Als das Buch herauskam, welches sie berühmt gemacht hat, war ich grade elf. Gelesen habe ich es dann, als die Brigitte - Edition von Elke Heidenreich, die mit den roten Leinenbuchrücken, bei mir eingezogen ist, vierzig Jahre später. Es hat mich nicht kalt gelassen. Die Rede ist von "Die Wand" und der Autorin Marlen Haushofer.
"Ich schreibe nicht aus Freude am Schreiben;
es hat sich eben so für mich ergeben,
daß ich schreiben muß,
wenn ich nicht den Verstand verlieren will."
.....
"Keiner hütet die Moral strenger
als der heimliche Gesetzesbrecher."
Marlen Haushofer wird am 11. April 1920 in Frauenstein bei Molln in Oberösterreich geboren und am 12. April 1920 auf den Namen Marie Helene Frauendorfer getauft. Ihre Mutter ist Maria Leitner, 29 Jahre alt, eine ehemalige Kammerzofe einer der Gräfinnen Colloredo, ihr Vater Heinrich Frauendorfer, ein Revierförster, 31 Jahre alt.
Effertsbachtal CCO 1.0
Die Eltern haben im Jahr nach dem Ende des 1. Weltkrieges geheiratet und sich im Effertsbachtal angesiedelt.
Der Vater der Mutter ist ebenfalls Förster gewesen, in St. Ulrich bei Steyr. Nach dem Abschluss einer Hauswirtschaftsschule ist Maria Leitner in den Dienst besagter Gräfin eingetreten und hat mit ihr zahlreiche Reisen nach Frankreich und Italien unternommen, wo sie sogar an einer Papstaudienz teilgenommen hat. Sie ist tiefreligiös bis an die Grenze der Bigotterie, streng, legt Wert auf Etikette. Ihre Dünkelhaftigkeit kommt bei den Talbewohnern an, als ob sie sich "für was Besseres hält", und ihre scharfe Zunge ist gefürchtet. Mit Tatkraft & Zielstrebigkeit setzt sie ihre erworbenen Kenntnisse in Küche & Haushalt um. Ihre eigenen Kindheitserfahrungen sind geprägt von einer sanften Mutter wie einem tyrannischen Vater.
Heinrich Frauendorfer hingegen, aus Steyr stammend, wird als ruhiger, ausgeglichener und humorvoller Mann beschrieben, der bei seinen Untergebenen als auch bei den Talbewohnern ausserordentlich beliebt gewesen ist und eine Respektsperson, missbraucht er doch nicht seine Macht und verhandelt bei Holzverkäufen oder Wildschäden korrekt mit den Bauern. Dennoch weist er Widersprüche auf, z.B. ist er gerne Familienmensch & Gastgeber, hält sich aber am liebsten tagelang fern von allen Menschen, alleine mit seinem Hund im Wald. Seine Tochter wird als einzigen Makel später literarisch seinen Jähzorn vermerken.
Gegenüber der aufmüpfigen Tochter greift er nicht zu den Disziplinierungsmaßnahmen, die sich die Mutter von ihm wünscht. Marlen meidet die Sphäre der Küche und will partout kein "Pflichtmensch" wie diese werden, am liebsten sowieso ein Mann. Das Mädchen ist eher ungebärdig und widerspenstig.
Den Rufnahmen Marlen erhält es nach seinem Lieblingsmärchen "Marleenken und der Machandelbaum" der Gebrüder Grimm, mit dessen Protagonistin sie sich identifiziert. Mit vier Jahren bekommt Marlen noch einen Bruder, Rudolf, der später ein angesehener österreichischer Forstwissenschafter & Uni-Rektor werden wird.
Die ersten zehn Jahre ihres Lebens verbringt das lebhafte Kind in dem engen Tal am Fuße des Sengsengebirges in fünfhundert Metern Höhe, in das von November bis März kein Sonnenstrahl fällt. Das stattliche Forsthaus wird zeitlebens für sie der Inbegriff eines Zuhauses und kindlicher Geborgenheit sein. Marlen ist eine Einser-Schülerin. In der Klasse gilt sie als rätselhaft, bald lustig und zu jedem Streich aufgelegt, dann aber auch wieder reserviert gegenüber ihren Mitschülern.
Nach dieser Zeit wird sie dem Internat der Klosterschule der Ursulinen in Linz überstellt. Die gilt als die beste und vornehmste Mädchenschule Oberösterreichs. Das gesamte Erwerbseinkommen des Vaters wird durch die Schulkosten aufgezehrt. Der Familie bleibt nur der Ertrag der dem Forsthaus angeschlossenen Kleinlandwirtschaft, den die Mutter mit äußerster Sparsamkeit verwaltet.
Für Marlen bedeutet es fortan ein streng reglementiertes Leben hinter Klostermauern, eine Art von Verbannung. Mit zwölf kriegt sie die Motten, wie die Tuberkulose in Österreich genannt wird, und muss eine Klasse wiederholen. Später wird sie schreiben, dass sie bis zu ihrem 14. Lebensjahr ein todunglücklicher Mensch gewesen sei. Sie wird schließlich aus der Schule genommen und besucht eine öffentliche Schule, nachdem die Klosterschule von den Nazis geschlossen wird. Am 18. März 1939 legt sie an dieser 2. Oberschule für Mädchen in Linz die Matura ab.
Anschließend meldet sie sich zum Reichsarbeitsdienst (RAD; siehe auch dieser Post ). Aber anders als Sybil Gräfin Schönfeldt empfindet Marlen ihren Einsatz im ostpreußischen Christburg bei Elbing als schöne und abenteuerliche Zeit fernab der strengen familialen bzw. schulischen Obhut. Auch kann sie ihre Tüchtigkeit beweisen, die ihr immer als behütetes & kränkliches Kind abgesprochen worden ist. "Der Drill des Lagerlebens verhalf Marlen zu mehr Selbständigkeit, während sich das nationalsozialistische Erziehungsprinzip der Abhärtung mit ihrem Wunsch nach Bewährung deckte." ( Quelle hier )
Fremd bleiben ihr die "Siedler", bei denen sie arbeitet, erlebt sie sie doch als schmutzig & unhygienisch, "verschlossen und wortkarg und dabei furchtbar jähzornig und heftig". Einmal wird sie von einem betrunkenen Mann bedrängt und sie haut ihm letztendlich mit der Faust die Nase blutig. Es sieht so aus, als ob dadurch Marlens ohnehin nicht besonders positives Männerbild verstärkt wird. Besser gefällt ihr der Medizinstudent Gert Mörth aus Dortmund, den sie bei seinem Ernteeinsatz trifft, mit dem sie sich endlich kultiviert unterhalten kann und der sie nett & anständig behandelt.
