Sonntag, 31. Juli 2022

Mein Freund, der Baum: Lebkuchenbaum, der zweite

Im Dezember 2018 habe ich schon einmal von diesem Baum berichtet. Nun habe ich vor einer Woche im Stammheimer Schlosspark ein weiteres Exemplar entdeckt und überlegt, den Post noch mal aufzugreifen - alter Text also mit drei neuen Fotos!

Der Lebkuchenbaum Cercidiphyllum japonicum, auch unter den Namen Japanischer Kuchenbaum oder Katsurabaum bekannt, hat seinen Namen daher, weil sein - übrigens wunderschön gefärbtes Laub - im Herbst kurz vor und nach dem Fall schon aus einiger Entfernung wahrnehmbar, besonders bei feuchter Witterung, nach Zimt und Karamell duftet. Ursprünglich stammt der zur Familie der Kuchenbaumgewächse Cercidiphyllaceae gehörende Baum also aus Japan und dem fruchtbaren Teil Chinas, wo er in Höhen zwischen 600 und 2700 Metern an Flussufern und Gebirgsbächen zu finden ist und mit seinem malerischen Wuchs bezaubert. Katsura bedeutet auf Japanisch übrigens "Prinz" oder "Geisha-Perücke".


An seinem natürlichen Standort entwickelt er sich mit den Jahren zu einem prächtigen Baum, der eine Wuchshöhe von 30 - 45 Metern erreichen kann. Hierzulande angepflanzt bleibt er eher ein sogenannter Kleinbaum ( bis zu 15 Metern ) oder wächst strauchartig vom Boden aus mehrstämmig in die Höhe, wobei die einzelnen Stämme manchmal zum Drehwuchs neigen. Die Baumkrone breitet sich in jungen Jahren kegel- oder trichterförmig, im Alter dann rundlich oder schirmförmig aus. Sehr alte Bäume sind nicht selten breiter, als sie hoch sind - sehr malerisch!

Die Borke des Lebkuchenbaums ist graubraun und längsrissig mit hellen Lentizellen.



Als intensiver Flach- und Herzwurzler verträgt der Lebkuchenbaum auch kurzzeitige Überschwemmungen, wenn der Boden sonst sehr durchlässig und wasserableitend ist. Auf Trockenheit reagiert er aber empfindlich. In unseren Breiten ist der Lebkuchenbaum winterhart, Spätfröste können für das früh austreibende Gehölz aber eine Gefahr darstellen. Ein Trost: Auch die erfrorenen Blätter duften ebenso intensiv wie das Falllaub im Herbst.

Das Besondere am Lebkuchenbaum sind seine Blätter, auch wegen ihrer Vielzahl von außergewöhnlichen Farbschattierungen, die sie während eines Lebenszyklus annehmen: Die im Mai neu austreibenden sind hellrosa gefärbt, ausgereift wechseln sie zu grün und einem bläulichen Ton. Die Blattstiele bleiben aber bis zum Laubfall durchgängig rot. Ein wahrer Farbrausch entfaltet sich im Herbst. Dann beginnt das Spektrum bei einem hellen Gelb, variiert von Pfirsichfarben und Orange bis zu einem satten Kaminrot. Wie meist ist diese Färbung stark vom Boden abhängig: Je saurer der Boden, desto intensiver!




Auch die Form der Blätter ist besonders ansprechend: eiförmig-elliptisch und an der Blattbasis herzförmig eingeschnitten. Eine weitere Besonderheit sind zwei verschiedenen Blattformen. An den Kurztrieben wachsen die Blätter wechselständig und haben eine handförmige Äderung, an den Langtrieben sind sie hingegen gegenständig& fiedernervig



Der Lebkuchenbaum blüht schon vor dem Laubaustrieb im März/April. Die Bäume sind zweihäusig getrenntgeschlechtig. Die filigranen karminroten Blütenbüschel der männlichen Blüten erscheinen in den Blattachseln. Sie sind zwar recht dekorativ, aber eher unscheinbar, ebenso die weiblichen Blüten (siehe Foto ). Ist der Baum verblüht, bilden sich in den Blattachseln etwa anderthalb Zentimeter lange, krallenartig gekrümmte, hellgrüne Balgfrüchte, in denen sich viele flache, geflügelte, braune, vier bis fünf Millimeter lange, trapezförmige Samen befinden. Da die Bäume in unseren Breitengraden aber eher selten vorkommen, ist die Wahrscheinlichkeit einer Bestäubung nicht unbedingt gegeben.


Der Lebkuchenbaum ist relativ robust und wenig anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Alleine die Verticillium-Welke, eine Pilzerkrankung, kann ihm zu schaffen machen. Diese führt dazu, dass Triebe und sogar ganze Äste einfach absterben ( wie bei der Blasenesche ). 

In Japan gehört der Kuchenbaum zu den wirtschaftlich wichtigen Forstbäumen. Sein Holz ist schön gemasert und hell, so dass es ein sehr wertvolles Material für Furniere darstellt.


Im Botanischen Garten in der japanischen Stadt Kami existiert ein über 1000 Jahre altes Exemplar des Lebkuchenbaumes und im Itoi Tal sogar ein mehr als doppelt so altes Exemplar. Letzteres ist bis auf eine Höhe von 35 Metern herangewachsen. Hierzulande ist der Lebkuchenbaum eine Rarität und wird, wenn überhaupt, als Ziergehölz in Parks und Gärten angepflanzt. 

