Donnerstag, 5. Oktober 2023

Great Women #352: Teresa von Avila

In meinem Kopf vermischt es sich immer wieder, die Erinnerung an den Club Torres de Ávila in Barcelona, von dessen Dachterrasse man eine spektakuläre Aussicht auf die Stadt hatte und dabei auch noch tanzen konnte, damals in unserem Urlaub, und die Kenntnis der Mystikerin & Heiligen, die auch eine Schutzpatronin Spaniens ist. Die Tatsache, dass ihr Todestag sich gestern zum 441. Male jährte, hat mich dann so angespitzt, dass ich mich mit ihr näher befasst und einen Post geschrieben habe über Teresa von Ávila.

 

"Bewahre mich vor der Einbildung, 
bei jeder Gelegenheit 
und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen."

Teresa von Ávila kommt am 28. März 1515 als Teresa Sanchéz de Cepeda y Ahumada in der kastilischen Stadt Ávila zur Welt. Ihre Mutter ist Beatriz Dávila y Ahumada, die ihren Mann im Alter von 14 Jahren, reich ausgestattet von ihrer alleinerziehenden Mutter, geheiratet hat. Mit 15 Jahren bekommt sie ihren ersten Sohn, Hernando. Beatriz  stammt aus niedrigem altkastilischem Adel, der in seinem Wappen einen rauchenden Turm trägt, Zeichen für den Kampf ihrer Vorfahren gegen die Muslime. Im Welt- und Kulturverständnis des spanischen Siglo de oro kommt das einem Ritterschlag gleich und weist auf eine Zugehörigkeit zu den Mächtigen hin.

Teresas Vater hingegen, Don Alonso Sánchez de Cepeda, ist der Sohn des wohlhabenden sephardischen Kaufmannes Juan Sánchez aus Toledo. Der hat sich 1485, sieben Jahre bevor die Juden in Spanien vor die Wahl gestellt werden, zum Christentum zu konvertieren oder das Land zu verlassen, gemeinsam mit seinem Sohn Don Alonso taufen lassen. Doch auch danach ist die Familie, wie andere Marranen oder conversos, zahlreichen Repressionen ausgesetzt. Juan Sánchez erwirbt einen Adelstitel und wagt den Neuanfang in Ávila. Dort versucht die Familie, den vermeintlichen Makel ihrer jüdischen Abstammung abzulegen, auch durch entsprechende Eheschließungen, denn auch die erste Frau Don Alonsos, Catalina del Peso, ist keine Jüdin. Weder Teresa noch ihre Geschwister - zwei Schwestern und neun Brüder, darunter eine Halbschwester & ein Halbbruder - werden den "jüdisch belasteten" Nachnamen Sánchez übernehmen. Dennoch bleibt die soziale Sicherheit für die Familie brüchig: 1520 muss Don Alonso seinen Adelstitel sogar in einem Prozess verteidigen, was eine große Verunsicherung mit sich bringt. Von daher nicht verwunderlich, dass später sieben Brüder Teresas - Hernando, Antonio, Rodrigo, Lorenzo, Pedro, Jerónimo, und Agustín - in die "Neue Welt" auf der Suche nach neuen Ehren und Zugehörigkeiten aufbrechen werden.

Kloster Santa Teresa,
1636 an der Stelle des Geburtshauses der Teresa von Ávila eingeweiht

Diese Zeit in der spanischen Geschichte, in die Teresa hineingeboren wird, gilt als das spanische "goldene Zeitalter". Unter dem König von Aragón, Ferdinand II., und  Isabella I. - die 'Katholische' - gelingt die erfolgreiche Rückeroberung des Landes ( "Reconquista" ) von den muslimischen Mauren, zum anderen entdeckt Christoph Columbus 1492 Amerika und beschert dem Land großen Reichtum. Durch Ausweisung der jüdischen Bevölkerung im gleichen Jahr sowie die Ausweisung der Muslime 1502 soll das Land nun auch in religiöser Hinsicht geeint werden, so wie es in nationaler Hinsicht 1512 durch die Eroberung des Königreichs Navarra gelingen wird. Die Marranen bleiben ein gesellschaftliches Problem, denn sie werden seitens der praktizierenden und bekennenden Juden, aber auch von den "Altchristen" verachtet und gemieden: Man wirft ihnen vor, sich nur bekehrt zu haben, um sich Vorteile zu verschaffen, z.B. den Zugang zu angesehenen Ämtern, bzw. als Kryptojuden weiterhin jüdische Riten zu praktizieren. Um solche "Scheinbekehrte" zu entlarven, wird 1485 dann auch die berühmt-berüchtigte Inquisition installiert, was einen wirtschaftlichen und künstlerischen Aderlass sondergleichen zur Folge hat. Im Laufe der Zeit entwickelt sich die Inquisition allerdings auch zu "einem Instrument, das generell Häresien aufdecken und ausmerzen sollte". Die Conversos leben damals entweder als Außenseiter am Rande der spanischen Gesellschaft oder aber sie schaffen sich durch Literatur, Religiosität und Wissenschaft ein neues Leben. Vom kulturellen Niveau her ist Teresas Familie höchstwahrscheinlich ein einzigartiger Ausnahmefall in der kastilischen Gesellschaft und gehört zur letzteren Gruppe. Keiner in der Familie ist Analphabet, wie es in Spanien eher üblich ist in jener Zeit.

