Donnerstag, 31. August 2023

Monatscollage August 2023

 Ein ganz wichtiger Monat
für mich:
Ein ganzes Jahr Witwendasein,
ein Plan,
wie es weitergehen soll.

Wochen mit viel Regen,
mit vielen Erinnerungen
an frühere ( schöne ) heiße Sommer
&
ein paar Tage
mit den mir nächsten Menschen.
Die Gedanken
an die kommenden Tage
vertrieben die Trauer
( zu meiner 
Überraschung ).
Jetzt brauch ich noch einiges an
psychischem Bodybuilding,
um das Gefühl
zu behalten:
Ich schaff das.

Gefreut habe ich mich auch über die
elf Beiträge zu
 An dieser Stelle wieder ein
Dankeschön
an alle Teilnehmer*innen!

                                                      


Die Monatscollagen werden von die_birgitgesammelt, und als Monatsrückblick verlinke ich den Beitrag auch mit judithpeters

Mittwoch, 30. August 2023

12tel Blick August 2023

Beginnen wir wieder mit dem Blick auf meinen Terrassentisch... 

... so wie er sich an einem wohltemperierten Sommernachmittag präsentiert, 
an dem sich draußen auf der Terrasse die vom Ausflug Heimgekehrten 
erfrischt haben.





Meinen zweiten Blick habe ich 
am gleichen Tag
nach meiner nachmittäglichen Physiotherapie aufgenommen.

Zeit blieb dann nur noch für die Erstellung der Übersichten:






































Zwei Drittel des Jahres 2023 sind nun schon wieder rum...

Verlinkt wird das Ganze mit dem Blog von Eva Fuchs
die wieder alle 12tel Blicke hostet. 
Dank dir dafür!



Sonntag, 27. August 2023

Mein Freund, der Baum: Seidenbaum (reloaded)

Den heutigen Baum habe ich schon einmal vor fünf Jahren vorgestellt, nehme aber zum Anlass, dass er nun auch ein treuer Begleiter neben dem Grab meines Mannes geworden ist, das noch einmal zu tun. Es ist so ein schönes Gewächs und dabei recht unbekannt, wie ich feststellen konnte, dass ich dem zumindest an dieser Stelle Abhilfe schaffen will.

Der Seidenbaum/ Albizia julibrissin trägt auch den Namen Schlafbaum, weil sich seine sehr filigranen Blätter in der Nacht oder bei Trockenheit zusammenfalten und am nächsten Morgen wieder auf, um dann wohltuenden Schatten zu spenden. In der persischen und der japanischen Sprache weisen die Namen des Baumes auch auf diese Eigenschaft hin: Schabkhosb, d.h. Nachtschläfer, bzw. Nemunoki, gleich "Schlafender Baum". Das latinisierte Wort "Julibrissin" stammt ebenfalls aus dem Persischen und bedeutet übersetzt in etwa "Flockseide".


Der Seidenbaum gehört zu einer Gattung von Bäumen, den Schirmakazien, die eine Unterart der Mimosen bilden. Sein ursprüngliches Verbreitungsgebiet ist der Iran bis ins östliche China. Bei uns ist er ein geschätzter Parkbaum, in den Vereinigten Staaten inzwischen ein invasiver Neophyt und im Mittelmeerraum schon lange als Gartenpflanze beliebt und verbreitet.

Der Baum benötigt einen gut durchlässigen, humosen Boden und vor allem einen sonnigen bis halbschattigen Standort. In Weinbauregionen übersteht er in der Regel die kalte Jahreszeit ( bis ca. -15°C ) ohne Winterschutz unbeschadet. Junge Pflanze benötigen diesen eher, denn erst mit dem Alter nimmt die Frosthärte zu. Sollte der Baum dennoch zurückfrieren, treibt er immer wieder im Frühjahr durch. Dennoch sollte man ihm bei einer Pflanzung im heimischen Garten einen geschützten Platz, etwa vor der Südwand des Hauses, gewähren. Es handelt sich beim Seidenbaum übrigens um einen sehr kurzlebiges Gewächs, das kaum mehr als dreißig Jahre alt wird.


Im Wuchs sowie durch seine Blätter und Früchte ist der Baum einer Robinie ähnlich, allerdings im Ganzen zierlicher. Die Krone wächst breit ausladende und schirmförmig sehr schnell in eine Höhe von drei bis sechs, maximal bis zehn Metern und benötigt von daher eine recht große Nährstoffmenge.

