Sonntag, 27. Oktober 2024

Mein Freund, der Baum: Waldinventur

Diesmal möchte ich euer Augenmerk, liebe Leser*innen, nicht auf einen speziellen Baum richten, sondern auf den Zustand unserer großen Freunde generell. Anlass sind mir die publizierten Schlussfolgerungen der vierten Bundeswaldinventur, einer Datensammlung von April 2021 bis Anfang 2023, veröffentlicht vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft von vor drei Wochen. Die sind in diesem Monat in den Fokus der Nachrichten gerückt...
Rund ein Drittel der Fläche unseres Landes - und damit etwa 11 Millionen Hektar - sind von Wald bedeckt. Der Waldzustandsbericht vom Mai dieses Jahres hat schon festgehalten, dass das Jahr 2023 - das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen durch den Deutschen Wetterdienst - mit seinen relativ vielen Niederschlägen die trockenen, heißen Sommer der vergangenen Jahre in unseren Wäldern nicht zu kompensieren vermocht haben. 

Bei vielen Bäumen sind bereits Teile der Kronen abgestorben, und diese geschwächten Bäume bleiben dann eben auch anfällig für die Heimsuchung durch Schädlinge wie Borkenkäfer, aber auch Pilze und Misteln. Die langfristig wirkenden Ursachen des Klimawandels, hohe Stickstoffeinträge sowie eine Vielzahl umbaubedürftiger Waldbestände beeinträchtigen zusätzlich den Zustand unseres Waldes. 

Der Anteil an Bäumen mit deutlicher "Kronenverlichtung" (36 %) hat sich im Vergleich zum Vorjahr um einen Prozentpunkt erhöht. Besonders alte Bäume von über sechzig Jahren weisen deutliche Schäden auf. Ihnen fällt die Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen schwer, so dass bei dieser Gruppe der Anteil der deutlich dezimierten Belaubung ihrer Baumkronen sogar bei 43 Prozent liegt.

Der schlechte Zustand des Waldes zeigt sich an allen Hauptbaumarten mit Ausnahme der Kiefer, deren Zustand sich leicht verbessert hat. Die Fichte weist weiterhin die höchsten Schäden auf: Der Anteil der deutlich ausgelichteten Baumkronen ist von 40 auf 43 Prozent gestiegen. Gleichzeitig hat der Bestand an Fichten um ca. 17 Prozent abgenommen. Dafür stieg der Anteil an Eichen und Buchen. So gesehen ist der Wald, gerade in meinem Bundesland, jünger geworden.

Doch auch bei Eichen & Buchen sind deutlich solche Kronenverlichtungen zu beobachten. Die Esche zeigt schon seit 2010 aufgrund des Eschentriebsterbens ebenfalls lichtere Kronen. Die Moorbirke, Baum des Vorjahres, hingegen hat sich nach hohen Schäden in den Trockenjahren 2018 bis 2020 erholt, die Weiß- oder Gemeine Birke allerdings nicht.

Eine Ursache des Problems ist diese mangelnde Biodiversität unseres Waldes: 75 %  unserer Waldbestände bestehen aus vier Baumarten, davon wieder 50 % aus Fichte & Kiefer - böse gesagt, sind das Monokulturen des Toilettenpapieres. Solche Wälder sind ein spitzenmäßiges Ernährungsangebot für beispielsweise die Borkenkäfer.

Klimaresistent sind unsere Wälder auch nicht: Sie trocknen schnell aus und speichern kaum Wasser. Die Fichte als Flachwurzler kann das sowieso nicht gut.

Und dazu kam dann zuletzt die Horrornachricht, dass die Wälder in Deutschland nicht, wie wir uns lange - unberechtigterweise? - erhofft hatten, zur Speicherung des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 beitragen. Das ist nämlich das Ergebnis der jüngsten Bundeswaldinventur des Ministeriums, welches mich persönlich doch schon schockiert hat. Dazu sind deutschlandweit an rund 80.000 Stichprobenpunkten rund 520.000 Probebäume vermessen und weitere Untersuchungen zum Wald durchgeführt worden.

