Freitag, 4. Juli 2025

Friday - Flowerday #27/25


Heute ein floristisches Kontrastprogramm
zu den Arrangements in den zurückliegenden Wochen,
die immer aus heimischen Sommerblumen bestanden haben.


Heute also eher exotisch mit Japanrosen
( die ich eigentlich nicht mag, auch nicht den Geruch )...


... und vor allem der großen, lachsfarbenen Anthurienblüte.


Dazu gab es einen Bambuszweig aus meinem Garten
Stängel mit den Fruchtständen des Johanniskrautes.


Ich hatte Lust auf die Vasen in intensivem Lila,
die schon länger im Keller stillhalten mussten.


Mit den heutigen Blumen verbinde ich
ein paar virtuelle Glückwünsche in Richtung Zürich,
wo Tochter Numero Zwei ihren Geburi begehen kann.

Alles, alles Gute, liebe St.!
Mach dir hüt kei Stress, das chasch morn wieder mache. ...

Allen Freundinnen der Freitagsblümchen
ein angenehmes Sommerwochenende!
💜lich

                                                    

Und hier geht's lang zur Verlinkung:

You are invited to the Inlinkz link party!

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Donnerstag, 3. Juli 2025

Great Women #422: Syrie Maugham

Nach einem Monat Juni mit lauter traurig-bedrückenden Frauenschicksalen war mir nach etwas mehr Leichtigkeit zumute. Schönes Wohnen & Design verkörpern das für mich. Deshalb kam mir ganz gelegen, dass Syrie Maugham dieser Tage ihren 146. Geburtstag hat  - Grund genug, ihr mal einen Blogpost zu widmen...
 

"Eliminate! That's one of the secrets of a stylish interior." 

Syrie Maugham kommt also am 10. Juli 1879 als Gwendoline Maud Syrie Barnardo in Hackney, Middlesex, Greater London, in einer streng religiösen und wohlhabenden Familie zur Welt. Sie ist das vierte Kind ihrer Mutter Sarah Louise "Syrie" Elmslie, 37 Jahre alt, und ihres Vaters Thomas John Barnardo, die schon drei Söhne haben. Ein weiterer Bruder kommt 1886, die einzige Schwester, Marjorie, 1894 dazu. 

Der 34jährige Vater ist in Dublin geboren, wohin wiederum sein Vater, ein Kürschner sephardisch-jüdischer Abstammung, zuvor aus Hamburg eingewandert ist und sich dort in zweiter Ehe mit einer Engländerin verheiratet hat. Die ist Mitglied der Plymouth Brethren, einer freikirchlichen Bruderschaft, die im frühen 19. Jahrhundert in Dublin entstanden und in Plymouth in England begründet worden ist. Die Bibel ist für die Mitglieder die einzige Autorität für kirchliche Lehre und Praxis und demzufolge gibt es keine Liturgie, keine Gottesdienstordnung und keine Geistlichen. 

Auch Thomas Barnardo schließt sich mit 17 Jahren den Plymouth Brethren an und gründet 1870 die Kinderhilfsorganisation, die noch heute seinen Namen trägt und die ihn zu einem viel beachteten viktorianischen Sozialreformer machen wird. Für Slumkinder im Londoner East End schafft er Heime, nachdem er zuvor dort bereits die Armenschule "Hope Place" eingerichtet hat. Eigentlich hat er am London Hospital studiert, diese Ausbildung jedoch nicht abgeschlossen, führt allerdings den Doktortitel in seinem Namen.

1901
Syries Mutter ist die Tochter eines - ebenfalls philanthropisch eingestellten - Versicherungsagenten bei Lloyd's, sie teilt also das Interesse ihres Mannes an Evangelisation und Sozialarbeit. Nach der Heirat im Juni 1873 lassen sie sich in der Mossford Lodge in Barkingside, Essex nieder, die er gepachtet hat, um dort ein Heim für heimatlose Mädchen zu gründen, die von seiner Frau als Haus-, Küchenmädchen, Köchinnen oder Wäscherinnen ausgebildet werden sollen. 

Pünktlichkeit, Pflichtbewusstsein und Gehorsam sind von den Eltern hoch geschätzte Erziehungsziele, die tägliche Bibellektüre ist obligatorisch, Selbstverleugnung wird von den Kindern erwartet, Alkohol, Rauchen und Theaterbesuche sind strikt untersagt. Das Familiendomizil ist jedoch recht luxuriös, und die Kinder können teure Schulen besuchen. Die erwachsene Syrie wird jedoch ein Beispiel dafür sein, dass mit einer rigiden Erziehung oft das Gegenteil des Beabsichtigten erreicht wird.

Wie in der edwardianischen Ära üblich sehen die Eltern als Lebensperspektive für ihre Tochter einzig und allein eine Ehe, und das Mädchen wird schon mit sechzehn Jahren verlobt. Die aber löst die Verbindung, als sie herausbekommt, dass ihr Zukünftiger eine Geliebte hat.

Das Ehepaar 1902

Als sie 1901 gemeinsam mit ihrem Vater nach Khartum reist - der Vater hofft, sie würde Missionarin werden -, lernt sie dort seinen Freund Henry Wellcome kennen. Dieser, ein aus Amerika stammender britischer Unternehmer, der ein Vermögen mit pharmazeutischen Produkten gemacht hat und ebenfalls eine Wohltätigkeitsorganisation begründen wird, ist bereits 48 Jahre alt. Sie heiraten noch im gleichen Jahr, da ist die zierliche junge Frau mit dem forschem Blick aus braunen Augen 22 Jahre alt.