Eher eine jüdische Tradition ist es, Mädchen wie Teresa oder ihre 13 Jahre jüngere Schwester Juana eine für eine Frau der damaligen Zeit sonst unübliche gute Ausbildung zukommen zu lassen: Auf Veranlassung ihres Vaters lernt sie Lesen und Schreiben. Ansonsten gilt eine Frau im Spanien jener Zeit als negatives, minderwertiges Wesen. Es gibt sogar nicht wenige Theologen, die fordern, den Frauen das Lesen der Bibel zu verbieten. Weibliche Bildung ist ohnehin überflüssig, wenn einem Mädchen ohnehin nur die Wahl zwischen Kloster und Ehe bleibt.

Ansonsten prägt Teresas Kindheit die für diese Zeit übliche endzeitliche Frömmigkeit: Möglichst schnell in den Himmel kommen, das ist auch Teresas größter Wunsch. Sie bricht als Siebenjährige mit ihrem Lieblingsbruder Rodrigo zu den Mauren auf, um unter muslimischer Herrschaft als Märtyrerin zu sterben. Ein Verwandter kann die beiden Ausreißer unweit der Stadtmauern wieder aufgreifen. Mit der gleichen Begeisterung spielt sie mit anderen Kindern Einsiedler, betet, gibt Almosen und tut Buße. Während sie in einer ruhigen Atmosphäre der Frömmigkeit zu Hause aufwächst, tobt in Kastilien der Aufstand der Comuneros, eine wütende Reaktion auf die von die königlichen Regierung untergrabenen Rechte der kastilischen Städte. 

1528 stirbt die Mutter, die immer viel krank gewesen und der das Mädchen sehr nahe ist, mit dreiunddreißig Jahren. Dieses Trauma in Teresas Kindheit ist die treibende Kraft dafür, dass sich die Dreizehnjährige vor ein Bild der Gottesmutter Maria stellt und sie unter vielen Tränen anfleht, ab jetzt ihre Mutter zu sein. Ihr weiht sie ihr Herz. Von der Mutter ist das Mädchen auch mit den Praktiken der Volksreligiosität vertraut gemacht worden, die Teresa ihr ganzes Leben lang in Crescendo pflegen wird.

Von der Mutter kommt auch die Leidenschaft für  Ritterromane, die diese geschätzt und trotz Missbilligung ihres Ehemannes alleine oder mit den Kindern gelesen hat.  Die Beschäftigung mit diesen Romanen und ihre Begabung zum Schreiben veranlassen Teresa, gemeinsam mit ihrem Bruder ein Buch dieses Genres zu verfassen. Später wird man erkennen können, welche Bedeutung diese Lektüre für Teresas literarische Ausbildung gehabt hat.

Teresa pubertiert schließlich heftig, wie wir es heute nennen würden, gerät unter den Einfluss ihrer Cousins, den Söhnen ihrer Tante Doña Elvira de Cepeda. Da sie ein bildschönes Mädchen ist, fähig zu Freundschaft und voller Lebenslust, sprühend vor Witz, Geist und Charme, steht Teresa bald im Mittelpunkt der Jugend der Stadt und ihre Frömmigkeit erkaltet. Sie beginnt auffällige Kleider zu tragen, auf die Pflege ihrer Hände & Haare zu achten und ist sehr eitel. Doch die Moralvorstellungen der Zeit sind streng.

