Donnerstag, 4. Dezember 2025

Great Women #439: Sophie von La Roche

Vor ungefähr zwanzig Jahren habe ich mal eine gut geschriebene, informative Biographie über sie gelesen, diese erste erfolgreiche deutsche Schriftstellerin, die schon 1771 einen Bestseller ( allerdings anonym) landete und eine Zeitschrift für Frauen herausgegeben hat ( also bin ich auch mit diesem Beitrag wieder einmal auf den Spuren von "Brigitte" & Co., an deren Zukunft keiner mehr in der Medienlandschaft zu glauben scheint  ). Heute geht es also um Sophie von La Roche...

Kaufbeuren ca. 1770

"Die Seele kann oft in ganz anderen Klimaten gedeihen als der Leib."

... die am  6. Dezember 1730 in der Reichsstadt Kaufbeuren in einem Teil des sogenannten Hörmann-Palais als Marie Sophie Gutermann, ab 1741 Edle von Gutershofen, zur Welt gekommen ist. Aus Kaufbeuren gebürtig ist ihre Mutter Regina Barbara Unold, 19 Jahre alt, seit dem Vorjahr verheiratet mit dem streng pietistischen und ehrgeizigen Arzt Georg Friedrich Gutermann, später als Edler von Gutershofen ein süddeutscher Patrizier aus dem 85 Kilometer entfernten Biberach an der Riß, 25 Jahre alt. Sie ist deren erstes Kind: Karolina Katharina "Cateau" kommt vier Jahre später zur Welt, Jakobina Barbara 1737 und Jakob Imanuel erst 1744.

Der Va­ter ist Stadt­phy­si­kus in Kauf­beu­ren und Leib­arzt des Fürst­abts von Kem­pen, ab 1743 De­kan der Me­di­zi­ni­schen Fa­kul­tät in Augs­burg. Es sind großbürgerliche Lebensverhältnisse, die dem Kind eine gewisse Bildung ermöglichen, so dass Sophie schon zwischen ihrem 3. und 5. Lebensjahr lesen lernt und anschließend die typische Mädchenerziehung mit Sprache, Kunst und Literatur, Musik und Haushaltsführung erfährt. 

1737 lebt die Familie in Lindau am Bodensee, vier Jahre später ( bis 1754 ) in Augsburg. Dort ziehen sie als Mieter in das Haus des Onkels väterlicherseits in der besten Wohngegend Augsburgs neben dem Rathaus, heute Eisenberg 2, ein. In Augsburg wird Sophie in die Gesellschaft eingeführt und sieht sich bald umringt von Verehrern, denn sie scheint eine gute Partie zu werden. Dort in Augsburg stirbt die Mutter mit 37 Jahren, dort assistiert sie ihrem Vater bei dessen "Dienstags-Gesellschaften", einer Versammlung von Gelehrten, als "Bibliothekarin", ist sie doch vom Vater in dessen Bibliothek eingeführt, und er scheint auch etwas stolz zu sein auf ihre Bildung, obwohl er keine gelehrten Frauenzimmer mag. In diesen Gelehrtenkreisen beginnt der Philosoph und Theologe Jakob Bruckerbot sie in Latein zu unterrichten, was dem Vater missfällt, und Sophie lebenslang bereuen wird, dass sie das abgebrochen hat.

Links Giovanni Bianconi, rechts Sophie
In diesem Kreis macht Sophie auch die Bekanntschaft des Ita­lie­ners Gio­van­ni Lo­do­vi­co Bi­an­co­ni, dreizehn Jahre älter als die Jugendliche, Leib­arzt des Fürst­bi­schofs von Augs­burg, der sich schlie­ß­lich auch mit ihr ver­lob­t. Bianconi vermittelt ihr Kenntnisse in Ma­the­ma­tik, Ita­lie­nisch, Kunst­ge­schich­te, Al­ter­tums­kun­de, was Sophie sehr zusagt, und fördert die Ausbildung ihrer Contra-Altstimme. 

