Ein Feiertag heute, dessen Ursprung ich erst im Geschichtsunterricht des Gymnasiums kennen gelernt habe, denn ich bin von klein auf über achtzehn Jahre mit einer lückenlosen katholischen Erziehung, meist in Ordenshänden, bedacht worden, ob ich wollte oder nicht.
"Evangelische" waren im Dorf meiner Kindheit so etwas wie Aussätzige, die eigentlich nur in den Nachbardörfern drum herum lebten, nicht an die Muttergottes glaubten und von daher mit den viel schlimmeren Gewittern gestraft wurden. Oder die man verprügeln durfte, wenn deren junge Männer anfingen, mit "unseren Mädchen" zu poussieren.
Mir fiel nur auf, wenn ich mal in diese Dörfer kam, dass die die schöneren Häuser mit Buntsandsteintreppen und Tür- & Fenstereinfassungen hatten und viiiel größere Felder.
Später habe ich dann erfahren, dass in den protestantischen Dörfern die bei den Katholiken übliche reale Erbteilung, die den Besitz auf immer kleinere Parzellen reduzierte, nicht üblich war, sondern das Majorat, was heißt, dass der Älteste alles erbte. Ob man nun zu dem einen oder dem anderen Glauben gehörte & dessen Gepflogenheiten praktizierte, das hatte die jeweilige Herrschaft - "cuius regio, eius religio" - für ihre Untertanen entschieden, damals nach der Reformation, und machte aus meiner Heimatregion einen spannungsträchtigen "Flickenteppich" bis nach dem 2. Weltkrieg, wie ich ja selbst noch erfuhr.
Später habe ich dann erfahren, dass in den protestantischen Dörfern die bei den Katholiken übliche reale Erbteilung, die den Besitz auf immer kleinere Parzellen reduzierte, nicht üblich war, sondern das Majorat, was heißt, dass der Älteste alles erbte. Ob man nun zu dem einen oder dem anderen Glauben gehörte & dessen Gepflogenheiten praktizierte, das hatte die jeweilige Herrschaft - "cuius regio, eius religio" - für ihre Untertanen entschieden, damals nach der Reformation, und machte aus meiner Heimatregion einen spannungsträchtigen "Flickenteppich" bis nach dem 2. Weltkrieg, wie ich ja selbst noch erfuhr.
Von Luther habe ich also in der Schule gehört, solche Geschichten wie die auf der Wartburg, die mit dem Teufel und dem Tintenfass. Abbildungen der Burg waren immer wieder in unseren Lese- und Geschichtsbüchern zu finden und brannten sich in mein Gedächtnis. ( 1996 habe ich die Burg zum ersten Mal gesehen, damals, nach einem Gewitter, von Sonnenlicht wie mit einer Gloriole umgeben - ein nahezu magischer Moment für mich. )
Klar, habe ich dann auch im Laufe der letzten Schuljahre von anderen religiösen Unterschieden erfahren, habe Freunde, die Protestanten waren, gefunden, protestantische Kirchen besichtigt - aber Religion sollte dann in meinem Leben keine Rolle mehr spielen, als ich der Einflussnahme meiner Nonnenschule entronnen war.
Dass auf der anderen Seite auch harsch geurteilt wurde, habe ich bei späterer Lektüre erfahren - zu Köln fielen dem Reformator zum Beispiel folgende Kommentare ein wie "grobe Esel", "Blindheit", "Huren", "Maulwürfe", "Papierschänder", "Schweine", "Sophisten", "des Teufels Distelköpfe", "unverschämt", "unwissend", "verachtenswert" oder "Wegelagerer". ( Das hat der Kölner Literaturwissenschaftler Dietz Bering in den 127 Luther-Bänden gefunden und dokumentiert. Köln ist ja immer eine katholische Hochburg geblieben, obwohl die Bürger schon 1288 den Erzbischof als ihren politischen Herrn aus der Stadt verjagt hatten. )
Nichtsdestotrotz sind protestantische Glaubensflüchtlinge ( "Geusen" ) in die katholische Stadt am Rhein gekommen, vor allem solche aus den Niederlanden und Brüssel, damals, während des Achtzigjährigen Krieges (1568–1648), dem Kampf gegen die spanische Herrschaft, die die Protestanten durch die Inquisition verfolgen ließ und die niederländischen Stände entrechtet hatte.