Die beiden sind ein völlig ungleiches Paar. Er ist so kalt und streng wie ihr Vater und erwartet von ihr, dass sie eine einfache, pflichtbewusste Ehefrau ist und mit ihm zu entlegensten Orten reist, anstatt die gesellschaftlichen Zentren zu besuchen, nach denen sie sich sehnt. Als eine seiner Grausamkeiten ist bekannt, dass er die Schwangere in der ägyptischen Hitze nötigt, auf einem Kamel zu reiten. 

Diese Ehe wird Syrie nur neun Jahre lang aushalten, bevor sie 1910 aus ihr flieht, auch um ihrem zur Gewalt neigenden Mann zu entgehen. Zuvor hat das Paar am 26. Juni 1903 einen Sohn, Henry Mounteney, bekommen. Der Junge zeigt Entwicklungsverzögerungen und wird, wie es damals üblich ist, zu einer Bauernfamilie in Pflege geschickt. Im Rahmen einer späteren Trennungsvereinbarung verzichtet Syrie auf jegliche Ansprüche bezüglich des Kindes, das zukünftig allein beim Vater aufwächst.

Syrie entwickelt sich zu einer mondänen Persönlichkeit, weiß feine Kleidung, üppiges Essen & Champagner zu schätzen und genießt ihr Leben als alleinstehende, aber noch nicht geschiedene Frau. Sie kann weiterhin in der Gesellschaft verkehren,  denn nun begleitet sie ihre verwitwete Mutter (Thomas Barnardo ist bereits 1905 gestorben).  

1913 kauft sie ein Haus im Regent’s Park, und es geht das Gerücht, der verheiratete Kaufhausmagnat Harry Gordon Selfridge, mit dem sie ab 1912 eine romantische Beziehung unterhält, habe sich am Kauf beteiligt und die Einrichtung großzügig bezahlt. Syrie wohnt darin mit ihrer Mutter. Ihre Freundin Rebecca West kommentiert diese Verbindung, es sei "sicherlich eine Liebesaffäre gewesen. Aber sie waren nur ein Liebespaar, wenn es passte."

Die Neugestaltung der Einrichtung dieses Hauses durch die Brüder Walter & Ernest Thornton Smith, Antiquitätenhändler mit Inneneinrichtungsservice am Soho Square, weckt Syries Interesse an Möbeln und Inneneinrichtung. Später, in ihrer Beziehung mit Somerset Maugham, wird sie eine inoffizielle Lehre bei Thornton Smith annehmen, um Möbelrestauration, Trompe-l’œil-Malerei, Gardinendesign und Polstern zu erlernen, aber auch die geschäftlichen Aspekte des Handels.

Ende 1913 hat Syrie den eleganten und gefeierten Dramatiker und Romanautor William "Willie" Somerset Maugham kennengelernt, und die irgendwie exotische, intelligente und ehrgeizige, aber auch sehr anspruchsvolle junge Frau verliebt sich in ihn, was ein fataler Fehler ist. Denn der unterscheidet sich trotz seines gerühmten Charmes kaum in seiner Härte & Gefühlskälte gegenüber Frauen von den beiden anderen Männern in Syries bisherigem Leben.

Was durchaus aber auch angenommen werden darf, ist, dass sie ihr gutes Aussehen, ihren Charme und ihre gesellschaftlichen Beziehungen nutzt, um sich den wohlhabenden, da erfolgreichen Autor zu angeln. Wahrscheinlich geht es ihr aber ums Prestige.

Somerset Maugham
(1914)
Maugham ist 1874 in Paris geboren, wo sein Vater erfolgreich als Anwalt tätig gewesen ist, und dort bis zu seinem 10. Lebensjahr aufgewachsen, bis er - nun Vollwaise - mit seinem Kindermädchen zu einem Onkel nach England zurückkehren muss. Dort geht er zur Schule, um später in Heidelberg ein Jahr Philosophie zu studieren. Auf Verlangen des Onkels nimmt er aber ein Medizin-Studium auf, das er 1897 in London abschließt. Er wird allerdings nie als Arzt arbeiten und noch im Jahr seines Abschlusses seinen ersten Roman "Liza of Lambeth", eine Studie über das Leben in den Slums, veröffentlichen. Der erregt einige Aufmerksamkeit. Aber erst als Dramatiker erlangt Maugham große Berühmtheit und verdient gutes Geld. Bis 1908 laufen vier seiner Stücke gleichzeitig im Londoner West End, darunter "Lady Frederick". Maugham fühlt sich hauptsächlich zu Männern hingezogen. Bei Kriegsausbruch wird er Krankenwagenfahrer beim Roten Kreuz und lernt dort den Kalifornier Gerald Haxton kennen, der für die nächsten dreißig Jahre sein Sekretär & Partner werden wird. Er ist aber auch überzeugt, er solle heiraten, um "Frieden und ein geregeltes und würdevolles Leben" zu erlangen.

Der knapp Vierzigjährige unterhält also auch Beziehungen zu Frauen und beginnt tatsächlich eine Affäre mit Syrie, deren Zuneigung er eher nicht erwidert, und in deren Folge sie schwanger wird. Sie geht zunächst nach Rom, wo ihre Tochter Mary Elizabeth "Liza" am 1. September 1915 zur Welt kommt. Maugham verbringt zu dieser Zeit seinen Urlaub bei ihr, doch das Mädchen bekommt offiziell den Nachnamen Wellcome, denn noch ist ihre Mutter nicht geschieden. 