Nach dem Tod der Mutter versorgt Sophie erst einmal die jüngeren Geschwister, während der Vater für ein Jahr auf Reisen geht. Nach seiner Rückkehr nimmt er seine Verhandlungen mit dem katholischen Bianconi wieder auf. Doch der weigert sich immer noch, ihm zu geloben, die künftigen Kinder im lu­the­ri­schen Glauben zu er­zie­hen. Daher muss Sophie die Verlobung lösen und den Mann ganz aus ihrem Gedächtnis streichen. 
"Ich musste meinem Vater alle seine Briefe, Verse mit allen meinen ausgearbeiteten geometrischen und mathematischen Übungen in sein Cabinet bringen, musste alles zerreißen und in einem kleinen Windofen verbrennen. Bianconis Portät musste ich mit der Schere in tausend Stücke zerschneiden, einen Ring mit der Umschrift ohne dich nichts mit zwei in den Ring gesteckten entgegen gesteckten Eisen entzweibrechen und die Brillianten auf den roten Steinen umherfallen sehen. Die Ausdrücke meines Vaters dabei will ich nicht wiederholen", wird sie später in "Melusines Sommerabende" berichten.
Von einer Flucht, die Bianconi ihr vorschlägt, scheut sie sich. Sophie weiß, dass sie sich dem Mann ausliefern und ihr gesellschaftliches Ansehen einbüßen würde, wenn sie nachgäbe. Aber es befällt sie eine tiefe Melancholie, und sie wird zu deren Besserung zu den Großeltern nach Biberach geschickt. 

Wieland
in späteren Jahren
In Biberach hält sich auch ihr Cousin, der 17jährige Christoph Martin Wieland auf, heimgekehrt von der Universität in Erfurt. Beide verbindet das große Interesse für Literatur. Alsbald verlobt man sich auf einem Spaziergang zum "Lindele" oberhalb von Biberach. Dieser Verlobungsspaziergang, für Wieland auch literarisch bedeutsam, begründet jene "herzliche, edle Freundschaft", die bei ihm ein Leben lang lebendig bleiben wird, obwohl die Verlobung 1753 aufgrund räumlicher Trennung durch Wielands Studium in Tübingen und Zürich wieder gelöst wird. Der Dichter trifft in späteren Jahren die Aussage: "Nichts ist wohl gewisser, als daß ich, wofern uns das Schicksal nicht im Jahre 1750 zusammengebracht hätte, kein Dichter geworden wäre", veröffentlicht er doch sei­nen ers­ten grö­ße­ren Ge­dicht­ban­d "Die Na­tur der Din­ge. Ein Lehr­ge­dich­t" 1752 an­onym. Die Erfahrungen, die sie in ihrer Jugend gemacht hat, wird Sophie später in ihrem literarischen Werk verarbeiten.

La Roche
Nachdem ihr Vater wieder geheiratet hat, kehrt Sophie für kurze Zeit nach Augsburg zurück. Doch das Verhältnis zur Stiefmutter Ursula Wachter bleibt gespannt und der Vater macht Druck, endlich selbst zu heiraten. Dem Werben des kurmainzischen Rats Georg Michael Frank von Lichtenfels, genannt La Roche, zehn Jah­re äl­te­r, un­ehe­lich in Tauberbischofsheim als Sohn des kur­main­zi­schen Gro­ßhof­meis­ters Graf Fried­rich von Sta­di­on geboren, dessen Privatsekretär er jetzt ist und dazu ge­hei­mer Staats­rat am kur­main­zi­schen Hof des Kur­fürsten Em­me­rich Jo­sef, gibt sie schließlich nach. Wieland soll zunächst außer sich gewesen sein. 

Mit ihrer Heirat am 27. Dezember 1753 gehört Sophie fortan dem Haushalt des Grafen Stadion im Mainzer Bleichenviertel, dem Stadioner Hof, an und steigt in höfische Kreise auf. Obwohl Sophie vor ihrer Hochzeit in Aussicht gestellt hat, zum katholischen Glauben zu konvertieren, bleibt sie auch danach und zeitlebens protestantisch, alle Kinder werden indes katholisch erzogen. Sophie ist zu Beginn ihrer Ehe 23 Jahre alt.

An der Seite ih­res Man­nes wächst sie hinein in die Rol­le ei­ner ge­bil­de­ten Ge­sell­schaf­te­rin & Vorleserin ihres "Schwiegervaters", für den sie auch die Korrespondenz mit dessen französischen Agenten in Paris führt. Ne­ben Fran­zö­sisch und Ita­lie­nisch lernt sie nun auch Eng­lisch, da sie mit den großen Aufklärern ihrer Zeit nicht nur in Frankreich, sondern besonders in England korrespondiert ( der Graf Stadion ist ein Wegbereiter der deutschen Aufklärung ). So kommt Sophie auch mit der neuesten englischen Literatur in Berührung, was für ihr Schreiben von entscheidender Bedeutung sein wird.

