In meinem Kopf vermischt es sich immer wieder, die Erinnerung an den Club Torres de Ávila in Barcelona, von dessen Dachterrasse man eine spektakuläre Aussicht auf die Stadt hatte und dabei auch noch tanzen konnte, damals in unserem Urlaub, und die Kenntnis der Mystikerin & Heiligen, die auch eine Schutzpatronin Spaniens ist. Die Tatsache, dass ihr Todestag sich gestern zum 441. Male jährte, hat mich dann so angespitzt, dass ich mich mit ihr näher befasst und einen Post geschrieben habe über Teresa von Ávila.
Teresa von Ávila kommt am 28. März 1515 als Teresa Sanchéz de Cepeda y Ahumada in der kastilischen Stadt Ávila zur Welt. Ihre Mutter ist Beatriz Dávila y Ahumada, die ihren Mann im Alter von 14 Jahren, reich ausgestattet von ihrer alleinerziehenden Mutter, geheiratet hat. Mit 15 Jahren bekommt sie ihren ersten Sohn, Hernando. Beatriz stammt aus niedrigem altkastilischem Adel, der in seinem Wappen einen rauchenden Turm trägt, Zeichen für den Kampf ihrer Vorfahren gegen die Muslime. Im Welt- und Kulturverständnis des spanischen Siglo de oro kommt das einem Ritterschlag gleich und weist auf eine Zugehörigkeit zu den Mächtigen hin.
Teresas Vater hingegen, Don Alonso Sánchez de Cepeda, ist der Sohn des wohlhabenden sephardischen Kaufmannes Juan Sánchez aus Toledo. Der hat sich 1485, sieben Jahre bevor die Juden in Spanien vor die Wahl gestellt werden, zum Christentum zu konvertieren oder das Land zu verlassen, gemeinsam mit seinem Sohn Don Alonso taufen lassen. Doch auch danach ist die Familie, wie andere Marranen oder conversos, zahlreichen Repressionen ausgesetzt. Juan Sánchez erwirbt einen Adelstitel und wagt den Neuanfang in Ávila. Dort versucht die Familie, den vermeintlichen Makel ihrer jüdischen Abstammung abzulegen, auch durch entsprechende Eheschließungen, denn auch die erste Frau Don Alonsos, Catalina del Peso, ist keine Jüdin. Weder Teresa noch ihre Geschwister - zwei Schwestern und neun Brüder, darunter eine Halbschwester & ein Halbbruder - werden den "jüdisch belasteten" Nachnamen Sánchez übernehmen. Dennoch bleibt die soziale Sicherheit für die Familie brüchig: 1520 muss Don Alonso seinen Adelstitel sogar in einem Prozess verteidigen, was eine große Verunsicherung mit sich bringt. Von daher nicht verwunderlich, dass später sieben Brüder Teresas - Hernando, Antonio, Rodrigo, Lorenzo, Pedro, Jerónimo, und Agustín - in die "Neue Welt" auf der Suche nach neuen Ehren und Zugehörigkeiten aufbrechen werden.
Kloster Santa Teresa, 1636 an der Stelle des Geburtshauses der Teresa von Ávila eingeweiht |
Diese Zeit in der spanischen Geschichte, in die Teresa hineingeboren wird, gilt als das spanische "goldene Zeitalter". Unter dem König von Aragón, Ferdinand II., und Isabella I. - die 'Katholische' - gelingt die erfolgreiche Rückeroberung des Landes ( "Reconquista" ) von den muslimischen Mauren, zum anderen entdeckt Christoph Columbus 1492 Amerika und beschert dem Land großen Reichtum. Durch Ausweisung der jüdischen Bevölkerung im gleichen Jahr sowie die Ausweisung der Muslime 1502 soll das Land nun auch in religiöser Hinsicht geeint werden, so wie es in nationaler Hinsicht 1512 durch die Eroberung des Königreichs Navarra gelingen wird. Die Marranen bleiben ein gesellschaftliches Problem, denn sie werden seitens der praktizierenden und bekennenden Juden, aber auch von den "Altchristen" verachtet und gemieden: Man wirft ihnen vor, sich nur bekehrt zu haben, um sich Vorteile zu verschaffen, z.B. den Zugang zu angesehenen Ämtern, bzw. als Kryptojuden weiterhin jüdische Riten zu praktizieren. Um solche "Scheinbekehrte" zu entlarven, wird 1485 dann auch die berühmt-berüchtigte Inquisition installiert, was einen wirtschaftlichen und künstlerischen Aderlass sondergleichen zur Folge hat. Im Laufe der Zeit entwickelt sich die Inquisition allerdings auch zu "einem Instrument, das generell Häresien aufdecken und ausmerzen sollte". Die Conversos leben damals entweder als Außenseiter am Rande der spanischen Gesellschaft oder aber sie schaffen sich durch Literatur, Religiosität und Wissenschaft ein neues Leben. Vom kulturellen Niveau her ist Teresas Familie höchstwahrscheinlich ein einzigartiger Ausnahmefall in der kastilischen Gesellschaft und gehört zur letzteren Gruppe. Keiner in der Familie ist Analphabet, wie es in Spanien eher üblich ist in jener Zeit.
