"Eine Frau, die spricht,
scheint unabhängig vom Inhalt des Gesagten
immer noch ein diskussionswürdiges Phänomen
zu sein"
Sarah Bosetti
Das hat doch gerade vor einem Monat die Virologin Sandra Ciesek in einem Interview mit dem "Spiegel" erfahren müssen, die ab September im NDR im Wechsel mit Christian Drosten im Podcast "Coronavirus-Update" auftritt. Dass es so ist, auch im Jahr einhunderteins der verfassungsmäßig verbrieften "grundsätzlichen Gleichberechtigung" von Frau & Mann in unserem Land, kann einen fast tagtäglich aufregen. Ich habe für mich schließlich einen anderen Weg gewählt:
Ich erinnere in meinem Blog jeden Donnerstag ( mit Ausnahme des monatsletzten ) an Frauen durch die Jahrhunderte, die ihrer Selbst bewusst ihren Weg gegangen sind, sich um das Zusammenleben in der Gemeinschaft im Großen wie im Kleinen gekümmert und damit die Gleichwertigkeit der Geschlechter bewiesen haben. Der casus knacksus: Über sie wurde stets der Mantel des Schweigens geworfen!
Da ist zum Beispiel die impressionistische Malerin Berthe Morisot, die zu ihrer Zeit sehr viel erfolgreicher beim Verkauf ihrer Gemälde war als ihre uns heute noch besser bekannten Impressionisten - Kollegen. Doch die Kunstgeschichte um die Wende zum 20. Jahrhundert hat sie einfach "rausgeschrieben". Oder Sibylle Mertens - Schaaffhausen: Zu ihren Lebzeiten eine renommierte Antikenkennerin & -sammlerin und Archäologin ( und mehr ), haben ihre Kinder ihre Sammlungen in alle Welt zerstreut und ihren Namen ausgelöscht, weil sie mit ihrer Lebensführung nicht einverstanden waren. Da ist die Naturwissenschaftlerin Rosalind Franklin, die die DNA - Doppel - Helix 1953 entdeckt hat. Doch ihre Meriten heimsten ihre Forscherkollegen Crick, Watson und Wilkins 1962 ein, indem sie den Nobelpreis dafür bekamen. Da sind solche Frauen wie die Mathematikerin, Physikerin, Philosophin und Übersetzerin der frühen Aufklärung Émilie du Châtelet, die Journalistin & Kriegsreporterin Martha Gellhorn, ihre Kollegin Milena Jesenská, die Autorin Elisabeth Hauptmann, die Malerin Lee Krasner oder die Bildhauerin Camille Claudel, deren Name meist nur "überlebt" hat als Fußnote in der Lebensgeschichte ihrer berühmten Partner. Da gibt es Frauen wie Charlotte Perriand, die Designerin, oder die Fotografin Lucia Moholy, deren Urheberschaft an Möbeln oder Fotos fast lebenslang "gestohlen" worden ist, die Physikerin Marietta Blau, deren Beitrag zur Kernphysik bis nach ihrem Tod unterschlagen wurde. Und wenn frau sich weit zurück in die Geschichte begibt, trifft sie immer auf Frauen, die das Leben der Menschen mitgestaltet haben, auch wenn sie oft nur als Manövriermasse in der Heiratspolitik ihrer Familien eingesetzt worden sind, um vorteilhafte Allianzen zu schmieden. Wir müssen feststellen, wie unsere ganz eigene Emanzipationsgeschichte zum Beispiel im Geschichtsunterricht unter den Tisch fällt und wir keine Ahnung von den maßgeblichen Frauen haben. Den Frauen im deutschen Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime ist lange Ähnliches widerfahren...
Irgendwann hat sich bei mir der Eindruck verschärft: Frauen haben immer wichtige Rollen gespielt, auch außerhalb der drei Ks. Nur geredet wurde und wird darüber nicht. Aber dadurch, dass ich mich aktiv an sie erinnere, stärkt das von Mal zu Mal mein Selbstbewusstsein und macht sich auch in meinem Auftreten bemerkbar, wenn mal wieder ein männliches Gegenüber in "mansplaining" verfällt oder sich sonstwie herablassend äußert. Meine Nichte fragte mich unlängst, ob ich nicht deswegen üble Kommentare bekomme wie bei anderen Themen in meinem Blog. Nein, das Gegenteil ist der Fall: Ganz viel Zuspruch von vielen Stillen Leser*innen, die sich darüber freuen, von ihnen bis dahin meist unbekannten Frauen zu erfahren.
Nun ist das ja nicht meine alleinige Idee: Zum Glück gibt es inzwischen viele Initiativen, die sich dem entgegenstellen. An vorderster Stelle steht wahrscheinlich die FemBio - Website, von Luise F. Pusch seit 1982 aufgebaut und die heute über 30.000 Datensätze über Frauen umfasst. Als letzte Social-Media-Initiative habe ich bei Twitter den Account "Die Geschichtsdolmetscherin" entdeckt bzw. Hinweise auf die Podcast - Serie "HerStory".
Nun ruft die Monacensia im Hildebrandhaus, das Literaturarchiv der Stadt München sowie Forschungsbibliothek zur deren Geschichte und deren kulturellen Lebens zu einer Blogparade "Frauen und Erinnerungskultur #femaleheritage" vom 11. November bis zum 9. Dezember dieses Jahres auf, aus dem Wunsch heraus "Frauen in der Erinnerungskultur präsenter machen und das Bewusstsein für ihr Werk und ihr Wirken stärken".
"Da simmer dabei! Dat is prima!", sagt da auch die Kölnerin mit vielfältigem Bezug zu München und nutzt die Gelegenheit, auf die eigene Sammlung von inzwischen 239 Frauenporträts ( darunter zehn Münchnerinnen, 14 Kölnerinnen, 25 Berlinerinnen, 17 Wienerinnen und viele mehr ) hinzuweisen.
Viel Freude beim Neu- und Wiederentdecken!
Frau Nr. 240 wird morgen porträtiert und die hat im Münchner Kulturleben einmal eine wichtige Rolle gespielt und ist schließlich auch in der Stadt gestorben.