Mit Beginn der Polenoffensive am 1. September 1939 wird ihr RAD-Lager geräumt, und die Mädchen werden nach Hause geschickt. Wieder in Österreich soll eigentlich ein Germanistik- und Kunststudium aufgenommen werden, durchaus befürwortet vom Vater, der Marlens Wunsch nach einem Besuch einer Gartenbauschule für seine gut ausgebildete Tochter "absurd" findet. Doch diese zeigt alle Anzeichen einer Depression, entdeckt sie doch, dass ihr Zuhause nicht mehr das Paradies ihrer Kindheit ist - eine einschneidende Erkenntnis für die 19jährige! Sie verliert dadurch ihre Lebendigkeit.
Im Januar 1940 nimmt sie schließlich das Studium in Wien auf. Ihre Wohnverhältnisse sind eher nicht zufriedenstellend, aber ihr sozialer Umgang und die Vorteile der Großstadt wiegen das auf. Voraussetzung für das Studium ist, dass Marlen dem NSD, dem Studentenbund der NSDAP, beitritt. In ihrer Freizeit liest sie allerdings verfemte Autoren wie Thomas Mann oder Franz Werfel und besucht immer wieder katholische Predigten – private Akte des Widerstands gegen ein Regime, das ihr widerstrebt.
Auch Gert Mörth besucht sie, kommt schließlich selbst im Oktober zum Studium nach Wien. Man verlobt sich und er wird der Familie in Frauenstein vorgestellt. Im Dezember 1940 bemerkt Marlen, dass sie schwanger ist. Daraufhin beendet sie die Beziehung zu dem jungen Mann aus Gründen, die bisher eher Vermutungen bleiben. Sie wird später aber immer wieder davon schreiben, dass etwas in ihr abgestorben, verschüttet und ihr Grundvertrauen in das Leben zerstört worden sei.
Für ein streng katholisch erzogenes Mädchen vom Lande ist zu dieser Zeit eine uneheliche Schwangerschaft eine Katastrophe. Marlen weiht auch ihre Eltern nicht ein, weil die es für ein absolute, unerträgliche Schande halten würden. Mit Gert Mörth, der 1941 Wien verlässt, regelt sie vertraglich eine Unterhaltszahlung, geht weiter ihrem Studium nach und scheint sich rein äußerlich auf die Tatsache, Mutter zu werden, nicht einzustellen.
Manfred Haushofer (1940)
Wie der Zufall so will, lernt Marlen in der Straßenbahn einen jungen Uniformierten kennen, der in Wien als Sanitätsunteroffizier der Luftwaffe Medizin studiert. Marlen verliebt sich, legt ihm in einem Brief ihre Situation dar. Als darauf keine Reaktion erfolgt, nimmt eine Freundin die Sache in die Hand. Jener junge Mann ist Manfred Haushofer, drei Jahre älter, vaterlos aufgewachsen und bereits als Volksschullehrer ausgebildet. Er hat Marlens Brief nicht erhalten, bekennt sich nach der Aufklärung durch ihre Freundin dennoch zu ihr, nimmt schließlich die junge ledige Mutter zur Frau und wird ihr solcherart ein bürgerliches Leben auferlegen.
Am 30. Juli 1941 bringt Marlen in einem Entbindungsheim im bayrischen Pähl im sogenannten Pfaffenwinkel Christian Georg Heinrich zu Welt. Die Mutter einer Freundin hat sie zuvor in ihrem Haus in Herrsching am Ammersee aufgenommen und wird dem kleinen Jungen in den nächsten Jahren eine Ziehmutter sein.
Am 11. November 1941 heiraten Marlen Frauendorfer und Manfred Haushofer auf dem Standesamt Molln. Eine kirchliche Trauung findet in der Pfarrkirche von Frauenstein statt. Nach kurzem Heiratsurlaub in Graz bei Manfreds Mutter fahren die Frischvermählten nach Prag, wohin der Ehemann zuvor versetzt worden ist. Anfang des nächsten Jahres erfolgt eine Versetzung nach Krems, im April nach Wien, wo Marlen ihr Studium wieder aufnimmt. Die Betreuung des Sohnes und das Studium erscheinen der jungen Frau nach wie vor unvereinbar, und sie lässt das Kind in Bayern. Im Sommer 1942 ist sie erneut schwanger. Am 27. März 1943 kommt der zweite Sohn, Manfred, in Wels, rund 40 Kilometer von Elternwohnort Effertsbach, zur Welt.
Haushofer, durch eine Herzmuskelentzündung lebensbedrohlich erkrankt, wird in jenen Tagen dienstunfähig, und so lebt die junge Familie weitgehend in Effertsbach, bevor sie im Winter 1943/44 in eine kleine Wohnung in Graz ziehen. Den Säugling lassen sie im sichereren Umfeld auf dem Lande bei den Großeltern. Marlen studiert weiter und beginnt mit einer Dissertation, ihr Mann wird kurz vor Kriegsende zum Doktor der Medizin promoviert. Als die Sowjetrussen sich Graz nähern, fliehen sie auf ihren Rädern zu Marlens Eltern. In der Nachschau bleibt diese Zeit recht verklärt: Marlens Blick beschränkt sich rein auf ihre Privatsphäre, auch in ihren späteren Romanen. Für Kriegswirren und den faschistischen Wahn ist kaum Platz - eventuell eine Art Selbstschutz, um das alles zu überstehen.
