Wer Peggy Guggenheim sagt ( mein Frauenporträt Nr. 19 ), der muss auch Hilla von Rebay sagen. Warum, das soll mein heutiger Beitrag zeigen.
Als Hildegard Anna Augusta Elisabeth Baroness Rebay von Ehrenwiesen kommt Hilla von Rebay am 31. Mai 1890 in Straßburg zur Welt. Ihre Eltern sind Antonie "Toni" von Eicken aus Mülheim an der Ruhr, 25 Jahre alt, und Franz Joseph Rebay von Ehrenwiesen, ein katholischer Berufsoffizier mit bayerischen Wurzeln im preußischen Heer, 33 Jahre alt.
Hillas Mutter ist eine sogenannte gute Partie, entstammt sie doch einer durch eine im 18. Jahrhundert installierte Seifensiederei reich gewordenen Unternehmerfamilie, verwandt mit der Mülheimer Familie der Stinnes. Doch als das Mädchen acht Jahre alt ist, kommt der Vater bei einem Zugunglück um, und die Mutter von fünf Kindern leidet wiederholt an Depressionen, so dass sie schließlich in eine Anstalt eingewiesen wird. Deshalb kommen Toni & ihre Schwester Elisabeth auf Vermittlung der Stinnes in die Familie des Gründers der elsässischen Staatsbibliothek, Geheimrat von Barack.
Die Familienhistorie der Rebays ist unkonventionell, bunt und spannend. Die Chronik kann bis ins 14. Jahrhundert an den Comer See in Italien zurückverfolgt werden. Ende des 17. Jahrhunderts ziehen sie ins schwäbische Günzburg, um dort einen Leinenhandel aufzubauen. Später wird das Geschäft auf den Münzhandel ausgeweitet. Der erste deutsche Rebay hat als Bürgermeister der Stadt sogar Marie-Antoinette auf ihrer Reise nach Paris zur Vermählung mit dem französischen Dauphin begrüßen dürfen. Erst Hillas Großvater hat den Fantasienamen "von Ehrenwiesen" als Adelsname erhalten. Die gutbürgerliche Familie ist künstlerisch wie musisch veranlagt.
So weit zum Familienhintergrund. Die Eltern sind seit 1887 miteinander verheiratet und haben schon 1889 einen Sohn, Franz-Hugo, bekommen. Die Mutter ist ein sehr musischer Mensch, spielt sehr gut Klavier und bildhauert und gibt diese Interessen auch an das kleine Mädchen weiter. Das gibt schon mit sechs Jahren kleine Konzerte und zeichnet Freundinnen in ihrem Tagebuch. Dank der mütterlichen Interessen macht Hilla nicht nur mit Militärs & Politikern Bekanntschaft, sondern auch mit künstlerischen Kreisen. Ansonsten führt man das Leben einer Soldatenfamilie, die von Garnison zu Garnison zieht. 1899 ist das das damals lothringische Saarburg, 1900 Freiburg im Breisgau.
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"Selbstporträt" (ca. 1903) |
1905 steht wieder einmal ein Ortswechsel an, den die Familie nicht hinnehmen möchte. Deshalb wird ein Haus in Hagenau bei Straßburg gekauft. Doch den nächsten Wechsel - nun nach Köln - vollzieht sie mit und bezieht eine Wohnung in der Merlostraße im heutigen Agnesviertel. Nicht nur die Mutter fördert die begabte Tochter. Auch der Vater sieht sich als Künstler und ist stolz auf ihre Fähigkeiten, geht aber nicht konform mit den Ansichten ihres Lehrers August Zinkeisen, Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie: "Das Leben besteht nicht nur aus Adelskreisen, ich mache erst einmal einen Menschen aus Dir." Auch ein weiterer hinzugezogener Maler in Düsseldorf kann seine Meinung nicht ändern, dass mit achtzehn Schluss mit der Malerei und Hilla seine brave Tochter sein müsse.
Die Rechnung hat er allerdings ohne Hilla gemacht, die zwar heftigen Stimmungsschwankungen unterliegt, aber auch weiß, was sie will. Ihr gelingt es schließlich 1909, den Besuch der legendären Académie Julian in Paris durchzusetzen. Wie all die anderen jungen Frauen, die dort studieren, hat sie für sich ein anderes Leben vor Augen als das ihrer Mutter. Sie ist ehrgeizig und gewinnt sogar einen Preis für ihre Malerei "Tanz der Salomé".
