sie noch einmal 1993 mit "Ich habe einen starken Hang zum Spiel" ( Erinnerungen an Hans Werner Richter ) in Erscheinung. 1997 zum fünfzigsten Geburtstag der "Gruppe 47" verfasst sie auf seinen Wunsch hin das Porträt des Hans Werner Richter als Kopf der Gruppe. Es verrät ihre ambivalente Haltung gegenüber dem langjährigen Freund, den sie allerdings auch als originell und naiv bezeichnet und begabt dafür, "unterschiedliche Leute zusammenzubringen und sie über 20 Jahre lang bei der Stange zu halten." Doch auch Richter hält nichts davon ab, sie nach so vielen Jahren zwiespältig zu sehen & zu beschreiben, eben u.a. als Katze, der einige Mitglieder der Gruppe damals ein "zerkratztes Gesicht" verdankt haben, weil "sie sich einer Frau allzu leichtsinnig genähert hatten".
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1995 CC BY-SA 4.0 |
Mit dem Alter ist sie, obwohl ständig voller neuer Ideen, die sie auf langen Blocks sammelt, nicht mehr schriftstellerisch tätig. Vielleicht hindert sie ihr Bestreben, "
nur das Wichtige ohne jeden Überfluss festzuhalten", so der Germanist
Bernd Goldmann, Gründungsdirektor des Internationalen Künstlerhauses "
Villa Concordia" in Bamberg. "
Sie wolle das Problem pur,
ohne Dekor, Schicksal und lange Herleitung", so
Michael Krüger, ihr Verleger.
Wie penibel sie sein kann, zeigt auch ein besonderes Notizbuch aus ihrem Besitz, in dem sie festgehalten hat, welche ihrer Kleidungsstücke und Accessoires besonders gut zueinanderpassen. In Dießen, wo sie bis zu ihrem Lebensende wohnen wird, ist sie für ihr stets elegantes und sicheres Auftreten bekannt.
Am 22. Oktober 2011, also gestern vor 14 Jahren, ist Barbara König im Alter von 86 Jahren in Dießen am Ammersee gestorben. Dort wird sie auch auf dem Friedhof neben der Friedhofskirche St. Johann beigesetzt.
Bernd Goldmann wird posthum "
Man lernt immer wieder dazu:
Bibliographie und ausgewählte Texte von Barbara König" im Jahr darauf herausbringen sowie 2020 "
Mein schönes, grausames Märchen: Böhmische Notizen". Beide Bücher sind derzeit schon nicht mehr zu bekommen. Es scheint mir symptomatisch, dass die Autorin irrelevant geworden ist, wie es schon der nichtssagende Nachruf von drei Zeilen im "
Spiegel" am 23.10.2011 angedeutet hat.
Nicole Seifert, die im letzten Jahr "
Einige Herren sagten etwas dazu" über die Frauen der "
Gruppe 47" herausgebracht hat, schreibt dazu:
"Die Gründe dafür, dass die große Mehrheit der Autorinnen der Gruppe 47 nachträglich aus der Gruppen- und der Literaturgeschichte getilgt wurde, liegen nicht darin, dass sie nicht 'gut' oder 'wichtig' gewesen wären, nichts von 'Qualität' beizutragen gehabt hätten. Sie liegen in der kulturell tief verankerten Diskriminierung weiblichen Schreibens und darin, dass die entscheidenden Männer und Historiker der Gruppe sich für die Frauen selbst interessierten, nicht für deren Literatur. Immer wieder geht es um die Körper der Frauen und ihr Erscheinungsbild, sie werden als Raubtiere beschrieben, als Undine und Melusine, als Göttinnen, Königinnen, Hexen, in jedem einzelnen Fall geriet der Text in den Hintergrund, spielte oft überhaupt keine Rolle mehr."
Traurig und leider wahr...
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ich glaube die frauen werden auch als konkurrenz wahrgenommen, aber mann wird es nicht zugeben. es ist auch in anderen bereichen so, dass geredet wird von selbstverständlicher weiblicher teilhabe, aber wehe, eine frau besteht darauf. liebe astrid, danke das du barbara könig dem vergessen etwas entrissen hast. auch in dieser biografie zeigt sich viel geschichte unseres jahrhunderts. herzlichen gruß, roswitha
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