Donnerstag, 31. Oktober 2024

Monatscollage Oktober 2024

Was für ein Monat,
( vor allem )
reich an Menschen!
Frohen Mutes
(meist)
bin ich durch diese
kolorierten Herbsttage
gegangen,
auch wenn manchmal
Nachrichten
weniger
schön
waren. 
Gemeinsam
trägt's sich
leichter.
Memories 
are made of this!

Danke 
all jenen Bloggerinnen,
die wieder einmal meine
Challenge


angenommen 
mit ihren Beiträgen ergänzt haben!
Dreizehn 
schöne Beiträge wurden 
verlinkt.


                                   


Unsere Monatscollagen sammelt auch in diesem Monat wieder die_birgitt.     

Mittwoch, 30. Oktober 2024

12tel Blick Oktober 2024

Das letzte Oktoberwochenende
hat es gut mit uns in Kölle gemeint &
Sonne und ein laues Lüftchen beschert.
Da habe ich zwischen dem Laubrechen
meinen Terrassentisch neu "gedeckt"...

... und einen Verveine -Tee samt Zitronentartelett genossen.

Mein zweiter 12tel Blick im Monat Oktober wurde schon drei Wochen früher festgehalten
und stand schon immer fest: 
Das lag an meinem Sujet, der wichtigsten Straßenkreuzung in meinem Veedel, 
denn dort kommen jedes Jahr die Läufer des Köln-Marathons vorbei,
kurz vor Kilometer 34.
Also habe ich zweitausend Schritte unternommen 
&
mich mit dem Fotoapparat auf meine übliche Position gestellt.
( War lange ziemlich langweilig. 
Nur die Rhythmen der benachbarten Sambagruppe "Ribombo de Nippes"
heizten mir ein. )

Aus meinen fast tausend Aufnahmen habe ich mich letztendlich für diese entschieden:

























Aber ihr, liebe Leserinnen, 
sollt heute auch noch ein paar weitere Eindrücke mitbekommen:

Zum Beispiel den zweiten Läufer.
Den ersten habe ich nicht gut vor die Linse bekommen.
Der war letztendlich aber der Gewinner dieses Rennens.


Der Blick auf die eigene Laufzeit war immer wieder zu beobachten.

Auf dem Foto links seht ihr übrigens sogenannte "Pacemaker", gelegentlich auch "Hasen" genannt.
Auf ihrer Fahne steht die jeweils angepeilte Zielzeit beim Lauf. 
So können sich alle Läufer vor dem Start bei dem Tempomacher einreihen, 
der die angegebene "Pace" laufen wird. 
In Köln waren es bis zu drei Tempomacher pro Zielzeit. 
Vorteil: 
Die drei Pacemaker verteilen sich während des ganzen Marathonlaufes auf der Strecke,  
um ihre  jeweiligen "Schützlinge" immer wieder aufzubauen & zu motivieren. 


Für die Motivation wichtig sind auch Freunde und Angehörige am Straßenrand,
die einem Mut machen - diese nette Szene erzählt davon.

Ich hab auch Spaß an solchen Äußerlichkeiten wie dem knalligen Outfit von Nils
oder dem bunten Fußwerk von Balthasar.




Gefreut habe ich mich auch über die Läuferinnen
( selten genug, aber wer hat fürs Training schon Zeit
 in der Mitte des Lebens mit all den übrigen Anforderungen an die weibliche Leistung. 
Die Frauen in der Rangliste sind überwiegend in ihren Zwanzigern. 
Die Gewinnerin ist achtundzwanzig, 
die älteste Teilnehmerin allerdings dann auch schon sechzig. )

Abschließend natürlich wieder die Ganzjahresübersichten:
















Und das Ganze geht wieder nach Niederösterreich zu Eva Fuchs.

                                                             

Dienstag, 29. Oktober 2024

Lieben Sie Lyrik? {23}

Never trust a mirror
Erin Hanson 

Never trust a mirror,
For the mirror always lies,
It makes you think that all your worth,
Can be seen from the outside.
Never trust a mirror,
It only shows you skin deep,
You can't see how your eyelids flutter,
When you're drifting off to sleep,
It doesn't show you what he sees,
When you're only being you,
Or how your eyes just light up,
When you're loving what you do,
It doesn't capture when your smiling,
Where no one else can see,
And your reflection cannot tell you,
Everything you mean to me,
Never trust a mirror,
For it only shows your skin,
And if you think that it dictates your worth,
It's time you looked within.




Traue keinem Spiegel,
ER lügt immer,
er lässt dich glauben, dass dein ganzer Wert
äußerlich sichtbar ist.
Traue keinem Spiegel,
er zeigt nur deine Oberfläche,
er spiegelt nicht, wie deine Augenlider blinzeln,
wenn du allmählich in den Schlaf gleitest,
er spiegelt nicht, was zu sehen ist,
wenn du nicht weniger als du selbst bist
oder wie deine Augen glänzen,
wenn du tust, was du liebst,
er erfasst das Lächeln nicht,
das keiner von dir je zu sehen bekommt
und ja: dein Spiegelbild kann dir nie sagen,
was du mir alles bedeutest.
Traue  keinem Spiegel,
denn er zeigt nur deine Oberfläche,
und wenn du zum Schluss kommst, dass er deinen Wert bestimmt,
 ist es Zeit, nach Innen zu schauen.
                                                                             ( Übertragung durch mich )

Auch an diesem Dienstag wieder ein Gedicht, in mein Blickfeld gerückt durch einen Instagram - Beitrag, dieses Mal von Stage Door Johnny. Der bezeichnet sich selbst als "purveyor of internet nonsense", der neben Sketchen über die Ungereimtheiten und Widersprüche der englischen Sprache, "beruhigende" Hörbuch- und Gedichtlesungen veröffentlicht.

Das Gedicht selbst ist von Erin Hanson, einer jungen Australierin aus Springfield/Queensland, die ab ihrem 15. Lebensjahr den Blog "thepoeticunderground"geführt hat. Dort ist es am 30. Mai 2013 gepostet worden, da war sie also siebzehn Jahre alt. Erin Hanson hat bis 2016 auch drei Gedichtbände veröffentlicht. "Never trust a mirror" ist in der ersten Anthologie erschienen.