Nachdem die Briten das Mandat in der Steiermark übernommen haben, zieht die junge Familie wieder nach Graz. Im Herbst 1945 wird auch der erste Sohn Christian nach Österreich geholt, verbleibt aber bei den Großeltern. Willkommen ist er seiner sittenstrengen Großmutter allerdings nicht, da ein "Fehltritt", und er vermisst die Geborgenheit seiner ersten Jahre. Zudem wird der Junge in Unkenntnis gelassen, dass Manfred Haushofer nicht sein Vater ist und eine beiderseitige Distanz wird stets spürbar bleiben. Von der Geschwisterkonkurrenz ganz zu schweigen... ( Christian wird erst nach dem Tode seiner Mutter von seiner wahren Herkunft erfahren. )
In Graz beginnt der Ehemann seine zahnärztliche Fachausbildung. Marlen hält der kleine Sohn davon ab, ihr Studium weiterzuführen und ihre Doktorarbeit, die auf der Flucht aus Graz verloren gegangen ist, wieder aufzunehmen. Dafür fängt sie mit der Schriftstellerei an. Märchen & Kurzgeschichten, in Zeitungen veröffentlicht, bessern das Familienbudget auf. Über ihre literarischen Anfänge sagt sie später:
"Geschrieben hab‘ ich von meinem achten Jahr an bis zu meinem neunzehnten nur so für mich, Geschichten, Gedichte und sehr merkwürdige Romankapitel, die ich leider, wie so vieles aus dieser Zeit, verloren hab‘. Während des Krieges dann keine Zeile. Erst 1946 hab‘ ich wieder angefangen, und diesmal mit der Absicht, meine Geschichten anzubieten." ( Quelle hier )
Leharstr. 7 in Steyr
Als ihr Ehemann nach Ende seiner Facharztausbildung im Jahre 1947 eine Stelle als ärztlicher Leiter des Zahnambulatoriums der Krankenkasse in Steyr erhält, kommt seine Familie erst nach, als eine grössere Dienstwohnung an der Leharstr. 7 zur Verfügung steht.
Auch Christian, der schulpflichtig wird, wird dazu geholt und erhält den Nachnamen Haushofer, ohne je adoptiert zu werden, aber um Gerüchte zu verhindern. Äußerlich eine wohlgeordnete bürgerliche Existenz, ist die Beziehung zwischen den Eheleuten durch Streitereien geprägt. Nach Auffassung Marlens hat der Krieg ihren Mann zum Negativen verändert.
Im Laufe der Zeit geht ihr ihre Rolle im "Treusorgende-Mutter-und-Gattin-Spiel" auf die Nerven. Sie fühlt sich deplatziert, "traurig und leer". Als ruhender Pol der Familie zu funktionieren, raubt ihr viel Energie, und die ständigen Konflikte zwischen ihren Söhnen machen es nicht leichter. Sie kann auch nicht erkennen, dass die Schulprobleme ihres Ältesten ein Hilferuf sind, ist doch der Vater ablehnend und die Mutter dem Jüngeren zugetan. Zudem entwickelt Manfred Haushofer sich zum Weiberer...
Marlen sucht nun Anschluss an die literarischen Kreise im ca.150 Kilometer entfernten Wien. Hermann Hakel, Lyriker, Erzähler und Übersetzer, damals Lektor des Österreichischen P.E.N. Clubs, vermittelt ihre Erzählung "Für eine vergessliche Zwillingsschwester" an die Wiener Arbeiter-Zeitung, ein sozialistisches Parteiorgan. In seiner eigenen Zeitschrift "Lynkeus" publiziert er 1949 ihre Erzählungen "Das Morgenrot" sowie "Der Staatsfeind".
Zu Hermann Hakels Kreis gehören u.a. die Autorinnen Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger, Hertha Kräftner, Christine Busta und Friederike Mayröcker. Marlen selbst beginnt mit Hakel eine intensive Beziehung. Für ihn ist sie nicht kompliziert, sondern wird von ihm als "die helle Frau aus den dunklen Wäldern" empfunden, die ihn, den Juden mit traumatischen Erfahrungen, umsorgt und erheitert. Sie wiederum reizt der totale Gegensatz "zum bürgerlichen Spiessertum einer Zahnarztgattin" in der oberösterreichischen Provinz.
Von links nach rechts: Hermann Hakel, Marlen Haushofer, Hans Weigel
Das Schreiben wird für Marlen immer wichtig, während sich die Situation in ihrer Ehe aufgrund der stadtbekannten Affären ihres Mannes zuspitzt. Sie ist dreißig Jahre alt, als sie einen Ausbruchsversuch wagt und sich im Juni 1950 von Manfred Haushofer scheiden lässt. Von dieser Trennung weiß niemand, auch nicht der Sohn Manfred ( er wird erst Jahre später durch Mitschüler davon erfahren ).
Doch weder sie noch Manfred Haushofer ziehen aus der gemeinsamen Wohnung aus. Es scheint, als ob Marlen ihrem Ex-Mann Rücksichtnahme und Unterstützung auf seinem beruflichen Weg zu schulden glaubt, auch weil er im gleichen Jahr eine Zahnarztpraxis gegenüber der Stadtpfarrkirche in der Altstadt Steyrs eröffnet. Sie versorgt weiterhin den Haushalt und betreut die Kinder, als wäre nichts passiert und zieht auch mit in neue Wohnungen, zuletzt in eine über der Praxis gelegene.
Im Herbst des gleichen Jahres erhält Marlen eine Postkarte von Hans Weigel, der Schlüsselfigur des österreichischen Kulturbetriebs der Nachkriegszeit, mit der Aufforderung, ihm Texte zu schicken. Als Weigel im Jahr darauf für den Jungbrunnen-Verlag die Herausgabe einer Reihe mit Namen "Junge österreichische Autoren" übernimmt, fordert er Marlen auf, ihm einen Text im Umfang von fünfzig Seiten vorzulegen. Es wird die Novelle "Das fünfte Jahr", welche dem Titel entsprechend ein Jahr im Heranwachsen eines Kindes namens Marili in nüchterner Nähe beschreibt. Damit gelingt ihr 1952 ein erster Erfolg, als sie den kleinen Österreichischen Staatspreis, Förderpreis des Unterrichtsministeriums, erhält. Dieser Preis verleiht ihr die Legitimität, sich Zeit für ihr "Hobby" zu nehmen. Entgegen nehmen kann sie ihn nicht, denn ein Neuausbruch ihrer Tuberkulose zwingt sie ins Spitalbett für länger.
