Von der heutigen Great Women hätte ich wohl auch nie gehört, wenn nicht das große Thema "Klimaerwärmung" ( berechtigterweise ) vielerorts erörtert würde. In diesem Zusammenhang gab es dann auch Hinweise, dass das Phänomen im 19. Jahrhundert entdeckt und vor der globalen Erwärmung gewarnt worden ist. Die erste Forscher- & Mahnerin von damals war eine Frau: Eunice Foote.
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Elisha & Eunice Foote |
Das junge Ehepaar lebt in Seneca Falls in Nachbarschaft zur befreundeten Frauenrechtlerin und Abolitionistin Elizabeth Cady Stanton.
Eunice wird von den Kongressteilnehmern auch als eine von Fünfen ausgewählt, die Erklärung des berühmten Abolitionisten Frederick Douglass per Druck zu veröffentlichen. Ihr späterer Schwiegersohn, John B. Henderson, wird dann die Verfassungsänderung einführen, die die Sklaverei verbietet.
Die wissenschaftliche Entwicklung verfolgt Eunice durch die regelmäßige Lektüre entsprechender Zeitschriften. So erfährt sie davon, dass Wissenschaftler daran forschen, die Rolle der atmosphärischen Bedingungen für die Temperatur auf der Erde zu klären. Und während Elisha untersucht, wie die Sonnenstrahlen verstärkt werden können, um vielleicht einen Warmwasserbereiter oder einen Ofen zu bauen, sucht Eunice herauszufinden, wie die Sonnenstrahlen auf verschiedene atmosphärische Gase wirken. Sie forschen zwar gemeinsam, aber sie veröffentlichen separat.
In einer Reihe von Experimenten isoliert Eunice als erstes die Gaskomponenten, aus denen die Atmosphäre besteht, und untersucht anschließend, welches Gas im Sonnenlicht am heißesten wird. Sie testet Wasserstoff, gewöhnliche Luft und CO2, die in diversen Glaszylindern mit je zwei Thermometern, um Messfehler auszuschließen, der Sonne zwecks Erhitzung ausgesetzt werden. Schon nach kurzer Zeit hat sich die normale Luft auf 100 Fahrenheit (37,8 Grad Celsius) erhitzt, während die Temperatur des CO2 sogar auf 120 Fahrenheit (49 Grad Celsius) geklettert ist. Es ist also das Kohlendioxid ( das Eunice Kohlensäuredampf nennt ), welches im geschlossenen Zylinder mehr Wärme einfängt und länger heiß bleibt als die anderen Gase bzw. zum Abkühlen in den Schatten gestellt, eine viel längere Zeit dafür benötigt.
Die Versuchsanordnung der Eunice Foote Source |
Aufgrund ihrer Beobachtung stellt Eunice die Hypothese auf, dass Kohlendioxid die Atmosphäre erwärmen und das Klima auf der Erde während der modernen Zeit beeinflussen könnte, wie es schon in früheren Erdzeitaltern der Fall gewesen ist ( schon zu Eunice Footes Zeiten vermuten manche Geologen, dass die Erde einst deutlich wärmere Phasen erlebt hat ).
"Ein Mehr dieses Gases in unserer Atmosphäre würde unserer Erde eine hohe Temperatur verleihen; und wenn sich, wie manche vermuten, die Luft zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Geschichte stärker damit vermischen würde als heute, muss eine erhöhte Temperatur notwendigerweise die Folge sein", schreibt Eunice in "Curcumstances Affecting the Heat of Sun's Rays".
Der Treibhauseffekt ist also erkannt! Allerdings ist es für Eunice Foote noch unvorstellbar, dass der Mensch die Atmosphäre beeinflussen könnte. Zu ihrer Zeit gibt es weder Benzin noch Autos...
Ein Scan von Eunice Footes Aufsatz ( zu deutsch: "Umstände, die die Hitze der Sonnenstrahlen beeinflussen" ) aus dem "American Journal of Science an Arts" |
Eunice wird auf der 8. Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science (AAAS) am 23. August 1856 in Albany, New York mit ihrem Papier zugelassen. Aber aus uns unbekannten Gründen, wahrscheinlich Regeln oder sozialen Normen der Gesellschaft, von deren Teilnahme Frauen ja nicht prinzipiell ausgeschlossen gewesen sind, werden ihre Erkenntnisse von einem Mann, dem Direktor der Smithsonian Institution, Joseph Henry, einem führenden Physiker der Zeit und Vorsitzender der Gesellschaft, vorgetragen und nicht von Eunice Foote selbst. Unmittelbar vor ihr hat ihr Mann seine Forschungsergebnisse selbst vortragen dürfen. Die damaligen Medien berichten übrigens über Frauen bei dieser Versammlung nur, wenn es sich um besonders schöne Frauen & Töchter der Teilnehmer handelt, nicht aber über weibliche "Member" der Gesellschaft.