Erstmals beschrieben wurde der Lebkuchenbaum im frühen 19. Jahrhundert vom deutsch-holländischen Botaniker und Japanforscher Philipp Franz v. Siebold, der als Arzt in Japan tätig war, sowie dem Botaniker Joseph Gerhard Zuccarini in München. 

Der Lebkuchenbaum gehört zu einer sehr kleinen Pflanzenfamilie, die im Pflanzensystem den Zaubernussgewächsen Hamamelidaceae nahestehen. Diese ganze Verwandtschaft zeichnet sich aus durch eine bemerkenswert lebhafte Herbstfärbung des Laubes. Besonders prachtvoll sind Amberbäume Liquidambar, die persische Parrotie und einige amerikanische und ostasiatische Zaubernüsse Hamamelis. Die zweite Art des Kuchenbaumes ist übrigens der Großartige Kuchenbaum, der nur in Japan anzutreffen ist, was ihn zu einer echten Rarität macht. 

Und nun seid ihr wieder an der Reihe, liebe Leser*innen, mit euren "Baumgeschichten"! Zeit ist bis zum 27. August 2022.

Samstag, 30. Juli 2022

Meine 30. Kalenderwoche 2022



"Das Leben wird vorwärts gelebt 
und rückwärts verstanden."
Søren Kierkegaard




Heute bleibt es bei diesem Kalenderwochenpost bei Fotos von unserem Ausflug ( dank unserer Schwägerin L.K. ) vor einer Woche in den Stammheimer Schlosspark.


Sie hat uns auch durch das Guckloch der Skulptur oben rechts fotografiert.


Vor vier Jahren waren wir zuletzt dort.


Die Fiederblattbuche habe ich in diesem Park kennengelernt und vor fünf Jahren im Blog porträtiert.


Inzwischen gibt es nur wenige Veränderungen, was die Kunst dort betrifft, leider.

Trockenheit und andere Wetterschäden sind gut sichtbar.


Der Rest der Woche bleibt nun ganz privat, nachdem ich meinen Mann, den Herrn K., ins Krankenhaus einliefern lassen musste. Ich musste einsehen, dass es so mit all meiner Fürsorge und Pflege nicht mehr weiter ging. Und wie es überhaupt weiter gehen kann, damit muss ich mich nun vorrangig beschäftigen.












Verlinkt mit dem Samstagsplausch bei Andrea Karminrot und dem Sommerglück der Gartenwonne

Freitag, 29. Juli 2022

Friday - Flowerday #30/22

 


Aus der Not eine Tugend gemacht habe ich diesmal
und unter meinen derzeitigen Bedingungen 
eine Vasenfüllung ohne großes Brimborium geschaffen.



Die Zantedeschien stammen alle aus den Töpfen auf unserer Terrasse.


Die Vase steht vor dem großen Holzschnitt
auf einem der Holzklötze.























Und noch mal das Ganze von vorne:

Bon week-end für alle!

                                                      



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Donnerstag, 28. Juli 2022

Monatscollage Juli 2022

 

Für meinen Geschmack
ist das
diesmal
eigentlich
ein ganz angenehmer Sommermonat 
gewesen,
dieser Juli,
auch wenn wir 
uns fast nur
im Umkreis von
350 Metern
um unser Gehäuse 
bewegt haben.
Die größte Freude
war 
ohnehin
das Abitur
unserer ältesten Enkelin -
einfach spitze!
Und wieder 
wirbelte 
sie mit ihrem Rock
wie als kleines "Meitli"!
Während unsere Welt immer kleiner wird,
wird ihre immer größer.

Wenn dann nur nicht
dieser Paukenschlag
gegen Ende des Monats gekommen wäre
.....

Danke sage ich 
wieder
den Teilnehmerinnen bei 


Zehn Beiträge wurden diesmal verlinkt

                                                      



Die Monatscollagen sammelt auch in diesem Monat wieder die_birgitt


Mittwoch, 27. Juli 2022

12tel Blick Juli 2022

Der
"12tel Blick"
im zweiten Sommermonat Juli:

Wie gewohnt zuerst von meinem Terrassentisch:























Nach dem Besuch im Krankenhaus
habe ich bei einer Tasse Kaffee
endlich in die Tageszeitung geguckt.
Der Himmel ist den ganzen Tag über bedeckt gewesen
und als Höchsttemperatur wurde an diesem Dienstag 22°C erreicht.
Eine Viertelstunde später musste ich einem leichten Schauer weichen
wie schon am frühen Morgen...

Und schließlich noch der Blick ins Nippeser Tälchen:









Der stammt allerdings vom Monatsbeginn.
In den letzten Tagen des Juli hatte ich keine Zeit & Nerven mehr dafür
und habe aus meiner Fotosammlung letztendlich dieses Bild ausgewählt.

Die Übersichten diesmal ohne störende große Zahlen :
































Verlinkt wird der Beitrag wie gewohnt auf Eva Fuchs Blog.

                                                                                              

Montag, 25. Juli 2022

Restefest Juli 2022

Seit Jahresbeginn 2018 mache ich monatlich mit beim Restefest, seinerzeit ins Leben gerufen von Marion/kunzfrau kreativ, und diesmal hat es sogar geklappt, etwas Genähtes einzustellen, denn der Herr K. ist inzwischen zweimal in der Woche in der Tagespflege. Da hab ich auch mal längere Zeit am Stück fürs Nähen...