Aus Angst um ihren guten Ruf und nachdem die neun Jahre ältere Halbschwester Maria 1531 geheiratet hat, bringt der Vater Teresa in einer Art Mädchenpensionat des Klosters der Augustinerinnen in Santa María de la Gracia in Ávila unter. Dort soll das junge Mädchen ihre weitere Erziehung in "weiblichen Tugenden" erhalten. Doch Teresa gerät in eine tiefe Krise, sie weiß von den Predigern nur zu gut, warum man in die Hölle kommt und bildet sich ein, dass es mit ihr schlecht ausgehen wird. Fieberschübe suchen sie heim, und der Vater holt sie nach 18 Monaten wieder nach Hause. Die Fürsorge und der Unterricht der Nonne María Briceño dort werden für ihre Ausbildung und ihre Entscheidung, Nonne zu werden, aber von entscheidender Bedeutung sein, denn diese bereitet die Schülerinnen nicht nur auf ein zukünftiges Leben als Ehefrau vor, sondern sie pflegt das Gebet und hat hohe spirituelle Ideale.

Juan García de Miranda
"Educación de Santa Teresa"
( Ausschnitt; 1735 )
Zur Rekonvaleszens wird Teresa zu ihrer Schwester in Castellanos de la Cañada in der Nähe von Ávila geschickt, verbringt aber auch Zeit in Ortigosa de Rioalmar bei ihrem Onkel Pedro de Cepeda, einem Eremiten, der sich später den Hieronymiten anschließen wird, einer kontemplativen Gemeinschaft, in der viele der Conversos Zuflucht finden, gerade auch durch die Nähe des Ordens zu den jüdischen Traditionen der christlichen Bibel. Bei ihm beginnt sie mit spiritueller Lektüre und wird zwischen weltlichem und geistlichem Leben hin- und hergerissen.

Zu groß sind ihre Höllenangst und ihre Furcht vor der Ehe, aber auch ihre dankbare Liebe zum leidenden Jesus Christus - "mehr knechtische Furcht als Liebe", so Teresa. Der Vater mag seine Zustimmung nicht geben, als sie ihm von ihrem Wunsch berichtet, in das Karmelitinnenkloster "Von der Menschwerdung" in Ávila einzutreten. Er hofft, dass sie an seiner Seite wohnen bleibt und ihn im Alter pflegen wird.

Am 2. November 1535 vollzieht Teresa dennoch diesen Schritt und nimmt später den Ordensnamen Teresa de Jesùs an. Doch aufgrund des immensen Frauenüberschusses in Spanien beherbergt die Einrichtung weit über hundertfünfzig Karmelitinnen und ist mehr Damenstift als Kloster: Teresa selbst hat dort eine eigene Wohnung, die der Vater für sie gekauft hat, mit Schlaf- und Gebetsraum, Zimmer, die sie mit ihrer Nichte Beatriz de Ahumada und María Bautista, Tochter ihres Cousins, teilt.

Er gibt ihr ebenso eine mehr als beträchtliche Mitgift mit, so dass Teresa im Kloster zu den "Doñas" gehört. Sie kann Einkäufe tätigen, sich mit Schmuck behängen, ausgehen oder Besucher empfangen. Die schöne und kluge junge Nonne wird alsbald zum Publikumsmagneten des Klosters. 

Doch kurz nach ihrer Profess, die zwei Jahre später im November 1537 erfolgt, fängt sie sich eine geheimnisvolle Infektionskrankheit ein ( aus heutiger Sicht dürfte das eine Neurobrucellose gewesen sein, denn das viertägige Koma, das bei Teresa 1539 aufgetreten ist, deutet darauf hin, dass sie an einer Entzündung des Gehirns und seiner umgebenden Häute (Meningoenzephalitis) gelitten hat ). 

Schließlich beschließt der besorgte Don Alonso  ( Teresa:  "Ich war die Liebste meines Vaters." ), sie nach Becedas in der Provinz Ávila zu bringen, um sie von einem/einer bekannten Quacksalber*in behandeln zu lassen. Auf dem Weg zur curandera machen sie Station beim Onkel Pedro, wo Teresa ein Buch des Franziskanerpaters Francisco de Osuna, das "Dritte geistliche ABC", in die Hände fällt, eine Einführung in die Gebetsform des sogenannten inneren Gebetes.