Das Gedicht scheint sich in der virtuellen Welt großer Beliebtheit zu erfreuen, denn alleine bei tiktok sind 24 Rezitationen gelistet. YouTube mag sich da nicht zurückhalten und hält weitere Versionen bereit. Die, die sich da präsentieren, decken ein weites Altersspektrum ab, vom Teenie bis zum Senior. 

Es ist wohl ein Thema, das viele Menschen beschäftigt, diese Überbetonung & Auseinandersetzung mit äußerer Schönheit, die ständige Sorge ums eigene Körperbild, gerade eben in diesen social media, und der Mangel an Selbstliebe bzw. Selbstakzeptanz. Inzwischen fällt auf, dass vieles in den Präsentationen möglich wird: ungeschminkt sein, mit Haaransatz oder ganz grau, Kleidergröße 46 und mehr, Pickel, schiefe Zähne. Die Reaktionen sind dann - wenn man nicht zu den Dumpfbacken gehört, die alles und jeden runtermachen - so, dass nun immer wieder gesagt wird, dass frau/man großartig aussähe. Aber die andere Seite ist: Es bleibt nach wie vor das Äußere Thema, frau/man wird nur kurz eingewickelt in die flauschige Wärme eines Kompliments. Erholsamer wäre, nicht immer nur auf das Äußeren abzuzielen, auch nicht positiv. Ist nicht gerade einfach, da herauszukommen.

Die gewählten Bilder, der Ton in diesem Gedicht versuchen ermutigend  zu sein - und damit hoffentlich auch inspirierend, sich mit dem eigenen Wert zu beschäftigen, mit dem eigenen inneren Leuchten in Verbindung zu kommen. Beim Umherschweifen im Netz sticht mir das auffallend große Bedürfnis nach "healing poems" immer wieder ins Auge...

Selbstreflexion ist übrigens auch Thema im Gedicht "Mirror" von Sylvia Plath ( hier nachzulesen ), welches kurz nach ihrem Tod 1963 im "New Yorker" publiziert worden ist.

                                                          

Sonntag, 27. Oktober 2024

Mein Freund, der Baum: Waldinventur

Diesmal möchte ich euer Augenmerk, liebe Leser*innen, nicht auf einen speziellen Baum richten, sondern auf den Zustand unserer großen Freunde generell. Anlass sind mir die publizierten Schlussfolgerungen der vierten Bundeswaldinventur, einer Datensammlung von April 2021 bis Anfang 2023, veröffentlicht vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft von vor drei Wochen. Die sind in diesem Monat in den Fokus der Nachrichten gerückt...
Rund ein Drittel der Fläche unseres Landes - und damit etwa 11 Millionen Hektar - sind von Wald bedeckt. Der Waldzustandsbericht vom Mai dieses Jahres hat schon festgehalten, dass das Jahr 2023 - das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen durch den Deutschen Wetterdienst - mit seinen relativ vielen Niederschlägen die trockenen, heißen Sommer der vergangenen Jahre in unseren Wäldern nicht zu kompensieren vermocht haben. 

Bei vielen Bäumen sind bereits Teile der Kronen abgestorben, und diese geschwächten Bäume bleiben dann eben auch anfällig für die Heimsuchung durch Schädlinge wie Borkenkäfer, aber auch Pilze und Misteln. Die langfristig wirkenden Ursachen des Klimawandels, hohe Stickstoffeinträge sowie eine Vielzahl umbaubedürftiger Waldbestände beeinträchtigen zusätzlich den Zustand unseres Waldes. 

Der Anteil an Bäumen mit deutlicher "Kronenverlichtung" (36 %) hat sich im Vergleich zum Vorjahr um einen Prozentpunkt erhöht. Besonders alte Bäume von über sechzig Jahren weisen deutliche Schäden auf. Ihnen fällt die Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen schwer, so dass bei dieser Gruppe der Anteil der deutlich dezimierten Belaubung ihrer Baumkronen sogar bei 43 Prozent liegt.

Der schlechte Zustand des Waldes zeigt sich an allen Hauptbaumarten mit Ausnahme der Kiefer, deren Zustand sich leicht verbessert hat. Die Fichte weist weiterhin die höchsten Schäden auf: Der Anteil der deutlich ausgelichteten Baumkronen ist von 40 auf 43 Prozent gestiegen. Gleichzeitig hat der Bestand an Fichten um ca. 17 Prozent abgenommen. Dafür stieg der Anteil an Eichen und Buchen. So gesehen ist der Wald, gerade in meinem Bundesland, jünger geworden.

Doch auch bei Eichen & Buchen sind deutlich solche Kronenverlichtungen zu beobachten. Die Esche zeigt schon seit 2010 aufgrund des Eschentriebsterbens ebenfalls lichtere Kronen. Die Moorbirke, Baum des Vorjahres, hingegen hat sich nach hohen Schäden in den Trockenjahren 2018 bis 2020 erholt, die Weiß- oder Gemeine Birke allerdings nicht.

Eine Ursache des Problems ist diese mangelnde Biodiversität unseres Waldes: 75 %  unserer Waldbestände bestehen aus vier Baumarten, davon wieder 50 % aus Fichte & Kiefer - böse gesagt, sind das Monokulturen des Toilettenpapieres. Solche Wälder sind ein spitzenmäßiges Ernährungsangebot für beispielsweise die Borkenkäfer.

Klimaresistent sind unsere Wälder auch nicht: Sie trocknen schnell aus und speichern kaum Wasser. Die Fichte als Flachwurzler kann das sowieso nicht gut.

Und dazu kam dann zuletzt die Horrornachricht, dass die Wälder in Deutschland nicht, wie wir uns lange - unberechtigterweise? - erhofft hatten, zur Speicherung des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 beitragen. Das ist nämlich das Ergebnis der jüngsten Bundeswaldinventur des Ministeriums, welches mich persönlich doch schon schockiert hat. Dazu sind deutschlandweit an rund 80.000 Stichprobenpunkten rund 520.000 Probebäume vermessen und weitere Untersuchungen zum Wald durchgeführt worden.