Weigel rät ihr aber auch von der Veröffentlichung zweier weiterer Romane ab. Innerlich hadert sie mit seiner Kritik. Auch an ihrer häuslichen Situation leidet sie - Manfred Haushofer hat nun eine Beziehung zu seiner Ordinationshilfe, die zudem Marlens Freundin ist. Generell reagiert die Schriftstellerin sehr zwiegespalten. Eine Depression ist 1952/53 die Folge, die sie mit einer Therapie beim legendären Wiener Psychiater Viktor Frankl angeht. Ihren schwierigen Sohn gibt sie in ein Internat in Steyr, zieht probeweise nach Wien, wo sie viel Zeit mit Hakel verbringt, aber auch Weigel trifft, was für die beiden "Schutzherren der jungen österreichischen Literatur" - auf der literarischen Bühne ohnehin miteinander in Nebenbuhlerschaft - ein Problem ist.
Sie schreibt "Eine Handvoll Leben", die Geschichte einer Frau, die aus ihrem Leben aussteigt. Ihr selbst misslingt der Ausbruchsversuch und sie bleibt bei ihrem Ex-Mann wohnen, wohl auch, um ihn nicht finanziell zu belasten. Gleichzeitig gerät sie zwischen die Fronten des Wiener Literaturbetriebes, indem sie nicht Partei ergreift, weder für Hakel noch Weigel, in einem von diesen ausgetragenen Konflikt. Dafür geht sie nun ein Liebesverhältnis mit ihrem Kollegen Reinhard Federmann ein, der als ständig verschuldeter Familienvater unter grossem Existenzdruck steht und auf Dauer sich nicht von seiner Frau trennen will.
1954 wird sie eingeladen, an der Tagung der Gruppe 47 in Italien aus ihrem bis dato noch unveröffentlichten Roman zu lesen. Zu dieser Reise kommt es jedoch nicht – vielleicht ein Grund dafür, dass "'die Haushofer’ auch heute noch so gar nicht als Zeitgenossin von 'der Bachmann’ wahr- und ernstgenommen" werde, meint Daniela Strigl in ihrer Biografie von 2000.
"Marlen Haushofer fühlte sich in ihrer familiären Situation gefangen, was sicherlich auch etwas mit dem Modell der bürgerlichen Familie aus den fünfziger Jahren zu tun hatte. Es galt ganz selbstverständlich der Besitzstand des Mannes. Marlens Unmut diesen gesellschaftlichen Regeln gegenüber äusserte sich deutlich in ihren Geschichten. In 'Wir töten Stella' legt der Ehemann und notorische Ehebrecher Wert darauf, den Urlaub mit seiner Frau zu verbringen und nach aussen alles zu vermeiden, was nach „schlampigen“ Zuständen aussehen könnte. 'Als innerlicher Anarchist, schätzt er nach aussen hin die Ordnung und Genauigkeit. Keiner hütet die Moral strenger als der heimliche Gesetzesbrecher.' ", heißt es auf ihrer Website.
Ihre Umgebung hält sie für eine freundliche, bürgerliche Frau; ihre literarischen Werke zeigen sie als Feministin und Männerfeindin. Tarnung sei eines ihrer Talente, heißt es an der gleichen Stelle, sie habe nicht ihr wahres Wesen offenbart, habe aber auch über keine Kämpfernatur verfügt. Welche Funktion das Schreiben für sie hat, belegt das Eingangszitat.
Ihr erster Roman, von Zsolnay verlegt, verschafft Marlen vielfältige Reaktionen der Anerkennung im deutschsprachigen Raum.
Zeit für ihr Schreiben zu finden ist nach wie vor mühselig, obwohl die Söhne mehr oder weniger aus dem Haus sind ( der Jüngste in einem Internat ). Sie pflegt Kontakte zu zwei ebenfalls schriftstellernden Freundinnen und ihren inzwischen in Steyr lebenden Eltern und muss sich mit der eher prekären finanziellen Situation in ihrem gemeinschaftlichen Haushalt herumschlagen.
1955 nimmt sie an einem Novellen-Preisausschreiben des Bertelsmann Verlags teil mit ihrem Werk "Wir morden Stella", was nicht prämiert und damit nicht herausgegeben wird. Stattdessen erscheint 1957 ihr zweiter Roman "Die Tapetentür" bei Zsolnay. "Wir töten Stella" kommt hingegen im Jahr darauf bei einem kleinen Verlag heraus. Es wird heute zu den Meisterwerken der Schriftstellerin gezählt. Tatsächlich wird es 1963 mit dem Arthur Schnitzler-Preis ausgezeichnet.
Physisch wie psychisch geht es der fast Vierzigjährigen nicht gut: zu hoher Blutdruck, chronisches Fieber, Anämie, dazu das Bewusstsein, dass andere österreichische Talente wie Ingeborg Bachmann längst den Durchbruch geschafft haben und internationales Renommé genießen - sie bleibt "Försterstochter, Zahnarztgattin, Hausfrau. Weder ihre biedere äussere Erscheinung noch ihr umgangssprachlicher Briefstil verrieten etwas von einer Künstlernatur." Auch mit den Männern steht es schlecht: Die Beziehung zu Federmann geht in die Brüche, Haushofer leidet zunehmend unter seiner Herzerkrankung. Im Februar 1958 heiratet Marlen ihn ein zweites Mal. Lapidarer Kommentar gegenüber einer Freundin: "Du kannst in Steyr nicht geschieden sein".
Auch zieht sie sich aus diversen Gründen aus der Wiener Literaturszene zurück.
1960 zieht sie mit ihrem Mann in ein Zweifamilienhaus im Steyrer Taborweg. Dort hat sie Licht, Luft & Ruhe, zumal ihr Jüngster seinen Militärdienst ableisten muss. Sie macht sich endlich an ihr inzwischen bekanntestes Werk:
"Der Stoff zur Wand muss immer schon da gewesen sein. Ich habe ihn mehrere Jahre herumgetragen, aber ich habe mir nicht einmal Notizen gemacht (…). Ich habe auch mit niemandem darüber gesprochen" , verrät sie später in einem Interview.
Nachmittags schreibt sie nun zwei, drei Stunden, ansonsten führt sie ein bürgerliches Leben mit sommerlichen Vergnügungen wie Swimmingpool und Grill, aber auch am liebsten unbehelligt von den Nachbarn. Sie schreibt mit der Hand in Schreibhefte, fünf an der Zahl am Ende, die sie - nun abgetippt - schließlich an Hans Weigel übergeben wird, in der Annahme, dass es ihm nicht gefallen wird. Doch der ist begeistert. Sie selbst meint später in einem Interview: "Ich glaube nicht, dass mir ein solcher Wurf noch einmal gelingen wird, weil man einen derartigen Stoff wahrscheinlich nur einmal im Leben findet."