Regelrecht todkrank kehrt sie von dieser Exkursion 1539 in das Kloster zurück und um Mariä Himmelfahrt des Jahres hält man die junge Nonne schon für tot und bereitet ihre Grablegung vor, denn die Ärzte haben zugegeben, dass sie über keine Heilmittel mehr verfügen. Erst ab 1542 geht es mit Teresa wieder bergauf. 

Nach der teilweisen Wiederherstellung ihrer Gesundheit nimmt sie, von ihrer Priorin unterstützt, wieder am regen Umgang mit den Besuchern des Klosters in den Sprechzimmern teil, leidet aber auch darunter, weil sie sich weder dem weltlichen Leben noch dem in Gott zugehörig fühlt. Täglich kommen so viele Besucher, darunter auch viele von hohem sozialen und politischen Rang, die die Einsamkeit des Klosterlebens  zunichte machen. 

Giovanni Lorenzo Bernini "Die Verzückung der heiligen Teresa"
(1645 bis 1652; Ausschnitte)


Der Tod des Vaters Dezember des darauf folgenden Jahres, die Lektüre der Confessiones von Augustinus, aber vor allem die tiefe  Erschütterung, die große Reue, der Schmerz über ihre klösterlichen Gepflogenheiten, der sie überkommt, als sie 1554 eine Darstellung des leidenden, mit vielen Wunden bedeckten Heilandes, aus Anlass eines Festes im Gebetsraum des Klosters aufgestellt, sieht:
"Der Schmerz, den ich empfand, als mich der Pfeil traf, war so stark, dass er mich Klagen ausstoßen ließ. Aber zugleich war die Zärtlichkeit, die dieser ungemein große Schmerz bei mir auslöst, so überwältigend, dass noch nicht einmal der Wunsch hochkommt, er möge vergehen, noch dass sich die Seele mit weniger begnügt als mit Gott",  schreibt sie in ihrer Autobiografie zu dieser Erfahrung.

All diese Erlebnisse in ihrem Zusammenwirken bedingen, dass Teresa ihre bisherige klösterliche Praxis nach fast zwanzig Ordensjahren total in Frage stellt und ihre Sicht auf den Glauben erneuert. Bis dahin hat sie ein innerlich "höchst qualvolles Leben [geführt; Erg.d.mich ]… auf der einen Seite rief mich Gott, auf der anderen folgte ich der Welt". Sie wisse nicht, wie sie diesen Zustand überhaupt ausgehalten habe, wird sie später schreiben. Sie ist jetzt fast vierzig Jahre alt. Von nun an sieht sie ihre Aufgabe allein im inneren Beten.  "Ich wollte leben, denn mir war klar, dass ich nicht lebte, sondern dass ich mit einem Schatten des Todes kämpfte und niemand da war, der mir das Leben gab."

In den folgenden Jahren hat sie weitere tiefe Gebetserfahrungen und Visionen, die sie, verstärkt durch unfähige Beichtväter, zunächst in Angst und Schrecken versetzen. Doch sie erhält auch von kundigen Dominikanern und Jesuiten, darunter Francisco de Borja, der Jesuitengeneral, Aufklärung und Hilfe. In dieser Zeit beginnt Teresa mit den Aufzeichnungen für ihre Autobiographie "Vida".

Ihre Spiritualität bleibt konkret und anschaulich. Doch viele geistliche Lehrer lehnen alles Bildliche ab, auch Abbildungen von Jesus, weil ihnen zu viel Menschliches anhaftet. Teresa sieht das ganz anders. Die Nachrichten, dass  Bilder von Jesus Christus und seiner Heiligen in anderen Teilen des christlichen Europas ( "Bilderstürmer" ) zerstört werden, sind  für sie eine Qual. Sie findet es schwierig, sich einem System der Mystik zu öffnen, welches verlangt, das Körperliche beiseite zu lassen und sich allein dem Spirituellen zuzuwenden. In der Ganzheitlichkeit ihres religiösen Erlebens weicht Teresa also von der langen Tradition des Neuplatonismus in der Religion und seiner Abwertung alles Leiblichen ab. 
"Wir sind keine Engel, sondern haben einen Leib. Uns zu Engeln aufschwingen zu wollen, während wir noch hier auf Erden leben, ist Unsinn. Vielmehr braucht das Denken im Normalfall etwas, was ihm Halt gibt." 
Die Hingabe an Jesus Christus in seiner Menschlichkeit ist für sie nie ein Hindernis für die vollkommenste Kontemplation, Gemälde und Bilder von ihm -  diese einfachen Mittel schätzt sie.
Convento de San José Ávila
"Wenn jemand mitten in geschäftlichen Angelegenheiten steckt, in Zeiten der Verfolgung und Prüfungen, wenn man nicht so viel Ruhe bewahren kann, und in anderen Zeiten der Trockenheit, ist Christus ein sehr guter Freund, weil wir ihn als Menschen betrachten und sehen Ihn mit Schwächen und Prüfungen – und Er ist unser Begleiter."