Nach neun Monaten kehrt sie nach Deutschland zurück und macht im Sommer am Ammersee Bekanntschaft mit dem Maler Fritz Erler, der auch Titelbilder für die geschmacksbildende Zeitschrift "Die Jugend" gestaltet. Der rät ihr, nach München zu gehen. Folglich setzt sie ihr Studium ab Wintersemester 1910/11 an der Kunstschule von Moritz Heymann fort. ( Wer hier regelmäßig meine Porträts liest, weiß, dass Frauen zum damaligen Zeitpunkt an der Königlich-Bayerischen Kunstakademie nicht zugelassen werden. )
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1911, "Selbstporträt" (1910) |
Auch wenn in München zu dieser Zeit die "Wuiden" von sich reden machen und Franz Marc mit Pferden in grellen Farben Aufsehen erregt, geht Hilla erst einmal den klassischen Weg. Als ihr der zu langweilig wird, wechselt sie den Lehrer, jetzt also Hermann Groeber, ein "Nachimpressionist". Der warnt vor zu moderner Farbgebung. Doch Hilla schlägt seinen Rat in den Wind. Fritz Erler bestärkt sie sogar darin.
Hilla pflegt auch Kontakte zur privaten Debschitz-Schule mit ihrer moderneren Kunstauffassung. Was sie schließlich an der "Lehr- und Versuchsanstalt für angewandte und freie Kunst" gemacht hat, wissen wir nicht. Es gibt nur amüsante Fotos, in denen eine muntere Hilla im Mittelpunkt steht. In einem Atelier arbeitet sie mit amerikanischen Malern, darunter Arthur "Erno" Storck, mit dem sie ein enges Verhältnis pflegt, welches ihren Eltern so gar nicht gefällt.
1912 kehrt sie nach Köln zurück, denkt aber nicht daran, den Wunsch der Eltern nach einer angemessenen Ehe zu erfüllen:
"In mir scheint etwas Grosses im Werden zu sein und jede Nacht wache ich auf und möchte es halten und ihm Gestalt geben", schreibt sie an ihre Mutter.
In Köln hilft sie bei den Vorbereitungen für die legendäre Sonderbund - Ausstellung und darf im Oktober drei ihrer Werke im Kölner Kunstverein zeigen. Auch kauft sie ihren ersten van Gogh. Da ist sie aber schon wieder auf dem Weg nach Paris, was ihre zweite Heimat zu werden scheint, beherrscht sie doch auch die Sprache vorzüglich. Der Galerist Félix Fénéon und seine Frau nehmen sich der 22jährigen an. Sie malt täglich bis zu acht Stunden und lässt ihre Arbeiten von Pierre Bonnard, Félix Vallotton und Èdouard Vuillard kritisieren.
Im Herbst 1913 beschließt sie nach dem Besuch einer Cousine nach Berlin zu ziehen. Von den Freunden ihrer Eltern wird sie in die Berliner Gesellschaft eingeführt. Sie ist eine Aufsehen erregende junge Frau, allerdings nicht auf der Suche nach einem Ehemann, sondern nach der neuesten Strömung in der Kunst. Sie mietet ein Atelier auf dem Kurfürstendamm, macht die Bekanntschaft mit Hans Richter, dem späteren Dada-Künstler ( siehe auch dieser Post ) und der Galerie "Der Sturm" von Herwarth Walden. Ihren Lebensunterhalt verdient sie mit Porträts von Freunden ihrer Eltern & Verwandten. Sie bewegt sich also in den unterschiedlichsten Milieus, fühlt sich entsprechend hin und her gerissen. Wo immer sie gerade ist, scheint es für sie der falsche Ort zu sein.
Bei Kriegsausbruch hält sie sich mit ihrer Mutter zur Sommerfrische in der Schweiz auf. In Hagenau, am Wohnsitz der Familie ist sie alsbald dabei, am Bahnhof Soldaten zu verpflegen. "La Parisienne" hegt keinen Zweifel an der Richtigkeit der kriegerischen Auseinandersetzung. In einem Schnellkurs lässt sie sich zur Krankenschwester ausbilden und wird schneller als gedacht in einem Lazarett eingesetzt. Noch kann sie in Straßburg ausgehen, noch gibt es genug adelige Verehrer für die mittlerweile 24jährige. Doch sie will sich nicht standesgemäß liieren - der Konflikt mit den Eltern wird bleiben.