Juan García de Miranda "Educación de Santa Teresa" ( Ausschnitt; 1735 ) |
Giovanni Lorenzo Bernini "Die Verzückung der heiligen Teresa" (1645 bis 1652; Ausschnitte) |
"Der Schmerz, den ich empfand, als mich der Pfeil traf, war so stark, dass er mich Klagen ausstoßen ließ. Aber zugleich war die Zärtlichkeit, die dieser ungemein große Schmerz bei mir auslöst, so überwältigend, dass noch nicht einmal der Wunsch hochkommt, er möge vergehen, noch dass sich die Seele mit weniger begnügt als mit Gott", schreibt sie in ihrer Autobiografie zu dieser Erfahrung.
All diese Erlebnisse in ihrem Zusammenwirken bedingen, dass Teresa ihre bisherige klösterliche Praxis nach fast zwanzig Ordensjahren total in Frage stellt und ihre Sicht auf den Glauben erneuert. Bis dahin hat sie ein innerlich "höchst qualvolles Leben [geführt; Erg.d.mich ]… auf der einen Seite rief mich Gott, auf der anderen folgte ich der Welt". Sie wisse nicht, wie sie diesen Zustand überhaupt ausgehalten habe, wird sie später schreiben. Sie ist jetzt fast vierzig Jahre alt. Von nun an sieht sie ihre Aufgabe allein im inneren Beten. "Ich wollte leben, denn mir war klar, dass ich nicht lebte, sondern dass ich mit einem Schatten des Todes kämpfte und niemand da war, der mir das Leben gab."
"Wir sind keine Engel, sondern haben einen Leib. Uns zu Engeln aufschwingen zu wollen, während wir noch hier auf Erden leben, ist Unsinn. Vielmehr braucht das Denken im Normalfall etwas, was ihm Halt gibt."
Convento de San José Ávila |
"Wenn jemand mitten in geschäftlichen Angelegenheiten steckt, in Zeiten der Verfolgung und Prüfungen, wenn man nicht so viel Ruhe bewahren kann, und in anderen Zeiten der Trockenheit, ist Christus ein sehr guter Freund, weil wir ihn als Menschen betrachten und sehen Ihn mit Schwächen und Prüfungen – und Er ist unser Begleiter."
Sie vermag es nun auch, sich von den unnötigen und schrecklichen Ängsten vor dem Teufel zu befreien, mit denen die Gesellschaft sie von kleinauf belastet hat. Über die Teufel sagt sie jetzt: "Ich schenke ihnen nicht mehr Aufmerksamkeit als den Fliegen." Und: "Ich verstehe diese Ängste nicht: 'Der Teufel! Der Teufel!', wenn wir 'Gott! Gott!' sagen und den Teufel zum Zittern bringen können."
Auch die Inquisition ist nicht die Art von Dingen, die ihr Angst machen können. Als andere mit solchen Befürchtungen auf sie zukommen und sie warnen, schreibt sie darüber: "Das hat mich amüsiert und zum Lachen gebracht... "
Eine weitere Vertiefung ihrer spirituellen Erfahrung bringt ihr die sog. "Höllenvision" von 1560, deren Kern ein vertieftes Bewusstsein für das gratis geschenkte Erbarmen Gottes ist. Der Wunsch nach einem konsequenteren Leben, weg von Wohlstand, Bequemlichkeit & Prestigedenken, und die apostolische Begeisterung führt bei Teresa dazu, nach Art der descalzos ( dt.: Unbeschuhte ) einen neuen Orden des Karmel ( später Teresianischer Karmel genannt ) begründen zu wollen. Eine solche "Gründungssitzung" mit einigen Freundinnen und Verwandten findet im September 1560 in ihrer Klosterzelle statt.Mit Hilfe des Bischofs von Ávila, Álvaro de Mendoza, erhält sie von Papst Pius IV. schließlich die Erlaubnis, in Ávila ein eigenes Kloster zu gründen, in dem wieder die ursprüngliche Ordensregel der Karmeliter befolgt werden soll. Am 24. August 1562 eröffnet der Konvent San José in ihrer Heimatstadt seine Pforten.