Wellcome, der seine Frau viele Jahre nicht gesehen & bis dato eine Scheidung aus Schicklichkeitsgründen abgelehnt hat, reicht daraufhin 1916 eine solche mit Erfolg ein. Den Schriftsteller benennt er als Scheidungsgrund. ( Der wird später - 1962 - seine Vaterschaft abstreiten, und seine Tochter wird einen Prozess führen müssen, der seine biologische Vaterschaft bestätigen wird ).

Nach der Geburt des Mädchens geht Maugham in die Schweiz. Er kann seine fließenden Französisch- und Deutschkenntnisse einbringen, um ein Jahr lang in Genf unter dem Deckmantel des reisenden Schriftstellers als Agent für den britischen Geheimdienst zu arbeiten. Syrie und das Baby, die ihn zeitweise begleiten, sorgen für eine weitere überzeugende Tarnung. 

Das Ehepaar kurz nach der Eheschließung
(1917)
Im November 1916 wird er vom Geheimdienst nach Samoa geschickt, wohin ihn Haxton als sein Sekretär begleitet. Das Dreiecksverhältnis erweist sich als äußerst problematisch. "Sex ist nicht das Hauptproblem", klagt Syrie einmal. "Was die Sache unerträglich macht, ist, dass Gerald falsch ist, ein Lügner und Betrüger." Im Anschluss reist Maugham aber mit ihr in die Vereinigten Staaten, wo sie im Mai 1917 in New Jersey heiraten.

Zurück in London beginnt die Frischverheiratete mit der Einrichtung einer gemeinsamen Wohnung in einem Herrenhaus im Regency-Stil am Wyndham Place 2 in Marylebone, einem Stadtteil von London.

Doch inzwischen ist ihr Ehemann völlig in sein Verhältnis mit Gerald Haxton verstrickt und unternimmt bald längere Auslandsreisen für den Geheimdienst, auch, um mit ihn zusammensein zu können. Über Haxton ist nämlich ein lebenslanges Einreiseverbot für England verhängt aufgrund eines Prozesses wegen eines homosexuellen Vorfalls im Jahr 1915. Zwar freigesprochen, bleibt er dennoch ein "unerwünschter Ausländer". Maugham versucht unterdessen in St. Petersburg, die Machtübernahme der Bolschewiki im Auftrag des britischen Geheimdienstes zu verhindern.

Familie Maugham
(ca.1925)
Ab 1920 ( bis 1926 ) lebt Syries Ehemann aus dem Koffer und sieht Australien, Borneo, China, Malaya, Siam und Französisch-Indochina. Sie selbst beginnt ihre pulsierende Energie und ihre Kreativität in der Dekoration ihrer Wohnung auszuleben. Sie streicht vorhandene Möbel, polstert sie neu auf und verkauft sie auch an Freunde. Sie verfügt zunächst über ein geringes Startkapital und betont später, in diesen frühen Tagen alles selbst gemacht zu haben, von der Buchhaltung bis zur Auslieferung. Ende 1921 verkündet sie dann, sie gedenke mit etwas weiterer finanzieller Unterstützung - ihr Mann wird schließlich vierhundert Pfund beisteuern - ein eigenes Möbelgeschäft zu gründen: 

"Ich werde einige Exemplare französischer Provinzmöbel nach England bringen, große, schlichte Stücke aus schönem, hellem, unlackiertem Obstgartenholz oder gebeizter Kiefer. In fröhlichen, modernen Räumen werden sie perfekt aussehen." 

Damit erfüllt sie die Aussage, die 1921 in der "Vogue" getroffen worden ist: "Eine Frau ist entweder glücklich verheiratet oder Innenarchitektin." Damals arbeiten Frauen der Oberschicht natürlich nicht. Die einzige Ausnahme: die Eröffnung einer Boutique, in der sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen darf. Syrie entspricht voll und ganz dem Klischee, denn die Dekoration wird zweifellos ihre größte Liebe.

In ihrem Geschäft bietet sie eine eklektische Mischung aus Regency-Möbeln, abgebeizt, gekalkt und bemalt in Korallen-, Lachs-, Gold- und Hellblautönen oder mit krakelierten Oberflächen, damit die aussehen wie gesprungene Eierschalen. Sie führt dekorative Raritäten wie Bergkristall-Ornamente und chinesische Seidenmalereien, französische Stoffe und Besätze sowie avantgardistische Teppiche der Textildesignerin Marion Dorn oder alte ausgebleichte Perserteppiche, wie sie auch heute wieder modern sind. Diese Offenheit für die Kombination traditioneller Möbel mit modernen Stücken und exotischen Akzenten wird Teil eines neuen Stils namens "Vogue Regency", der sich später zum "Hollywood Regency" entwickeln wird.

Sie ist jetzt 42 Jahre alt und ihrem Mann missfällt durchaus, als sie ihr erstes Geschäft bzw. die Firma "Syrie LTD " in der Baker Street 85 installiert. Materielle Unabhängigkeit von ihm  - das ist durchaus auch einer der Gründe für ihren Vorstoß.

Später, 1926, verfasst Maugham "Die ewige Ehefrau" ( "The Constant Wife" ). Die Handlung dreht sich um Constance, deren Ehemann John, ein Chirurg, eine Affäre mit ihrer besten Freundin hat. Obwohl sie noch glücklich verheiratet ist, erkennt Constance, dass sie ohne eigenes Einkommen in der Falle sitzt. Sie nimmt einen Job als Innenarchitektin an und verdient das Geld, um ihre Freiheit zu sichern. Am Ende des Stücks bricht sie für sechs Wochen mit ihrem neuen Liebhaber auf. Betrachtet man die Ereignisse der letzten zehn Jahre, muss man kein Genie sein, um zu verstehen, was diese besondere Geschichte inspiriert hat.