In ihrem Berliner Atelier widmet sich die Malerin weiterhin ihren Ballett-Zeichnungen, die immer expressionistischer werden. Auch lernt sie den Linolschnitt für ihre Darstellungen zu nutzen. Jean Arp, der wie sie aus dem Elsass stammt, ermutigt sie, auf einige Grundformen reduzierte Motive zu schaffen, indem er ihr ein Exemplar des Almanachs "Der Blaue Reiter" sowie Kandinskys "Über das Geistige in der Kunst" schenkt. Durch Arp, mit dem Hilla zunächst eine heftige, dann platonische Liebesbeziehung führt, macht sie nicht nur mit den Arbeiten von Wassily Kandinsky, Franz Marc Bekanntschaft, sondern auch mit denen von Paul Klee, Marc Chagall und Rudolf Bauer.
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Von links nach rechts: Rudolf Bauer, Hilla von Rebay, Hans "Jean" Arp (ca.1917-20) |
Die zwanzig Liebesbriefe, die sie nach dem Zürichaufenthalt von Arp erhält, wird Hilla ihr Leben lang in einer Lederschachtel aufbewahren. Im März 1917 hört die leidenschaftliche Korrespondenz auf. Arp ist in einer Beziehung zu Sophie Taeuber gefangen, Hilla spukt im Kopf jener Rudolf Bauer herum. So ein Wechselbad der Gefühle!
Währenddessen entwickelt sie als Malerin allerdings ihr neues gegenstandsloses Repertoire, das aus bunten, sich überlappenden geschwungenen Linien, Flächen und Punkten, dichten Texturen aus schlanken, asymmetrischen Formen sowie sanft anschwellenden und sich verjüngenden Linien in zahllosen Variationen besteht.
"Mit Rudolf Bauer wird Hilla ihr seltsames Spiel von Distanz und Nähe perfektionieren", so Sigrid Faltin in ihrer Biographie. Der nur ein Jahr ältere Bauer, kühl - distanziert, ein Hungerleider, großer Verehrer Kandinskys und damit leidenschaftlicher Kämpfer für die gegenstandslose Malerei, witzig bis überheblich in seinem Urteil über Kunst & Literatur in Vergangenheit & Gegenwart, ist Assistent Waldens, der ihm eine große Karriere voraussagt. Drei Monate nach der ersten Begegnung mit Hilla hat er seine erste Einzelausstellung.
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Linolschnitt für Zeitschrift "Dada" 1917 |
Ist sie bei ihren Eltern in Hagenau, schreiben sie & Bauer sich täglich. Doch erst nach einem Jahr duzen sie sich. Im Februar 1918 verwenden sie dann die Kosennamen "Baby" und "Pappi". Dennoch hat Hilla immer wieder Vorbehalte, scheut die in Gesellschaft so extrovertiert Auftretende doch menschliche Nähe, fasst nur langsam Vertrauen. Einsamkeit gehört zu ihrem Leben. Auch fühlt sie sich von Bauer als Künstlerin nicht ernst genommen.
Das drohende Kriegsende bringt weitere Verunsicherungen mit sich: Wird sie vom Künstlerdasein leben können? Dann erkrankt sie im Sommer an der Spanischen Grippe, schließlich wird der Vater als Befehlshaber von aufständischen Soldaten abgesetzt und Ende November 1918 muss die Familie aus Hagenau fliehen, bevor französische Truppen einmarschieren, Villa & Vermögen werden beschlagnahmt. Den Hungerwinter 1918/19 verbringen die von Rebays gemeinsam dann in Gotha. Der Vater hadert mit dem Schicksal und mit dem Freund der Tochter, denn der sympathisiert in Berlin mit den Bolschewisten und gründet die "Novembergruppe". Ein erneuter Gefühlsspagat für die junge Frau! Dazu kommt ihr bleibend angeschlagener Gesundheitszustand ( und das wird auch lebenslang so bleiben als Folge der Grippe ).