Sie vermag es nun auch, sich von den unnötigen und schrecklichen Ängsten vor dem Teufel zu befreien, mit denen die Gesellschaft sie von kleinauf belastet hat. Über die Teufel sagt sie jetzt: "Ich schenke ihnen nicht mehr Aufmerksamkeit als den Fliegen." Und: "Ich verstehe diese Ängste nicht: 'Der Teufel! Der Teufel!', wenn wir 'Gott! Gott!' sagen und den Teufel zum Zittern bringen können.

Auch die Inquisition ist nicht die Art von Dingen, die ihr Angst machen können. Als andere mit solchen Befürchtungen auf sie zukommen und sie warnen, schreibt sie darüber: "Das hat mich amüsiert und zum Lachen gebracht... "

Eine weitere Vertiefung ihrer spirituellen Erfahrung bringt ihr die sog. "Höllenvision" von 1560, deren Kern ein vertieftes Bewusstsein für das gratis geschenkte Erbarmen Gottes ist. Der Wunsch nach einem konsequenteren Leben, weg von Wohlstand, Bequemlichkeit & Prestigedenken, und die apostolische Begeisterung führt bei Teresa dazu, nach Art der descalzos ( dt.: Unbeschuhte ) einen neuen Orden des Karmel ( später Teresianischer Karmel genannt ) begründen zu wollen.  Eine solche "Gründungssitzung" mit einigen Freundinnen und Verwandten findet im September 1560 in ihrer Klosterzelle statt.

Nach einer Zeit im Haus de Mesa bei ihrer Freundin Doña Luisa de la Cerda in Toledo, wo sie die Arbeit an ihrer Autobiografie beendet und am Buch der Gründungen zu schreiben beginnt ( das 1582 fertig sein wird ), fängt sie mit der Umsetzung ihrer Idee an - nachdem Gott ihr den Auftrag gegeben hat, und trotz des erheblichen Widerstandes im Kloster & in der Stadt, in der Kirche ( der päpstliche Nuntius Felipe Sega hat sie gar als "herumvagabundierendes Weib" beschimpft ). 

Mit Hilfe des Bischofs von Ávila, Álvaro de Mendoza, erhält sie von Papst Pius IV. schließlich die Erlaubnis, in Ávila ein eigenes Kloster zu gründen, in dem wieder die ursprüngliche Ordensregel der Karmeliter befolgt werden soll. Am 24. August 1562 eröffnet der Konvent San José in ihrer Heimatstadt seine Pforten.

Ihr eigenes Ordensideal mit ganz spezifischen Kriterien weicht aber vom damals vorherrschenden Reformideal anderer "Unbeschuhter" durchaus ab: Kern ihrer Vorstellungen sind Nächstenliebe, ein geschwisterlicher Lebensstil, Einübung ins Ich-Sterben ( Freiwerden vom Ego ) und vor allem Pflege einer intensiven Freundschaft mit Gott. Dem Ganzen soll die Demut – verstanden als ständiges Bemühen um Selbsterkenntnis – zugrunde liegen. Die "Descalzos" in Kastilien hingegen zeichnen sich durch Rigorismus aus, dessen Kennzeichen Bußübungen wie Selbstgeißelungen, extremes Fasten und totale Abstinenz sind. Damit erhofft man sich Gottes Gunst zu erwerben und zu erhalten.

Convento de las Carmelitas Descalzas
de San José in Toledo

Ab 1567 kann Teresa vier weitere Klöster nach den neuen Regeln eröffnen, darunter als drittes 1568 in Zusammenarbeit mit Doña Luisa de la Cerda das Kloster San José in Malagón und als fünftes das Kloster San José im ehemaligen Judenviertel von Toledo. 