Obwohl er sie ständig in der Presse kritisiert, ihr Verschwendungssucht und Habgier vorwirft, gesteht er  ihr zu: "Sie hat einen exquisiten Geschmack". Das schreibt er 1922, bevor er dann wieder all ihre Fehler aufzählt. Auf jeden Fall wird dieses Geschäft und ihr unnachahmlicher Stil zu einer Sensation. Ihre Leidenschaft, Entschlossenheit und ihr genereller Regelbruch erregen großes Aufsehen in ihrem sozialen Umfeld – von Cecil Beaton, der ihr Freund wird, über Stephen Tennant, ein socialite jener Tage, bis Noël Coward, dem Schauspieler. 

Wohnzimmer für Stephen Tennant
(1931)

Den bis dahin üblichen viktorianischen und edwardianischen Einrichtungen, dunkel und füllig überladen mit schweren Möbeln, kontrastreich und mit stilisierten Blumenmuster überzuckert, setzt die Inneneinrichterin  eine luftige Weite & helle und neutrale Töne entgegen. Ihr lockerer Umgang mit Antiquitäten macht sie bei Traditionalisten berüchtigt, weil sie diese von ihrem dunklen Lack befreit. ( Allerdings verschafft ihr das auch schon mal den Ruf, mit gefälschten Exemplaren zu handeln. )

Als frischgebackene Geschäftsfrau hat sie auch ein intuitives Gespür für die Bedeutung von Öffentlichkeit. Und so verbindet sie das Angenehme mit dem Nützlichen: 

Ihre legendären Partys sind voller Gäste, deren Wohnungen sie anschließend neu dekorieren darf. Bis 1924 kann Syrie deutlich größere Räumlichkeiten an einem prestigeträchtigeren Standort am Grosvenor Square beziehen. Voller Selbstbewusstsein schreibt sie 1925 in einer Zeitungskolumne:

( ohne Jahr )
"Achten Sie auf die Geschäftsfrau, die in letzter Zeit so oft in den Zeitungen war … Ihre Augen strahlen, ihr ganzer Körper ist wachsam. Sie mag müde, gestresst und zu Tode besorgt sein, aber sie ist voller Leidenschaft; nicht nur, weil sie Geld verdient … sondern einfach, weil sie aufgehört hat, ein Ding zu sein und zu einer Person geworden ist … Vergessen Sie also die Vorstellung, dass diese weit verbreitete Bewegung zur Eröffnung von Geschäften im Londoner West End lediglich die vorübergehende Modeerscheinung einiger gelangweilter und hektischer Frauen ist. Daran ist nichts Vorübergehendes."
( Quelle hier )

1926 arbeitet sie an der Fertigstellung eines neuen Hauses, der "Villa Elisa" in Le Touquet, um ihre Fähigkeiten als Innenarchitektin zu präsentieren. Le Touquet im französischen Département Pas-de-Calais ist zu dieser Zeit ein weltweit führender eleganter Badeort, der von der internationalen High Society besucht wird. Auch dort empfängt sie ihre Gäste, um public relation zu betreiben - mit Erfolg.

Währenddessen dümpelt die Beziehung zu ihrem Ehemann vor sich hin. Sie kann ihn noch zum Kauf eines neuen Hauses in der King's Road 213 überreden, direkt neben einer anderen berühmten Gastgeberin & Innenarchitektin, Sibyl Colefax, wo er einen eigenen Eingang und Räumlichkeiten hat, so dass sie getrennt voneinander leben können. Ihre moral crassness zeigt sich für Somerset Maugham - und bringt das Fass zum Überlaufen - als er eines Tages vom Mittagessen heimkehrt und sein  Schreibtisch – etwas, das einem Schriftsteller natürlich sehr wichtig ist –  von Syrie an die Herzogin von Portarlington verkauft worden war. Von da an herrscht Krieg.

"Vogue Regency"
In einer bemerkenswerten Verbindung von Leben und Kunst folgt auf die Londoner Premiere von "The Constant Wife" im April 1927 eine Party in der King’s Road, wo Freunde und Gesellschaftskolumnisten zum ersten Mal die Gelegenheit haben, Syries ganz in Weiß gehaltenes Wohnzimmer zu bewundern, das Ergebnis ihrer eigenen Inspiration und einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit anderen Designern, darunter Oliver Messel, dem angesehenen Kostüm-  & Bühnenbildner, den sie während seines Studiums kennengelernt & anschließend gefördert hat. "Harper's Bazaar" beschreibt den Raum in einer Veröffentlichung danach so: 

"Weiße Wände, weiße Satinvorhänge, Stühle mit weißen Blumen, weiße Lilien und das durch einen weißen Samtlampenschirm gemilderte Licht vermitteln dieses moderne Flair, das in Kombination mit alten Möbeln so reizvoll ist."

Und Freund Beaton äußert sich ganz enthusiastisch:

"Mit der Kraft eines Taifuns trieb Syrie alle Farben vor sich her … und verwandelte die Welt in Weiß … Weiße Schaffelle lagen auf den eierschalenfarbenen Böden, riesige weiße Sofas standen neben weißen Tischen mit rissiger Farbe, weiße Pfauenfedern standen in weißen Vasen vor einer weißen Wand." 