Die Borke des Stammes ist dunkelgrau. Ihr wird nachgesagt, "glücklich machend" zu sein, weil sie Angstzustände, Stress und Depressionen lindern kann. Sie schmeckt allerdings bitter, wirkt adstringierend und beruhigend, auch harntreibend und schmerzlindernd sowie anregend auf Kreislauf, Uterus und Appetit. Geerntet wird die Rinde im Frühling oder Spätsommer.

Das Holz des Baumes ist sehr leicht und zerbrechlich und hält Stürmen oft nicht stand.

Besonders auffallend am Seidenbaum, auch oft Albizie geheißen, sind die zart duftenden ( nach reifen Pfirsichen ) hellrosa Puschelblüten, die irgendwie an Puderquasten erinnern. Der duftige Eindruck wird unterstützt durch die zierlichen, doppelt gefiederten Blätter des Baumes, die sich leicht im Wind wiegen. Diese Fiederblätter besitzen eine Mittelrippe von ca. 20 cm Länge und haben das für Akaziengewächse typische Aussehen. 

Die zahlreichen Blüten öffnen sich vom Juni bis in den August. Sie stehen einzeln, zu zweit oder zu dritt angeordnet auf einem 3,5 bis 7 cm langen Blütenschaft und sehen zuerst kugelig oder köpfchenförmig aus. Es sind die 2,5 bis 3,2 cm langen, weiß bis rosa gefärbten Staubblätter, die der Blüte das spektakuläre Aussehen verleihen und in der Sonne wie kostbare Seide glänzen. Die Blüten sind zwittrig.

Die Frucht des Seidenbaums ist eine 15 cm lange, behaarte, erbsen- oder bohnenähnliche Schote von hellbrauner oder gelblicher Farbe, die die Samen enthält. Herausgelöst und trocken und dunkel gelagert kann man die Samen selbst zur Keimung bringen ( noch nach 5 Jahren Samenruhe! ). Es empfiehlt sich aber vorher das Einweichen über Nacht in lauwarmem Wasser. 
In den Fruchtkörpern und Samen sind allerdings giftige Stoffe enthalten, und man sollte entsprechende Vorsicht walten lassen, wenn Kinder oder Haustiere mit diesen in Berührung kommen.

In China wurde der Seidenbaum in der dortigen Medizin im "Shen Nong Ben Cao Jing" ( vermutlich 200- 300 nach unserer Zeit ) erwähnt.

1749 wurde er von Filippo degli Albizzi, einem Adligen aus Florenz, der die Pflanze über Konstantinopel nach Europa einführte,  in einer Gartenanlagen das erste Mal gepflanzt.

Neben der grünblättrigen Variante gibt es auch eine dunkellaubige mit dem Namen "Summer Chocolate" .

Und ihr so, liebe Baumfreund*innen? Habt ihr vielleicht in diesem Sommer auch besonders schöne, gar exotische Bäume entdeckt? Dann lade ich euch wieder ein, eure entsprechenden Posts hier zu verlinken. Das Linktool bleibt wieder vier Wochen bis zum 23. September geöffnet.


 

Samstag, 26. August 2023

Meine 34. Kalenderwoche 2023

"Seelenverwandten 
begegnet man nicht einfach mal so.
Man wird erst zu Seelenverwandten,
indem man zusammenwächst."
Michael Nast
"Eines Tages werden wir alle sterben, Snoopy!
"Aber an allen anderen Tagen nicht!"
Charlie Brown & Snoopy

Die Hundstage machen sichtbar nicht nur den Menschen zu schaffen... 

Die samstägliche Tropennacht bei 22°C habe ich dann aber trotz meiner Erkältung überraschend gut überstanden. Richtig Spaß am Draußensein hatte ich allerdings keinen. Aber nach den mit sozialen Kontakten schönster Art gefüllten Vortagen tat Rückzug ins Gehäuse auch mal ganz gut.

In der nächsten Nacht war es dann mit 19 Grad schon eher auszuhalten. Und da es in meinem Haus am Sonntag sehr viel angenehmer war als draußen ( Maximaltemperatur 28°C bei 54% Luftfeuchte ), hab ich die Möglichkeit genutzt, per Mausklick nach Kopenhagen, ins Unterengadin & Burgenland und ins Kinzigtal zu reisen. Per Smartphone kam ich dazu noch ins Burgund zum Weltkulturerbe Vezelay und an die estnisch-russische Grenze, letzteres etwas beklemmend, denn mein mittlerer Enkel wird dort ein Jahr leben. Wenn es mir zu warm wurde, bin ich in meinen antiken Gewölbekeller gegangen, hab Altpaier für die montägliche Müllabfuhr gerichtet oder mir ein Eis aus dem Gefrierschrank geholt.




