Als Kind kannte ich Olivenbäume eigentlich nicht und brachte sie auch nicht mit den Ölbäumen in den Geschichten in der Bibel in Verbindung, die ich leidenschaftlich gerne im Religionsunterricht der Grundschule illustriert habe. Das sahen sie halt aus wie die Bäume, die ich kannte. Beim ersten Rombesuch haben sie mich irgendwie auch nicht interessiert, aber dann begannen sie mich auf allen Reisen in mediterrane Breiten zu faszinieren, und ich hab eigentlich viele Geschichten rund um Olivenbäume zu erzählen. Aber heute geht es mir nur um die Botanik.
"Gegen Abend kam die Taube zu ihm zurück
und siehe:
In ihrem Schnabel hatte sie
einen frischen Ölzweig.
Da wusste Noach, dass das Wasser
auf der Erde abgenommen hatte."
Genesis 8,11
Der Olivenbaum Olea europaea, eben auch Ölbaum genannt, gehört zu den ältesten Kulturpflanzen. Funde aus der Jungsteinzeit in Italien belegen, dass er seit dem 4. Jahrtausend vor unserer Zeit als Nutzpflanze angebaut wird, nicht nur im Mittelmeerraum, sondern auch im Nahen Osten und in Afrika. Fossile Funde von Blattabdrücken auf den Ascheablagerungen des einstigen Vulkans auf der heutigen Insel Santorin belegen, dass Olivenbäume schon vor 54.000 Jahren im Mittelmeerraum vorhanden waren.
Mit seinem silbergrauen Laub ist der Baum in unserer Vorstellung charakteristisch für den Mittelmeerraum und von starker Symbolik auch in anderer Hinsicht: Schon in der Antike stand Olivenlaub als Zeichen für den Frieden, wird, wie schon geschrieben, in der Bibel, aber auch im Koran erwähnt. Ein Olivenzweig ziert auch mehrere Landesflaggen, wie die von Zypern oder Eritrea. Im antiken Griechenland ist die Olive ein heiliger Baum gewesen und der Göttin Athene geweiht. In Olympia galt der Kranz aus Olivenzweigen einstens als höchste Auszeichnung.
Jahrtausende überdauert hat auch das älteste bekannte Exemplar seiner Art, ein 2.000 bis 4.000 Jahre Olivenbaum auf Kreta, so die Schätzung.
Die knorrigen Bäume aus der Gattung der Ölbäume (Olea) in der Familie der Ölbaumgewächse (Oleaceae) sind sehr langsamwüchsig und gelten als Kleinbaum, können im mediterranen Raum allerdings über die Jahrzehnte bis zu 20 Meter hoch werden. Wilde Exemplare sind aber kleiner als die Züchtungen. Die Bäume gedeihen nicht nur in trockenem Klima, sie haben auch keine großen Ansprüche an den Boden. Will man den Ertrag in seinem Olivenhain steigern, so werden die Bäume beschnitten, damit sie kleiner bleiben. Es heißt auch, dass je krummer und knorriger der Baum ist, desto reicher die Ernte.
So tolerant Olivenbäume gegen große Hitze sind, so empfindlich sind sie gegen Frost. Auf Minustemperaturen reagieren sie äußerst drastisch: Raue Winter können selbst alte Bäume vollständig vernichten. Davon wissen Olivenbauern in allen Ländern rund ums Mittelmeer zu berichten, denn dann waren oft die Existenzen der Menschen zerstört. Olivenbauern in Griechenland oder der Provence, mit denen wir ins Gespräch kamen, wussten immer genau zu erzählen, wann so eine Katastrophe in früheren Zeiten über ihre Vorfahren hereingebrochen ist.

Die glatte, silbrig-grüne Rinde der jungen Bäume verändert sich mit zunehmendem Alter zu einer rissigen Borke. Der Wuchs der Wurzeln hängt vom Boden ab. In lockerem Boden wächst die Wurzel nahezu senkrecht bis zu 7 Meter in die Erde. Auf felsigem Untergrund entwickeln sich die Wurzeln eher flach und bilden ein verzweigtes Netzwerk um den Stamm herum. Allgemein findet man die meisten Wurzeln, unabhängig von der Bodenbeschaffenheit, jedoch in etwa einem Meter Tiefe.