Entstanden ist etwas aus einem Rest bestickten Batistes, der schon seit 2009 in einem Karton in meinem Hochlager gelegen hat. Damals habe ich reichlich diverses Material gekauft für die Kleider der Blumenmädchen ( hier ganz unten in einem meiner allerersten Posts zu sehen ) auf der Hochzeit meiner Tochter - heute genau dreizehn Jahre her - mein Glückwunsch! - und mehrere Modelle ausprobiert. Aus einem anderen Rest ist vor Jahren schon ein Kommunionkleid entstanden. Und jetzt halt noch aus einem anderen Rest zwei Blusentops, wie sie das große Münchner Madel liebt und die kleine Schwester inzwischen wohl auch.



Das Schnittmuster ist nach wie vor ein ( inzwischen nicht mehr erhältlicher ) Schnitt von "Stoff & Stil", den ich auch mithilfe anderer Oberteilschnitte für eine Größe 122 angepasst habe.




Verlinkt mit dem Creativsalat


Samstag, 23. Juli 2022

Meine 29. Kalenderwoche 2022

 "Man lässt sich von Habecks
 volkserzieherischer Übergriffigkeit 
doch nicht das Vergnügen im warmen Wasserstrahl versauen! 
Das politische Versagen freilich fand lange vorher statt: 
als man sich sehenden Auges in die Abhängigkeit 
von den Launen eines Despoten begab."
.....
"Corona ist noch längst nicht geschafft. 
Aber so viel steht bereits fest: 
Die nächste Pandemie heißt Unsicherheit."
Imre Grimm, Autor & Kolumnist



Letztendlich habe ich am letzten Samstag zweieinhalb Stunden im Garten verbracht. Es ist immer so: Zunächst fürchte ich mich vor der Anforderung und drücke mich gerne vor bestimmten Aufgaben. Und dann packt es mich, und es wird noch dies ( Eibenkugeln in Form schneiden ) und das ( Bank & Kaffehaustischchen schrubben ) in Angriff genommen. Stimulans war auch das Wetter am Samstag wiewohl auch am Sonntag: 25°C bzw. 27°C mit nettem Wind.


Das lichte Grün unseres Straßenbaumes trug zur freundlichen Sommerstimmung vor unseren Fenstern bei. Am späten Samstagnachmittag sind wir allerdings runter vom heimischen Terrain und dann sogar noch zum Abendessen in unserem derzeitigen Favoritenlokal hängen geblieben. Genossen habe ich auch ( leicht frierend bei weit geöffnetem Fenster ) die nächtlichen 13° C.



Bevor die ganz heftige Hitze über uns hereinbrach, habe ich den Montagmorgen mit frischen 21°C genutzt, um wenigstens eine Stunde auf der Terrasse zu sitzen und an meinem Post zu schreiben. Immerhin zeigte das Thermometer am Spätnachmittag an der Flughafenstation knapp 35 C.




Am seit Tagen, ja Wochen angekündigten temperaturmäßigen Höhepunkt des Julis am Dienstag haben wir uns in der Frühe noch mit Obst und Gemüse versorgt. Nur den Weg zur Eisdiele hätten wir uns sparen können: Noch geschlossen! Zuhause angekommen, lag dann - wie angekündigt - ein Teil der Krone unseres Straßenbaumes vor der Tür. Leider hatten einige Äste schon an der Fassade des Nachbarn entlang geschrappt, die mussten weichen. Mir fehlt das heitere Schattenspiel sehr.

Tageshöchsttemperatur bei uns in Köln, wieder am Flughafen gemessen: 38°C. Den Hitzerekord gebrochen hat eine Stadt in Tauberfranken, 28 km von meinem Geburtsort entfernt: 40, 3°C.





Die Tropennacht darauf war ziemlich anstrengend, denn erst gegen sechs Uhr konnte man die Fenster bei 20°C öffnen. Der Vormittag war es nicht minder, da trubelig. Aber gefreut hat uns, dass ein Teil der Zürcher Familie vor der Heimfahrt noch zu Besuch gekommen ist. 
Eis am Nachmittag konnte die Schwüle allerdings nur kurzfristig mildern. Ist einfach nicht mein Wetter, wenn die geringste Bewegung schweißtreibend ist.

In der Nacht zum Donnerstag setzte dann Regen ein, der auch tagsüber immer mal kleine Schauer mit sich brachte. Entsprechend war der Tag aber auch um einiges kühler als zuvor. Der Regenmesser im Garten zeigte 17 Liter binnen 48 Stunden an, das Thermometer Freitagfrüh 16°C. Die arge Hitze war also fürs Erste einmal überstanden...



... und am Freitagnachmittag saß es sich wieder sehr angenehm auf unserem Plätzchen (22°C).




Dort gibt es auch Dattelpalmen ( in Kübeln ) wie die selbst ausgesäte auf meiner Terrasse. Ich hab mal studiert, wie man die am besten beschneidet, denn ich mag nicht immer die Wedel ins Gesicht bekommen.
Die weißen Zantedeschien haben sich inzwischen bei mir auch prächtig in den Töpfen entwickelt.


Und heute so? Geplant ist ein Ausflug mit der Schwägerin als Ersatz für den Besuch in der Eifel, den das blöde C zunichte gemacht hat. Das Wetter ist vielversprechend...



Verlinkt mit dem Samstagsplausch bei Andrea Karminrot und dem Sommerglück der Gartenwonne

Freitag, 22. Juli 2022

Friday - Flowerday #29/22

 


Wenn der Floristennachbar in Urlaub ist
und der nächtliche Regen die riesigen Blütenbälle der "Annabelle"
auf den Boden legt...



... dann ist klar, was zu diesem Freitag in die Vase kommt.


( Endlich wieder eine Gelegenheit, 
um das flamboyante Teil aus dem Kellerregal zu holen. )








Hier sieht man die Unterschiede in  den Blüten der Bauernhortensie Hydrangea macrophylla
und der Hydrangea arborescens.