Sie  bekommt schnell die Titel "The princess of pale", "The queen of white" verpasst. Doch ihre weiteren Räumlichkeiten in diesem Zuhause sind durchaus farbiger. Freunde erinnern sich an eine ganze Reihe von Farbpaletten wie tiefes Blau für ein Haus am Meer, blattsmaragdgrüne Tapeten, magentafarbene Kissen und Schiaparelli-Pink. Allerdings bereichert sie die Interior-Farbpalette auch mit Begriffen wie Austerngrau, Pergamentgrau, Elfenbeingrau, Perlmuttgrau. Syries Haus und Laden dienen ihrem Freund Cecil Beaton als Kulisse für einige seiner ikonischen Fotografien.

Während dieser Abend im April 1927 für den Theaterautor Maugham ein dramatischer Erfolg gewesen ist - und für Syrie ein ebenso künstlerischer -, ist ihre persönliche Beziehung nur noch bitter und toxisch. Zwei Jahre später, als Syrie ihren neuen Status als Trendsetterin optimal nutzt und in New York ein Geschäft eröffnet, lässt sich das Paar endgültig scheiden. Somerset Maugham wohnt da schon längst mit Haxton in seinem Anwesen an der französischen Riviera im Küstenort Cap Ferrat. Syrie überlässt er als Abfindung einen Rolls Royce, das Haus an der Kings Road und einen jährlichen Unterhalt von 2400 Pfund für sie und 600 Pfund für ihre Tochter Liza.

Unterdessen hat sie Wallis Simpson und den Prinzen von Wales als Kunden gewonnen, für die sie drei verschiedene Projekte realisieren wird, die amerikanische Prominente Mona Williams ( spätere von Bismarck ) und die Modedesignerinnnen Elsa Schiaparelli ( siehe dieser Post ) und Coco Chanel. Für ihren Freund Noël Coward kreiert sie immer wieder Theaterkulissen ( und nutzt vice versa theatralische Elemente in ihren Einrichtungen. ) Auch an einer Filmausstattung - Anthony Asquiths Film "Shooting Stars" - ist sie 1928 beteiligt.

"Die energische, brillante und kultivierte Mrs. Maugham ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie eine talentierte und kluge Frau durch harte Arbeit, Mut und ein Genie für Dekoration und Einrichtung im Geschäftsleben erfolgreich sein kann." So schwärmt der Schriftsteller und spätere decorator Derek Patmore im Juli 1931.

Syries Geschäft ist ihr wichtig, doch ihre Tochter Liza behält oberste Priorität. Als die im Alter von zwanzig Jahren Vincent Paravicini, Sohn eines Schweizer Botschafters, heiratet, in einem weiß-silbernen Brokatkleid von Schiaparelli mit einem Blumenstrauß von Constance Spry ( siehe dieser Post ), gefolgt von Brautjungfern in hellgoldenem Lamé, schenkt sie ihr ein Haus, welches sie eingerichtet hat und setzt mit dem Partyraum darin dem Erfolg von 1927 noch "einen Tacken drauf":

Hinter einem Pergamentschirm verbirgt sie ein schwarzer Flügel, zwei große cremefarbene Samtsofas mit aufwendigen Fransen ( einem ihrer Markenzeichen ) ergänzt mit Chagrinleder-Couchtischen des Franzosen Jean-Michel Frank, dessen dekorative Visionen Syrie schätzt, füllen  den Raum aus. Einen Kamin versieht sie mit einer Spiegelumrandung und - um den Glanz noch zu steigern - lässt die Fußleisten ebenfalls verspiegeln und stellt einen hohen Paravent mit schmalen Spiegelscheiben in verchromten Rahmen an eine Wand. 

Der Raum gilt allgemein als Inbegriff modernen Glamours. Cecil Beaton fotografiert seine Schwester Baba vor dem verspiegelten Interieur, und nach der Veröffentlichung sind weiße Räume von London bis Los Angeles der letzte Schrei, auch in Hollywood-Filmen wie "Dinner at Eight" mit Jean Harlow. 

In den USA wird Syrie sogar noch beliebter und ist alsbald maßgeblich für den grandiosen Stil verantwortlich, der in den altmodischeren Ecken von Palm Beach noch heute zu entdecken ist. Ihre Spezialität sind also glanzvolle Räume für privilegierte Menschen. Der Alltag spielt keine Rolle. Schönheit, eine gewisse romantische, sinnliche Schönheit ist ihr alles. Doch wer kann schon in einem komplett weißen Raum leben?

Syrie Maugham ist nicht die einzige Designerin, die sich zu dieser Zeit für weiße Innenräume einsetzt, doch sie ist die größte Anhängerin des Trends. Festzuhalten ist auch: Dieser fällt mit Innovationen zusammen, die die Pflege heller Innenräume erleichtern: Staubsauger, neue Waschmittel und Gasheizungen. Der Anteil der Firmen Hoover,  Lever und North Thames Gas  bei der "No-Colour-Revolution" sollte man nicht vernachlässigen.

Von links nach rechts: Cecil Beaton, Elsie de Wolfe, Noël Coward


Syrie ist auch nicht die erste und einzige Frau, die als Innenarchitektin tätig ist:

Mit Elsie de Wolfe, der ersten Innenarchitektin in den Vereinigten Staaten, entsteht eine Freundschaft und eine interessante Konkurrenz. So kolportiert man, dass Syrie, wenn Elsie in London gewesen ist, ihre Möbel im Keller versteckt hat. Warum? Weil sie nicht  gewollt hat, dass Elsie ihr alles abkauft, oder weil sie verbergen muss, dass sie sie kopiert? Die beiden gehen auch zusammen auf Reisen. Auf eine Indienreise 1936, so die Legende, nehmen die beiden Frauen 52 Koffer, einen Koch und zwei persönliche Gepäckträger mit, damit unterwegs ein stilvolles Leben gewährleistet ist. 

