Donnerstag, 12. Dezember 2024

Great Women #400: Karoline von Perin

Heute begebe ich mich auf völliges Neuland, auch wenn ich in den 2010er Jahren viel in Wien verbracht habe und mich dort etlichen historisch-kulturellen Phänomenen zugewandt hatte. Aber in puncto Frauen- bzw. Demokratie- Bewegung blieb vor lauter Sisi & Torten-Seligkeit - in Österreich ist es mit dem Erinnern so eine Sache - ein weißer Fleck. Den will ich für mich wie euch beseitigen und stelle Karoline von Perin vor, deren Todestag sich vorgestern zum 136. Mal gejährt hat.
"Ideen können nicht erschossen werden."
Hermann Jelinek (1822 — 1848) 

Karoline von Perin kommt als Karolina Rosalia Franziska von Pasqualati am 12. Februar 1806 in Wien zur Welt. Ihre Mutter ist Eleonore Fritsch, über die aber nichts weiter in Erfahrung zu bringen ist, ihr Vater Joseph Andreas Freiherr von Pasqualati, 22 Jahre alt. Die Pasqualatis sind 1784 in den erbländischen Ritterstand und 1798, ein Jahr vor dem Tod des Großvaters, in den Freiherrenstand erhoben worden. Das Mädchen wächst also in einer wohlhabenden, adligen Familie auf und wird noch einen Bruder, Moriz (*1810) und einen Halbbruder, Josef (*1813 oder 1815 ), bekommen. Karolines Mutter stirbt schon 1811, und das kleine Mädchen bekommt in Franziska von Thoren eine Stiefmutter.

Karolines Vater ist wie schon sein aus Triest stammender Vater Pomologe und "Blumist", zudem Obst- u. Gemüsegroßhändler und Besitzer der "Pasqualati’schen Pflanzen-Cultur-Anstalt" in der Vorstadt Rossau, die erst ab 1850 als 8. Bezirk der Stadt Wien zugeschlagen werden wird.  




Das Unternehmen des Vaters zeichnet sich - so Zeitzeugen - durch die reiche Auswahl der schönsten Blumen und Früchte aus, welche durch das ganze Jahr zu beziehen sind. Joseph von Pasqualati "scheut kein Opfer", sein Unternehmen nach allen Seiten hin zu erweitern und die verschiedenartigsten Spezialitäten aus fremden Ländern anzupflanzen. So stellt er auch ein Kirschlorbeerwasser her, was er über entsprechende Anzeigen Pharmazeuten anpreist. Das als Wohnsitz von Ludwig van Beethoven bis heute berühmte Pasqualati - Haus im 1. Wiener Gemeindebezirk an der Mölker Bastei gehört allerdings dem Onkel Johann Baptist Freiherr von Pasqualati, einst Leibarzt Maria Theresias, Freund & Gönner des Komponisten.

Schon im Jahr 1774 ist im Habsburgerreich die "Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt und Trivialschulen in sämmtlichen Kayserlich Königlichen Erbländern" in Kraft getreten, verfasst von einem Abt namens Ignaz Felbinger. Sie gilt für beide Geschlechter. Vorher haben sich vor allem die Klosterschulen um die Erziehung der Mädchen gekümmert. Felbinger legt nun fest, dass nur Töchter aus Adelshäusern ein breitgefächertes Wissen erhalten dürfen. Die Schulordnung sieht den Unterricht in "weiblichem Handarbeiten" und "Französisch" vor. Eine wissenschaftliche Ausbildung bleibt den den Mädchen verwehrt. Um ein "mehr" an Bildung zu erhalten, werden Kinder der höheren Schichten von Hauslehrern und Gouvernanten unterrichtet. Was davon für Karoline zutrifft, ist nicht bekannt.