Das charakteristische Laub besteht aus schmalen, oberseits dunkelgrünen, unterseits silbriggrauen Blätter. Die schimmernde Farbe entsteht durch eine feine Behaarung, die die Wasserverdunstung des Baums reduziert und ihn so vor dem Austrocknen schützt. Die Blätter sind wechselständig und stehen an kurzen Stielen. Die Olive ist eine immergrüne Pflanze, was bedeutet, dass sie zu keiner Jahreszeit all ihre Blätter verliert, sondern mehrere Jahre alte Blätter unabhängig von der Jahreszeit abwirft.
Die traubenartigen gelblich - weißen Blüten an zwei bis vier Zentimeter langen Rispen erscheinen im Mai und verströmen einen zarten Duft, sind aber sonst eher unscheinbar. Oliven blühen zum ersten Mal, wenn der Baum mindestens vier bis sechs Jahre alt ist. Die Blüten werden übrigens vom Wind bestäubt, Fremdbestäubung erhöht allerdings den Ernteertrag. Mit zunehmendem Alter werden Olivenbäume ertragreicher - am ertragreichsten ist ein Olivenbaum nach etwa 20 Jahren - bringen aber nur jedes zweite Jahr eine gute Ernte. Diese findet je nach Gebiet ab Mitte Oktober, teilweise bis in den März statt.
In Griechenland, wo ich es selbst erlebt habe, verwendet man Netze, um die herabgefallenen oder herabgeschlagenen Oliven einzusammeln. Manchmal erntet man die Oliven auch durch Absägen ganzer Äste, von denen anschließend die Oliven maschinell abgeschlagen werden. Das Holz findet Verwendung als Brennholz. Die Olivenernte mit Erntemaschinen, vor allem in der Nacht, steht allerdings schon länger in der Kritik, weil dabei in den Bäumen nächtigende Zugvögel in die Maschinen geraten.
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Illustration aus "Köhler’s Medicinalpflanzen"
(1887) |
Die ersten Früchte entwickeln sich erst ab dem siebten Standjahr des Baumes. Genau genommen sind Oliven Steinobst, allerdings ist Olive nicht gleich Olive: Allein im Mittelmeerraum gibt es über tausend verschiedene Sorten. Die Farbe der unreifen Oliven ist grün, die der reifen schwarz oder violett/braun. 90 Prozent der Oliven werden zu Olivenöl gepresst.
Reif oder nicht, Oliven sind gesund, denn sie enthalten eine Vielzahl von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen und ungesättigten Fettsäuren. Schwarze Oliven haben mehr als doppelt so viele Kalorien wie die grünen. Aufgrund ihrer Zusammensetzung sind Oliven und das daraus gewonnene Öl ein Lebensmittel, welches Brustkrebs, Arterienverkalkung, Bluthochdruck und Herzinfarkt vorbeugen kann. Außerdem wirken Oliven entzündungshemmend. Die positiven gesundheitlichen Effekte wirken aber nur, wenn man das Öl nicht zu stark erhitzt, um die wertvollen Inhaltsstoffe nicht zu zerstören.
Aber nicht nur innerlich ist Olivenöl eine Wohltat für den Körper: Man verwendet es auch in der Kosmetik. Zum einen besteht es zu 85 Prozent aus essenziellen Fettsäuren, an denen es trockener Haut meist mangelt. Die Fettsäuren - speziell die im Olivenöl enthaltene Linolsäure - sind notwendig für den Aufbau der natürlichen Barriere, die die Haut vor dem Austrocknen schützt. Die größte Stärke liegt allerdings in der antioxidativen Wirkung des Olivenöls: Es enthält viel mehr als andere Öle Polyphenole, und Polyphenole sind starke Radikalfänger, die die Zellen schützen.
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Erinnerungen an die Olivenhaine im Luberon... |
Auch das Holz des Baumes wird genutzt und beispielsweise zu Küchenzubehör, Flöten und anderen Gegenständen verarbeitet. Selten werden auch sehr hochwertige Bodenbeläge oder Furniere aus Olivenholz hergestellt.
Olivenholz ist sehr fein und gleichmäßig gemasert. Diese Strukturen sind deutlich erkennbar und gleichmäßig verteilt. Dunklere Streifen gehören zum typischen Charakter dieses Holzes. Olivenholz ist eines der härtesten Hölzer, die wir in Europa haben. Es hat eine große Dichte, trocknet langsam, quillt im Wasser aber kaum auf. Die Biegsamkeit lässt dann aber auch zu wünschen übrig. Es besteht ein natürlicher Schutz gegen Schädlinge durch die besonderen Inhaltsstoffe des Holzes.
Und nun seid ihr wieder dran!
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