Ihr eigenes Ordensideal mit ganz spezifischen Kriterien weicht aber vom damals vorherrschenden Reformideal anderer "Unbeschuhter" durchaus ab: Kern ihrer Vorstellungen sind Nächstenliebe, ein geschwisterlicher Lebensstil, Einübung ins Ich-Sterben ( Freiwerden vom Ego ) und vor allem Pflege einer intensiven Freundschaft mit Gott. Dem Ganzen soll die Demut – verstanden als ständiges Bemühen um Selbsterkenntnis – zugrunde liegen. Die "Descalzos" in Kastilien hingegen zeichnen sich durch Rigorismus aus, dessen Kennzeichen Bußübungen wie Selbstgeißelungen, extremes Fasten und totale Abstinenz sind. Damit erhofft man sich Gottes Gunst zu erwerben und zu erhalten.
Convento de las Carmelitas Descalzas de San José in Toledo |
Ab 1567 kann Teresa vier weitere Klöster nach den neuen Regeln eröffnen, darunter als drittes 1568 in Zusammenarbeit mit Doña Luisa de la Cerda das Kloster San José in Malagón und als fünftes das Kloster San José im ehemaligen Judenviertel von Toledo.
1568 lernt Teresa in Valladolid Juan de la Cruz kennen und gründet zusammen mit ihm weitere Reformklöster für Frauen und auch für Männer, so 1574 das Frauenkloster in Segovia. Insgesamt 15 Frauenklöster gehen auf ihr Wirken zurück, dazu 16 Männerklöster und eine Missionsstation. In ihrem Buch der Gründungen wird sie später darüber berichten.
1571 wird sie gegen ihren Willen zur Priorin ihres Stammklosters ernannt. Bald darauf holt sie Juan de la Cruz als Spiritual und Beichtvater in das inzwischen auf 200 Schwestern angewachsene Kloster. Sie ist ein Glücksfall für die ihr Anvertrauten, legt sie zwar Wert auf Tugend, aber nicht auf Strenge. Intrigen oder Eifersüchteleien mag sie gar nicht, aber auch keine Askese rund um die Uhr: Ihre Maxime: "Wenn Fasten, dann Fasten, wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn."
Von 1570 bis 1574 hält sich Teresa auch gerne im Karmeliterkloster von Salamanca, einem Zentrum der Gelehrsamkeit, auf. Im benachbarten Dominikanerkloster San Esteban findet sie einen Beichtvater, der sie zur Reform ihres Ordens ermutigt. Ihre Beichtväter müssen übrigens klug und gebildet sein und sie als gleichberechtigt akzeptieren. "Es ist kein kleines Kreuz, wenn man seinen Verstand jemandem unterordnen muss, der keinen hat. Ich habe das nie gekonnt und ich glaube auch nicht, dass es richtig wäre."
Pater Juan de la Miseria "Teresa de Jesús" (16. Jhrdt) |
Das Kloster ist auch ein Schutz vor der mysogynen Umgebung und gewährt den Frauen ein viel freieres Leben denn als Ehefrau:
"Seht Schwestern, aus welcher Untertänigkeit ihr euch befreit habt! Der Herr pflegt wahrlich und ohne Fehl einen anderen Umgang mit uns. Er macht sich zum Untergebenen und wünscht, dass ihr die Herren seid, und er sich nach eurem Willen richte."
Es sind dennoch harte Jahre, in denen sie ab ihrem 53. Lebensjahr auf den Landstraßen Kastiliens unterwegs ist und ein Kloster nach dem anderen gründet. Überall gibt es Konflikte mit weltlichen & geistlichen Würdenträgern und Teilen der jeweiligen Stadtbevölkerung, Anforderungen organisatorischer & diplomatischer Art und immer wieder finanzielle Nöte ( ihr Bruder Lorenzo unterstützt sie z.B. von Quito aus ).
Sie ist den extremen Wind- & Wetterverhältnissen in Spaniens Innern ausgesetzt, widrigen Transportmöglichkeiten und unzuverlässigen Helfern. Und das bei einer labilen Gesundheit und nie ganz verschwundenen Schmerzen. Teresa nimmt es mit Humor & Gottvertrauen: "Wenn der Herr will, dass ich etwas unternehme, gibt er mir gleich bessere Gesundheit."
Sie gerät zudem in die Auseinandersetzungen zwischen der römischen Kurie und dem Hof Philipps II., in die der Karmeliterorden in Spanien wegen unterschiedlicher Reformvorstellungen hineingezogen wird. Zwischen den Unbeschuhten und dem Stammorden kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen, deren Opfer dann Juan de la Cruz wir. Der wird im Dezember 1577 entführt und im Ordensgefängnis des Klosters in Toledo eingekerkert, wo er als "hartnäckiger Rebell" misshandelt und gedemütigt wird. Erst 1580 erfolgt die Anordnung von Papst Gregor XIII. zur Errichtung einer eigenen Ordensprovinz, die 1581 stattfindet und die Eigenständigkeit der Unbeschuhten Karmeliten anbahnt ( aber erst 1593 wird ein selbständiger Orden daraus ).