1829
Biografisch tritt sie erst wieder in Erscheinung, als sie mit 24 Jahren ganz standesgemäß heiratet, und zwar Christian Freiherr von Perin-Gradenstein, K.u.K. Hofsekretär in der Staatskanzlei. Christian ist der einzige Sohn der damals namhaften Schriftstellerin Josephine Freiin Perin von Gradenstein und des K.u.K. Hofrates der geheimen Hof- und Staatskanzlei, Eberhard Perin von Gradenstein, den diese 1799 geheiratet hat. 

Mit ihrem Mann wird Karoline vier Kinder bekommen, wovon das erste noch im Säuglingsalter stirbt. Mit ihm, musikbegeistert, führt sie ein offenes Haus. Doch die Ehe nimmt einen tragischen Verlauf: Von Perin stirbt schon nach elf Ehejahren. Das sensibilisiert die Mutter von drei Kindern - zwei Töchtern und dem gerade geborenen Sohn Anton - schon sehr früh für die prekäre Situation von Alleinerziehenden. 
"Ihre Forderungen nach Gleichstellung mit den Männern sowie einer höheren Schulbildung für Mädchen, wiedergegeben in den Statuten des ersten Wiener demokratischen Frauenvereins, entsprangen keineswegs der spontanen Laune einer exaltierten Adeligen, wie man im ersten Moment vermuten würde, sondern waren nichts anderes als ein Resultat ihrer jahrelang selbst erlittenen familiären Situation", schreibt Lea Roma an dieser Stelle.

Alfred Julius Becher
(1844)
Sie lebt mit ihren Kindern in Penzing im 14. Wiener Gemeindebezirk, als sie Mitte der 1840er Jahre auf Empfehlung des Musikers und gesuchtesten Klavierlehrer Wiens, Joseph Fischhof, den Komponisten und Journalisten Alfred Julius Becher als Klavierlehrer für ihre Tochter Marie engagiert. 

Bald ist der der Mann an ihrer Seite, und sie leben ohne Legitimation von Kirche & Staat zusammen, durchbrechen somit die standesgemäßen Normen und hinterfragen durch diese Entscheidung die geltende Moral. Dadurch kommt es zum Bruch mit ihren Verwandten, was sie in ihrem Streben nach echter Gleichstellung von Frauen noch mehr anfeuert. 

Becher ist Herausgeber der revolutionären Zeitung "Der Radikale", die Karoline finanziell unterstützt. Er reift zu einer der führenden Persönlichkeiten der demokratischen Bewegung während der Revolution 1848 heran und zusammen werden sie bekannt als politisch engagiertes Paar.

Zum besseren Verständnis scheint es mir an dieser Stelle angebracht, "Ausflüge" in die Geschichte Österreichs jenseits unseres vom "Sisi- Kult vernebelten Bildes zu unternehmen:

In den drei Jahrzehnten vor 1848 herrschte im Kaisertum Österreich eine grundsätzliche Reformfeindschaft und eine totale Unbeweglichkeit innerhalb des Regierungssystems. Die größte Aufmerksamkeit erhält der Kampf gegen liberale und demokratische Gedanken.  Essenzielle Probleme im Reich bleiben hingegen ungelöst. 
Am 13. März 1848 erhebt sich schließlich in Wien das Volk gegen den Kaiser. Die Bauern haben es satt, viele Früchte ihrer Arbeit an die Lehensherren abzuliefern, die Arbeiter hungern, viele kämpfen ums Überleben. Der Adel lebt währenddessen in einer abgeschotteten, anderen Welt. Zwei Tage nach Beginn dieses revolutionären Aufstandes muss Kaiser Ferdinand I. die Zensur der Presse aufheben. Hunderte Broschüren, Zeitschriften und Zeitungen sprießen jetzt aus dem Boden. Am 25. April 1848 wird in Wien dann die erste Verfassung Österreichs erlassen, die die Aufständischen beruhigen soll, ihnen aber nicht wirklich Macht gibt: Das Parlament soll aus habsburgischen Erzherzögen, kaisertreuen Ministern, Großgrundbesitzern und anderen Männern mit Besitz bestehen, die dem Kaiser loyal ergeben sind. Einen Monat später, am 26. Mai, wird ein neuer Höhepunkt durch eine klassenübergreifende Solidarität mit den Aufständischen erreicht: Frauen der höheren Schichten verbünden sich jetzt mit den Frauen der Unterschicht. Alle Aufständischen gehen mit dem oben genannten Zweikammersystem, dem Zensurwahlrecht und dem Einspruchsrecht des Monarchen nicht konform.