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"Ohne Titel" (1920) |
Bauer drängt, sie solle endlich nach Berlin kommen. Er organisiert auch eine gemeinsame Atelierswohnung in der Ahornallee 25. Im März 1919 lässt Hilla sich darauf ein.
Bauer stellt da schon regelmäßig im "Sturm" aus. Auch Hilla gelingt das im April, später mit der "Novembergruppe". Den Lebensunterhalt verdient sie allerdings mit Porträtaufträgen, nur daneben findet sie Zeit für ihre Aquarelle und Collagen.
Im Zusammenleben, das muss Hilla feststellen, bleibt wenig vom bewunderten eleganten Mann übrig. Ihre verschiedenen Lebensstile stellen die Beziehung früh auf die Probe: Bauer ist bereit, Entbehrungen zu ertragen, um sich auf seine gegenstandslose Kunst zu konzentrieren. Für Hilla, die Baronesse, ist der Bohème-Lebensstil einer erfolglosen Künstlerin nichts. Die Nachbarn - der Architekt Erich Mendelssohn & seine Frau - fragen sich, was Hilla an diesem Muffel & Einzelgänger findet, bekommen sie doch mit, wie sich das Paar oft streitet. Allerdings spüren sie auch das unsichtbare Band, dass die beiden grundverschiedenen Menschen zusammenhält: Bauer ist DER Künstler, Hilla ist für seine Vermarktung zuständig und steckt dafür ihre eigenen künstlerischen Ambitionen zurück. Sie versucht zu seinen Gunsten ihre Verbindungen in die Gesellschaft zu nutzen, um dort seine Werke zu verkaufen. Erfolg ist ihr nicht beschieden: Abstrakte Kunst gilt dort als degoutant.
Die Eltern Rebay haben sich inzwischen in Teningen in Württemberg häuslich niederlassen können. Für sie bedeutet die Weimarer Republik zwar nach wie vor ein gesellschaftlicher & finanzieller Abstieg. Doch Hilla und ihre Mutter Toni wissen sich ein- und Glanz in die dörfliche Gemeinschaft zu bringen. Weihnachten 1919 feiert Bauer mit der Familie dort. Doch die verhält sich ihm gegenüber weiterhin ablehnend. Hilla bleibt das erste Halbjahr 1920 in Teningen, dann nimmt sie in Rolandseck einen Großauftrag bei einer Kölner Schokoladenfabrikantenfamilie an. Mit Bitterkeit stellt Bauer fest, dass sie die "Gesellschaft der Siegelringträger" genießt. Die sind abschließend mit ihrem Werk nicht zufrieden - zu expressionistisch - und kürzen die Bezahlung.
Aber zurück nach Berlin? Kommt für Hilla auch nicht in Frage, denn ihre Kunst gilt dort nur als die der Geliebten Bauers. Der Vater droht zudem, wenn sie zurückgehe, werde er den Maler erschießen. Eine Ausflucht bietet eine Kur in Bad Krozingen im April 1921: Hilla hat massive Schlafstörungen, denkt an Selbstmord. In seinen Briefen aus Berlin steht: "Du wirst dich in mir nicht irren, denn ich wünsche mir von Herzen, dass ich dir das Leben groß machen könnte [...] auch materiell alles Niedere von dir (zu) halten..." Dabei hat sich Bauer inzwischen um eine seiner Existenzgrundlagen gebracht und sich mit Herwarth Walden überworfen. Er lebt nun ausschließlich auf Kosten seiner Lebensgefährtin. Von 1922 an sind übrigens keine Ausstellungen mehr von Hilla von Rebay dokumentiert.
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László Moholy-Nagy "Hilla von Rebay" (1924) |
In Viareggio, einem toskanischen Badeort, steigt sie schließlich aus dem Zug. Sie wohnt bei dem Prinzen Carovigno und dessen englischer Frau Margaret, lernt bald italienisch, wird in der Gesellschaft herumgereicht und fühlt sich nach ein paar Monaten stark wie schon lange nicht mehr. Brieflich hält sie den Kontakt zu "Rüdchen". Ihre Gastgeber weiht sie in ihre Kalamitäten ein. Was Carovigno nicht verstehen kann: "Warum lässt sich ein Mann von seiner Freundin aushalten?"