1934 hat sich Syrie, mittlerweile 55 Jahre alt, schon ganz aufs Land in den Pavillon auf dem Gelände des Waddesdon Manor in Buckinghamshire, den sie schon länger gemietet hat, zurückgezogen. Dort kreiert sie in ihren Wohnräumen und sechs Schlafzimmern mit Rosa- und Blautönen, Blumenmustern und Drucken eine ganz andere Wohnatmosphäre.

Mit Tochter & Enkeln in New York
(1940)

Angesichts des nahenden Krieges schließt sie 1939 ihr Geschäft, geht nach Paris, um alsbald mit ihrer Tochter und ihren Enkelkindern nach New York zu fliehen. Dort konzentriert sie ihre Energie auf die Kriegshilfe, erledigt aber noch verbleibende Aufträge von wohlhabenden US-Kunden. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist ihr Stil nicht mehr zeitgemäss: Die Welt hat sich dermaßen verändert und die luxuriöse Lebensart mit aufwändigen Einrichtungen, deren Pflege vieler Bediensteter bedarf, gehört immer mehr der Vergangenheit an. Einzig ihr "weißer Look" bleibt noch ein fester Bestandteil der Hollywood-Filmsets und wird später von anderen Designern zum "California Look" weiterentwickelt. 

Anfang der 1950er Jahre  muss sie Bankrott anmelden und ihre Popularität schwindet zusehends. Ihren eigenen, gehobenen Lebensstil kann sie aber aufrechterhalten.

Als sie am 25. Juli 1955 im Alter von 76 Jahren in London an Tuberkulose stirbt, jubiliert ihr Ex- Mann durchaus mit gehässigem Unterton: "Tralala, keine Unterhaltszahlungen mehr, tralala."

Sieben Jahre später, in seinen Memoiren "Looking Back", kann er sich nicht verkneifen, Syrie u.a. vorzuwerfen, lediglich vorgetäuscht zu haben, dass Liza von ihm sei. Als einige Auszüge aus dem Buch vorab veröffentlicht werden, löst das einen solchen Aufruhr aus, dass das Buch von Verlagen in Großbritannien und den USA abgelehnt wird. "Er ist von einem rückblickenden Hass auf die arme Syrie zerfressen und dieser ist zu einer Obsession geworden", urteilte Noël Coward.

Siebzig Jahre nach ihrem Tod und fast ein Jahrhundert nach der Enthüllung ihres prachtvollen weißen Wohnzimmers erwacht das Interesse an den Arbeiten von Syrie Maugham erneut, während ihr Mann in der tödlichen Belanglosigkeit des vormals gefeierten Theaterautors verschwindet. Zu Lebzeiten hat er doch zu den erfolgreichsten englischsprachigen Schriftsteller der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts gezählt!

1949
Syrie, die Innenarchitektin & Designerin, hat weder Memoiren noch andere Arbeitsbücher hinterlassen, die ihre Arbeit dokumentieren, und nur wenige Abbildungen sind heute verfügbar. 1935, so hat man geschätzt, hat sie rund 180 Häuser in Großbritannien und den USA eingerichtet und rund siebzig Mitarbeiter beschäftigt. Rund siebzig ihrer Kunden sind namentlich bekannt.

Ihr Art-déco-Badezimmer für die Duchess of Argyll in Mayfair ist vor zehn Jahren neu gestaltet worden, und sie hat sogar Karl Lagerfeld zu seiner letzten Couture-Show für Chanel im Jahr 2017 inspiriert – eine kreative Legende zollt einer anderen Tribut! Mit Art-déco-Spiegeln mit Facettenschliff im Mittelpunkt des Grand Palais ruft er ihre großzügigen, lichtdurchfluteten Räume in Erinnerung. Natürlich entwirft er eine passende Modekollektion, eine von Syrie inspirierte Symphonie aus Weiß und Beige.

Und wenn frau die Beiträge in manchen Blogs oder bei Instagram verfolgt, ist das Einrichtungskonzept so ganz in Weiß inzwischen auch in ganz andere Gesellschaftsschichten als der englischen upper class zwischen den Kriegen oder der von Hollywood- Größen ausgesprochen neu belebt worden. Wo spielt man noch W. Somerset Maugham?

                                                                                  

Und nun wieder die Möglichkeit,
ältere Great-Women-Posts zu lesen
zu Frauen, die in dieser Woche einen Gedenktag hatten:

Mittwoch, 2. Juli 2025

Bücherlese Juni

Was war das für eine Leseausbeute in diesem zurückliegenden Monat! Täglich mehr habe ich mich auf meine Lektüre gefreut, und manchmal war sie mein Höhepunkt in einem schlichten Alltag...
"Und es liegt an uns, 
der Literatur einen Platz
 in unserem Leben einzuräumen. "
Daria Razumovych

Der Bücherstapel des Monats Juni war nicht wirklich fotograble, nur ein Hochformat hätte geklappt.  Also habe ich ihn aufgeteilt, ein bisschen nach Genres sortiert.