Sollte Henrys Eingreifen ein Versuch gewesen sein, von Eunice und ihren Erkenntnissen sexistische Kritik abzuhalten? Oder hat er sie vor Gleichgültigkeit & Desinteresse schützen wollen? Immerhin ist dieser ein guter Freund der Footes. Aus seinen Notizen weiß man jedoch, dass er ihre Forschungsergebnisse in ihrer Bedeutung verworfen hat.
Für uns heute erstaunlich ist auch, dass die Feministin in Eunice diese Ungleichbehandlung einschließlich des gönnerhaften Lobs ( siehe Eingangszitat ) kommentarlos hinnimmt ( zumindest nach heutigem Wissenstand ist das so gewesen ). Immerhin hat sie ja selbst als eine der ersten die "Declaration of Sentiments" unterschrieben. In der wird die "absolute Tyrannei des Mannes über die Frau" beklagt, und die gipfelt in der Feststellung, der Mann habe sich "in jeder ihm möglichen Form bemüht, das Vertrauen der Frauen auf ihre eigenen Fähigkeiten zu zerstören und ihre Selbstachtung herabzusetzen".
Von links nach rechts: Eunice Foote, Joseph Henry, John Tyndall, Roger Revelle |
Im November des gleichen Jahres wird ein kurzer, eineinhalb Seiten langer Aufsatz Eunice's im "American Journal of Science and Arts" veröffentlicht. Eine Zusammenfassung ihrer Forschungsergebnisse durch David A. Wells liegt im Band des Jahres 1857 des "Annual of Scientific Discovery" vor. Fünf Jahre später erwähnt Wells ihre Erkenntnisse - ohne Namensnennung - auch in einem von ihm verfassten Geologie-Lehrbuch.
Selbst zwei europäische Zeitschriften geben Eunices Forschung, allerdings sehr verkürzt, wieder und eine Kolummne im "Scientific American" mit dem Titel "Scientific Ladies—Experimente mit kondensierten Gasen". Die ungenannte Autorin lobt darin, dass "die Experimente von Mrs. Foot[e] reichlich Beweise für die Fähigkeit von Frauen liefern, jedes Thema mit Originalität und Präzision zu untersuchen."
Dennoch gilt bis heute John Tyndall, ein irischer Naturwissenschaftler, als derjenige, der drei Jahre später, nämlich 1859, den Treibhauseffekt entdeckt hat. Hat Tyndall von Eunice Footes Forschungsergebnissen gewusst? Es bleibt unklar – obwohl er 1856 in derselben Zeitschrift wie sie einen Artikel, allerdings über Farbenblindheit, editiert hat.
Frauen in der Wissenschaft haben - und das ja nicht nur im 19. Jahrhundert - nicht die gleichen Chancen wie Männer. Und dann: Was interessiert schon eine amerikanische Amateurin - damals als "Naturphilosophin" etikettiert -, wenn Tyndall über eine angesehene wissenschaftliche Ausbildung nach europäischem Standard und Zugang zu Ausrüstung, Einrichtungen und anderen Experten verfügt? Sie hat ja nicht mal ihre Thesen beim AAAS-Meeting selbst präsentiert! Ein europäischer Forscher von Tyndalls Rang nimmt weder die seinerzeit noch junge amerikanische Wissenschaft, noch eine weibliche Wissenschaftlerin ernst.
Eunice's Arbeit mit Treibhausgasen kann die von Tyndall tatsächlich nicht ersetzen, der über ein hervorragend ausgestattetes Labor verfügt hat und dessen Arbeit als Ganzes heute für die Wissenschaft relevanter ist. Eunice Footes einfache Experimente sind aber der Schlüssel zum Verständnis der Klimawissenschaft und des Klimawandels, wie wir heute wissen.
Erst im November 1957, also fast genau 100 Jahre nach Eunice, greift der US-amerikanische Ozeanograph Roger Revelle in der "Hammond Times" das Thema wieder auf und warnt vor der Gefahr eines wachsenden Kohlendioxidgehalts in der Atmosphäre, falls die Menschen weiterhin ungehemmt Kohle, Öl und Erdgas verbrennen würden. Von ihm stammt auch der heutige Name der Gefahr: "Global warming."
Während von Adam Smith bis Karl Marx also die mit fossilen Brennstoffen betriebene industrielle Revolution als Weg ins irdische Paradies betrachtet wird, das die unsichtbare Hand des Marktes oder das goldene Zeitalter des Kommunismus schaffen würden, enthüllen die Experimente von Eunice Foote den fatalen Fehler, aus dem diese Träume gemacht sind, und die sich inzwischen tatsächlich zu einem Albtraum entwickelt haben, aus dem wir gerade erst zu erwachen beginnen.