Immer wieder flammt der Widerstand auf: Im August des Jahres senkt der Arbeitsminister Ernst Schwarzer Edler von Heldenstamm den Tageslohn von 8000 Erdarbeiterinnen, darunter auch Kinder, von 20 auf 15 Pfennige. Die  Frauen könnten mit Akkordarbeit ihr Gehalt ja aufstocken, so seine Begründung.  Das bedeutet allerdings die noch stärkere körperliche Ausbeutung der Frauen, die außerdem, verglichen mit ihren Männern, schon vorher benachteiligt worden sind: Die Männer bekommen nämlich einen Tageslohn von 25 Pfennig. Am 21. August 1848 demonstrieren nun Österreichs Frauen. Zwei Tage später säbelt die bürgerliche Nationalgarde sie nieder ( sogenannte Praterschlacht ). Es sterben 22 Menschen, ca. 300 werden verletzt.  

Auf Initiative von Katharina Strunz, die sich schon vorher damit hervorgetan hat, als sie mit anderen Bürgersfrauen den Kaiser aufgefordert hat, aus seinem "Exil" in Innsbruck nach Wien zurückzukehren, erscheinen daraufhin schriftliche Aufrufe an allen Straßenecken Wiens. Ziel: Die Gründung eines demokratischen Frauenvereins. Politisch interessierten Frauen wird nämlich in der bürgerlichen Vereinsform kein Platz neben den Männern zugestanden. 

Am 28. August 1848 findet im Salon des Volksgarten diese erste Versammlung statt. Laut Zeitungsberichten kommen zwischen 150 und 400 Frauen. Bei der Gründungsversammlung stehen drei Frauen auf dem Podium. Karoline von Perin wird die erste Präsidentin des Vereins. Sie ist Witwe und adelig, sie vertritt die Grundsätze der Emanzipation der Frauen, setzt sich für mehr Rechte für die Frauen ein. Damit scheint sie prädestiniert für eine solche Position und sie wird eine der wenigen Frauen aus der Wiener 1848er‑Bewegung werden, von der man mehr als ihren Namen kennen wird.

Einige Frauen gewanden sich an diesem Tag allerdings in die kaiserlichen Farben schwarz-gelb, womit sie sich für die alte Ordnung der Monarchie aussprechen und kundtun, dass sie an einer Einigung der durch die Praterschlacht gespaltenen revolutionären Bewegung nicht interessiert sind. Diese Gegnerinnen werden in tumultartigen Szenen von der konstituierenden Sitzung des Vereines ausgeschlossen, so dass die Männer, denen der Zutritt verweigert worden ist, den Saal stürmen können. Die Vereinsfreiheit für Frauen ist ihnen ein Dorn im Auge. Auch Nationalgardisten sind darunter, so dass die Sitzung am Nachmittag an einem anderen Ort fortgesetzt werden muss.

Zwei Wochen nach dem ersten Treffen wird ein Statut herausgegeben, entwickelt in der dritten Versammlung des Vereins. In § 2 des Vereinsstatuts heißt es zu den Zielen:

"Die Aufgabe des Vereins ist eine dreifache: Eine politische, eine soziale und eine humane:  

a) eine politische, um sich durch Lektüre und belehrende Vorträge über das Wohl des Vaterlandes aufzuklären, das demokratische Prinzip in allen weiblichen Kreisen zu verbreiten, die Freiheitsliebe schon bei dem Beginne der Erziehung in der Kinderbrust anzufachen und zugleich das deutsche Element zu kräftigen; 

b) eine soziale, um die Gleichberechtigung der Frauen anzustreben durch Gründung öffentlicher Volksschulen und höherer Bildungsanstalten, den weiblichen Unterricht umzugestalten und die Lage der ärmeren Mädchen durch liebevolle Erhebung zu veredeln; 

c) eine humane, um den tief gefühlten Dank der Frauen Wiens für die Segnungen der Freiheit durch sorgsame Verpflegung aller Opfer der Revolution auszusprechen.