Johann Heinrich Tischbein "Schloss Warthausen"
(1781)
In Mainz bekommt sie fünf Kinder, von denen drei überleben: Maximiliane 1756, Fritz 1757 und Luise "Lulu" 1759. Als der Graf von Stadion 1761 in Mainz in Ungnade fällt und sich aus der Tagespolitik verabschieden muss, zieht er sich auf sein Anwesen in Warthausen in der Nähe des Flusses Riß zurück. Die La Roche begleiten ihn. Sophie fungiert wieder als Hofdame und bringt noch zwei Söhne zur Welt: Georg Carl (1766) und Franz Wilhelm  (1768), der als ihr Lieblingssohn gelten wird und den sie als Einzigen stillen darf. 1768 stirbt Graf Stadion, und Sophies Mann  wird testamentarisch mit schmalen Bezügen zum Oberamtmann des Bönnigheimer Schlosses bestimmt. 1770 folgt sie ihm dorthin - in eine Zeit der großen Unsicherheit.

Seit 1766 schreibt Sophie schon an ihrem Roman "Geschichte des Fräuleins von Sternheim", weil sie ihre beiden Töchter vermisst, die in einem französischen Kloster in Straßburg auf Drängen des Grafen erzogen werden. So erschafft sie sich zunächst eine papierne Ersatztochter. Nun in Bönnigheim widmet sie sich ab August 1770 bis März 1771 in besonderem Maße dem Projekt, nachdem ein Freund ihr dazu geraten hat. Auch den Sohn Fritz hat sie übrigens dem Freund Wieland zur Erziehung nach Erfurt gegeben, wo dieser Professor ist.
Der Roman wird zunächst von Wieland anonym herausgegeben und gilt als empfindsamer Briefroman, da die Protagonistin Sophie von Sternheim, Tochter eines geadelten Obersten und einer englischen Adligen, ihrer Freundin überwiegend in Briefform berichtet. Im Kern besteht der Roman in der Bearbeitung autobiografischer Erfahrungen der Sophie von La Roche. Was seine Qualität ausmachte, war jene besondere Lebendigkeit, die sich der Introspektion verdankt. Es gehörte schon ein gewisser persönlicher Mut dazu - vor allem für eine Frau jener Zeit -, auf diese Art & Weise das Wort zu ergreifen. Sophie will aber einerseits Vorbildliches zur Mädchenerziehung beitragen und gleichzeitig eine Reverie verfassen. Im Tagtraum, so ihre Erfahrung, werden die Schmerzen kleiner und die Wirklichkeit umgestaltet. Denn anders als zu erwarten: Die Sternheim nimmt sich am Ende ihrer tragischen Verstrickungen nicht das Leben bzw. stirbt auch nicht, im Gegenteil: Sie besinnt sich auf ihre eigene Kraft und beginnt mit Erziehungsarbeit in ihrer Umgebung. Das allein hätte das Lesepublikum nicht zur Begeisterung gebracht. Sophie entspinnt vielmehr auf dem Weg dahin ein buntes Geflecht aus Flucht, Verfolgung und Bedrohung und schließt mit der Befreiung der Heldin durch sich selbst ab, die schließlich auch den Mann heiratet, den sie liebt.

Der erste Teil wird im Juni, der zweite Teil im September/Oktober 1771 veröffentlicht. Das Buch ist zur damaligen Zeit so etwas wie ein Bestseller und wird mehrfach nachgedruckt. Goethe widmet ihr eine begeisterte Rezension, Herder äußert sich überaus lobend und Lenz will sie gleich kennenlernen. ( Hier eine mehr oder weniger witzige Kurzfassung. )

Hofstraße 262, direkt am Rhein in Ehrenbreitstein
1771 verlassen sie Bönnigheim auch schon wieder, denn La Roche wird über einen Freund, den Frei­herrn von Horn­stein, eine Stelle als Kon­fe­renz­rat im Di­kas­te­ri­um und Ka­bi­nett von Cle­mens Wen­zes­laus,  Erzbischof und Kurfürst von Trier, in Eh­ren­breit­stein ( heu­te zur Stadt Ko­blenz gehörend ) vermittelt. Das Ehe­paar lässt sich noch im Frühling des Jahres un­mit­tel­bar ne­ben der kur­fürst­li­chen Re­si­denz ( der da­mals noch ge­nutz­ten Phil­ipps­burg) nie­der. Während er seine Karriere vorantreibt, die ihn rasch zum Kanzler aufsteigen lässt, installiert Sophie einen alsbald berühmten literarischen Salon, eine Art personifizierter "Keimzelle" der deutschen, vor allem vom Rhein geprägten Romantik. 