1857 veröffentlicht sie noch einmal eine wissenschaftliche Arbeit in den "Proceedings of the American Association for the Advancement of Science " namens "On a New Source of Electrical Excitation", in der sie über ihre Messungen der statischen Elektrizität unter verschiedenen Bedingungen berichtet.
Nachdem sie diese Arbeit abgeschlossen hat, kümmert sie sich wieder um das Frauenwahlrecht und macht weitere Erfindungen. Es gibt drei Patente auf ihren Namen - neben den quietschfreien Schuhsohlen entwickelt sie u.a. eine Maschine zur Verbesserung der Papierherstellung - und es wird vermutet, dass sie auch an den Erfindungen ihres Ehemannes beteiligt gewesen ist. Bekannt ist auch, dass sie sich als Porträt- und Landschaftsmalerin betätigt hat. Ihre Vielseitigkeit trägt auch dazu bei, dass Eunice keinen Status als Expertin oder Koryphäe erreicht.
Eunice Foote stirbt am 30. September 1888, fünf Jahre nach ihrem Ehemann, mit 69 Jahren in Lenox, Berkshire County, Massachusetts und wird auf dem Green-Wood Cemetery in Brooklyn, New York, bestattet. Sie hinterlässt neben ihren zwei Töchtern sechs Enkel. Ihre wissenschaftliche Beiträge geraten sofort in Vergessenheit, so dass später andere – männliche – Wissenschaftler den Ruhm einheimsen können, den Treibhauseffekt entdeckt zu haben.
Erst 2010 stößt der pensionierte Geologe mit Schwerpunkt Erdöl Ray Sorenson zufällig auf ihre Texte. Er verfasst einen Beitrag im Online-Magazin "Search and Discovery" der American Association of Petroleum Geologists, der große Aufmerksamkeit erregt. Acht Jahre später findet an der University of California, Santa Barbara eine Ausstellung sowie eine Vorlesung zu Eunice Foote statt. Im Jahr ihres 200. Geburtstages findet ihre Entdeckung größeren Widerhall in den Medien weltweit. Inzwischen ist ihr Name als entscheidende Mitwirkende an der Klimaforschung bekannter, wenn auch noch nicht im gleichen Atemzug wie John Tyndall. Wie bei vielen Wissenschaftlerinnen, die von der Geschichte vergessen wurden, weist auch ihre Geschichte die subtilen Formen der Diskriminierung auf, die Frauen am Rande der Wissenschaft gehalten haben.
Liebe Astrid,
AntwortenLöschenja, wieder ein sehr interessanter vielschichtiger Beitrag. Das Thema aktueller denn je.
Eunice Foote war mir kein Begriff. Und wenn es nach vielen Männern gegangen wäre, wäre sie heute sicher noch sehr unbekannt.
Erschreckend, immer wieder, wie Frauen in allen Bereichen klein gehalten wurden (und werden), um das Ansehen der Männer zu verstärken.
Hoffen wir sehr, dass nach folgende Generationen das anders handhaben werden.
Vor 2 Wochen waren wir raus essen. Unser Tisch war in Hörweite neben einem, an dem 3 Männer saßen, zwei relativ junge, ein mittelalter. Anscheinend Börsenmakler. Ich konnte deren selbstgefällige und -gerechte Gespräche nicht mehr mit anhören und bat den Kellner um einen anderen Tisch.
Liebe Grüße
Claudia
Obwohl wir fachlich in dem Bereich studiert haben, haben wir noch nie etwas von Eunice Foote gehört. Wie gut, dass Ihr Name und ihre Arbeit wieder gewürdigt werden. Gut, dass sie wenigstens das Glück hatte, dass nicht auch noch ihr Ehemann sie in ihrem Werk geschmälert hat. Wäre ja durchaus üblich damals gewesen.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Andrea
Danke, liebe Astrid! Wieder einmal habe ich bislang Unbekanntes durch Dich erfahren, auch ich hatte bislang den Namen Eunice Foote noch nie gelesen oder gehört.
AntwortenLöschenDeinen Artikel zu lesen war ein bereicherndes Vergnügen.
Sei herzlichst gegrüßt
Elena
Eine sehr interessante Frauengeschichte wieder. Hier kann man ahnen, was alles für Ideen, Wissen und Forschung verloren gegangen und noch geht, wenn Frauen nicht auch "dabei sein können".
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Nina
Es ist doch immer wieder ärgerlich, wie diese Männerdominierte Welt, uns Frauen totschweigt. Im Hintergrund dürfen sie Strippen ziehen aber bloß nicht öffentlich machen.
AntwortenLöschenDie Kleidung, Bloomers, finde ich übrigens sehr ansprechend 😉
Liebe Grüße
Andrea
das war wieder sehr informativ
AntwortenLöschenund man kann sehen dass das Thema so neu gar nicht ist
es wurde nur geflissentlich übersehen :(
und als Frau wurde sie auch eher als Randfigur abgetan wie so oft
liebe Grüße
Rosi