Kurz nach der Gründung beteiligt sich der Verein an der Organisation der Totenfeier für die in der Praterschlacht ums Leben gekommene Männer und Frauen am 3. September 1848. Damit erlangt er endgültig Bekanntheit in der Allgemeinheit, und auch jene Zeitungen, welche die Gründung nicht erwähnt haben, kommen nun nicht umhin, auf die Existenz eines solchen, speziellen Frauenvereins zu verweisen.

Obwohl der Frauenverein nur zwei Monate bestehen wird, markiert er den Beginn der Frauenbewegung in Österreich. In der Öffentlichkeit wird er inzwischen heftigst mit sexual-pathologischen Bemerkungen attackiert und den Frauen vorgeworfen, dass sie Amazonen, hässlich, sexbesessen und unweiblich seien.  An dieser Methodik hat sich also nichts  bis heute geändert.

Karoline von Perin selbst wird von der Bevölkerung wie Presse persönlich diffamiert. Da wird einmal ihr Einfluss auf ihren Gefährten auf die weibliche Verführungskraft ( Eva & die Schlange! ) zurückgeführt, andererseits wird sie als unweibliche Geliebte eines Demagogen verunglimpft, als "schmutzige Amazone", "politische Marktschreierin" oder "politische Pechfrau", "Konkubine" und als "Egeria der Wiener Revolution" tituliert. Man schreibt ihr eine Bedeutung zu, die sie nach eigener, späterer Darstellung nicht gehabt hat. Doch dazu mehr im Laufe des Posts.

Positive Resonanz erfährt der Frauenverein bei den demokratischen Männervereinen, die in ihm einen Partner sehen. So werden die Frauen auch am 10. September neben acht anderen Vereinen zu einer Diskussion hinsichtlich der Strategie zur Verteidigung des revolutionären Wiens eingeladen. Am 30. September dann wird ein Zentralausschuss der demokratisch-freisinnigen Vereine Wiens ins Leben gerufen. Auch dazu gehört der Demokratische Frauenverein.

Die Ermordung des verhassten Kriegsministers Theodor Baillet de Latour am 6. Oktober 1848 bildet Argument und Auftakt zur Konterrevolution und führt zur Abreise des kaiserlichen Hofes aus Wien. Am 17. Oktober marschieren einige hundert Frauen zum Wiener Reichstag, da die Stadt inzwischen von kaisertreuen Truppen, zurückgekehrt aus Ungarn, umstellt ist. Eine vierköpfige Delegation, darunter Karoline, überreichen den Abgeordneten eine Petition mit tausend Unterschriften und verlangen die Einberufung des Landsturmes, welches das ländliche Pendant zur städtischen Nationalgarde ist. Die Abgeordneten machen die Frauen daraufhin lächerlich, indem sie ihnen vorschlagen, sie sollten sich besser als Krankenschwestern zur Verfügung stellen. ( In der Parlamentsbibliothek kann frau die Petition im Original-Sitzungsprotokoll nachlesen. )

Karoline selbst bleibt weiterhin Ziel von Attacken: Angeblich habe sie sich in eine schwarz-rot-goldene Trikolore gehüllt, um ihr Bekenntnis zur revolutionären Bewegung kundzutun und so von den Barrikaden zum Weiterkämpfen aufgefordert. Die Zeitung "Die Gegenwart" diffamiert sie daraufhin als "verrückt", "überspannt" und "unzurechnungsfähig". Ähnliche Bezeichnungen, die Karoline von Perin als "geisteskrank" verunglimpft haben, sind schon bei der Berichterstattung zur Präsentation der Landsturmpetition gefallen.