Die Ich-Erzählerin des Romans "Die Wand", eine Frau von vierzig Jahren, reist mit ihrer Cousine und deren Ehemann an einem Wochenende zu einer Jagdhütte im Gebirge. Das Ehepaar besucht noch am Abend eine im Tal gelegene Gaststätte. Weil sie sie morgens vermisst, macht sich die Erzählerin auf die Suche nach ihnen. Doch am Ausgang der Schlucht stößt sie bzw. der sie begleitende Hund auf eine undurchdringliche gläserne Wand. Jenseits davon kann sie noch einen Mann entdecken, der im Tal an einem Brunnen Wasser schöpft, aber wie versteinert wirkt. Sie muss realisieren, dass sie von der übrigen, erstarrten Welt abgeschieden ist. Nach und nach richtet sie sich in ihrer Isolation ein, ernährt sich von den Früchten des Waldes und ihres Gartens, kümmert sich um die Tiere, die nach und nach auftauchen und entwickelt eine immer größere Distanz zu ihrem früheren Leben. Nachdem sie drei Winter überstanden hat, taucht ein Mann auf, der das Kalb erschlägt, das die zugelaufene Kuh geboren hat, ebenso ihren Hund. Daraufhin erschießt sie den Mann mit einem Gewehr aus ihrer Hütte. Das Ende der Geschichte bleibt offen.
Jagdhaus "Lacken" Vorbild für die Hütte im Roman
Das Buch erscheint 1962 nicht mehr bei Zsolnay, sondern im Sigbert Mohn - Verlag in Gütersloh. Die Reaktion der Kritiker 1964 ist durchaus zwiegespalten: Grenzenlose Begeisterung und strikte Ablehnung halten sich die Waage.
Elke Heidenreich, in deren Sammlung ich es ja kennengelernt habe, meint: "Wenn mich jemand nach den zehn wichtigsten Büchern in meinem Leben fragen würde, dann gehörte dieses auf jeden Fall dazu." Andere urteilen, das sei "altbackenes SF-Brot aus dem österreichischen Winkel (…) Zäh isst es sich und lange und schmeckt nach Erde... ."
Trotz großer Beachtung in den Medien wird der Roman kein Verkaufserfolg, ist aber das meist rezipierte Buch der Autorin unter ihrer Leserschaft, da es diverse Interpretationen möglich macht. Marlen selbst meint dazu, es sei ein seelischer Zustand im Buch geschildert, der plötzlich nach außen sichtbar wird.
Immerhin erhält sie für diesen Roman 1963 den Arthur-Schnitzler-Preis.
In der Folgezeit erscheinen von Haushofer zwei "leichtgewichtigere" Bücher: "Bartls Abenteuer" (1964), das erste von insgesamt fünf Kinderbüchern, und "Brav sein ist schwer" (1965), das sehr bald ein österreichischer Kinderbuchklassiker werden wird. Für die Autorin ist dieses Genre leicht zu schreiben und sichert ihr ein regelmässiges Einkommen. Ihr Förderer Hans Weigel ist nicht angetan.
Unterdessen ist auch Marlens jüngster Sohn zum Medizinstudium nach Wien aufgebrochen, der ältere strebt eine Ehe an und auf dem zweiten Bildungsweg ein Studium. Marlen hingegen ist gesundheitlich labil, arbeitet aber an einem Buch über ihre Kindheit, wie es ihr Weigel vorgeschlagen hat. Die erste Fassung dieses Kindheitsromans trägt zunächst noch den Titel "Das Haus".
Während ihrer Arbeit an ihren Erinnerungen bleibt das Spannungsverhältnis zwischen dem literarischen Schaffen und den familiären Verpflichtungen weiter bestehen. Der Umgang mit den Söhnen wie mit dem Ehemann gestaltet sich nach wie vor sehr distanziert - Interesse an ihren Büchern ist nicht vorhanden: "Wenn sie Geld einbringen, werden sie ernst genommen, da braucht man sie aber nicht mehr zu lesen."
Auch die Beziehung zu den eigenen Eltern wird zunehmend belastend. 1965, findet Marlen, sei ein abscheuliches Jahr gewesen.
Noch im Januar 1966 wird ihr die Gebärmutter entfernt. Doch sie kann weiter an ihren Erzählungen über ihre Kindheit arbeiten, so dass das Buch unter dem Titel "Himmel, der nirgendwo endet" mit der Widmung "Für meinen Bruder" noch im Frühjahr herausgebracht werden kann. Für die Autorin ist es ihr "liebstes Kind" ( alle anderen sind "verstossene Bücher" ). Auch das Lesepublikum lobt seinen unprätentiösen Stil und die tiefe, innere Wahrheit. Ein neuer Erzählband lässt sich nur sehr zäh an:
"Eigentlich kann ich nur leben, wenn ich schreibe u. da ich derzeit nicht schreibe fühle ich mich versumpft u. ekelhaft. Werde Kinderbuch machen, besser als garnichts. Sehe dass die Erzählungen wahnsinnig depressiv u. hoffnungslos sind, dabei in einer halbwegs guten Zeit geschrieben in der ich mich ’stark‘ fühlte! Kein Mensch wird das lesen wollen... " (Quelle hier )
Nach einem Verlagswechsel zu Claassen kommt 1968 der Erzählband unter dem Titel "Schreckliche Treue" heraus. Die Sammlung stößt auf ein breiteres Interesse als Marlens Kindheitserinnerungen. Ihr wird sogar zum zweiten Mal der "Kleine österreichische Staatspreis" zugesprochen. Bei den größeren Preisen ihres Landes geht sie jedoch immer wieder leer aus.
Zuvor hat sie eine vermutlich letzte unbeschwerte Reise mit drei Freundinnen nach Rom, mit beachtlichem Besichtigungspensum, unternommen. Dabei macht sich immer stärker ein ziehender Schmerz in der Hüfte bemerkbar, den sie bis dahin ignoriert hat. Untersuchungen ergeben nichts Auffälliges.