Allen ein schönes Wochenende!

                                                      



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Donnerstag, 21. Juli 2022

Great Women #307: Elly Maldaque

Ob die Frau, die ich heute porträtieren will, großartig gewesen ist, sei dahingestellt, bemerkenswert ist sie auf jeden Fall und ihre Sache gibt, zeithistorisch gesehen, einen guten Einblick wie Staat & Gesellschaft auch mit einem umspringen könne und wie weit wir von den in bestimmten Kreisen heutzutage heraufbeschworenen Fantastereien doch entfernt sind. Ihre Geschichte hat mich sofort gefesselt, deshalb steht Elly Maldaque, die gestern vor 92 Jahren gestorben ist, heute bei mir im Mittelpunkt.

"Und es soll doch alles menschliche Streben 
zu Liebe für das andere werden."

Elisabeth "Elly" Karoline Maldaque erblickt am 5. November 1893 in der Stubenlohstraße 19 in Erlangen das Licht der Welt. Sie ist das erste Kind von Wilhelm Maldaque, 34 Jahre alt, und seiner Frau Karoline "Lina" Ofenhitzer, Jahre elf jünger als ihr Mann. Zwei Jahre später kommt noch ein Junge, Wilhelm, zur Familie dazu.

Kurz vor Ellys Geburt sind die Eltern von Eichstätt nach Erlangen gezogen. Die Mutter stammt ursprünglich aus Neu-Ulm, der Vater aus Labes in Westpommern. Beide Eltern sind protestantisch. Der Vater gehört als Büchsenmeister zum Offiziercorps der Bayerischen Armee. Nach seinem Wehrdienst hat er mit 24 Jahren in einer Gewehrfabrik in Spandau gearbeitet und anschließend als Militärwaffenmeister im oberpfälzischen Amberg, bevor er zum 3. Bataillon des 19. Infanterieregimentes, stationiert in Erlangen, gewechselt ist. Dort ist er als Fachoffizier für die Anschaffung & Wartung der Bataillonswaffen verantwortlich.

Ausmarsch des 19. Infanterieregimentes 1914,
Neue Kaserne im Hintergrund
Zweimal zieht die Familie in Erlangen noch um, bevor sie in den Wohnbereich der Neuen Kaserne übersiedeln. Da ist Elly drei Jahre alt. 

Die Kaserne und der dazugehörige große Exerzierplatz werden ihr Lebensumfeld und prägen ihre tägliche Wahrnehmung, ihre Verhaltensstandards & Wertvorstellungen. Disziplin und Gehorsam spielen da die Führungsrolle. Verstärkt wird das aber auch durch die Lebensprinzipien & Weltanschauung des Vaters, der konservativ-reaktionär ist und sich für den Erhalt der herrschenden Machtverhältnisse in der bayerischen Monarchie um jeden Preis einsetzt, obwohl die gesellschaftliche Entwicklung um die Familie herum sehr viel dynamischer geworden ist. 

Zugleich ist er ein religiöser Schwärmer, der, so die Aussage eines späteren Nachbarn in Regensburg, einem Regierungsdirektor, "ein ganz sonderbarer Mensch [ist]; der alle Welt, besonders die Geistlichkeit 'bekehren' will. Höchst unklarer Kopf, Fanatiker. Im Gegensatz zu seiner Tochter selbstgerecht und lächerlich selbstbewusst." Selbst bezeichnet sich Vater Maldaque als "Gottsucher" und "von fanatischem Drang nach Wahrheit" beherrscht. Seine Tochter wiederum beschreibt er selbst als "sonderbares Wesen", das nie wie andere Kinder & Jugendliche heiter, gar übermütig und sorglos gewesen sei. Elly passt sich den väterlichen Erwartungen an, ist immer eine sehr gute Schülerin, steht wohl dadurch auch sehr unter Druck, und die Vater-Tochter-Konflikte dominieren offensichtlich ihr Lebensgefühl. So wird sie sich 1927 als eine in der Kindheit & Jugend "geknechtete Seele" bezeichnen. "Ich möchte auch so gerne lustig sein und lachen können, aber es liegt beständig ein Druck auf mir", schreibt sie.

Die Mutter, geduldig und anspruchslos und wohl von geringem Einfluss auf das Familienleben, ist sie doch länger "leidend" gewesen, wie Elly bei derem Tod 1927 schreibt. Sie wird später die Familie als "Stätte des Egoismus und vieler Lebenshemmungen" statt einer "Quelle der Erholung und des Fortschrittes" kritisieren.

Städtische höhere weibliche Bildungsanstalt Erlangen 
( vor 1909 )
Erlangen ist zur Jahrhundertwende nicht nur vom Flair einer Universitätsstadt geprägt, sondern auch als Garnisonsstadt Schauplatz vaterländischer Feiern vor Kriegerdenkmälern, dem sonntäglichen Antreten der Regimenter und den täglich inszenierten Wachablösungen sowie Zeremonien zu den jeweiligen Königs- & Kaisergeburtstagen und viel Beflaggung und Dschingderassabum, selbst in der Schule wie der Städtischen höheren weiblichen Bildungsanstalt, die Elly ab 1903/04 mit der IV. Klasse besucht.

Diese Schule ist in drei Stufen gegliedert: die Seminarübungsschule, die Höhere Töchterschule und das Lehrerinnenseminar. Die Seminarübungsschule umfasst die sieben Klassen der Volksschule mit dem Zusatzangebot "Französisch". Elly muss eine Aufnahmeprüfung ablegen, um nachzuweisen, dass sie den Stoff der ersten drei Volksschuljahre beherrscht, als sie in die Schule eintreten soll. Wo sie diese absolviert hat, ist nicht bekannt.