1568 lernt Teresa in Valladolid Juan de la Cruz kennen und gründet zusammen mit ihm weitere Reformklöster für Frauen und auch für Männer, so 1574 das Frauenkloster in Segovia. Insgesamt 15 Frauenklöster gehen auf ihr Wirken zurück, dazu 16 Männerklöster und eine Missionsstation. In ihrem Buch der Gründungen wird sie später darüber berichten. 

1571 wird sie gegen ihren Willen zur Priorin ihres Stammklosters ernannt. Bald darauf holt sie Juan de la Cruz als Spiritual und Beichtvater in das inzwischen auf 200 Schwestern angewachsene Kloster. Sie ist ein Glücksfall für die ihr Anvertrauten, legt sie zwar Wert auf Tugend, aber nicht auf Strenge. Intrigen oder Eifersüchteleien mag sie gar nicht, aber auch keine Askese rund um die Uhr: Ihre Maxime: "Wenn Fasten, dann Fasten, wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn.

Von 1570 bis 1574 hält sich Teresa auch gerne im Karmeliterkloster von Salamanca, einem Zentrum der Gelehrsamkeit, auf. Im benachbarten Dominikanerkloster San Esteban findet sie einen Beichtvater, der  sie zur Reform ihres Ordens ermutigt. Ihre Beichtväter müssen übrigens klug und gebildet sein und sie als gleichberechtigt akzeptieren. "Es ist kein kleines Kreuz, wenn man seinen Verstand jemandem unterordnen muss, der keinen hat. Ich habe das nie gekonnt und ich glaube auch nicht, dass es richtig wäre."

Pater Juan de la Miseria "Teresa de Jesús"
(16. Jhrdt)

Das Kloster ist auch ein Schutz vor der mysogynen Umgebung und gewährt den Frauen ein viel freieres Leben denn als Ehefrau: 

"Seht Schwestern, aus welcher Untertänigkeit ihr euch befreit habt! Der Herr pflegt wahrlich und ohne Fehl einen anderen Umgang mit uns. Er macht sich zum Untergebenen und wünscht, dass ihr die Herren seid, und er sich nach eurem Willen richte."

Es sind dennoch harte Jahre, in denen sie ab ihrem 53. Lebensjahr auf den Landstraßen Kastiliens unterwegs ist und ein Kloster nach dem anderen gründet. Überall gibt es Konflikte mit weltlichen & geistlichen Würdenträgern und Teilen der jeweiligen Stadtbevölkerung, Anforderungen organisatorischer & diplomatischer Art und immer wieder finanzielle Nöte ( ihr Bruder Lorenzo unterstützt sie z.B. von Quito aus ). 

Sie ist den extremen Wind- & Wetterverhältnissen in Spaniens Innern ausgesetzt, widrigen Transportmöglichkeiten und unzuverlässigen Helfern. Und das bei einer labilen Gesundheit und nie ganz verschwundenen Schmerzen. Teresa nimmt es mit Humor & Gottvertrauen: "Wenn der Herr will, dass ich etwas unternehme, gibt er mir gleich bessere Gesundheit."

Sie gerät zudem in die Auseinandersetzungen zwischen der römischen Kurie und dem Hof Philipps II., in die der Karmeliterorden in Spanien wegen unterschiedlicher Reformvorstellungen hineingezogen wird. Zwischen den Unbeschuhten und dem Stammorden kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen, deren Opfer dann Juan de la Cruz wir. Der wird im Dezember 1577 entführt und im Ordensgefängnis des Klosters in Toledo eingekerkert, wo er als "hartnäckiger Rebell" misshandelt und gedemütigt wird. Erst 1580 erfolgt die Anordnung von Papst Gregor XIII. zur Errichtung einer eigenen Ordensprovinz, die 1581 stattfindet und die Eigenständigkeit der Unbeschuhten Karmeliten anbahnt ( aber erst 1593 wird ein selbständiger Orden daraus ). 

1577  verfasst Teresa "Die Seelenburg", das Buch von den "Wohnungen der inneren Burg", eine Anleitung zum geistlichen Weg am Beispiel von sieben Wohnungen in einer Burg, wo der Mensch durch Gottes Handeln zur Vollendung kommt. Das Buch wird ein Klassiker der Weltliteratur werden.