Zunächst ein kleinerer Stapel zum Thema Zeitgeschichte & Vergangenheitsbewältigung mit dem beeindruckenden "Non-Fiction-Comic" von Nora Krug: "Heimat. Ein deutsches Familienalbum ". Den habe ich hier schon einmal vorgestellt. Auf außergewöhnliche Weise, nämlich mit Zeichnungen, Fotos, Typographie hat sie ihre Suche & Aufarbeitung der eigenen Familiengeschichte festgehalten. Mir hat das so gut gefallen, dass ich das Buch mittlerweile öfter verschenkt habe. 

Gefallen hat mir auch Jürgen Wiebickes "Sieben Heringe", der darin die Geschichte seiner Eltern aufrollt, die während der Zeit des Nationalsozialismus im Alter meiner eigenen gewesen sind, nur sind die Rollen vertauscht: Vater Flüchtling, Mutter alteingesessen. Schon von daher hat es mich sehr berührt, denn die dargestellten Konflikte kannte ich nur zu gut. Es macht auch verständlich, wie unsere Altvorderen so geworden sind, wie sie es waren ( und meiner Generation auch oft auf die Nerven gegangen sind ). 

Ein reines Sachbuch ist hingegen "Die Enkel des 20. Juli 1944" von Felicitas von Aretin, das den Umgang mit den Angehörigen der Mitglieder dieser Widerstandsgruppe im bundesrepublikanischen Nachkriegsdeutschland aufzeigt und zehn Nachkommen zu Wort kommen lässt, darunter z. B. David Heinemann, Enkel von Julius Leber, der 1974 den ehemaligen Nazi-Richter, damals Bundesratspräsident, Fritz Filbinger zu ohrfeigen versuchte. Sehr informativ, auch was die schleppende Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit anbelangt ( und deckt sich mit den Erfahrungen, die Hilde Domin - siehe weiter unten - machen musste ).

"Amrum" vom Filmemacher Hark Bohm passt nur insofern auf den Stapel, als die letzten Tage des 2. Weltkrieges den Hintergrund abgeben für eine Coming of Age - Geschichte eines Zehnjährigen auf der Insel, der hin- und hergerissen ist zwischen der ideologischen Verbissenheit seiner Mutter und der kritischen Haltung der Insulaner, seiner Liebe zu ihr und seiner Sorge um ihr Wohlergehen. Ein paar Ereignisse bzw. Personen nach Kriegsende werden mir für meinen Geschmack zu nebensächlich abgehandelt oder bekommen nicht mehr Gewicht als die Rangeleien zwischen Flüchtlings- & Inselkindern. Das ist plakativ, für ein Filmdrehbuch ( der Film wurde in Cannes vorgestellt und kommt im Oktober ins Kino ) gemacht, sprachlich nicht außergewöhnlich und lässt sich leicht lesen. Bei den Beschreibungen der Flora & Fauna des Wattenmeeres kommt der Vogelkenner Bohm durch. 

Sprachliche Besonderheiten hatte ich mir von Saša Stanišic' "Vor dem Fest" erwartet, das auf meinem nächsten, größeren Stapel liegt. Es erzählt vom uckermärkischen Fürstenfelde nach der Wende und im weit zurückliegenden 16. Jahrhundert, hat ein paar interessante Charaktere und gibt Einblick in ostdeutsche Befindlichkeiten. Und das geschieht auch mit Humor, aber nicht in dem Maße, wie ich es vom Autor bisher kannte. 

J.L.Carrs "Ein Monat auf dem Land" spielt ebenfalls in eher abgelegenen, ländlichen Breiten, nämlich in Yorkshire in einer Zeit direkt nach dem 1. Weltkrieg. Das Werk hat den Umfang einer Novelle, kann also an einem langen Abend gelesen werden. Auch hier wieder Protagonisten von ganz eigenem Wesen, aber mit einem liebevollem Bemühen umeinander, so dass Heilung einer verstörten Seele, nämlich der Hauptperson der Geschichte, möglich wird. 

Dieses zärtliche Miteinander, auch ohne große Worte, hat mich letztendlich auch bei Alana S. Porteros "Die schlechte Gewohnheit" beeindruckt. Ihr Buch der Kategorie Coming-of-Age-Roman erzählt von einer mir in jeder Hinsicht fremden Welt, nämlich der der Arbeiterklasse in den betonlastigen Wohnmaschinen der städtischen Außenbezirke Madrids, in der das Abweichen von deren Normen gerne Gewalt hinter sich herzieht. Es handelt von Rollenvorstellungen und ihren Grenzen für das Individuum, von sexueller Identität und auch von dem Mut, als Mädchen im Körper eines Jungen trotz herber Niederlagen für sich das Anderssein schließlich doch in Anspruch zu nehmen. Ein Plädoyer für die Vielfalt menschlichen Seins & seine Würde!

Noch fremder war mir die Welt in Chris Adrians "Die große Nacht", frei nach Shakespeares "Sommernachtstraum". Da bewegen sich in San Francisco drei Stadtneurotiker wie auf LSD durch ein Hieronymus-Bosch-Szenario, welches das Elfenreich der Titania unter dem Buena Vista Park beisteuert. Meine visuellen Fantasien hat das sehr gefüttert, aber auf Dauer auch überfordert mit den verschiedenen Handlungsebenen: Ich hab zum Schluss nicht alles verstanden. Aber das geht mir beim "Sommernachtstraum" auch so, und der ist DAS Theaterstück, von dem ich nicht genug bekomme, weil es mich noch tagelang gedanklich zu beschäftigen vermag.