Nach der Klasse VIII wechselt das junge Mädchen in die Präparandinnenschule, die Voraussetzung für den Besuch des späteren Lehrerinnenseminars ist. Dort stehen neben den auch bei uns heutzutage üblichen Fächern noch Gesang, Violine, Stenografie auf dem Stundenplan, 27 Wochenstunden umfasst der Unterricht. Fakultativ gibt es noch Englischunterricht, und in der dritten Stufe, dem Lehrerinnenseminar, kommen noch Physik & Chemie dazu.

Diese Erlanger Bildungseinrichtung spiegelt die soziale Schichtung der Stadt, sind dort doch nur Mädchen aus dem Bildungsbürgertum bzw. der Mittelschicht anzutreffen. Immerhin kostet die Schule 100-140 Mark pro Jahr ( eine Mark damals gleich 5 Euro ), eine Investition, die die Eltern Maldaque im Hinblick auf eine Zukunft für ihre Tochter als Berufstätige mit eigenem Einkommen auf sich zu nehmen bereit sind.

Als der Vater 1909 als Waffenmeister zu einem Regiment in Regensburg wechselt, bleibt die inzwischen sechzehnjährige Elly in Erlangen, wo sie mit 18 Jahren dann ihre Ausbildung zur Volksschullehrerin beginnt. Sie wohnt in einer der privaten Pensionen, die von der Schule empfohlen werden. Die Lehrerinnenausbildung ist rein praktischer Natur, besteht also nur aus eigener Unterrichtstätigkeit ohne wissenschaftlichen Anspruch, wie ich den Beruf später erlernt habe. Um diese Ausbildung anfangen zu können, ist ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis Voraussetzung und das bestätigt Elly, dass sie geeignet und "eine besondere Krankheitslage nicht nachweisbar" sei.

Im Seminar lernt sie zwei Frauen kennen, mit denen sie auch nach der gemeinsamen Zeit im Seminar verbunden bleiben wird, von denen Irene Neubauer den nachhaltigeren Einfluss ausüben wird. Die, ein Jahr jünger, aus katholischer gutbürgerlicher Familie in Bamberg stammend, wird Elly entscheidende Anregungen bezüglich ihrer Weltanschauung vermitteln und ihre wichtigste Vertraute werden. Irene tritt nach der Ausbildung eine Stelle an einer Berufsschule im thüringischen Apolda an, wohnt in Weimar und wird dort Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands.

Elly selbst legt im Juli 1913 die abschließenden mündlichen wie schriftlichen Prüfungen mit hervorragenden Ergebnissen ab. Schon während des Seminars wird ihr Begabung, Fleiß und tadelloses Verhalten attestiert. Und wieder wird ihr auch die gesundheitliche Eignung für den Lehrberuf vom Bezirksarzt bescheinigt. Im August darauf wird sie als "Schuldienstexpektantin" ohne Festanstellung und Einkommen in den oberpfälzischen Schulverband, Dienstort Regensburg, aufgenommen. In Regensburg kann sie wieder bei den Eltern wohnen, in einem Haus, welches der Vater im Jahr zuvor gekauft hat. Sie wird auch Mitglied im Bayerischen Lehrerinnenverein (BLiV), einer überkonfessionellen Organisation.

Der Ausbruch des 1. Weltkrieges stößt auch in der Familie Maldaque viele Veränderungen an: Ellys Bruder Wilhelm, der gerade das Abitur gemacht hat, meldet sich freiwillig zum Kriegsdienst. Und auch der Vater ist als Waffenmeister an der Westfront eingesetzt, kehrt aber krank im März 1915 wieder heim. Der Bruder hingegen fällt im Juli 1916 in Ypern mit 21 Jahren. Elly dagegen beschert die Tatsache, dass auch Lehrer in den Krieg ziehen müssen, endlich eine Chance, zu einer Stelle als Lehrerin zu kommen. Diese findet sie zunächst im württembergischen Magstadt im Bezirk Böblingen. Im April 1915 wird sie dann als Kriegsaushilfe an eine protestantische Schule in Waldsassen berufen und vier Wochen später an eine einklassige protestantische Volksschule in Krummennaab in der Oberpfalz. Dort wird sie vier Jahre bleiben, bis zu ihrem 25. Lebensjahr. Und da sie nun einen eigenen Haushalt führen muss, erhält sie gar eine "Zulage".

In Krummennaab, damals ca. 500 Einwohner, macht Elly zum ersten Mal Bekanntschaft mit den schwierigen sozialen Verhältnissen, in denen ihre Schüler*innen aus Arbeiter-, Bauern- und Familien von Kleingewerbetreibenden leben. Da Protestanten im Ort eine Minderheit sind, steht den evangelischen Kindern nur eine einklassige Volksschule zur Verfügung. Für die Lehrperson immer eine große Herausforderung! Und auch Elly fühlt sich den psychisch anspruchsvollen Aufgaben irgendwann nicht mehr gewachsen und wird im April 1918 für drei Wochen krank geschrieben, weil sie an Erschöpfungszuständen & Schlaflosigkeit leidet.  Letztere werden sie auch weiterhin begleiten und sie oft mitten in der Nacht an den Schreibtisch treiben.