Die Eltern La Roche mit Maximiliane
(1773/74)

Der gro­ße Zu­spruch, den der Sa­lon findet, re­sul­tier­t zum Gro­ß­teil aus der Be­kannt­heit So­phies auf­grund des gro­ßen Er­fol­ges ih­res ge­ra­de er­schie­ne­nen Romanes und zum Teil aus der ex­po­nier­ten Stel­lung ih­res Ehe­man­nes am kur­fürst­li­chen Hof. So lässt sie über die Schwester des Kurfürsten, Ma­ria Ku­ni­gun­de von Sach­sen, demselben die neuesten Werke der bei ihr weilenden Literaten zukommen. Zu ihrem Kreis gehören neben ihrem Cousin Wieland u.a. Fried­rich Hein­rich Ja­co­bi, Jo­hann Cas­par La­va­ter, Jo­hann Bern­hard Ba­se­dow, Jo­hann Hein­rich Jung-Stil­ling und nicht zu­letzt der gerade mal 22jährige Jo­hann Wolf­gang von Goe­the. So­phies Ehe­mann steht dem Wir­ken sei­ner Frau eher in­dif­fe­rent ge­gen­über, för­der­t jedoch die Le­se­kul­tur in Ko­blenz, in­dem er sich für die Ein­rich­tung ei­ner Buch­hand­lung und den Bau ei­ner öf­fent­li­chen Bi­blio­thek ein­setz­t

Maximiliane
Goethe hat ein Auge auf die 15jährige Tochter Maximiliane geworfen, um die ein regelrechter Kult getrieben wird. Auch Jo­hann Ge­org Ja­co­bi, Bruder von Friedrich, ver­lieb­t sich in das wohl sehr anmutige Mädchen. Doch die wird 1774 aus wirt­schaft­li­chen Er­wä­gun­gen her­aus und auf An­ra­ten ih­rer Mut­ter mit dem verwitweten Peter Anton Brentano, italienischer Kaufmann und Kurtrierischer Geheimrat, verheiratet und zieht nach Frankfurt/Main. Goethe schreibt "Die Leiden des jungen Werthers" und gibt der Lotte darin die schwarzen Augen der Maximiliane. 

1780 nimm das Leben der Sophie von La Roche erneut eine plötzliche Wendung: Ihr Mann hat sich mit seiner antiklerikalen Politik mächtige Feinde geschaffen, verliert alle Ämter, als der Kurfürst von Trier seinen Kurs ändert. Sein Freund Hohenfeld, der ihn nach Koblenz gebracht hat, nimmt die Familie in sein Haus in Speyer auf. 

Typisch ist die Tatkraft der nunmehr Fünfzigjährigen: Sie entwirft einen Plan für die erste deutsche Frauenzeitschrift. 1783 kommt das erste von 24 Heften der "Pomona für Teutschlands Töchter" heraus, eine Wochenschrift, die die journalistischen Talente Sophies beweisen, denn das Konzept enthält Elemente, die bis heute für die Frauenzeitschriften typisch sind: Betrachtungen über weibliche Erziehung, erfolgreiche Haushaltsführung und Reiseberichte, Mitteilungen und Betrachtungen über Literatur, Kunst und Musik, außerdem ein "Leserbriefkasten" für Zuschriften, die ausführlich beantwortet werden. Das Ansehen Sophies trägt zur Verbreitung der Publikationen bei und macht sie sogar international bekannt. 500 Exemplare der "Pomona" ordert und bezahlt allein die Zarin Katharina von Russland. Von Speyer aus nimmt sie 1784 erstmals ihre journalistische Reisetätigkeit auf, die sie zunächst in die Schweiz führt. Ihr "Tagebuch einer Reise durch die Schweiz" kommt 1787 heraus.

