Dienstag, 19. März 2013

Ein Kommunionkleid



Als ich diesen Post hier schrieb, habe ich wohl Reaktionen hervorgerufen, die ich so gar nicht im Blickwinkel hatte. Ich hatte nur den Gedanken: Ach, selbst beim Klerus ist die Idee des Selbermachens angekommen.

Dass das Thema Kirche Widerspruch hervorruft, kann ich aufgrund meiner eigenen Geschichte sehr gut nachvollziehen:

Meine lückenlose Erziehung in katholischen Einrichtungen seit dem 26. Lebensmonat in Kindergarten, Volksschulen und einem von Nonnen geführten Gymnasium der 60er Jahre musste ich schon SEHR aushalten. Den vielen, vielen Widersprüchen, die mir von klein an auffielen & die ich in meinen letzten Schuljahren ausdiskutieren wollte, konnte ich nur einen Kirchenaustritt einen Monat nach meinem Abitur entgegensetzen, was zur Folge hatte, dass meine um einiges jüngeren Brüder als Messdiener in ihrer Gemeinde Repressalien ausgesetzt waren und ich meine beste Freundin & Mitstreiterin für immer verlor.
Vieles, was in jüngster Zeit ans Tageslicht gekommen war, wusste ich schon damals. Und mit dem Gerede, dass die Kirche doch so viele soziale Aufgaben übernähme, konnte ich mich schon damals nicht abfinden, seit ich durch meine Arbeit beim Jugendamt wusste, wer das alles in Wahrheit finanziert.

Ein große Distanz blieb. Aber im Laufe eines langen Lebens kommt man in Situationen, die einen völlig niederschmettern. Und im schwärzesten Moment meines Lebens fand ich mich wieder an einem Ort, der Geborgenheit bietet, dem Dom, zusammen mit Nadelstreifenträgern mit Laptoptasche, gepiercten Jünglingen, alten Mütterchen, als niemand sonst Zeit für mich, ein Gespräch, einen Trost hatte & ich fürchtete abzustürzen. Dort war etwas, das mir und all diesen Menschen einen Halt, eine Stütze bot.
Das war der Moment, wo ich zur Agnostikerin wurde. Das bedeutet, ich weiß nicht, ob es Gott gibt oder nicht, kann aber die Existenz transzendenter Prinzipien nicht vollkommen abstreiten, sie aber auch nicht nachweisen.

Mit dieser eigenen Erfahrung kann ich Entscheidungen anderer für eine bestimmte Religion akzeptieren, vor allem, wenn ich sehe, dass jemand den Halt findet, den er in Lebenskrisen braucht.

Deshalb kann ich als Agnostikerin auch ein Kommunionkleid nähen, ja es ist mir in diesem Falle eine Herzensangelegenheit, denn es ist für jemanden, der vor einem Jahr einen sehr schmerzlichen Verlust in sehr jungen Jahren erlitten hat. Und ich habe den Eindruck, dass dieses Fest sehr wichtig zur Stabilisierung ist. Deshalb wird dieses Kleid mein erstes und einziges Kommunionkleid bleiben.

Ich will diejenigen unter meinen Leserinnen, die nun neugierig auf das Kleid sind, eigentlich nicht mit solch langem Text nerven. Mir war es aber ein Bedürfnis, mich zu diesem Zeitpunkt zu diesem Thema zu erklären.




Schnitt: "Elodie"/ Farbenmix - ohne irgendeinen Schnickschnack, dafür mit besonderer Sorgfalt beim Zuschneiden, was den Musterrapport anbelangt;


Stoff: weißer Batist mit Bändchenstickerei, gekauft vor vier Jahren für die Kleider der Blumenmädchen, gefüttert mit weißem Batist von hier;


Lasst euch vom erneuten Wintereinbruch nicht verdrießen!
Astrid

14 Kommentare:

  1. ein sehr sehr schönes Kommunionskleid hast du da gezaubert die Junge Dame wird sich bestimmt sehr freuen und es wird ein sehr schöner Tag werden.Ganz lieben Gruß Bettina :))

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  2. Liebe Astrid, danke für dieses Post, Du hast sehr schön und einfühlsam über Deine Beziehung zur Kirche geschrieben. Ich selber bin absolut kirchen- und religionsfern aufgewachsen und als Mutter zu einem Engagement in der Kirche gekommen. Vieles da taugt mir überhaupt nicht (inhaltlich stört mich am meisten die Exklusivität -- die Anmaßung, die Eucharistiefeier nur mit Katholiken zu feiern, die bei der Kommunion waren). Dennoch habe ich für mich entschieden, dass es sich lohnt, für diesen Verein zu kämpfen, damit er sich öffnet.