Bestimmt nicht alles nachvollziehen konnte ich auch an der "Trauerarbeit" von Helen Macdonald in "H wie Habicht". Ich habe mich selbst überrascht, so sehr habe ich mich faszinieren lassen von den Versuchen der Autorin, nach dem Tod ihres Vaters einen Habicht abzurichten. Es sind ihre Schilderungen der Natur, aber auch ihre Ausflüge in die Literatur- & Kulturgeschichte Englands ( zu T. H. White z.B., dessen Artus - Roman ich in jungen Jahren verschlungen habe ), die mich angesprochen haben. Und auch, weil es elegant erzählt wird. ( Nicht mehr auf dem Foto, da in den öffentlichen Bücherschrank gewandert und innert eines Tages dem entnommen. )

Um Trauer geht es in gewisser Weise auch in Maggie O'Farrells "Ich bin, ich bin, ich bin: Siebzehn Berührungen mit dem Tod", dessen einzelne Episoden für mich teilweise harter Tobak waren, auf jeden Fall zu Herzen gingen und dazu gut geschrieben sind. Im weitesten Sinne um Trauer geht es ebenso bei Fabio Andina: In "Davongekommen" nutzt er die Erzähltechnik des Bewusstseinstroms, also innere Monologe & assoziative Gedanken, um seine Verarbeitung der Trennung von seiner Frau und vor allem seinem kleinen Sohn zu schildern. Das ist bisweilen bizarr und man muss sich darauf einlassen. Ich musste schon manches Mal nach Luft schnappen, wenn er die Fahrten unter Alkohol- & Tabletteneinfluss die Serpentinen hoch zu seiner alpinen Hütte unternimmt. Identifizieren konnte ich mich durchaus. Das Buch ist aber keinesfalls vergleichbar mit  dem kontemplativen "Tage mit Felice".


"Ich möchte die Pracht der Welt einfangen können, wenn die Sonne vor ihrem Untergang auf das Gras fällt. Ich möchte beschreiben, wie grün das Gras ist und die schönen Dinge, die ich um mich herum sehe, die bedauerlicherweise nicht länger existieren als der Augenblick, da ich sie erblicke." So Margarita Liberaki.

Mit ihrem Buch "Drei Sommer" - noch ein  Coming-of-Age-Roman - bin ich ein weiteres Mal nach Griechenland "gereist" wie in insgesamt elf Sommern in meinen jüngeren Jahren. Das Buch ist in den 1940er Jahren geschrieben worden und im Ursprungsland ein Klassiker. Die damaligen Gegebenheiten im pastoralen Umland von Athen im Pendeli - Gebirge sind so, wie ich sie Mitte der 1970er Jahre auch noch vorgefunden habe. Die so erinnerte Idylle habe ich genossen. Eindrücklicher sind in Liberakis Roman aber die drei Schwestern auf der Suche nach der für sie passenden Rolle als Frau. Dadurch ist er geradezu zeitlos. Und die Art & Weise, wie Margarita Liberaki das schildert, mit Gerüchen, Geschmäckern, Geräuschen, Bildern und Empfindungen in so feinen Nuancen, hat mir als Leserin viel Freude gemacht und Verständnis & Identifikation ermöglicht. Ein lyrischer, weiblich-emanzipatorischer Blick auf eine männerdominierte Welt, der wir noch nicht entgangen sind! Die Antwort auf die Frage, wie man in einer Gesellschaft nach seiner Vorstellung leben kann, deren "Gesetze" doch nach wie vor gerne von anderen geschaffen werden, ist ja immer noch nicht leicht zu geben...



Ein besonderer, kleiner Stapel gilt u.a. zwei Monografien zu bemerkenswerten Frauen, die ich in meinen Blog vorstellen wollte. Beide unheimlich umfangreich und detailliert, kunst- bzw. literaturgeschichtlich fundiert, aber auch etwas ermüdend: Susanna Partsch "Artemisia Gentileschi" und Marion Tauschwitz "Hilde Domin - Das ich sein kann, wie ich bin". Das ist dann eher was für Leute, die recherchieren wie ich. 

Etwas ganz Besonderes, das ich nicht unbedingt einordnen kann, ist das Gemeinschaftswerk von Klaus Willbrandt, dem Kölner Antiquar, und Daria Razumovych, der fünfzig Jahre jüngeren Digitalberaterin & freien Lektorin, "Einfach Literatur. Eine Einladung." Besonders ist das Buch nicht nur, weil ich persönliche Bezugspunkte zu Willbrandt habe, sondern weil es ein Kompendium ist, das einen an Literatur als Kunst heranführen möchte. Manchmal braucht's da eine "Hebamme". Wer sich darauf einlassen mag, findet neben der berührenden persönlichen Geschichte der Autor*innen und ihrem kurzen, aber fulminanten Auftritt in den social media ganz viele Hinweise zu empfehlenswerten literarischen Werken. Ich hab das Buch noch am Ersterscheinungstag verschlungen und anschließend manches aus den Bibliotheksregalen des Herrn K. gezogen. Wer in puncto Lesen einen Schritt weitergehen und eventuelle schulische Traumata überwinden will: Meine Leseempfehlung!

Klaus Willbrand und Daria Razumovych und ihr Instagram Account kamen für mich persönlich genau zur rechten Zeit und waren einer der Impulse, die mich - nach einer längeren Zeit mit Lektüre in homöopathischen Dosen, streng zielgerichtet im Hinblick auf meine Great-Women-Posts, - wieder zu der  gemacht haben, die ich einstens gewesen bin. An dieser Stelle ein großes Dankeschön!