Diese Inventur sagt nämlich, dass der Verlust an Bäumen durch Stürme und Dürre sowie Käferbefall größer ist als der Zuwachs an lebender "Biomasse". Seit 2017 hat sich der Kohlenstoffvorrat im Wald deshalb um 41,5 Millionen Tonnen verringert (-3%) . 
"Klimaschützer Wald wird zur Kohlenstoff-Quelle: Die Einbindung von Kohlenstoff ist seit Jahrzehnten erstmals niedriger als die Freisetzung", ist das Fazit des Berichts.
Nochmal: Unsere Wälder geben mehr CO2 ab, als sie zu speichern vermögen. Als Kohlenstoffsenker kann ein Wald nur wirken, wenn er im großen Stil neue Biomasse, bestehend aus Wurzeln, Stämmen und Ästen, bildet, in denen er Kohlenstoff einlagert. 

Zwar hat die Waldfläche leicht zugenommen und die Vielfalt bzw. der Anteil der Laubbäume ist auf 47% ( Nadelbäume 50% ) gestiegen, aber schlussendlich können die deutschen Wälder in ihrem derzeitigen Zustand so gut wie gar nicht zum Klimaschutz beitragen. 


Wir müssen also wahrhaben: Der Wald fällt erst einmal aus, was die für das Jahr 2045 angestrebte Treibhausgasneutralität anbelangt. Eine solche Leistung ist allerdings fest eingepreist in die offiziellen Pläne der Politik. Wälder sollten gemeinsam mit Mooren von 2027 bis 2030 jährlich im Durchschnitt mindestens 25 Millionen Tonnen Kohlendioxid aufnehmen, um Emissionen in anderen Bereichen wie Landwirtschaft und Industrie auszugleichen ( bis 2045 sollten es sogar 40 Millionen Tonnen sein ). 

Die Ergebnisse der Bundeswaldinventur bestätigen erstmals anhand der realen Bestandsaufnahmen, was Modellrechnungen zuletzt schon vorhergesagt hatten.

Erschwerend für eine Verbesserung der Verhältnisse ist die Eigentumsstruktur der deutschen Wälder: Mit 48 Prozent ist rund die Hälfte in Privatbesitz. Die Bundesländer besitzen wie schon bei der letzten Waldinventur vor zehn Jahren 29 Prozent der Waldfläche,  der Anteil von Staatswald ist auf drei Prozent gesunken. Leicht gestiegen ist immerhin der Waldbesitz von Körperschaften wie Kommunen und Stiftungen von 19 auf 20 Prozent. Da sind also vor allem Privatpersonen gefordert, wenn der "Umbau" des Waldes hin zu einem gesünderen Mischungsverhältnis der Baumarten gelingen soll. Selbst wenn alle bereits beschlossenen Waldschutzmaßnahmen umgesetzt würden, wird es in den kommenden Jahren bestenfalls eine geringe Netto-Bindung von Kohlendioxid geben.

Sag ich es mal ganz krass: Erst wenn der letzte Baum gestorben ist, werden wir wohl zur Kenntnis nehmen, dass, gesellschaftlich gesehen, Migration sicher nicht unser allergrößtes Problem ist. Ich bin und bleibe in dieser Hinsicht eher kritisch gestimmt, was die menschliche Natur in ihrer Ignoranz & Raffgier betrifft....