    Das Kleid ist sehr, sehr schön geworden -- und ich erinnere mich auch von meinen beiden Ältesten, dass sie die Erstkommunion als sehr wichtiges Ereignis erlebt und ernstgenommen haben.

    Liebe Grüße,
    Corinna

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  3. Liebe Astrid,

    das ist ein wunderschönes Kleid und wird der kleinen Trägerin sicher
    hervorragend stehen und ihren großen Tag bereichern !

    Herzliche Grüße
    Stefanie

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  4. Was für ein zauberhaftes Kleid! Gefällt mir sehr, sehr gut und inspiriert mich - meine jüngere Tochter feiert im Mai ebenfalls ihre Erstkommunion! (Und meine Gefühle dazu - ich ebenfalls ausgetreten - passen ganz gut zu dem Text, den du vorausgeschickt hast - danke dafür!!)
    Liebe Grüße
    Anneliese

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  5. Liebe Astrid,

    das hast du erstens ganz wunderbar geschrieben, und zweitens ist das Kleid bezaubernd. Ich bin als Kind unglaublich gerne in die Kirche gegangen, es war für mich eine "Heile-Welt-Familie", die zu Hause nicht ganz so heil war, und deshalb hab ich mich geborgen gefühlt. Später war das anders. Aber mit dem Erwarten des Wirbelwindes habe ich einen Pfarrer und seine Pfarre kennengelernt, die mir wieder ein ähnliches Gefühl gegeben hat wie als Kind, und so bin ich wieder in die Kirche eingetreten und der Wirbelwind ist getauft. Es sind doch sehr persönliche Beziehungen, die uns wo geborgen fühlen lassen. Und Religion und Glaube ist nicht unbedingt "die Kirche", bei der ich mit vielem nicht ganz einverstanden bin. Aber eine Glaubensheimat, Halt und Geborgenheit zu haben, hilft so oft über schwere Zeiten hinweg. Das will ich dem Wirbelwind nicht nehmen.
    Ich finde es ganz wunderbar, dass du dem Mädchen das Kleid nähst, und bin auch der Meinung, dass solche Traditionen, Bräuche, Rituale wichtig sind, um wieder Halt finden zu können, wenn man ihn verloren hat. Gerade der Glaube ist es doch auch, eigentlich, der uns über den Verlust eines Menschen wieder mit der Welt versöhnen kann und uns demjenigen, der nicht mehr ist, wieder ganz nahe fühlen lassen kann.
    Alles Liebe und eine schöne Erstkommunion dem kleinen Mädchen!
    Dania

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  6. Liebe Astrid, das Kleid ist wunderschön geworden und Deine Worte haben mich sehr berührt. Ich kann Dania auch nur zustimmen, dass dieses Gefühl von Geborgenheit ein sehr persönliches ist. Und es tritt nicht ein bzw, kehrt sich ins Gegenteil um, wenn die kirchliche Bezugsperson so gar nicht auf einer ähnlichen Wellenlänge ist. Ich für mich weiß, das da etwas ist. Etwas ganz großes. Aber die Kirche selber bzw. manche ihr angehörigen Personen haben meine Beziehung zu ihr doch schwer und sehr nachhaltig gestört. Was bleibt, ist eine Sehnsucht. Mal mehr. Mal weniger. Und Unmut. Herzliche Grüße und eine wunderbare Kommunion dem kleinen Mädchen, Marja