Diese Inventur sagt nämlich, dass der Verlust an Bäumen durch Stürme und Dürre sowie Käferbefall größer ist als der Zuwachs an lebender "Biomasse". Seit 2017 hat sich der Kohlenstoffvorrat im Wald deshalb um 41,5 Millionen Tonnen verringert (-3%) . 
"Klimaschützer Wald wird zur Kohlenstoff-Quelle: Die Einbindung von Kohlenstoff ist seit Jahrzehnten erstmals niedriger als die Freisetzung", ist das Fazit des Berichts.
Nochmal: Unsere Wälder geben mehr CO2 ab, als sie zu speichern vermögen. Als Kohlenstoffsenker kann ein Wald nur wirken, wenn er im großen Stil neue Biomasse, bestehend aus Wurzeln, Stämmen und Ästen, bildet, in denen er Kohlenstoff einlagert. 

Zwar hat die Waldfläche leicht zugenommen und die Vielfalt bzw. der Anteil der Laubbäume ist auf 47% ( Nadelbäume 50% ) gestiegen, aber schlussendlich können die deutschen Wälder in ihrem derzeitigen Zustand so gut wie gar nicht zum Klimaschutz beitragen. 


Wir müssen also wahrhaben: Der Wald fällt erst einmal aus, was die für das Jahr 2045 angestrebte Treibhausgasneutralität anbelangt. Eine solche Leistung ist allerdings fest eingepreist in die offiziellen Pläne der Politik. Wälder sollten gemeinsam mit Mooren von 2027 bis 2030 jährlich im Durchschnitt mindestens 25 Millionen Tonnen Kohlendioxid aufnehmen, um Emissionen in anderen Bereichen wie Landwirtschaft und Industrie auszugleichen ( bis 2045 sollten es sogar 40 Millionen Tonnen sein ). 

Die Ergebnisse der Bundeswaldinventur bestätigen erstmals anhand der realen Bestandsaufnahmen, was Modellrechnungen zuletzt schon vorhergesagt hatten.

Erschwerend für eine Verbesserung der Verhältnisse ist die Eigentumsstruktur der deutschen Wälder: Mit 48 Prozent ist rund die Hälfte in Privatbesitz. Die Bundesländer besitzen wie schon bei der letzten Waldinventur vor zehn Jahren 29 Prozent der Waldfläche,  der Anteil von Staatswald ist auf drei Prozent gesunken. Leicht gestiegen ist immerhin der Waldbesitz von Körperschaften wie Kommunen und Stiftungen von 19 auf 20 Prozent. Da sind also vor allem Privatpersonen gefordert, wenn der "Umbau" des Waldes hin zu einem gesünderen Mischungsverhältnis der Baumarten gelingen soll. Selbst wenn alle bereits beschlossenen Waldschutzmaßnahmen umgesetzt würden, wird es in den kommenden Jahren bestenfalls eine geringe Netto-Bindung von Kohlendioxid geben.

Sag ich es mal ganz krass: Erst wenn der letzte Baum gestorben ist, werden wir wohl zur Kenntnis nehmen, dass, gesellschaftlich gesehen, Migration sicher nicht unser allergrößtes Problem ist. Ich bin und bleibe in dieser Hinsicht eher kritisch gestimmt, was die menschliche Natur in ihrer Ignoranz & Raffgier betrifft....


Nichtsdestotrotz bleibt an dieser Stelle ein Platz für eure Begegnungen mit Bäumen in Wald, Park wie Stadt. Die Verlinkung ist wieder bis zum 23. November möglich. 
                                                   
                                                            

Samstag, 26. Oktober 2024

Meine 43. Kalenderwoche 2024

"Man kann sich mit dem Nationalsozialismus 
geistig nicht auseinandersetzen, weil er ungeistig ist. 
Es ist falsch, 
wenn man von einer nationalsozialistischen Weltanschauung spricht,  
denn wenn es diese gäbe, müsste man versuchen, 
sie mit geistigen Mitteln zu beweisen oder zu bekämpfen- 
die Wirklichkeit aber bietet uns ein völlig anderes Bild: 
schon in ihrem ersten Keim war diese Bewegung 
auf den Betrug des Mitmenschen angewiesen, 
schon damals war sie im Innersten verfault 
und konnte sich nur durch die stete Lüge retten."
Alexander Schmorell, 2. Flugblatt der "Weißen Rose"


Alle Jahre wieder verfolge ich mit Begeisterung die Laubverfärbung im Herbst. Ist das nicht ein tolles Rot, dass der Japanische Schlitzahorn angenommen hat?


Ein netter Besuch der "Kindergartenfreundin" meiner Tochter mit ihrer Sechsjährigen brachte am Samstagnachmittag Abwechslung ( neben den lustigen Törtchen vom gleichnamigen Konditor ). Das Mädchen hat sich reichlich vom Fundus auf meinem Kreativtisch anregen lassen, während wir Erwachsenen in Erinnerungen geschwelgt bzw. Dekoideen für Weihnachten & Karneval ausgesponnen haben. ( Hier ist ihre letztjährige Deko zu bewundern! )

Wieder ein mild temperierter Sonntag von 18°C, der mich beschwingt die drei Kilometer hin ( und zurück) zum Friedhof in Angriff nehmen ließ.


Ich mag das Herbstensemble des Auengartens, in dem mein Mann seine letzte Ruhe gefunden hat, besonders gern. 

Auf dem Friedhof wird nicht mit Farben & Formen gegeizt...

... und ich entdecke trotz regelmäßiger Besuche immer noch Neues.
















































Auf eine Einkehr bei "Potpourri" habe ich abschließend verzichtet ( ein sehr lautes Fest im Bürgerzentrum - nichts für mich! ) und mir zu Hause selbst einen Verveine-Tee gekocht.

Der Dienstag war wieder ein "Tag der Freundschaft" mit viel Zeit für ein intensives Gespräch und ein wenig Schützenhilfe beim Zuschneiden eines Rockes. Das Herbstlicht am Spätnachmittag beim Heimkehren - für mich immer irgendwie magisch. Da wirkt selbst die Großstadt zauberhafter...

Am Mittwoch war Ghislana/Jahreszeitenbriefe mal wieder im Rheinland, und ich habe mich gefreut, dass sie mich sehen wollte. "Ludwig im Museum" ist da immer ein beliebter Anlaufpunkt für uns. Zum Frühstück gab's Shakshuka...