Ob­wohl sie hin­sicht­lich der Rol­len­ver­tei­lung zwi­schen Mann und Frau den Nor­men ih­rer Zeit weit­ge­hend ver­pflich­tet ist, gesteht sie es sich zu, durch ih­re schrift­stel­le­ri­sche Tä­tig­keit nicht un­er­heb­lich für den Un­ter­halt der Fa­mi­lie zu sor­gen, zu­mal ihr Ehe­mann nach dem Um­zug nach Spey­er Pri­va­tier ist.

Inzwischen ist Sophie Großmutter einer großen Kinderschar, die es später teilweise zu großer Berühmtheit bringen werden: Maximiliane hat bereits noch im Haus ihrer Eltern in Ehrenbreitstein im März 1775 Georg zur Welt gebracht, im August 1776 Sophie, im September 1778 Clemens, im Juli 1780 Kunigunde "Gunda" und dann in Frankfurt 1782 Maria Francisca, 1784 Christian und am 4. April 1785 schließlich Catharina Elisabetha Ludovica Magdalena, die später sehr bekannt unter dem Namen Bettina von Arnim ( siehe auch dieser Post ) wird. 1787 kommen noch Ludovica "Lulu" und 1888 Magdalena "Meline" dazu sowie drei weitere Mädchen, die die ersten Lebensjahre nicht überstehen.

Die "Grillhütte"
Nach einer Frankreichreise 1785 folgt eine solche nach England. Als sie von dieser Reise heimkehrt, ist ihr Mann nach Offenbach übersiedelt. Hier hatte er mit Hilfe seines Schwiegersohns Brentano ein Haus in der Domstraße, die so genannte "Grillhütte", erworben. La Roche ist krank, und Sophie pflegt ihn nach einem Schlaganfall aufopferungsvoll und treu,  unterstützt von ihrer Tochter Lulu, die vor ihrem gewalttätigen Ehemann zurück zu den Eltern geflohen ist, bis er am  23. November 1788 mit 68 Jahren stirbt.

Nach sei­nem Tod ver­öf­fent­lich­t So­phie in den 1790er Jah­ren zwar noch Literarisches - un­ter an­de­rem die bei­den Ro­ma­ne "Ro­sa­lie und Cle­berg auf dem Lan­de" (1791) und "Er­schei­nun­gen am See Oneid­a", (1798) - ge­rät aber durch den Fort­fall ih­rer wirt­schaft­li­chen Absicherung aus den Ein­nah­men des Rhein­zolls bei Bop­pard, der ih­rem Ehe­mann und ihr als sei­ner Er­bin vom Kur­fürsten Cle­mens Wen­zes­laus 1772/1779 zu­ge­spro­chen wor­den ist, nach der Be­set­zung der links­rhei­ni­schen Ge­bie­te durch fran­zö­si­sche Trup­pen 1794 in ma­te­ri­el­le Not. Das Schreiben ist nun ein notwendiger Broterwerb.

Franz Wilhelm
Der Tod zwei­er ih­rer Kin­der - ihr Liebling Franz Wil­helm stirbt 1791 mit nur 23 Jahren an einer Darmentzündung und Ma­xi­mi­lia­ne 1793 wenige Wochen nach der Geburt ihres zwölften Kindes mit 37 Jahren - trifft Sophie per­sön­lich hart. 

Der überforderte Witwer Maximilianes lädt seine sieben jüngsten Kinder – darunter auch Clemens und Bettine - bei der Großmutter ab, die sich der wilden Horde annimmt, bis passende Internate für sie gefunden sind. Die vier Mädchen Gunda, Bettine, Lulu und Meline bleiben länger bei ihr, lieben die Großmutter, das Häuschen, den schönen Garten und die Freiheit, die ihnen gewährt wird. Schließlich kann sie sie - sie ist immerhin 64 Jahre alt - in einem Ursulinenkonvent in Fritzlar unterbringen. Bettine wird nach dem Tod des Vaters 1797 wieder bei ihr wohnen. Mit ihrer Tante Lulu bilden sie eine Art Wohngemeinschaft.

Unterdessen macht sich bei Sophie eine gewisse Ver­bit­te­rung über die all­ge­mei­nen Zu­stän­de breit, und sie äu­ßer­t sich zu­neh­mend na­tio­na­lis­tisch und fran­zo­sen­feind­lich. Zu­dem sinkt ihr An­se­hen in li­te­ra­ri­schen Krei­sen und man schätzt nicht mehr so wie früher per­sön­li­che Be­su­che von ihr & bei ihr. Mit Goethe, Schiller, selbst mit Wieland,  lässt sich kein richtiger "Arbeitsbund" mehr herstellen.