Nichtsdestotrotz bleibt an dieser Stelle ein Platz für eure Begegnungen mit Bäumen in Wald, Park wie Stadt. Die Verlinkung ist wieder bis zum 23. November möglich. 
                                                   
                                                            

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6 Kommentare:

  1. Das mich diese Nachricht nicht so überrascht hat, kannst Du Dir vielleicht denken. Oft sah man Fotos bei mir vom lichten Wald im Sauerland. Sei Kyrill ist kaum ein Hinterherkommen zu gewährleisten. Und wer meint, es wird doch (medienwirksam) gefördert vom Staat, der müsste sich noch nie durch diesen Paragraphen Dschungel durcharbeiten und bekam wegen irgendeiner Kleinigkeit wieder einen Absage. Im den 70ern wurde die schnelle Wiederaufforstung mit Fichten (Bauholz dringend gebraucht) durch den Staat gefördert. Also kein Wunder, dass es viele Monokulturen Fichte gab (zumal die Eiche dann sehr unter dem sauren Regen litt, wie man mit Verspätung feststellen konnte)
    Das nun nicht alle Waldbesitzer dabei mitdenken und verschiedene Bäume pflanzen, ist mehr als bedauerlich und kurzfristig gedacht. Denn Bäume sind nun Mal eine Sache, die nicht sofort ersetzt werden kann. Bis die Pflanzen, die jetzt nach gesetzt werden und würden groß sind, und als CO2 Speicher gelten können, vergehen Jahrzehnte! Um so mehr muss sich jeder mal überlegen, ob der Baum an der Allee, eigenem Grundstück /Park...wg einer Unbequemheit wirklich gefällt werden muss (außer er ist krank und damit gefährlich) oder ob er doch weiter leben darf. Bis der Ersatz sein Größe hat, leben wir nicht mehr.
    Übrigens finden viele Wanderer das Sauerland mit den fehlenden Bäumen tatsächlich schön, denn nun könne man ja weit schauen. Ja, die Brachflächen werden wiedererobert, aber mich macht der Anblick meiner Geburtsheimat vielfach traurig.
    Danke, für Deinen Beitrag
    (Und entschuldige meinen etwas langen und emotionalen Kommentar (
    Mit lieben Grüßen
    Nina

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  2. gut, dass du darüber berichtest!! geschockt hat mich der bericht auch, aber wenn man oft in den wäldern unterwegs ist, hat man das sterben der bäume schon lange festgestellt und das nicht nur im oberharz oder im solling. mir tat es schon so oft in der seele weh, wenn eichen, ahorn und viele andere laubbäume viel zu früh schäden aufwiesen und es eigentlich jedes jahr schlimmer wurde.
    so kann ich deinem letzten satz eigentlich nur zustimmen. mein vertrauen in den staat als auch in waldbesitzer hält sich sehr in grenzen. immerhin gibt es einige gute aktionen zur wiederaufforstung von umweltverbänden und privatpersonen. aber es erscheint wie ein tropfen auf den heißen stein.
    liebe grüße von mano

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  3. Darüber müssten unsere Politiker den ganzen Tag reden, und nicht über Migration und Grenzkontrollen. Das mit dem Wald ist ein echtes, wichtiges Problem.
    Danke, dass du es mal wieder in den Vordergrund rückst!
    LG
    Centi

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  4. Und dann haben wir hier in Bayern einen Aiwanger, der immer noch rumschwadroniert vom Wald als Nutzobjekt... sowas von gestern!
    Der Bericht ist erschreckend und die Besitzverhältnisse sind es auch.
    Irgendwie ist es immer noch nicht angekommen bei Politik und Gesellschaft: Die Natur braucht den Menschen nicht, jedoch der Mensch die Natur.
    Danke für Deinen aufrüttelnden Post!
    Herzlichst,
    Sieglinde

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  5. Liebe Astrid, erstmal etwas anderes: wenn man auf Deinen Button zu "Mein Freund der Baum - Oktober" in der rechten Sidebar klickt, kommt man zu Deinem Blogger-Edit. Ich glaube, das ist nicht von Dir gewollt. ;) Wenn ich "Deinen" Zustandsbericht so lese, bin ich sehr froh, dass wir gleich zwei gesunde "Gemeine Birken" im Garten haben und auch das der kleine Eschenwald am Kraywinkel ganz in der Nähe zumindest noch gesund aussieht. Danke, dass Du hier bei Dir "aufrüttelst". Herzlichst, Deine Nicole (die versucht einen goldenen Moment im Ahornbaum im November einzufangen ;))

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