Die Mitglieder des Frauenvereins nehmen tatsächlich auch an verschiedenen Demonstrationen und am Verteidigungskampf gegen die kaiserlichen Truppen teil. 

Am 31. Oktober 1848 gelingt es den Truppen des Fürsten Windisch-Graetz, aus Ungarn von der Niederschlagung der ungarischen Unabhängigkeitsbewegung zurückgekehrt, auch die Wiener Proteste endgültig zu unterbinden. Karoline gehört neben ihrem Lebensgefährten zu den 14 Personen, deren Auslieferung in den Kapitulationsbedingungen ausdrücklich gefordert wird. ( Das kann frau durchaus als Zeichen dafür lesen, dass der Frauenemanzipation staatsgefährdender Charakter zugesprochen wird.) 

Das Ende des ersten politisch organisierten Frauenvereins ist mit der Niederschlagung der Revolution besiegelt. Karoline selbst wird freilich später in ihren geschichtsklitternden Ausführungen behaupten, dass sich der Frauenverein schon in den beiden letzten Oktoberwochen selbst aufgelöst habe.

Nach dem Zusammenbruch der demokratischen Bewegung beginnt - und absehbar gewesen ist - die polizeiliche Verfolgung. Karoline hat zwar alles für die Flucht aus der Stadt organisiert gehabt, wird aber nach einem politischen Verrat am 4. November 1848 verhaftet. Am nächsten Tag wird auch Hermann Jelinek, ebenfalls Redakteur bei "Der Radikale", in ihrer Wohnung festgenommen, ein paar Tage später, am 13. November auch Alfred J. Becher. 

Währinger Park
Auf der Wachstube wird die 42jährige auf dem Boden liegend von Polizisten getreten und durch den Raum geschleift. "Die provokant ‚Emancipation’ einfordernde Präsidentin des Frauenvereins wurde nicht nur verurteilt, sondern von ihren ‚Wachen’ sogar durch körperliche Misshandlung persönlich gedemütigt", heißt es in den Quellen. Nach 23 Tagen Haft wird sie als psychisch krank bezeichnet - immer eine effektive und oft angewandte Methode, um widerspenstige, rebellische Frauen in die Schranken zu weisen.  

Karolines Vermögen wird konfisziert und das Sorgerecht für ihre Kinder, darunter der erst achtjährige Anton, entzogen.

Alfred J. Becher kommt am 22. November vor ein Militärtribunal. Ihm wird vorgeworfen, mittels publizistischer Tätigkeit auf die "gänzliche Zerstörung" der "bestehenden Staatseinrichtung" hingewirkt zu haben und er wird zum Tode verurteilt. Es wird ihm verwehrt, Karoline vor seinem Tod noch einmal zu sehen. Das ist als besondere Grausamkeit zu bewerten, denn anderen wird das gestattet. Am nächsten Tag schon wird er zusammen mit Hermann Jelinek vor dem Neutor in Wien standrechtlich erschossen.

"Die Willkür des Todesurteils wurde sofort erkannt, nicht nur bei den Unterstützern der Revolution", so die Historikerin Brigitte Biwald. 

Ohne Jahr
Karoline ist nach dem Tod ihres Lebensgefährten und ihrer Entlassung aus der Haft den Machthabern in der Monarchie völlig ausgeliefert. Sämtliche bürgerliche Freiheiten sind ja jetzt eingeschränkt sowie Auflösung und Verbot aller politischer Vereine nach nur wenigen Monaten ihres Bestehens erlassen worden. Die staatliche Zensur ist wieder eingeführt, und die polizeiliche Überwachung verstärkt worden. Mit den Frauenemanzipationsbestrebungen wird radikal gebrochen, und die Frauen werden in politischen Vereinen für lange Zeit keinen Platz mehr haben, genauer gesagt bis 1918.