Scherenschnitt aus
"Melusines Sommerabende"
(1806)

1799 bringt So­phie ei­nes ih­rer Al­ters­wer­ke "Mein Schrei­be­ti­sch" in zwei Bän­den her­aus – an­hand der Bü­cher ih­rer Bi­blio­thek, den Un­ter­la­gen ih­rer li­te­ra­ri­schen Tä­tig­keit und ih­rer schrift­li­chen Kor­re­spon­denz verfasst sie einen Rückblick auf ihr Le­ben.

Im gleichen Jahr lässt sich die Schriftstellerin auch noch einmal auf eine Reise von vielen Wochen ein, begleitet von ihrer Enkelin Sophie Brentano. Vor dem Reiseantritt verfertigt sie noch ihr Testament, ihrer Endlichkeit bewusst.

Dann  geht es von Offenbach nach Weimar bzw. Oßmannstedt, wo sie am 15. Juli, nach beinahe 30 Jahren Trennung, Christoph Martin Wieland wiedersieht. Während ihres Aufenthalts folgt sie auch einer Einladung der verwitweten Herzogin Anna Amalia ( siehe auch dieser Post ) und trifft dabei mit Goethe und Wieland auf Schloss Tiefurt zusammen und lernt die berühmte Frau von Stein kennen, ebenso  Johann Gottfried Herder bei einem weiteren Weimarer Essen. Dort begegnet sie auch Friedrich von Schiller. Am 11. August wird sie von ihrem zweitjüngsten Sohn Georg Carl und dessen sechsjähriger Tochter Bertha abgeholt und nach Schönebeck kutschiert, wo ihr Sohn als Bergrat ein Salzbergwerk leitet. Diese Reise führt sie am Ende wieder nach Oßmannstedt, und auf der Heimfahrt gesellt sich Enkel Clemens zu ihnen, der in Jena studiert. In Oßmannstedt wird die Enkelin Sophiebei einem Besuch bei Wieland im September 1880, 25jährig, sterben und dort beigesetzt.

Das Tagebuch jener Reise wird unter dem Titel "Schattenrisse abgeschiedener Stunden in Offenbach, Weimar und Schönebeck im Jahr 1799" im Jahr darauf herausgegeben.

Ihren letzten - erfolglosen - Roman verfasst Sophie dann 1803/1804 -  unter dem Ti­tel "Lie­be-Hüt­ten" -, den selbst Wie­land für nicht kri­tik­wür­dig hält. Mit ihm, ihrem schärfsten Kritiker, Redaktor und Herausgeber hat die Schriftstellerin eine über 50-jährige Freundschaft gepflegt und regen Briefkontakt – meist auf Französisch - gehalten. Wieland wird sie knapp sechs Jahre überleben.

In den ersten Tagen des Februar 1807 wird Sophie von La Roche krank und stirbt in ihrem sechsundsiebzigsten Lebensjahr am 18.2. "Um meinen Staub mit dem ihrigen zu mischen", hat die Protestantin eine Beisetzung im Grab ihres katholischen Ehemannes, in dem auch der Sohn Franz Wilhelm bestattet ist, auf dem katholischen Friedhof in der Gemeinde Bürgel bei Offenbach verfügt.

Sophie von La Roche, die Zeitgenossin Goethes und Wielands, ist so viel mehr als Quelle der Inspiration bzw. Muse, Brieffreundin und Beraterin gewesen, nein, sie verkörpert eine der produktivsten Schriftstellerinnen des 18. Jahrhunderts und hat mit ihrem Briefroman "Geschichte des Fräuleins von Sternheim" ein ganzes Subgenre geschaffen und eine Frauengeneration beeinflusst, besonders durch ihr bildungspolitisches Engagement für die Frauen und Mädchen ihrer Zeit. Ihr Werk & Wirken wurde lange, wie das so vieler produktiver Frauen, von der Literaturgeschichtsschreibung vernachlässigt, und das, obwohl sie eine herausragenden Person der Literaturintelligenz der Spätaufklärung gewesen ist und nicht nur die "Großmutter der ( berühmteren ) Brentanos".

                                                              

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