Mit dem Kriegsende folgt in Deutschland wie in Bayern erneut eine Phase des Umbruchs, die in der föderalen Weimarer Republik mit einer neuen Verfassung endet. Auch Frauen wird jetzt die Gleichberechtigung zugestanden und Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte sollen aufgehoben werden. Im traditionelleren Bayern bleibt das sogenannte Lehrerinnen-Zölibat-  das bedeutet, dass Lehrerinnen bei einer Eheschließung entlassen werden - aber weiterhin in Kraft. Immerhin werden Lehrerinnen & Lehrer von der Bezahlung her gleich gestellt ( 2100 Mark als Jahresgrundgehalt ). Elly selbst hat wohl nur kurzzeitig mal an eine Heirat gedacht ( mit den beschriebenen Konsequenzen ), nachdem sie 1927 bei einem Hauswirtschaftslehrgang einen Mann, von dem nur der Vorname Alfred & das Alter (39) bekannt ist, kennengelernt hat. Aber schon bald muss sie erkennen, dass er ein rechter "Bierphilister" ist, der nichts aus seinem Leben mache. Im Jahr darauf erscheint ihr eine Ehe mit ihm nicht mehr erstrebenswert.

Mit dem Kriegsende ist auch der Lehrer, den sie in Krummennnaab vertreten hat, wieder dienstbereit gewesen, und Elly muss an ihren Dienstort und in das Haus der Eltern zurückkehren. Dort wartet sie, dass ihr eine reguläre Stelle zugewiesen wird, so dass sie immer wieder Lehraufträge in privaten Einrichtungen, so in Traunstein oder Nürnberg, übernimmt. In Nürnberg nutzt sie die Möglichkeit, nebenbei als Gasthörerin im nahegelegenen Erlangen Philosophie zu studieren.

Am 1. September 1920 ist es aber endlich so weit: Sie wird als Lehrerin auf Widerruf in der evangelischen Von-der-Tann-Schule eingestellt. Mittlerweile ist sie 27 Jahre alt. Sie wird damit die erste und einzige evangelische Volksschullehrerin in Regensburg und die einzige Frau im Kollegium der achtklassigen Volksschule. Dort unterrichtet sie eine reine Mädchenklasse im 8. Schuljahr ( in dieser Klassenstufe, und nur in der, werden Jungen & Mädchen getrennt beschult ) und wird dies bis 1929/30 auch weiterhin tun.

1926/27
Im Jahr darauf übernimmt sie auch Unterricht an der Berufsfortbildungsschule für Mädchen, in der nach Abschluss der Volksschule die Mädchen entsprechend ihrer gewählten Lehrberufe begleitend unterwiesen werden, so wie es heute auch noch üblich ist.

In dieser Zeit hospitieren in Ellys Unterricht zwei Mal Schulräte, 1926 und 1928. Beide stellen fest, dass die Unterrichtssituation recht schwierig sei, weil die Schülerinnen eher mittelmäßig begabt seien. Der Lehrerin sei aber vor diesem Hintergrund erfolgreiche Arbeit zu attestieren. Hervorgehoben wird ihre gute schriftliche Vorbereitung des Unterrichts, ihre Methodik - "Anschaulichkeit, Klarheit, Gründlichkeit" - und ihre energische Unterrichtsführung und klare Sprache. 

Bemerkenswert: Das herzliche Vertrauensverhältnis wird als Grundlage des Lehrerfolgs erwähnt, ebenso Ellys Bestreben, die Denk- & Urteilsfähigkeit der Mädchen zu fördern, was nicht gerade das formulierte Ziel der bayerischen Lehrordnung der damaligen Zeit ist.

"Sie war ihrer Zeit voraus", wird eine ehemalige Schülerin später urteilen: Elly Maldaque besucht mit ihrer Klasse "außerschulische Lernorte", wie es in meiner Zeit geheißen hat, und sie geht mit den Schülerinnen außerhalb der Unterrichtszeit schwimmen in Donau und Naab oder wandern. Die zeigen vice versa ihre Zuneigung, indem sie sie auf dem Weg nach Hause begleiten. Sie gilt ihnen als streng, aber gerecht, und regelt Konflikte "mit Güte" statt mit körperlichen Strafen ( Tatzen) wie sonst üblich. Und sie schätzen, dass die Lehrerin sich für ihre persönlichen Probleme interessiert. Auch die Eltern zeigen sich sehr zufrieden mit Ellys Arbeit. In der Schule hat sie eine respektierte Position inne.

1926 nimmt Elly den Kontakt zur alten Seminarfreundin Irene Neubauer wieder auf und sie beginnt, sich von ihren alten religiösen und nationalen Anschauungen zu lösen. Dann stirbt im März die Mutter, mit der sie ein vertrautes Verhältnis gehabt hat, und in dieser Krisenzeit beginnt die junge Frau mit ihren Tagebuchaufzeichnungen, mit deren Hilfe sie sich Klarheit in ihrem Denken und Fühlen verschaffen will. 
"Ich habe in den Sommermonaten eine vollständige innere Umstellung erfahren. Irene mit ihren umstürzlerischen Ideen hat mir Ungeheures gegeben u. ich habe alte Formen zerbrochen. Meinen Glauben, meinen persönlichen Gott, [...] habe ich von mir gegeben. U. ich habe es bewusst, und mit aller Überzeugung getan, weil ich alle Schäden gesehen und erkannt habe, die der [...] Glaube mir unwiederbringlich geschlagen und es an Tausenden immer noch tut. [...] Und all die falschen Moral- u. Gesellschaftsbegriffe, alles Alte habe ich in mir gestürzt", schreibt Elly am 13. September 1927 in ihrem Tagebuch ( Quelle hier )
Zwei Monate vor Abschluss dieser Selbstfindungsphase zieht sie beim 70jährigen Vater aus, der eine 25 Jahre jüngere, bigotte Frau - so Elly - geheiratet hat, in eine eigene Wohnung in die Orleansstraße. Sie zieht es jetzt "zum Modernen, Großstädtischen, Lebensrealen und -heiteren". Die 35jährige unternimmt Reisen nach Dalmatien, Spitzbergen, Norddeutschland, die Alpen, Straßburg, Paris und mehrmals nach Berlin. Mit Irene Neubauer besucht sie den französischen Schriftsteller und kommunistischen Intellektuellen Henri Barbusse, in den diese wohl verliebt ist. 