Doch dann bekommt sie eine physische Attacke mit Herzrasen, Atemnot & blau unterlaufenen Nägeln. Ihre Gastgeber rufen einen Arzt, sitzen später abwechselnd nachts an ihrem Bett und enthalten ihr schließlich die Briefe des Geliebten vor, um ihr jegliche Aufregung zu ersparen. Als sie doch noch einen Brief direkt vom Postboten ausgehändigt bekommt, ist sie über den Inhalt enttäusch: Kein Wort, dass er sie vermisst, nur Klagen, auch über ihre Eltern, die die Ateliermiete nicht mehr zahlen wollen. Sie schickt ihm Geld, verlangt aber auch, dass er andere um Hilfe ersuchen solle.
Anfang 1926 zieht sie weiter nach Tivoli, um als "Contessa" reiche Amerikaner zu porträtieren. Sie lernt dort die zwanzigjährige Jazzsängerin Thorold Croasdale kennen, mit der sie sich eine Wohnung teilt. Thorold versucht sie zu überreden, in die Vereinigten Staaten zu gehen. Noch kann sie sich nicht von Rudolf Bauer lossagen: Nach einem Brief von ihm konstatiert sie: "Er ist mein Junge. Er war zu arm, um mich zu heiraten."
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"Asian Woman" (1928) |
"Die Guggenheims hatten schon vor der Begegnung mit Hilla Rebay Kunst gekauft, zuletzt französische Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts. Rebay gab dem Engagement der Guggenheims nun eine Richtung, mit dem sie sich im Kreis der anderen vermögenden Sammler viel klarer positionieren konnten," schreibt Nina Wittmann an dieser Stelle.
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Von links nach rechts: Solomon Guggenheim, Antonie Rebay von Ehrenwiesen, Irene Rothschild Guggenheim, der Chauffeur, Rudolf Bauer, Franz Josef Rebay von Ehrenwiesen und Hilla in Deutschland (1930) |
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Porträt Solomon R. Guggenheim (1930) |
Hilla selbst stellt noch einmal eigene Arbeiten in der Galerie Wildenstein & Co. in New York aus, darunter ihr Porträt von Guggenheim. Obwohl sie sich nie als Kunsttheoretikerin verstanden hat, widmet sie sich ab da vornehmlich in Schriften und Vorträgen der Vermittlung ihres künstlerischen Credos. Das eigene kreative Schaffen kommt nach und nach zum Erliegen.
"Mit jedem Bilderkauf stieg die Ehrfurcht der Kunstwelt vor Rebay und der Unmut der Guggenheim-Verwandtschaft. Für die meisten Mitglieder des Clans war sie »B« - nicht wie Baroness, sondern wie »bitch«, also Biest" - so noch einmal Ulrike Knöfel.
"Kommt daher, nimmt Besitz und gibt dafür dem alternden König Energie, Hoffnung, Enthusiasmus; schenkt dem alten Seeräuber einen neuen Frühling."
"Es ist äußerst geschmacklos, in diesem Augenblick, da der Name Guggenheim ein Ideal in der Kunst zu werden beginnt, ihn für kommerzielle Zwecke zu verwenden." Man wolle nicht "irgendeinem kleinen Laden als nützliche Reklame dienen".
Hilla ist auch erbost darüber, dass Peggy mit ihrer Galerie - Präsentation "Art of This Century" 1942 einen Triumph erzielt und die Menschen zahlreich anzuziehen vermag. Später wird sich Peggy mit dem Vorschlag an ihre Tante Irene revanchieren, sie solle die Bilder dieses Herrn Bauer verbrennen.
Anlässlich der Weltausstellung 1939 unter dem Motto "The World of Tomorrow" wird ein eigener Ausstellungspavillon für die Guggenheim-Sammlung installiert, für den Hilla architektonische Ideenskizzen angefertigt hat. An Hillas 49. Geburtstag folgt dann in Manhattan die Eröffnung des "Museum Art of Tomorrow. Museum of Non-Objective Painting" in einem angemieteten zweigeschossigen ehemaligem Autohaus in der 24 East 54th Street mit Bildern von 26 Künstlern an den Wänden. Im Erdgeschoss des Museums werden die Kernstücke der Sammlung präsentiert, im Obergeschoss werden bis 1952 insgesamt 47 Wechselausstellungen stattfinden. Alles ist bis ins Detail von Hilla geplant.