Anschließend haben wir uns etwas durch die Altstadt treiben lassen. Ziel ( mal wieder ): Sankt Maria im Kapitol. So intensive, schöne  Stunden des Miteinanders!

Die nächsten Tage werden täglich zwei Stunden Laubrechen angesagt sein. Am Donnerstag habe ich mich das erste Mal des fallenden Laubes angenommen. Der Schlitzahorn hatte sich binnen Tagen schon fast ganz entblättert - wie schade!

Beim Gang en d'r Sity auch nach der Maus geschaut: Sie ist wieder zurück! Und so entlaubt präsentiert sich am Ende der Woche meine Magnolie.

Am Nachmittag habe ich noch mit dem Nachbarsmädchen zwei Täschchen genäht. Das war richtig nett & hat mir gut getan, und das Mädchen war ganz froh über seine Produkte.


Lektüre der Woche: 

"Mit Donald Trump verlässt die Politik die Zone der Politik", schreibt Dirk Kurbjuweit für den "Spiegel". Das kann man wohl sagen, wenn man den Bericht über sein Wahlkampf-Event am 14. Oktober in einem Vorort von Philadelphia, Pennsylvania ( dem Bundesland, das als wahlentscheidend gilt ) liest. Leider hinter der Bezahlschranke, deshalb eine kleine Zusammenfassung:

Er kommt schon mal eine Stunde zu spät, und sein Publikum schwitzt bereits in der kleineren Messehalle, dehydriert und hungrig, da das Mitnehmen von Lebensmitteln untersagt und vorher kontrolliert worden ist. Als die ersten zwei Zuhörer kollabieren, bricht er nach einer halben Stunde ab, lässt das "Ave Maria" zu einem Balkendiagramm mit Migrationszahlen auf den Bildschirmen abspielen - Lieblingsdiagramm und Lieblingssong, das ist der einzige erkennbare Zusammenhang. "Möchte noch jemand in Ohnmacht fallen?", fragt er scherzhaft. "Lasst uns ein Musikfest daraus machen. Wer zum Teufel will Fragen hören?" Es folgt also eine weitere halbe Stunde nur noch ein Song nach dem anderen und Trump
"... streckte seinen Zeigefinger auf diesen oder jene in der Menge, als hätte er Freunde entdeckt. Er schob sein Kinn vor und blickte entschlossen zur hässlichen Decke der Messehalle. Er schunkelte ein wenig hin und her. Er formte mit den Lippen die Worte 'Fight, Fight, Fight',  [...] und dazu pumpte er mit seiner geballten Faust durch die Luft. Er beugte sich vor, um einen imaginären Trommelwirbel vorzubereiten. Er tanzte, ungelenk und eckig, aber selbstsicher" zu einem "merkwürdigen Potpourri". ( Pavarotti, Bocelli, Elvis Presley, Guns N’ Roses, Rufus Wainwright und der YMCA-Song sowie Sinéad O’Connor)

Über der Bühne prangt die Losung "Trump was right about everything". Das Publikum halbiert sich unterdessen. Ob der Abend "entgleist" ist, oder ob sein "Wahlkampf zu seiner reinsten Form gefunden, dem unverfälschten Sound ohne störende gedankliche Anstrengung" hat - das überlasse ich jetzt jedem selbst. 

Aber das ist noch nicht alles: Bei einem Auftritt in Latrobe in Pennsylvania, der Heimatstadt eines legendären Golfspielers, lässt er sich wenig später über die Penisgröße jenes Mannes aus. In seiner Rede begründet er dies damit, dass es doch wahr ist: "Und wir wollen ehrlich sein." Ja, Trump erreicht immer wieder neue Gipfel der Vulgarität. Dabei hat er schon eine dicke Akte der chronischen Unterleibsfixierung und des schamlosen Frauenhasses, wie es Boris Herrmann so treffend ausgedrückt hat.

Auf "Fox News" und Konsorten wird das alles nicht gezeigt, Millionen Amerikaner kriegen es also nicht mit.

Ich für meinen Teil könnte mein Land, mein Leben einem solchen Kleinkünstler mit seinen abgestandenen karnevalesken Clownerien, einem solchen Anhänger fröhlicher Irrationalität und unbegrenzter Geschmacklosigkeit, zudem mit schamlos geäußerter autokratischer Machtanmaßung offen auftretenden Politiker, nicht anvertrauen. So Äußerungen wie, dass er gerne Hitlers Generäle hätte, die nur ihm loyal ergeben wären, lassen ja tief blicken. Ich würde mich zudem schämen, von so jemandem weltweit repräsentiert zu werden, ganz im Sinne der "New York Times": "Man kann sich kaum einen Kandidaten vorstellen, der unwürdiger wäre, als Präsident der Vereinigten Staaten zu dienen, als Donald Trump."

Rezept der Woche: Kürbis-Flammkuchen nach dieser Anleitung

Ärgernis der Woche: Dieses ganze Gewese in den Medien um die Befindlichkeiten alter oder mittelalter eitler Mannspersonen ! 

Einmal um Thomas Gottschalk, der mitteilt: "
Heute ist es so, dass ich erst einmal nachdenke, bevor ich etwas sage. Für mich ist das schlimm." Schlimm, dass er so alt werden musste, um über das nachzudenken, was er so von sich gibt. Der Mann ist über fünfzig Jahre in den Medien gewesen...

Und dann Clemens Meyer, der durch seine pubertäre Ausflipperei bei der Vergabe des Deutschen Buchpreises für seinen Roman ein Vielfaches an medialer Aufmerksamkeit erfährt, als es die Preisträgerin  Martina Hefter für "Hey guten Morgen, wie geht es dir?" je bekommen wird. Ich möchte wetten, dass inzwischen mehr Leute in den Buchhandlungen zu dem Tausend-Seiten-Wälzer Meyers greifen, als sie es ohne diesen Eklat getan hätten. Ein PR - Coup...

Wochenfreude: Das kommt wohl wieder in meinem Post rüber...

                                                                          


Verlinkt mit dem Samstagsplausch, mit "Niwibo sucht", den Sonntagsschätzchen und dem Mosaic Monday. 

Freitag, 25. Oktober 2024

Friday - Flowerday #43/24

Auch diesen Freitag wieder:


eine Chrysantheme!