Rein äußerlich ist sie eine sportliche, berufstätige, emanzipierte junge Frau. Doch sie selbst nimmt immer wieder die zwei Seelen in ihrer Brust wahr, und die "dunkle Seite" führt zu Depressionen und lähmt sie immer wieder, ja beeinträchtigt ihre geistigen Fähigkeiten. 1929 schreibt sie in ihr Tagebuch: "Noch nie trotz allem habe ich mir gewünscht, ein anderer zu sein als der ich bin."

Eine Schlüsselstellung im langwierigen Prozess der Weiterentwicklung, vor allem der politischen, der Elly Maldaque nimmt, wie schon erwähnt, Irene Neubauer ein. "Was hab ich diesem Menschenkind zu danken. Sie hat mich wirklich erlöst - von Anfang bis zum Ende", schreibt Elly in ihrem letzten Tagebucheintrag. Standen am Anfang die sozialen Nöte, beobachtet in den Schulen, an denen sie gearbeitet hat, fängt Elly nun an, politische Wahlveranstaltungen zu besuchen und entsprechende Literatur zu studieren. Den Kommunismus sieht sie schließlich als "einzigen Menschheitserlöser" - Sozialismus und Kommunismus treten bei Elly an die Stelle eines wahren Christentums. Ob sie den spezifischen politischen Gehalt der Weltanschauung erfasst hat, stelle ich in Zweifel. Es hört sich alles schwärmerisch-idealistisch an und mündet nicht in Aktivität. Sie wird nie Mitglied der Partei, und ihre einzigen Aktivitäten beschränken sich auf begleitendes Klavierspiel bei Parteiveranstaltungen auf Wunsch des Regensburger KPD-Stadtrats Konrad Fuß, mit dem sie sonst einen Gedankenaustausch pflegt ( allerdings für sie nie zufriedenstellend ). 

Aber das, was sie tut, ist schon zu viel für die Weimarer Toleranz. Den rechtsklerikalen Kräften in Stadt missfällt ihr Engagement. Elly wird überwacht und am 11.11.1929 ein erster Polizeibericht an die Kreisregierung, das Staatsministerium des Innern und die Polizeidirektion München geschickt. Der Oberstadtschulrat erfährt zunächst gar nichts von der Sache. Und erst nach einer eher informellen Kenntnisnahme bittet Schulrat Freudenberger am 1. März 1930 die Lehrerin zu einem freundschaftlichen Gespräch.

Als am 21. März ein Prozess gegen Konrad Fuß wegen "Gotteslästerung" stattfindet, unterhält sich dieser vor dem Gericht mit Irene Neubauer. Diese kann sich nicht ausweisen, als man sie anspricht, sie wird verhaftet, vernommen und eine Hausdurchsuchung bei ihrer Freundin Elly, bei der sie übernachtet, durchgeführt. Eigentlich soll es nur um den Ausweis der Neubauer gehen, aber Auszüge aus dem Tagebuch und der Korrespondenz der beiden Freundinnen, ein Schreiben von Konrad Fuß und Mitgliedskarten der "Internationale der Bildungsarbeiter", des "Arbeiter-Abstinentenbundes", des "Arbeiter Turn- und Sportbundes" und des "Bundes der Freunde der Sowjetunion" werden mitgenommen. Was die Mitgliedschaft in der KPD bzw. dem Freidenkerverband anbelangt, finden sich keine Belege. Aber ab da wird Elly planmäßig überwacht, u.a. von zwei Hakenkreuzlern. Der Polizei-Obersekretär, der die Verhaftung von Irene Neubauer und die Wohnungsdurchsuchung bei Elly Maldaque ausgeführt hat, wird später Leiter der Regensburger Gestapo werden...

Als die Lehrerin am 18. Juni 1930 um eine Woche Urlaub bittet, um in Leningrad eine internationale pädagogische Ausstellung besuchen zu können, erfolgt am 28. Juni als schriftliche Antwort die "Auflösung des Dienstverhältnisses als Volksschullehrerin zum 1. Juli". Klar, dass Einkommen und Ruhestandsversorgung damit auch wegfallen, Elly also vor dem Nichts steht.

Am 1. Juli setzt sie in Gegenwart einiger Zeugen eine schriftliche Zurückweisung der Vorwürfe auf. Drei Tage später berichtet die Regensburger Presse über ihren Fall, ab dem 10. Juli auch die in München und Nürnberg. Bei der Kreisregierung spricht sie zusammen mit einer Kollegin vom Bayerischen Lehrerinnen- Verband vor. Um eine manipulative Zusammenstellung von Textausschnitten aus ihrem Tagebuch zu beweisen, übergibt sie dort ihr ganzes Tagebuch. Zusammen mit einem Rechtsanwalt überlegt sie, eine Beschwerdeschrift bei der Regierung einzureichen.