Einen deutlichen Popularitätsschub verschafft ihr eine Wiederauflage von "Die Wand", jetzt beim Claasen Verlag, vor allem auch weil ihre Freundin Elfriede Ott daraus im Rundfunk vorliest. Sie wird nun als öffentliche Person wahrgenommen und erhält zahlreiche Zuschriften. Ein zweiter Rom-Besuch mit ihrem Ehemann, gesundheitlich ebenfalls sehr angeschlagen, gerät zur Strapaze. Auch eine Reise mit einer Freundin im Herbst nach Florenz wird überschattet durch die Hüftschmerzen. Zurück in Steyr stellt ein Facharzt Knochenkrebs fest. Marlen unterzieht sich einer Therapie und arbeitet gleichzeitig mit eiserner Disziplin an der Fertigstellung des Romans "Die Mansarde". Hans Weigel lässt Marlen schließlich in eine Wiener Privatklinik bringen. Im Januar 1969 kann sie ihrem Verlag das fertige Manuskript zukommen lassen. Eine Veröffentlichung zieht sich wegen diverser strittiger Punkte hin.
Neben der Chemotherapie wird der 48jährigen eine Strahlentherapie verordnet. Inwieweit ihre Familie von der Aussichtslosigkeit der Erkrankung weiß und sie mit der Information verschont, ist nicht bekannt. Marlen selbst tritt in der Klinik diszipliniert, ja gar unbekümmert im Gespräch auf.
Ihre Freunde fahren gegenüber dem Ehemann die Strategie der Nicht-Information, damit dieser nicht allzu oft zu Besuch nach Wien kommt. Doch der weiß Bescheid und beschreitet seinerseits ungebrochen den Weg des Verschweigens & Verdrängens. Marlene selbst sorgt sich wiederum mehr um ihn und seine Herzkrankheit.
Auch in der Todesnähe greift wieder das Stillschweigen und das Verdrängen als Verhaltensmaxime der Marlen Haushofer. Echte Nähe, echter Austausch scheint für sie nie eine Option gewesen zu sein. Es bleibt aber auch die Vermutung, dass die Verdrängung des privaten Traumas auf kollektiver Ebene in der fehlenden Auseinandersetzung mit den Geschehnissen unter dem Naziregime zu sehen ist.
Nach 34 Bestrahlungen zieht sich die Autorin im März 1969 zunächst ins Haus eines Onkels in Wien zurück. Währenddessen muss ihr Mann in Steyr umziehen, in eine Neubauwohnung mit dünnen Wänden und lebhaften Kindern in der Wohnung darüber. Als sie Ostern dorthin zurückkehrt, gewöhnt sie sich nur schwer. Trotz Schmerzen & Benommenheit nimmt sie ein eher harmloses Theaterstück in Angriff, vom Partnertausch zweier Freundinnen handelnd. Weigel ist eher entsetzt. Also verfasst sie ein weiteres Kinderbuch: "Schlimmsein ist auch kein Vergnügen".
Gleichzeitig besucht sie jeden Nachmittag ihren Vater im Spital, der einen Schlaganfall erlitten hat. Die Verleihung des Staatspreises im Wiener Unterrichtsministerium ist ein einziger Lichtblick, denn auch eine weitere Chemotherapie setzt ihr auch äußerlich sichtbar zu. Mit ihrem Ehemann verreist sie im Sommer noch einmal an den Gardasee. Ihren Gesundheitszustand spielt sie gegenüber anderen immer wieder herunter.
Am 6. März des Jahres 1970 wird Marlen Haushofer wieder in die Wiener Privatklinik eingeliefert, wegen unerträglicher Schmerzen. Die Ärzte entscheiden sich vier Tage später für eine Operation des Rückenmarks, um die die Hüfte versorgenden Nerven zu durchtrennen und die Schmerzen zu unterbrechen. Die Operation misslingt, und eine Infektion führt zur Gehirnhautentzündung. Schließlich fällt sie ins Koma.
Drei Wochen vor ihrem 50. Geburtstag stirbt die Schriftstellerin am 21. März 1970 im Beisein ihres Bruders, während Ehemann & Söhne draußen warten. Schon fünf Tage später wird sie auf dem Wiener Zentralfriedhof eingeäschert. Das Begräbnis findet dann im kleinen Kreis in Steyr statt. Ihren Freund Oskar Jan Tauschinski, ein Schriftsteller & Übersetzer mit polnischen Wurzeln, hat sie als ihren Nachlassverwalter bestimmt. Ein Teil dieses Nachlasses befindet sich seit 2003 im StifterHaus – Zentrum für Literatur und Sprache in Oberösterreich.
In ihrem "Für eine vergessliche Zwillingsschwester: Nachruf zu Lebzeiten " hat sie bereits in den 1960er Jahren geschrieben:
"Marlen Haushofer, meine Zwillingsschwester, hat sich zu einem langen Schlaf zurückgezogen und wir wollen ihn diesem schlafsüchtigen Wesen von Herzen gönnen. Da sie nichts von ihrem Glück weiss, wird sie es ja kaum geniessen können." Sie meint aber auch: "Es muß einmal gesagt werden, Marlen Haushofer hätte es weiter bringen können."
Noch am 26. Februar 1970 hat sie einen letzten Text verfasst, der als ihr literarisches Testament gilt:
"Mach Dir keine Sorgen - alles wird vergebens gewesen sein - wie bei allen Menschen vor Dir. Eine völlig normale Geschichte."
CC BY-ND 3.0
Tauschinski wird über ihr Werk sagen, Marlen Haushofer gehöre zu jenen Schriftstellern, deren wichtigster Lebensabschnitt die Kindheit war. "Dass alles Erwachsensein für sie nur melancholisches Weitermachen, nur das Rotieren eines in Schwung versetzten Kreisels (…) zu sein scheint".
Die Autorin bleibt lange unterschätzt. Als Schreibende am Küchentisch ist sie so etwas wie die Gegenfigur zu Ingeborg Bachmann, der Weltbürgerin und "Diva assoluta" der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur. Marlens Potenzial als Kritikerin des Patriarchats, als feministische Ikone fällt erst der Frauenbewegung auf, als 1983 der Roman neu aufgelegt wird. Zu Marlens Lebzeiten ist das Bedrohliche in ihren Werken in den Buchbesprechungen gar nicht thematisiert worden. Auch die Aufmachung ihrer Bücher - oft weichgezeichnete, schöne Mädchen auf dem Cover - signalisieren "Frauenliteratur", und ihre literaturhistorische Bedeutung wird von ihren Verlagen stets außer Acht gelassen.