Am 17. April 1849 emigriert Karoline von Perin schließlich nach München. Sie verfasst ihre Memoiren "Ungedruckte Aufzeichnungen" so, dass sich ihre Rolle in den letzten Oktobertagen vor dem Niedergang der demokratischen Bewegung heute nur noch schwer rekonstruieren lässt. In ihrem Bericht über ihre Flucht, Gefangennahme und Gefängniszeit schwört sie dem revolutionären Gedanken völlig ab, wahrscheinlich auch, um durch diese Abbitte wieder Teil der Gesellschaft werden zu können. 

Aufgrund dieser Bekenntnisse wird es ihr nämlich im Oktober 1849 erlaubt, nach Wien zurückzukehren - ein Treppenwitz sozusagen: Die Rückkehr in die Gesellschaft bleibt ihr zeitlebens verwehrt. Man ist dauerhaft gewillt, an ihr zwecks Abschreckung ein Exempel zu statuieren: "Für ihre Leugnung der Natürlichkeit der Geschlechter bekam sie in den Augen vieler die gerechte Strafe“, so die Historikerin Gabriella Hauch, die sich um die Forschung rund um Karoline von Perin verdient macht.

Da ohne Vermögen und familiale Unterstützung widmet sie sich den 1850er Jahren der Fotografie. Sie führt zeitweise Studios in Wien, Bad Ischl und Salzburg unter dem Namen Gradenstein C., ganz ohne Hinweis auf Geschlecht und Vergangenheit. Doch die Metternichsche Geheimpolizei kann sie 1855 in Bad Ischl identifizieren. ( In fotografischen Handbüchern wird bis heute vom "Wiener Fotografen Gradenstein" geschrieben. ) 1862 gibt Karoline die Fotografie wieder auf und lebt von den Einkünften eines Stellenvermittlungsbüros. Danach verliert sich jede Spur von ihr.

Am 10. Dezember 1888 stirbt Karoline von Perin in Wien mit 82 Jahren. Es gibt einen bösartigen Nekrolog auf sie, der – bis auf die Einleitung – im völlig gleichen Wortlaut in zwei unterschiedlichen Tageszeitungen erschienen ist. Einmal erscheint der Artikel bereits vor, im anderen Fall nach dem Begräbnis. In der ersten Zeitung heißt es: "Kaum jemand wird an ihrem Begräbnis teilnehmen...", während in der zweiten Zeitung steht: "Kaum jemand nahm an ihrem Begräbnis teil...". 

Ein bitteres Ende für eine mutige Frau, die ihre aristokratische Herkunft hinter sich gelassen hat, um sich dem Kampf für die demokratischen Rechte der Frauen zu widmen...

Infam und beschämend ist, dass in Konstantin von Wurzbachs Lebenswerk, dem "Biographischen Lexikon des Kaiserthums Oesterreich" (BLKÖ) bei den Einträgen unter dem Namen "Pasqualati" neben dem Vater Andreas Joseph Pasqualati lediglich seine Söhne Joseph und Moriz erwähnt werden. Die Tochter wird totgeschwiegen. Diese Institution in der Wiener Geschichtsforschung gilt als sakrosankt und beweist, wie tiefgreifend das patriarchiale System weiterhin Geltung hat! 

Im Wiener Volksgarten wird zu Beginn dieses Jahrzehnts ein Gedenkstein für den Ersten Wiener Demokratischen Frauenverein gesetzt. 2018 war schon in der Seestadt Aspern im 22. Bezirk die Karoline-Perin-Gasse nach ihr benannt worden - alles vielversprechende Anfänge. 

Mich hat es dennoch erstaunt, dass über eine solche Persönlichkeit in der Geschichte des Landes so wenig in Erfahrung zu bringen ist. Das ist mir bei meinen Recherchearbeiten für vierhundert Blogbeiträge in dieser Rubrik eher selten passiert...

                                                                      


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