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  7. Danke erst mal für deine Offenheit und die Definition von 'Agnostikerin'. Dann bin ich also auch eine. Auch ich wurde katholisch erzogen, aber eher halbherzig und solche Einblicke wie du hatte ich auch nicht. Trotzdem bin ich (nach dem Studium) ausgetreten und ich habe es nie bereut. Ich brauche keine Institution, um mich an Werte zu halten. Ob ich dort mal Trost finden würde, finden müsste - ich weiß es nicht und hoffe es auch nicht. Berührungsängste oder Groll habe ich jedoch nicht. Ich liebe Kirchen und ihre besondere Atmosphäre.
    Herzliche Grüße,
    Franka

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  8. was für ein Zufall, ich habe gestern meine erste Elodie für die Nichte zugeschnitten und sogar aus einem ähnlichen Stoff, weiß mit zarten gelben Blumen. *amkopfkratz* Dein Kleid ist sehr romantisch geworden.

    Ich wollte dir auch für deinen Bericht zur Kirche danken, ich denke da muss jeder seinen Weg finden und dann auch zu seiner Entscheidung stehen.
    Ich bin als Kind auch sehr gerne in die Kirche gegangen. Ich bin getauft, konfirmiert und aus der Kirche ausgetreten. Wünsche mir aber, dass meine Kinder eigene Erfahrungen mit der Kirche sammeln und dann für sich selbst den "richtigen Weg" finden.
    Lieben Gruß
    Julia

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    1. Das ist meines Erachtens der beste Weg für Kinder! In meiner Familie ist - nach dem großen Drama, das wir erlebt haben - auch vorgekommen, dass jemand sich hat taufen & konfirmieren lassen. Und das war die EIGENE Entscheidung.
      LG

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  9. Andrea, ich musste schmunzeln über deine Formulierungen :-D
    LG

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  10. liebe astrid, dieses kleid ist wunderschön und steckt voller liebe. liebe ist ja auch das, wonach wir suchen, was wir geben wollen. und wenn es menschen gibt, die das in der kirche finden, ist das gut so. ich bin ein allumfassender gruppen-und institutionsskeptiker und - verweigerer. selbst organisierte bloggertreffen lösen bei mir zweifel aus;););) aber ich hab auch bisher immer das glück gehabt, die liebe nicht suchen zu müssen...
    liebst birgit, die dich sehr mag-ohne dir begegnet zu sein;)

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  11. Ein richtiger Abend-Post... - ich könnte jetzt Bände schreiben..., was bleibt und immer da ist, ist das Gefühl in einem großen Zusammenhang aufgehoben zu sein. Ich finde das vor allem draußen, allein in der Natur. Und der Kölner Dom - jedes Mal, wenn ich Köln durchreise versuche ich ein paar Minuten dort zu haben..., es hängen so viele familiäre Erinnerungen dort herum... Lieben Gruß Ghislana

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  12. So ein Kleid habe ich auch auf der Agenda-für meine Tochter. Ich werde es ebenso mit gemischten Gefühlen nähen. Ich bin nicht katholisch, aber mein Mann. Ich bin wohl auch Agnostikerin (obwohl ich da noch nie so genau drüber nachgedacht habe :-D) Die Integration meiner Kinder in diese Kirche lasse ich vor allem geschehen, weil ich meine sie hoffe ein bisschen geborgen zu wissen - in einer Gemeinschaft. Die Institution als solche lässt mich aber immer mit gemischten Gefühlen zurück. Trotz allem ist dein Kleid sehr hübsch-werde es mal meiner Tochter zeigen. Liebe Grüße von Nicole, die dieses WE Köln (Messe) unsicher macht :-)

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  13. Eine Klosterschule zu besuchen ist immer etwas besonderes und prägt
    das Leben, kann ich nur aus eigener Erfahrung sagen. Jeder Verein hat sein Für und Wieder, niemand ist hundertprozentig, aber einen Halt kann ein jeder Mensch gebrauchen.
    Das Kommunionkleid ist so hübsch und schön, die kleine Prinzessin
    wird sich immer an diesen Tag erinnern, er ist ja der 2 schönste Tag
    im Leben eines Mädchens.

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