1577 verfasst Teresa "Die Seelenburg", das Buch von den "Wohnungen der inneren Burg", eine Anleitung zum geistlichen Weg am Beispiel von sieben Wohnungen in einer Burg, wo der Mensch durch Gottes Handeln zur Vollendung kommt. Das Buch wird ein Klassiker der Weltliteratur werden.
Als Teresa sich auf der Rückreise von Burgos, ihrer 15. und letzten Klostergründung für Frauen ( sechzehn für Männer gehen auch auf sie zurück ), befindet, wird sie von María Enríquez de Toledo, der Frau des Großherzogs Don Fernando III. Álvarez von Alba, gebeten, bei der Geburt ihres Enkelkindes durch die junge Herzogin von Alba beizustehen.Bei der Erhebung der Gebeine nach zwei Jahren ist ihr Körper unverwest. Teresa wird umgebettet in einen kostbaren Schrein in der Klosterkirche von Alba de Tormes, die nach ihrer Selig- und Heiligsprechung 1614 bzw. 1622 neu und größer gebaut wird, um die vielen Pilger aufnehmen zu können. Das Kloster ist bis heute einer der am meisten besuchten Wallfahrtsorte Spaniens. An Stelle ihres Geburtshauses in Ávila wird von 1629 bis 1636 von den Unbeschuhten Karmelitinnen das Kloster La Santa Teresa samt zugehöriger Kirche errichtet.
1617 wird Teresa de Ávila zur Schutzpatronin von Spanien, 1944 von Papst Pius XII. zur Patronin der Schachspieler und 1965 durch Papst Paul VI. zur Patronin der spanischen Schriftsteller erklärt. 1970 ernennt sie derselbe Papst als erste Frau in der Geschichte der katholischen Kirche zur Kirchenlehrerin.
In der christlichen Ikonographie wird Teresa von Ávila im braunen Habit der Unbeschuhten Karmelitinnen mit weißem Chormantel und schwarzem Schleier, mit den Attributen Buch und Feder, mit einem Herzen mit dem Christusmonogramm, mit Geißel, Dornen und Pfeil, mit der Taube des Heiligen Geistes dargestellt. Eine der berühmtesten Darstellungen ist die weiter oben gezeigte Marmorstatue Gian Lorenzo Berninis in der römischen Kirche Santa Maria della Vittoria. Aber es gibt unzählig viele andere Darstellungen der Mystikerin. Und es bleibt ihr literarisches Werk, das beeindruckende Aussagen enthält wie z.B. "Es gibt keine Sicherheit, solange wir leben." Und daher sollten wir aufhören, auf Erden anzustreben, vollkommen wie Engel zu werden.
Ich möchte hier noch einmal auf meinen Post über Edith Stein hinweisen, die durch die Lektüre der Lebensbeschreibung Teresa de Ávilas zum Katholizismus und später zum Eintritt in den Kölner Karmel veranlasst wird.
Von ihrer Jugendzeit wußte ich gar nichts, nur die Zeit der Ordensgründung und Schriftstellerin und Vordenker in in einem dunklen Zeitalter.
AntwortenLöschenVielen Dank wieder für Dein Portrait.
Liebe Grüße
Nina
Von weiblichen Lichtgestalten in einer insgesamt sehr dunklen Zeit in Europa lese ich mit besonderem Interesse. Noch dazu, wenn sich eine Frau in einer von Männern dominierten Welt behaupten kann. Und zusätzlich auch noch in der so rigide geführten römisch-katholischen Kirche.
AntwortenLöschenOffensichtlich hat die seelisch und geistig nährende familiäre Umgebung Teresa so stark ins Leben wachsen lassen, dass sie mutig und forsch ihren so beeindruckenden Weg gehen konnte.
Wie immer eine höchst lesenswerte und toll illustrierte Vorstellung einer großartigen Frau; eine Freude, ihren Spuren zu folgen! Dankeschön!
Liebe Grüße, C Stern
Danke für das interessante Portrait und die Einbettung in die damalige Zeit! So ergibt sich immer wieder ein neues Bild.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Andrea
ich kenne ihren Namen
AntwortenLöschenviel mehr aber auch nicht
danke dass du sie uns näher gebracht hast
eine wirklich bemerkenswerte Frau
liebe Grüße
Rosi