Die kam mir allerdings ins Haus geflattert,
gebunden von einer Floristin zusammen mit drei Gerberas...

... und etlichem Begleitgrün wie Rutenhirse, Salal, Eukalyptus.

Welche Schönheit!


So sieht das Ganze auf meinem großen Wintergartentisch aus.
Bon week-end!
                                                          

Und anschließend wieder der "Sammelplatz" für eure Blumendekorationen:

Donnerstag, 24. Oktober 2024

Great Women #395: Gae Aulenti

Ihre Pipistrello-Lampe war schon in meiner Studienzeit mein Traum ( den ich mir aber nicht leisten konnte ), und auch mein Besuch in dem von ihr umgebauten Bahnhof zum Musée d'Orsay 1989 hat einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen. Und da mich Architektur, insbesondere Architektinnen, schon immer interessiert haben, finde ich es an der Zeit, sie bei mir im Blog vorzustellen: Gae Aulenti.

"Architektur ist ein Männerberuf, 
aber ich habe das nie beachtet."

Gaetana Emilia Aulenti erblickt am 4. Dezember 1927 in Palazzolo dello Stella südwestlich von Udine in der Region Friaul-Julisch Venetien als Tochter von Virginia Gioia und Aldo Aulenti das Licht der Welt. Dass das Mädchen ausgerechnet im norditalienischen Friaul geboren wird, ist eher Zufall, denn ihre Eltern kommen eigentlich aus Italiens Süden. 


Die Familie Aulenti - lauter Richter, Anwälte, Ärzte und Bischöfe - ist recht gut situiert, ist doch der Großvater des Mädchens, Giuseppe Aulenti, 1865 in Canneto di Bari ( heute Adelfia ) geboren, Richter im malerischen Trani in der Region Apulien gewesen. Gaes Vater hingegen hat in Kalabrien das Licht der Welt erblickt, in Acri. Aus Kalabrien kommt auch ihre Mutter, die allerdings wiederum in Neapel geboren worden und deren Vater Arzt und Akademiker in Palermo gewesen ist. Die Eltern verstehen sich jedoch als typische Kalabresen, obwohl der Vater wenig von der Mentalität hat, die den Menschen jenes Landstriches zugeschrieben werden.

Der, ausgebildeter Landvermesser, hat eine Stelle als Steuereintreiber in Latisana, einer Stadt unweit von Palazzolo, gefunden. Virginia arbeitet in Palazzolo als Grundschullehrerin. Sie heiraten 1926 also in der kleinen Gemeinde an der Laguna di Marano. Im Geburtsjahr von Gae schreibt der Vater sich an der Universität Ca' Foscari in Venedig ein, wo er zehn Jahre später einen Abschluss in Wirtschafts- und Handelswissenschaften machen wird. Die junge Familie lässt sich schließlich in Latisana, an der Bahnstrecke nach Venedig gelegen, nieder, wo Gaes Schwester Olga im Oktober 1930 zur Welt kommt. 1939 ein erneuter Umzug, diesmal ins Piemont, nach Biella am Fuß der Walliser Alpen, wo der Vater bessere berufliche Möglichkeiten vorfindet.

Auch Gae entwickelt eine enge Bindung zu Kalabrien, wo sie die Sommer in einem Landhaus der Familie verbringt - in ihrer Erinnerung die schönsten Momente ihrer Kindheit. Sie beschäftigt sich gerne mit Lesen und dem Klavierspiel, ist auch sonst vielseitig interessiert und entwickelt eine ausgesprochen eigene Persönlichkeit. 

Der Hang des intelligenten & lebhaften Mädchens zur Kunst manifestiert sich schon früh. Doch zu Hause gelten strenge Regeln, die wenig Raum für Spontaneität und das typisch kalabrische "kommste heut´ nicht, kommste morgen..." lassen. Im Gegenteil: Das Familienleben ist sehr restriktiv aufgrund der Strenge des Vaters, der ihr und ihrer jüngeren Schwester "Frivolitäten" wie die Freude an schöner Kleidung oder an einem ästhetischen Äußeren nicht erlauben mag. Schon bei der geringsten Spur eines Augen-Make-Ups setzt es beispielsweise eine Ohrfeige.
"Meine Eltern wollten, dass ich ein dilettantisches, aber nettes Mädchen der Gesellschaft werde", erzählt Gae Aulenti einmal in der "Brigitte", "aber ich habe rebelliert."
Da wundert es nicht, dass das Mädchen sich eine Ausweichmöglichkeit sucht und entscheidet, das Elternhaus zu verlassen, um in einer weiterführenden Kunstschule in Florenz zu lernen. Sie will nicht in der Stadt bleiben, in der die Eltern leben, um den rigiden Forderungen des Vaters zu entgehen. Doch wegen des Krieges - die italienischen Faschisten schlagen sich 1940 auf die Seite der deutschen Nazis - muss Gae nach Biella zurückkehren. Sie entwickelt eine antifaschistische Haltung, geprägt durch die Gräueltaten des Regimes in Italien, und engagiert sich im Widerstand. Das wird Gaes politisches und ziviles Engagement bis zur Niederschlagung des Ungarnaufstandes prägen. Es ist eine sehr unruhige Zeit mit Luftangriffen auf Turin, daher der Notwendigkeit, das Lernen zu Hause selbst zu organisieren, und mit wenig Geld fürs tägliche Leben..

Im August 1946 kann sie dann das Abitur an der Albertina-Akademie der Schönen Künste, dem Kunstgymnasium in Turin, ablegen. Gegen den ausgesprochenen Wunsch der Eltern schreibt Gae sich im darauffolgenden Herbst an der Fakultät für Architektur am Polytechnikum Mailand ein. "Italien war damals zerstört und die Architektur ein Feld, auf dem man intervenieren konnte", erklärt sie das später einmal. "Ich konnte die Trümmer nicht ertragen." Ein nützlicher Beruf also soll es für sie sein. In Mailand macht sie 1953 ihren Abschluss als eine von zwei Frauen insgesamt.