Um auch über die Grenzen New Yorks hinaus Einfluss zu gewinnen, organisiert Hilla von Rebay im Laufe der Jahre zusätzlich zwanzig Wanderausstellungen für Museen, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen in den USA mit Originalen aus dem Museum ( was mit dem Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg nicht dann mehr möglich sein wird ). Da sie fest an die Spiritualität der Kunst und ihre pädagogische Kraft glaubt, ist sie von Museen als Bildungseinrichtungen überzeugt. Ihre Interessen und Initiativen im Bereich der Kunstmuseumspädagogik werden allerdings sehr lange nicht wahrgenommen, obwohl sie doch einem breiten Publikum – von Jugendlichen und Lehrern bis hin zu Künstlern und Museumsbesuchern – die Möglichkeit eröffnet hat, etwas über "gegenstandslose" Kunst oder Kunst ohne gegenständliche Verbindung zur materiellen Welt zu erfahren. Fast sieben Jahrzehnte später werden ihre Ideen zur Standardpraxis der Kunstmuseumspädagogik werden. Ihre Rolle auf diesem Gebiet wird erst allmählich gewürdigt.
Der 2. Weltkrieg vertreibt viele Künstler aus Europa. Hilla, zusammen mit Guggenheim, verhilft z.B. dem Ehepaar Chagall ins Exil. Auch Bauer kommt endlich mit seinen zwei Autos in die Staaten, zieht aber nicht, wie von ihr erhofft, in ihr Anwesen, sondern verlangt seinen eigenen Landsitz, den ihm Guggenheim auch im Tausch gegen seine gesamte künftige Produktion gewährt. Dann schmiedet er Kabalen gegen Hilla, die den vielfältigen Anforderungen ihrer Aufgaben immer weniger gewachsen zu sein scheint. Sie wird als Antisemitin & Nazi diffamiert, und es kommt zu einer Untersuchung im Stiftungsbeirat.
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Mit Guggenheim & Wright (1940er Jahre) |
"Ich will einen Tempel des Geistes, ein Monument! [...] Ich brauche einen Kämpfer, jemanden, der den Raum liebt, einen Gestalter, einen Prüfer, einen weisen Mann."
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Frank Lloyd Wright mit dem Modell des Museums |
Sie treten ein in eine lange, lebhafte Korrespondenz. Der intensive Briefwechsel lässt erahnen, dass die Auseinandersetzung über den Neubau sehr impulsiv gewesen und bis ins Detail ausgefochten worden ist. Wright wird ihr Seelentröster wie bei vielen seiner Kundinnen in einer unerfreulichen Lebenssituation. Er schwärmt sogar von Hilla als "Superwoman" und bekundet einmal, er habe das Museum nur "für Sie und um Sie herum gebaut."
Sie ist überzeugt, dass der von ihnen geplante "Tempel der Gegenstandslosigkeit und Andacht" vom Niveau her das Jahr 2000 überstehen werde. Im August 1945 kann Hilla zusammen mit Guggenheim und Wright auf einer Pressekonferenz im Plaza Hotel das Modell des geplanten Museums vorstellen. Die Planungsphase verlängert sich dann allerdings noch erheblich...
Ihr Sendungsbewusstsein hat Hilla trotz all der Widrigkeiten noch nicht verloren, und zwecks eines persönlichen Re-Education-Programmes schickt sie Kunstwerke aus der Sammlung nach Europa, um vor allem das deutsche Publikum mit der ihm unter den Nazis vorenthalten Kunst bekannt zu machen. Es sind vor allem Werke von Bauer, Moholy-Nagy und sich selbst, aber auch von vielen bis dato unbekannten jungen amerikanischen Künstlern. Das gibt ihr auch Anlass, 1948 das erste Mal wieder in die alte Heimat zu reisen und Kontakte zu knüpfen. Sie wird sogar zum Ehrenmitglied der ungegenständlichen Künstlergruppe ZEN 49 in München ernannt und beteiligt sich 1950 an deren Ausstellung.
Doch zuvor ist Solomon R. Guggenheim am 3. November 1949 mit knapp 88 Jahren seinem Krebsleiden erlegen, anfangs noch gepflegt von seiner Kunstberaterin. Seine letzten schriftlichen Anweisungen an die Treuhänder der Stiftung als Träger des Museums sprechen Hilla die unumschränkte Entscheidungsbefugnis für den künstlerischen Bereich des Museums, einschließlich der Ankäufe, zu. Doch das ist juristisch nicht bindend.