Inzwischen gehört "Die Wand" zum Kanon der österreichischen Nachkriegsliteratur, und ihre Novelle "Wir töten Stella" gar zur Lektüre im Deutschunterricht österreichischer Schulen. Ihre Biografin Daniela Strigl hält "Die Wand" für "die wohl radikalste Phantasie" weiblicher Selbstbestimmung. Die Verfilmung des Romans 2010/11 mit Martina Gedeck - fünf Jahre später von "Wir töten Stella" mit der gleichen Schauspielerin - sind sicher ein weiterer Schub in Richtung Bekanntheitsgrad für die damals bereits vierzig Jahre tote Schriftstellerin. Erst vor zwei Jahren sieht sich der Ullstein Verlag veranlasst, eine erste Werkausgabe herauszubringen. Schon im Jahr darauf steht diese auf Platz 1 der ORF-Bestenliste.
Die Stadt Steyr hat bisher nur einen Weg am Stadtrand in wenig rühmlicher Lage nach ihr benannt und eine Gedenktafel an der Wohnung der 1950er Jahre anbringen lassen.
Zum Schluss wieder die Sammlung der von mir porträtierten Frauen,
Im Deutschunterricht in Bayern darauf aufmerksam gemacht, habe ich die Wand als Teenager gelesen. Und fand das Buch so unterschwellig bedrohlich, dass es mich lange verfolgt hat. Und ich recht lange nichts mehr von Marlen Haushofer gelesen habe. Über die Autorin selbst wusste ich bisher wenig. Danke für die Horizonterweiterung. Liebe Grüße, heike
Als ich "Die Wand" gelesen habe, war ich ca. 20 Jahre alt und gerade von zuhause ausgezogen. Ich empfand es als außerordentliches Buch und war aufgewühlt und verunsichert, diese Gefühle erinnere ich sehr. Es war unheimlich mit der Protagonistin allein in ihrer Welt zu sein. Auch der Schuß hat großen Eindruck auf mich gemacht... Über sie als Frau und Schriftstellerin wusste ich wenig und freue mich, heute bei Dir über sie soviel zu erfahren. Nun verstehe ich auch, wie sie dazu kam, solch ein Buch zu schreiben. Wieder mal eine beeindruckende Frau mit einem Leben in Zeitläuften, die niemandem gut getan haben. Herzlichst und Danke von, Sieglinde P.S. Wer ist Sybille Haushofer? Eine Tochter hatte sie ja nicht, ist es ihre Enkelin?
In Wien gibt es immerhin auch einen (kurzen) Marlen-Haushofer-Weg in einem Neubauviertel. Danke, dass du ihr einen so ausführlichen Beitrag gewidmet hast! Ich habe außer "die Wand" nichts von ihr gelesen und fand es ebenfalls eher beunruhigend. alles Liebe
Irgendwie macht mir die Biographie von Marlen Haushofer absolut keine Lust, etwas von ihr zu lesen. Fast kommt es mir vor, als wäre da wirklich zwischen ihr und ihrer Umwelt eine Glaswand gewesen... Liebe Grüße Andrea
Mit dem Buch "Die Wand" konnte ich - nach 1990, vorher gab es das bei uns wohl nicht - absolut nicht warm werden. Über die Autorin wuszte ich bis heute so gut wie nicht - danke dafür! Es verlockt aber auch mich nicht zu weiterer Lektüre. Magnolienblütengrüsze (jetzt gehts auch hier los) Mascha
Ich weiß gar nicht recht, wo ich anfangen soll – dein Porträt von Marlen Haushofer hat mich tief bewegt. So viel Leben, so viel Widersprüchlichkeit, Verletzlichkeit, Kraft und Stille… Ich habe es mit offenem Herzen gelesen, Satz für Satz, fast ehrfürchtig.
„Die Wand“ war auch für mich eine Art Schlüsselerlebnis – ein Buch, das einen nicht loslässt, das leise ist und gleichzeitig unendlich laut. Und was du über ihre Biografie erzählst, lässt vieles, was in diesem Roman mitschwingt, noch greifbarer werden: die Enge, das Abgeschnittensein, die Abkehr von der Welt – und gleichzeitig diese unerschütterliche Selbstbehauptung im Kleinen, im Alltäglichen, im Überleben. Und wie du sie uns nahebringst, so liebevoll und genau, macht das alles noch intensiver.
Ich habe oft das Gefühl, dass Marlen Haushofer im Schatten steht – zu still, zu leise für den großen Literaturzirkus. Und gleichzeitig ist da eine Radikalität in ihrem Schreiben, die kaum jemand erreicht. Vielleicht weil sie nie laut sein wollte, sondern wahr.
Danke, dass du sie wieder in die Sichtbarkeit holst. Und danke für deine Worte, die selbst wie ein literarisches Denkmal sind – zärtlich, klug, aufrichtig. Ich nehme sie mit.
In großer Verbundenheit und mit stiller Bewunderung
Du schreibst es, lieber Tom: Sie ist leise, aber auch so radikal in der Beschreibung der Erfahrung der Realität jener Zeit, so abgeschlossen von ihrer Lenbendigkeit als Kind. Ich lese & schreibe gerade zu einer Frau, die 30 Jahre vorher auch in die Situation einer unehelichen Schwangerschaft gekommen ist und bei der alles weniger rigide verläuft. Ich denke, dass das Denken in der Zeit des Nationalsozialismus sich enorm verhärtet hat und sehr wirkmächtig gewesen ist. Ich kann mich an ähnliche Geschichten mit unglücklichen Wendungen in meiner Kindheit nach dem Krieg erinnern. Schön finde ich, dass du wahrscheinlich Landschaft und Orte so viel besser kennst als ich... LG
Ich weiß noch, dass der Titel "die Wand" immer vorrätig war damals in meiner Ausbildung. Ich war damals zu jung und konnte zu der Zeit nicht so viel damit anfangen. Als noch Teen.... Aber viele ältere Kundinnen fanden sich wieder. Ein schwieriges Leben hat sie gelebt Liebe Grüße Nina
ich kannte einiges von ihr, "die wand" war auch für mich angstauslösend. was für eine starke schriftstellerin, es berührt mich, dieses leben. soviel ungelebtes, erstickt in konventionen. danke liebe astrid, für diesen text. herzlichen gruß, roswitha
Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst! Ich setze allerdings voraus, dass am Ende eines anonymen - also von jemandem ohne Google- oder sonstigem Blog -Account geposteten - Kommentars ein Name steht. Gehässige, beleidigende, verleumderische bzw. vom Thema abweichende Kommentare werde ich nicht veröffentlichen.
Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass dieser und die personenbezogenen Daten, die mit ihm verbunden sind (z.B. User- oder Klarname, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.
Im Deutschunterricht in Bayern darauf aufmerksam gemacht, habe ich die Wand als Teenager gelesen. Und fand das Buch so unterschwellig bedrohlich, dass es mich lange verfolgt hat. Und ich recht lange nichts mehr von Marlen Haushofer gelesen habe. Über die Autorin selbst wusste ich bisher wenig. Danke für die Horizonterweiterung.
AntwortenLöschenLiebe Grüße, heike
Als ich "Die Wand" gelesen habe, war ich ca. 20 Jahre alt und gerade von zuhause ausgezogen. Ich empfand es als außerordentliches Buch und war aufgewühlt und verunsichert, diese Gefühle erinnere ich sehr. Es war unheimlich mit der Protagonistin allein in ihrer Welt zu sein. Auch der Schuß hat großen Eindruck auf mich gemacht...
AntwortenLöschenÜber sie als Frau und Schriftstellerin wusste ich wenig und freue mich, heute bei Dir über sie soviel zu erfahren.
Nun verstehe ich auch, wie sie dazu kam, solch ein Buch zu schreiben.
Wieder mal eine beeindruckende Frau mit einem Leben in Zeitläuften, die niemandem gut getan haben.
Herzlichst und Danke von,
Sieglinde
P.S. Wer ist Sybille Haushofer? Eine Tochter hatte sie ja nicht, ist es ihre Enkelin?
Das ist die Witwe von Sohn Manfred Haushofer, Nachlassverwalterin der Schriftstellerin
LöschenLG
In Wien gibt es immerhin auch einen (kurzen) Marlen-Haushofer-Weg in einem Neubauviertel. Danke, dass du ihr einen so ausführlichen Beitrag gewidmet hast! Ich habe außer "die Wand" nichts von ihr gelesen und fand es ebenfalls eher beunruhigend.
AntwortenLöschenalles Liebe
Irgendwie macht mir die Biographie von Marlen Haushofer absolut keine Lust, etwas von ihr zu lesen. Fast kommt es mir vor, als wäre da wirklich zwischen ihr und ihrer Umwelt eine Glaswand gewesen...
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Andrea
Mit dem Buch "Die Wand" konnte ich - nach 1990, vorher gab es das bei uns wohl nicht - absolut nicht warm werden. Über die Autorin wuszte ich bis heute so gut wie nicht - danke dafür!
AntwortenLöschenEs verlockt aber auch mich nicht zu weiterer Lektüre.
Magnolienblütengrüsze (jetzt gehts auch hier los)
Mascha
Ich weiß gar nicht recht, wo ich anfangen soll – dein Porträt von Marlen Haushofer hat mich tief bewegt. So viel Leben, so viel Widersprüchlichkeit, Verletzlichkeit, Kraft und Stille… Ich habe es mit offenem Herzen gelesen, Satz für Satz, fast ehrfürchtig.
AntwortenLöschen„Die Wand“ war auch für mich eine Art Schlüsselerlebnis – ein Buch, das einen nicht loslässt, das leise ist und gleichzeitig unendlich laut. Und was du über ihre Biografie erzählst, lässt vieles, was in diesem Roman mitschwingt, noch greifbarer werden: die Enge, das Abgeschnittensein, die Abkehr von der Welt – und gleichzeitig diese unerschütterliche Selbstbehauptung im Kleinen, im Alltäglichen, im Überleben. Und wie du sie uns nahebringst, so liebevoll und genau, macht das alles noch intensiver.
Ich habe oft das Gefühl, dass Marlen Haushofer im Schatten steht – zu still, zu leise für den großen Literaturzirkus. Und gleichzeitig ist da eine Radikalität in ihrem Schreiben, die kaum jemand erreicht. Vielleicht weil sie nie laut sein wollte, sondern wahr.
Danke, dass du sie wieder in die Sichtbarkeit holst. Und danke für deine Worte, die selbst wie ein literarisches Denkmal sind – zärtlich, klug, aufrichtig. Ich nehme sie mit.
In großer Verbundenheit und mit stiller Bewunderung
Du schreibst es, lieber Tom: Sie ist leise, aber auch so radikal in der Beschreibung der Erfahrung der Realität jener Zeit, so abgeschlossen von ihrer Lenbendigkeit als Kind.
LöschenIch lese & schreibe gerade zu einer Frau, die 30 Jahre vorher auch in die Situation einer unehelichen Schwangerschaft gekommen ist und bei der alles weniger rigide verläuft. Ich denke, dass das Denken in der Zeit des Nationalsozialismus sich enorm verhärtet hat und sehr wirkmächtig gewesen ist. Ich kann mich an ähnliche Geschichten mit unglücklichen Wendungen in meiner Kindheit nach dem Krieg erinnern.
Schön finde ich, dass du wahrscheinlich Landschaft und Orte so viel besser kennst als ich...
LG
Ich weiß noch, dass der Titel "die Wand" immer vorrätig war damals in meiner Ausbildung. Ich war damals zu jung und konnte zu der Zeit nicht so viel damit anfangen. Als noch Teen.... Aber viele ältere Kundinnen fanden sich wieder.
AntwortenLöschenEin schwieriges Leben hat sie gelebt
Liebe Grüße
Nina
ich kannte einiges von ihr, "die wand" war auch für mich angstauslösend. was für eine starke schriftstellerin, es berührt mich, dieses leben. soviel ungelebtes, erstickt in konventionen. danke liebe astrid, für diesen text. herzlichen gruß, roswitha
AntwortenLöschen