Eheschließung mit Francesco Buzzi
(1954)
Im Mai 1954 heiratet sie den Architekten Francesco Buzzi, mit dem sie studiert hat, und bekommt ihre gemeinsame Tochter Giovanna im Jahr darauf. Buzzi arbeitet an der Universität in Venedig und ist der Meinung, dass seine Frau doch nun das Schönste geschaffen habe, was sie je wird schaffen können, und die Architektur sein lassen solle. Doch Gae ist eine, die sich schon früh gegen Traditionen gewandt und ihre eigenen Ideen durchgesetzt hat. Sie trennt sich von Buzzi, da ist Giovanna keine drei Jahre alt ( und die beschließt, so ihre späteren Aussagen, damals, nie Architektin zu werden. Stattdessen wird sie sich als Kostümbildnerin einen Namen machen. ).

Gae schließt sich der Neo-Liberty-Bewegung an, die der strengen Sachlichkeit eines Le Corbusier, Mies van der Rohe oder Walter Gropius entsagt und Vergangenes zu neuem Leben erweckt. Das erste Haus, das sie entwirft - Casa Cumani - existiert heute nicht mehr. Es ist 1956 im Mailänder Stadtteil San Siro entstanden, wohin einer ihrer Klassenkameraden gezogen ist. Gae ist da noch keine dreißig Jahre alt. Einige applaudieren wegen seiner "fast außergewöhnlichen formalen Ausgewogenheit", andere kritisieren es als eine weitere Übung im Neoliberty -Stil.

Am Parthenon/Athen
(1960)


Im Gegensatz zum damals vorherrschenden Internationalen Stil, wie ihn eben Ludwig Mies van der Rohe verkörpert, ist für Gae zeitgenössische Architektur nur als Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit dem kulturhistorischen Kontext denkbar. Für sie zählt einzig der individuelle Umgang mit dem bereits Vorhandenen. Anstatt eine wiedererkennbare Künstlerhandschrift zu entwickeln, setzt Gae ihre theoretische Haltung kompromisslos in der Praxis um und lehnt auch jede Form von Stil ab. Deshalb wird sie auch nicht so populär sein wie andere Architekten ihrer Generation.

Um ihre Mutterrolle mit ihrer Arbeit in Einklang zu bringen, übt Gae ihre Tätigkeit zunächst in einer Studio-Ecke in ihrem Einzimmer- Appartement in der Via Cesariano aus. Sie arbeitet alleine ohne oder mit einer geringen Zahl an Mitarbeitern, entwickelt aber bei mehreren Gelegenheiten ( hauptsächlich Wettbewerben ) Projekte in Zusammenarbeit mit anderen Freunden aus der Universität. Sie schließt sich - anders als Charlotte Perriand oder Lilly Reich - nie einem männlichen Kollegen an, in dessen Schatten sie hätte geraten können.

1967
Doch da sie eher selten Architekturaufträge bekommt - eine Villa in der Brianza 1959 bleibt eher die Ausnahme-, layoutet bzw. schreibt sie in den Jahren 1955 bis 1965 als Redakteurin für die Architekturzeitschrift "Casabella". Sie arbeitet auch von 1960 bis 1962 als Assistentin von Giuseppe Samonà am Lehrstuhl für Architekturkomposition am Universitätsinstitut für Architektur in Venedig.  Und sie wird als Produktdesignerin aktiv - es ist die Zeit, in der das beeindruckende italienische Design der Nachkriegszeit geboren wird.

Als 1960 der Vater stirbt, wird für die alleinerziehende Mutter eine größere ökonomische Unabhängigkeit notwendig. Eine Freundin der Familie aus Biella vermittelt den Kontakt zu Adriano Olivetti, dem Chef von Italiens großer Schreibmaschinen- und Computerfirma. Trotz eines Vorstellungsgespräches, das so kommunikationsarm verläuft, dass Gae schließlich in einer Technik-Zeitschrift blättert, kommt sie mit dem progressiven Büromaschinenhersteller ins Geschäft. 1965 darf sie schließlich den showroom für die Firma Olivetti in Paris gestalten. Einer in Buenos Aires wird folgen.

Zwecks Beleuchtung entwirft sie für den Salon eine höhenverstellbare Tischlampe - "Pipistrello" also -, die sich vom funktionalen Design der Schreibmaschinen klar unterscheidet: So erinnert der geschwungene Lampenschirm an die Flügel der ( namengebenden ) Fledermaus und die Lampe insgesamt an eine Palme, also etwas ganz anderes als die präsentierten Schreibmaschinen. In den sechziger Jahre ein ungewöhnlicher Entwurf, der mit seiner organischen Form an die Zeit des Jugendstils erinnert. 

Olivetti-Showroom in Paris
"Ja, aber er hatte einen ganz konkreten Grund. Denn die Pipistrello war für den Showroom von Olivetti in Paris bestimmt. Deswegen musste sie sich von den Schreibmaschinen, Computern und anderen Geräten im Raum umso stärker unterscheiden. Sie war ja anfangs noch gar nicht für den Verkauf bestimmt. Als sie dann in die Sammlung vom MoMA aufgenommen wurden, begann sie plötzlich ein eigenes Leben zu führen und wird bis heute noch hergestellt", sagt sie einmal in einem Interview. 
Links sitzend im Pariser Showroom 
 
Sie lernt auch Gianni Agnelli, Leiter von Fiat, einer der damals größten Automobilhersteller Europas, kennen, für den sie 1965 zunächst seine Milaneser Wohnung gestaltet. Für die Agnelli-Familie wird sie Wohnsitze in Paris, Marrakesch und St. Moritz einrichten und später den Palazzo Grassi in Venedig restaurieren und umbauen. Für Fiat gestaltet sie die showrooms in Turin, Rom, Zürich, Wien, Brüssel. 

Liiert ist sie inzwischen mit Carlo Ripa di Meana, ein römischer Adliger, Politiker, Mitglied der sozialistischen Partei und einer, den sich damals alle alten Damen in Mailand als Schwiegersohn gewünscht hätten - "the most handsome couple in the city", so das "Archivo Gae Aulenti" in seiner Biografie. Zeitgenossen finden eher, dass er neben Gae Statist bleibt. 