Als Teresa sich auf der Rückreise von Burgos, ihrer 15. und letzten Klostergründung für Frauen ( sechzehn für Männer gehen auch auf sie zurück ), befindet, wird sie von María Enríquez de Toledo, der Frau des Großherzogs Don Fernando III. Álvarez von Alba, gebeten, bei der Geburt ihres Enkelkindes durch die junge Herzogin von Alba beizustehen. 

Schwer gezeichnet vom Krebs, von dem sie nichts weiß, erreicht Teresa Alba de Tormes am 20. September 1582. Knapp zwei Wochen später, am 4. Oktober 1582 , stirbt sie in dem dortigen, von ihr und Juan de la Cruz mit Unterstützung des Großherzogs und seiner Frau 1571 gegründeten Kloster. Aufgrund der Gregorianischen Kalenderreform folgt auf den 4. sofort der 15. Oktober, an dem Teresa im Karmel von Alba de Tormes in der Erde bestattet wird. 

Bei der Erhebung der Gebeine nach zwei Jahren ist ihr Körper unverwest. Teresa wird umgebettet in einen kostbaren Schrein in der Klosterkirche von Alba de Tormes, die nach ihrer Selig- und Heiligsprechung 1614 bzw. 1622 neu und größer gebaut wird, um die vielen Pilger aufnehmen zu können. Das Kloster ist bis heute einer der am meisten besuchten Wallfahrtsorte Spaniens. An Stelle ihres Geburtshauses in Ávila wird von 1629 bis 1636 von den Unbeschuhten Karmelitinnen das Kloster La Santa Teresa samt zugehöriger Kirche errichtet.

1617 wird Teresa de Ávila zur Schutzpatronin von Spanien, 1944 von Papst Pius XII. zur Patronin der Schachspieler und 1965 durch Papst Paul VI. zur Patronin der spanischen Schriftsteller erklärt. 1970 ernennt sie derselbe Papst als erste Frau in der Geschichte der katholischen Kirche zur Kirchenlehrerin.

In der christlichen Ikonographie wird Teresa von Ávila im braunen Habit der Unbeschuhten Karmelitinnen mit weißem Chormantel und schwarzem Schleier, mit den Attributen Buch und Feder, mit einem Herzen mit dem Christusmonogramm, mit Geißel, Dornen und Pfeil, mit der Taube des Heiligen Geistes dargestellt. Eine der berühmtesten Darstellungen ist die weiter oben gezeigte Marmorstatue Gian Lorenzo Berninis in der römischen Kirche Santa Maria della Vittoria. Aber es gibt unzählig viele andere Darstellungen der Mystikerin. Und es bleibt ihr literarisches Werk, das beeindruckende Aussagen enthält wie z.B. "Es gibt keine Sicherheit, solange wir leben." Und daher sollten wir aufhören, auf Erden anzustreben, vollkommen wie Engel zu werden.





Ich möchte hier noch einmal auf meinen Post über Edith Stein hinweisen, die durch die Lektüre der Lebensbeschreibung Teresa de Ávilas zum Katholizismus und später zum Eintritt in den Kölner Karmel veranlasst wird.

 

4 Kommentare:

  1. Von ihrer Jugendzeit wußte ich gar nichts, nur die Zeit der Ordensgründung und Schriftstellerin und Vordenker in in einem dunklen Zeitalter.
    Vielen Dank wieder für Dein Portrait.
    Liebe Grüße
    Nina

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  2. Von weiblichen Lichtgestalten in einer insgesamt sehr dunklen Zeit in Europa lese ich mit besonderem Interesse. Noch dazu, wenn sich eine Frau in einer von Männern dominierten Welt behaupten kann. Und zusätzlich auch noch in der so rigide geführten römisch-katholischen Kirche.
    Offensichtlich hat die seelisch und geistig nährende familiäre Umgebung Teresa so stark ins Leben wachsen lassen, dass sie mutig und forsch ihren so beeindruckenden Weg gehen konnte.
    Wie immer eine höchst lesenswerte und toll illustrierte Vorstellung einer großartigen Frau; eine Freude, ihren Spuren zu folgen! Dankeschön!
    Liebe Grüße, C Stern

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  3. Danke für das interessante Portrait und die Einbettung in die damalige Zeit! So ergibt sich immer wieder ein neues Bild.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  4. ich kenne ihren Namen
    viel mehr aber auch nicht
    danke dass du sie uns näher gebracht hast
    eine wirklich bemerkenswerte Frau
    liebe Grüße
    Rosi

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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