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1947 |
Die Familie ist ohnehin schon seit Jahren ihr gegenüber misstrauisch bis ablehnend gewesen. Weil sie großzügig im Testament bedacht worden ist, verschlechtert sich das Verhältnis noch weiter. 1952 gibt sie den Direktorenposten auf, nachdem sie bei den Kuratoren des Museums immer weiter in Ungnade gefallen ist, angeblich wegen Krankheit. 61 ist sie da und wirkt auf Zeitgenossen verbraucht. Sie hat sich aufgerieben für Kunst & Künstler. Es ist aber Harry Guggenheim, der sie entlässt. Im Oktober präsentiert er den neuen Direktor, der mit dem geplanten Museum nichts anfangen kann.
Noch 1951 ist der Museumsbau in Gang gekommen - nicht ohne auf Ressentiments zu treffen und damit Komplikationen nach sich ziehend, so dass erst von 1956 bis 1959 richtig gebaut werden kann. Am 21. Oktober 1959 kann der Neubau des Solomon R. Guggenheim Museums feierlich und mit großem medialen Echo eröffnet werden. Wright ist wenige Monate vor der Eröffnung gestorben, Hilla von Rebay wird NICHT eingeladen. Sie wird das von ihr mitkonzipierte Gebäude nie betreten. Im Museum gibt es weder eines ihrer Gemälde zu sehen, noch wird sie mit einer Silbe erwähnt. Viele der von ihr zusammengetragenen Arbeiten werden später verkauft.
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Wie sie vom Tod ihres einstigen Geliebten an Lungenkrebs am 28. November 1953 erfahren hat, wissen wir nicht. Sie drückt in einem Brief die Hoffnung aus, dass er ihren Einsatz für ihn noch anerkannt hat. Eine Gedächtnisausstellung für ihn kann sie nicht mehr durchsetzen.
Ihre letzten Lebensjahre verbringt die Baronesse zurückgezogen, immer wieder von leichten Schlaganfällen heimgesucht, auf ihren beiden Anwesen ( das zweite in Sunlife im Bundesstaat New Hampshire ). Finanziell ist sie sehr gut abgesichert. Sie unternimmt Reisen und verbringt viel Zeit bei ihrer Verwandtschaft in Bayern - 1966 kommt sie das letzte Mal nach Weßling - bzw. mit ihren Nichten & Neffen in den USA. Und sie malt wieder und lässt sich in entsprechender Künstlerpose, wie sie eher Männern vorbehalten gewesen ist, fotografieren: "Am liebsten würde ich noch das 21. Jahrhundert erleben."
Am 27. September 1967 erliegt Hilla von Rebay in ihren Anwesen in Westport, Connecticut einem Herzinfarkt und wird schließlich ihren Wünschen entsprechend in Tenningen neben ihren Eltern beigesetzt. 77 Jahre ist sie geworden. Die New York Times schreibt einen gehässigen Nachruf mit übel wollendem Fazit.
Es ist ihr Neffe Roland von Rebay, der bei Frank Lloyd Wright Architektur studiert hat, der die von den Guggenheim-Nachkommen verschwiegene Tante schließlich rehabilitiert: Kurz vor seinem 80. Geburtstag findet 2005 im Museum dann endlich eine Gedächtnisausstellung über Hilla von Rebay statt.
Inzwischen ist auf beiden Seiten des Atlantiks unbestritten: "Hilla von Rebay war eine Hauptfigur in der Kunstwelt der zwanziger, dreißiger und vierziger Jahre, und sie war die Visionärin hinter der Guggenheim-Sammlung", erkennt der heutige Direktor des Museums an. Dass sie eine facettenreiche Ausnahmefrau gewesen ist, sollte ihre Verdienste heutzutage nicht mehr schmälern, finde ich...
Ein wunderbares Portrait von Hilla von Rebay! Sie war eine bedeutende Frau.
AntwortenLöschenEs ist sehr schön, daß Sie diese hiermit auch nicht vergessen!
Ich danke Ihnen für ihr Portrait! Grü´ße Luitgard M.