An ihrer vorbildlichen schulischen Führung und Leistung besteht kein Zweifel, so sehen das Kollegen und die Eltern ihrer Schüler*innen, die eine Resolution an das Kultusministerium einstimmig beschließen. Doch die Nervendecke der jungen Frau wird immer dünner: Als sie am 8. Juli beim Rechtsanwalt aus Angst vor Bespitzelung die Vorhänge zuziehen will, reißt sie einen Volant herunter. Ein psychogener Ausnahmezustand?!

Aus: Simplicissimus, Jg. 35, Heft 24, S. 286.

Vater Maldaque, der die Strategie verfolgt, seine Tochter für seelisch krank erklären zu lassen, beantragt danach beim Verwaltungs- und Polizeisenat der Stadt ihre Einweisung in eine Anstalt. 

Am 9. Juli wird Elly dann gegen ihren Willen und mit Gewalt in die Heil- und Pflegeanstalt Karthaus-Prüll gebracht. Der Vater untersagt jegliche Besuche dort und bringt Elly damit um die Möglichkeit, sich selbst zu äußern, z.B. über ihre Unterstützer wie den Schriftleiter des "Regensburger Echos", Rupert Limmer, den Elly vor der Einweisung zu Hilfe gerufen hat.

Dem  Einweisungsgrund ("gemeingefährlich geisteskrank") widerspricht der Bericht des stellvertretenden Leiters der Anstalt vom 24. Juli an die Regierung der Oberpfalz und er formuliert die Hoffnung an eine Wiederherstellung ihres gewöhnlichen Geisteszustandes. 

Doch das ist nicht der Fall: Am 14. Juli hat Elly Fieber und stirbt am 20. Juli in Anwesenheit des Vaters, seiner Frau und eines Pastors. Todesursache laut Totenschein "Lungenentzündung und Herzinsuffizienz bei Hypoplasie, Herzgewicht 180 gr". ( Ein späteres Gutachten spricht von einer psychisch bedingten Vasomotorenschädigung als Todesursache. ) Schon am Nachmittag des Todes wird dem kommunistischen Landtagsabgeordneten Schaper der Besuch verwehrt mit der Bemerkung, die Tote sei bereits seziert.




Nach dem Tod geht in Regensburg alsbald das Gerücht um "die haben's umbracht in Karthaus". Ihre Beerdigung, die laut Wunsch des Vaters in aller Stille stattfinden soll, bringt laut Polizeibericht mindestens fünfhundert Leute auf die Beine, dreitausend laut einer Nürnberger Zeitung. In über neunzig Zeitungsartikeln über Bayern hinaus wird über den Fall berichtet. Im Bayerischen Landtag findet am 31. Juli eine große Aussprache über den Fall Maldaque statt, doch die regierende Bayerische Volkspartei, vertreten durch ihren Kultusminister, stellt in ihrem Schlusswort fest, dass "die unglückliche Lehrerin Maldaque ein Opfer ihres eigenen pflichtwidrigen Verhaltens und im weiteren Sinne ein Opfer des Kommunismus und seiner Agitation geworden ist." Aufgrund der politischen Kräfteverhältnisse bleiben alle Versuche, Elly Maldaque zu rehabilitieren, ergebnislos.

Noch im Todesjahr verfasst der junge österreichische Autor Ödön von Horváth sein Stück "Die Lehrerin von Regensburg", das, unvollendet geblieben, erst 1976 in Wiesbaden uraufgeführt worden ist, nachdem im Wintersemester 1978/1979 Tübinger Literaturstudenten bei einem Horváth-Seminar auf das Dramenfragment gestoßen sind und die Geschehnisse rund um Elly Maldaque und Horváths Aufarbeitung derselben rekonstruieren konnten. Der Komponist Franz Hummel machte aus Horváths Vorlage Anfang der 1990er-Jahre die Kammeroper "An der schönen blauen Donau", die 1993 in Klagenfurt uraufgeführt wurde. 

Vor Horváth hat der mit Elly persönlich bekannte Schlosser & Schauspieler Josef Wolfgang Steinbeißer sein Stück "Lehrerin Elly" geschrieben, in dem sich diese durch einen Sprung aus dem Fenster der Einweisung in die Heilanstalt entzieht, diese also nicht dort gebrochen wird.

Seine Wiederentdeckung erfuhr der "Fall Maldaque" in der Bundesrepublik aufgrund des sogenannten Radikalenerlasses von 1972, der angehenden Lehrer*innen mit Berufsverbot drohte, wenn ihnen "verfassungsfeindliche Aktivitäten" nachgewiesen werden konnten.

Als 1991 in einem Regensburger Neubaugebiet über Straßenbenennungen im Rat nachgedacht wurde, lehnte der CSU Altbürgermeister die Benennung einer Straße nach Elly Maldaque ab, die doch nur ein Opfer der damaligen Verhältnisse gewesen sei, aber keine bedeutende Frau...  Auch ein Versuch 2017, die D.-Martin-Luther-Str. in Elly-Maldaque-Str. umzubenennen, scheitert.

Elly Maldaques Fall gilt heute als beispielhaft für die zunehmende Zusammenarbeit zwischen einer reaktionären Staatsmacht mit den Nationalsozialisten am Ende der Weimarer Republik, für den schleichenden Verlust des Rechtsstaats, hin zum Unrechtsregime der NS-Herrschaft. Sie war aber keinesfalls ein Opfer der Nazis, sondern einer herrschenden politischen und gesellschaftlichen Haltung, in der aktive Gegner der Nationalsozialisten bekämpft wurden, so dass deren Machtübernahme zumindest beschleunigt, wenn nicht gar erst ermöglicht wurde.