An ihre zwanzigjährige Beziehung erinnert der geschwungene Schaukelstuhl "Sgarsul" – also "frivoler, frecher Straßenjunge" – der 1961 sein Debüt feiert. Es ist ihr Kosename für den Gefährten. Die Beziehung endet wegen seiner Anhängerschaft  des "Craxismus", einer Mischung aus Sozialdemokratie, Sozialismus und liberalem Konservatismus, benamt nach dem italienischen Politiker Bettino Craxi - eine Richtung, die Gae wegen der allgegenwärtigen Korruption nicht teilen mag, ja kriminell findet.

1965 mietet sie ein neues Haus in der Via dell’Annunciata 7, wo sie im Souterrain ihr Büro einrichtet und darüber eine Art Salon, neuer Knotenpunkt der Begegnungen, Beziehungen, Freundschaften. Es liegt ganz in Gaes Natur, über Kunst, Architektur, Kino und Politik zu diskutieren, und die Mailänder Szene weiß das zu schätzen. Den Ort wird sie erst 1974 verlassen, um in der Via Fori Oscuri 3 ein Haus mit Kriegsschäden in eines mit mehreren Ebenen mit großen Fenstern zur Piazza San Marco zu verwandeln. Es wird ihr Zuhause für immer bleiben...

Gae Aulenti pflegt eine besondere Beziehung zum Theater – für sie ein großartiger architektonischer Ort – und vor allem zum berühmten Regisseur Luca Ronconi. Ronconi steht ihr so nahe, dass er bei Abendessen in ihrem Zuhause immer zu ihrer Linken sitzen darf. Sie teilen die Auffassung, dass jeder Inszenierung eine Art Architektur zugrunde liegt, beim Theater halt ohne Fundament oder zumindest mit - paradoxerweise - beweglichen Fundamenten. Ein Höhepunkt ist, als Gae 1981 Rossinis "La donna del lago" inszenieren darf ( mit Maurizio Pollini als Dirigent ). Für Luca Ronconis  Uraufführung von Karl Heinz Stockhausens "Donnerstag aus Licht" im San Siro Palasport entwirft sie 1984 die Kostüme & das Bühnenbild  - was für eine Vielseitigkeit! Die Zusammenarbeit mit Theatermann dauert vor dem Hintergrund ihrer sehr engen Freundschaft bis 1995. 

Mit Luca Ronconi in der Mailänder Scala
(1977)
Nach wie vor liebt die Architektin aber auch die Bildende Kunst und widmet sich leidenschaftlich der Tätigkeit als Ausstellungsdesignerin, wobei sie über Orte nachdenkt, die um die Werke herum gestaltet werden, und nicht umgekehrt. 

Auf diesem Hintergrund entsteht ihr vielfältiges Werk, von der Produktgestaltung über Theaterinszenierungen bis zur Architektur, weshalb sie für gewöhnliche Architekturenthusiasten nur schwer fassbar bleibt.

In ihrem neuen Domizil macht sie es sich zur Gewohnheit, am 25. Dezember eine Party für Alleinstehende, Getrennte, Workaholics und Einzelgänger zu organisieren, die das Fest sonst alleine verbringen müssten. Mit der Zeit wird daraus eine Tradition, die weltlichste aller Mailänder Zusammenkünfte. An den Tischen sitzen alsbald Großeltern und Enkel, Freunde und Bekannte, Intellektuelle und Unternehmer, Künstler und Philosophen, Studenten und Professoren. Umberto Eco ( "Im Namen der Rose" ) und Ettore Sottsass und Vittorio Gregotti, namhafte Designer & Architekten ihrer Zeit, Maurizio Pollini und Ludovico Einaudi, Dirigent bzw. Komponist, Andrea De Carlo, der Schriftsteller, Emilio Tadini, ein Maler, und Stefano Boeri, der für seine begrünten Häuser bekannte Architekt. Niemand aus der italienischen Intellektuellen-Szene fehlt, denn Ihr Haus ist inzwischen zum place to be geworden. Sie ist darüberhinaus die erste nicht-regionale Architektin Italiens, in ihrem Selbstverständnis ist sie allerdings schon da international.

Palazzo Grassi, jetzt Fondation François Pinault
CC BY- NC 2.0

Der internationale Ruhm kommt tatsächlich mit der Renovierung des Palazzo Grassi in Venedig. Das Museum wird nach dreijähriger Umbauphase im Mai 1986 mit einer Ausstellung über Futurismus eröffnet. Weitere große Ausstellungen zwischen Kunst und Archäologie werden von ihr zwischen 1988 und 2001 ( die zu Balthus ) organisiert. Andere erfolgreiche Projekte im Ausstellungs-Museumsbereich - das letzte neun Jahre vor ihrem Tod - werde ich nicht aufzählen, denn das würde den Rahmen dieses Posts sprengen.

Ohne zu ahnen, dass dies vielleicht den wichtigsten Moment ihrer Karriere auslösen wird, liefert Gae schon im Mai 1980 in Paris die Zeichnungen für den vom "Etablissement public du Musée d'Orsay" ausgeschriebenen internationalen Designwettbewerb für die Renovierung und museografische Gestaltung des Gare d' Orsay, eines Pariser Bahnhofes, der anlässlich der Weltausstellung 1900 eingeweiht und 1950 nach einem fortschreitenden Verfall, der Ende der 1930er Jahre begonnen hat, stillgelegt worden ist.
"Man muss immer die Möglichkeiten entdecken, die sich in alten Gebäuden wie diesen verbergen. Man darf nicht das Vorhandene imitieren oder kopieren, sondern eine eigene Interpretation hineinsetzen. Man muss gegen den Ort arbeiten und ihn dennoch respektieren." ( Quelle hier )
Auf der Baustelle des Orsay mit Nina
(1984)
Sechs Jahre lang dauert die Arbeit am Musée d'Orsay, und Gae pendelt während dieser Zeit jede Woche zwischen Paris und Mailand hin und her. Die Eröffnung findet im Beisein zweier französischer Premierminister - Valéry Giscard d’Estaing und François Mitterrand - statt. Letztgenannter zeichnet sie aus diesem Anlass mit dem "Chevalier de la Légion d’Honneur" aus. Das ist nur ein Beispiel für die vielen Auszeichnungen, die sie im Verlaufe ihres Lebens erhalten hat.