Und das, obwohl im Köln des 16. Jahrhunderts Menschen, die sich offen zu den Schriften und Lehren Martin Luthers bekannten, verfolgt wurden ( 1529 z.B. wurden Reformatoren wie Adolf Clarenbach und Peter Fliesteden durch Verbrennung hingerichtet ). Bürger, die nicht am katholischen Gottesdienst teilnahmen oder sich bei den Prozessionen nicht am Blumenschmuck beteiligten, wurden mit Haft oder Verbannung aus der Stadt bedroht, evangelische Gottesdienste oder protestantische Bestattungen ab 1583 verboten. Geduldet wurde ein evangelischer Christ in der Stadt ( und konnte auch gewerblich tätig sein ) als sogenannter Beysasse, wenn er sich unter den Schutz eines Katholiken stellen konnte, so eine Art Bleiberecht mit eingeschränktem Bürgerrecht.
In diesem unseligen Klima hatte eine Katholikin, Ursula von Gohr zu Kaldenbroek, trotzdem den Mut, ein Grundstück zur Anlage eines Friedhofes südwestlich vor der Stadt, in der Nähe des Weyertors, zu stiften. Dieser Friedhof war damit die erste und einzige Möglichkeit für evangelische Kölner, ihre Verstorbenen auf einem christlichen Friedhof zu bestatten. Von diesem Geusenfriedhof stammen die Fotos im heutigen Post.
Erst ab 1829 durften auch evangelische Christen auf dem Kölner Melatenfriedhof bestattet werden , und der Geusenfriedhof wurde nur noch bis ins Jahr 1876 belegt und danach geschlossen.
Was mich immer sehr, sehr beeindruckt & mir gut gefallen hat, war die Musik, die im protestantischen Kulturraum entstanden & gepflegt worden ist. Johann Sebastian Bach ist für mich bis heute der Größte und seine Musik ein wahrer Trost, ich mag auch die von Heinrich Schütz, Georg Philipp Telemann und Felix Mendelssohn Bartholdy. Letzterer hat sogar seine 5. Sinfonie in D-Dur/d-Moll op. 107 der Reformation gewidmet. Noch schöner finde ich persönlich die Sinfoniekantate für Soli, Chor und Orchester op. 52 (MWV A 18), die nach Mendelssohns Tod als 2. Sinfonie veröffentlich wurde. Die empfehle ich einfach mal, am heutigen Feiertag zu hören:
Die sagt auch einer Agnostikerin wie mir etwas...
Wer nach dem Musikgenuss noch den Kopf frei hat für ein paar kluge Gedanken, der sei auf diesen Zeitungsartikel hingewiesen, der nämlich auf eine Forschungsarbeit eingeht, die belegt, dass für Wachstum und Wohlstand und Frieden nicht die "richtige" Religion ausschlaggebend ist, sondern die richtigen Rahmenbedingungen wie Bildung und Sozialordnung...
Wer nach dem Musikgenuss noch den Kopf frei hat für ein paar kluge Gedanken, der sei auf diesen Zeitungsartikel hingewiesen, der nämlich auf eine Forschungsarbeit eingeht, die belegt, dass für Wachstum und Wohlstand und Frieden nicht die "richtige" Religion ausschlaggebend ist, sondern die richtigen Rahmenbedingungen wie Bildung und Sozialordnung...
Nachtrag: Meine Linkparty zum Thema "Unsere Kultur" hat noch ein paar lesenwerte Beiträge provoziert, und ich habe die Verlinkungsmöglichkeit bis zum kommenden Sonntag verlängert, da ich immer wieder gehört habe, dass die eine oder andere noch über einem Post sitzt...