1985, als das Musée d'Orsay kurz vor der Fertigstellung steht, nimmt Gae ein zweites großes Werk in Angriff: Die Renovierung des Palau nacional von Barcelona ( Hauptgebäude der 1929 auf dem Montjuïc-Hügel errichteten Weltausstellung, das seit den 1930er Jahren als Museum genutzt werden sollte) und die allgemeine Neuorganisation des Inneren des Nationalmuseums für katalanische Kunst (MNAC) im Auftrag des "Patronat del Museu nacional d'art de Catalunya" und des Kulturministeriums der katalanischen Region.

Das Museum, ein Bauwerk mit einer Gesamtfläche von 54.000 Quadratmetern, öffnet seine verschiedenen Bereiche ab 1992 bis 2004 ( dem Jahr in dem die letzten Eingriffe abgeschlossen werden ) schrittweise für die Öffentlichkeit.

Doch immer bleibt Gae auch eine Person außerhalb ihrer zahlreichen kreativen Tätigkeiten, wie das Foto mit ihrer Enkelin Nina Artioli ( die ebenfalls Architektin und Sachwalterin ihres Erbes werden wird ) beweist. Sie ist keine nonna im Sinne des Bilderbuches: Statt mit ihrer Enkelin den Spielplatz zu besuchen, nimmt sie das Kind beispielsweise 1991 mit nach Tokio, wo sie in Gegenwart des Kaisers mit dem "Imperial Prize for Architecture" der "Japan Art Association" ausgezeichnet wird. ( Dort geht das neue Kanzleigebäude der italienischen Botschaft und das italienische Kulturinstitut auf sie zurück, die 2004 bzw. 2005 eingeweiht werden. ) Typisch für "La Gae" ist eben auch, dass sie ihre menschlichen Beziehungen, ihre (Zu-)Neigungen in ihre Profession immer einbringt...

Abschließend noch ein paar Worte zu einem Aspekt der professionellen Seite der Gae Aulenti, der bisher in meiner Darstellung zu kurz gekommen ist: Ihre städtebaulichen Ambitionen, die oft nicht über das Stadium der Wettbewerbsentwürfe hinausgekommen sind. Das erste realisierte ist die Sanierung des Piazzale Cadorna in Mailand, einem wichtigen Infrastrukturknotenpunkt der lombardischen Metropole, dessen Straßenwege für Straßenbahn und Auto neu konzipiert, die Fassade des Gebäudes des nördlichen Mailänder Bahnhofs neu gestaltet und ein System geschaffen wird aus Notunterkünften mit kleinen Gewerbebetrieben im Bereich vor dem Bahnhof, ganz nah bei den U-Bahn-Ausgängen. Bekannt für den Platz ist heute aber eher die Skulptur "Nadel und Faden und Knoten" von Claes Oldenburg, die sich farbenfroh in der Mitte des Stadtraums abhebt. 

Da kommt dann auch das Rot ins Spiel - DIE Farbe der Gae Aulenti, die sie rote Strümpfe tragen lässt, aber in der sie auch architektonische Akzente setzt. ( "Ich kleide mich nicht gern alla moda. In dem Moment, wo Rot offiziell als Trendfarbe gepriesen wird, höre ich auf, es zu tragen, und bekomme Lust auf Grün." ) 

So beim San Francesco d'Assisi -Flughafen von Perugia in Umbrien, dessen Erweiterung sie bis 2011 noch beaufsichtigen wird, dessen acht Hallen aus Beton errichtetet, aber rot gestrichen sind. Das Dach besteht aus Kupfer, das oxidiert worden ist, damit es nicht auffällt und von der grünen Landschaft ablenkt. Der Parkplatz für bis zu 2.000 Fahrzeuge ist mit Olivenbäumen bepflanzt. Eröffnet wird der Flughafen mit einer Trauerfeier für die Architektin, zehn Tage nach ihrem Tod.

Zuvor, schon im Jahr 2005, hat diese den Staffelstab weiter gegeben, als sie eine assoziierte Firma mit ihren dienstältesten Mitarbeitern Marco Buffoni, Francesca Fenaroli und Vittoria Massa gegründet hat. Doch sie bleibt beruflich engagiert, ebenso ehrenamtlich wie politisch - mit ihren Freunden Umberto Eco, Enzo Biagi und Guido Rossi formiert sie 2002 die Bewegung "Libertà e Giustizia".

Am 31. Oktober 2012 schließt Gae Aulenti in ihrer Lieblingsstadt Mailand für immer ihre Augen und hinterlässt ein einzigartiges Erbe. Zwei Wochen zuvor hat sie sich bei der Verleihung der Goldmedaille für ihr Lebenswerk zum letzten Mal in der Öffentlichkeit gezeigt. Sie ist schon lange chronisch krank gewesen, sie habe sich aber, so gut es ging, dagegen gewehrt, so ihre Tochter. 

Ihr Hauptwerk, das Musée d’Orsay in Paris besuchen jährlich 3,8 Millionen Besucher. Erwähnt man ihren Namen im Zusammenhang mit dem des Museums, heißt es gerne: "Ach, die ist das?" Schade, dass dieses "kreative Universum" ( #VitraSchaudepot ) nicht bekannter ist. Was sagt Stefano Boeri, Präsident der Triennale Milano, über sie? 
"Gae Aulenti war eine besondere Figur im italienischen Kulturpanorama: ein kreatives Talent, das in verschiedenen Kontexten und Sprachen zum Ausdruck kam (vom Möbeldesign bis zur Szenografie, von der Architektur bis hin zur Innenarchitektur), deren Zeichen auch heute noch sichtbar und schöpferisch sind. Ihre Neugier und kreative Intelligenz haben der Designkultur neue Perspektiven eröffnet. Die Triennale beabsichtigt, eine große Retrospektive zu schaffen, die dem Publikum die Komplexität ihrer Figur näher bringt."

Diese Retrospektive läuft seit dem 22. Mai dieses Jahres bis zum 12. Januar 2025. Bei Mailand - Reisen sei auch ein Besuch des "Archivio Gae Aulenti" in ihrem alten Wohnhaus empfohlen. Die schon am 7. Dezember 2012 eingeweihte, neue große, kreisförmige Piazza Gae Aulenti im Zentrum des Unicredit Tower-Komplexes im Mailander Stadtteil Isola hingegen zeigt keine von ihr geschaffenen Werke.