Man sollte ja auch nicht so viel mit dem Auto überall hin fahren, wo es schön & interessant ist, hab ich im Internet gelesen, und dort dann den Radtouristen mit den Karren den Fotoblick verstellen. Man sollte sich vielmehr mit dem Dreißigjährigen Krieg beschäftigen, wo doch kaum einer weiß, was da so vor sich gegangen ist. Ist ja jetzt auch schon etwas her. 


Hab ich jetzt nicht gemacht, muss ich auch nicht, weiß ja bescheid. Dafür habe ich noch mal ganz viel über die Flößerei vom Schwarzwald über den Rhein bis nach Holland erlesen, die Karte Graubündens studiert und Informationen über das Kloster Vezelay als wichtiger Wallfahrtsort und seine Geschicke gesammelt und dabei festgestellt, dass es nun von dem Orden unterhalten wird, der mir aus unserer Kirche Groß St. Martin gut bekannt ist. Und mit einem mehrseitigen Schlenker zum Magdalenenkult in Frankreich und Vezelay im Besonderen bin ich dann noch bei Dan Brown & "Sakrileg" gelandet. 




Frau sollte ja für solche Ratschläge aus dem Netz dankbar sein, denn so wurde das ein vergnüglicher heißer Augustsonntag. Dafür liiiebe ich das Internet. Die Insolenz darin weniger, auch wenn beides gleich anfängt...

Am Dienstag war ich dann wieder bereit, meine Karthause zu verlassen, musste ich ohnehin: Physiotherapie war wieder angesagt! Ich bin dann anschließend wieder auf unser Plätzchen gegangen, hab dort 'nen Freund & 'ne Freundin getroffen, Gespräch, Eiskaffee und eine angenehme Brise genossen. Abends konnte ich den leckeren Rest Pasta vom Vortag aufwärmen. Auch am nächsten - übrigens ein ganz schöner Sommertag - hab ich mir diese Auszeit gegönnt. Der Herbst steht auf der Leiter, sehr früh diesmal.


Am Freitag kam dann der versprochene Regen ( 6-7 teils heftige Schauer verteilt über den Tag ) samt Abkühlung und per Zug Tochter & Enkelinnen. Deshalb hört der Kalenderwochenpost auch vorzeitig auf. Und auch heute setze ich mich erst einmal zu Andreas Samstagsplausch und verlinke mich mit der Gartenwonne und Niwibos Sommerlaune im August und dann schauen wir weiter, was die Lieben so mit mir vor haben.







Freitag, 25. August 2023

Friday - Flowerday #34/23

 

Zum Ende der Hundstage gibt es bei mir noch einmal richtige Augustfarben.


Vor allem die Zinnie hat es mir angetan.

Aber auch sonst tummeln sich schönste Korbblütler...


... zusammen mit Goldrute, Lilie und Dill in diesem vielfältigen Strauß.



Verbunden mit diesen Bildern schicke ich herzliche Geburtstagsgrüße gen Norden...


... an meinen jüngsten Neffen,
der heute einen besonderen Geburtstag feiern darf.

Ich wünsche ihm wie euch
einen schönen Tag.
                                                            

Und wie immer für alle Interessierten anschließend die Linkliste:

Donnerstag, 24. August 2023

Great Women #348: Irma Stern

Die Malerin, die ich heute vorstellen will, ist mir auch noch nicht allzu lange ein Begriff. Ich  bin wohl über sie gestolpert, als ich über Anni Albers geschrieben habe. Aber das ist ja auch egal. Für mich war sie eine begeisternde Entdeckung, ihre Bilder, finde ich, sind es wert, sie bekannter zu machen: Irma Stern.
"Wer schrieb mir dieses Leben? 
Ich mag es nicht! Neu schreiben!"

Irma Stern wird am 2. Oktober 1894 in Schweizer - Reneke geboren, einem Dorf in der damaligen Südafrikanischen Republik der Buren bzw. Transvaal, heute in der südafrikanischen Provinz Nordwest gelegen. Das Dorf ist gerade mal sechs Jahre vorher von zwei Militärs mit den beiden Namen gegründet worden. Irmas Eltern sind deutsch-jüdische Auswanderer - Samuel Stern und Hennie Fels - die ein kleines Handelsgeschäft und eine Farm betreiben und zu einigem Wohlstand gekommen sind. Das Ehepaar bekommt nach Irma noch einen Sohn, Rudi.

Die Familie des Vaters, aschkenasische Juden, ist im Kurfürstentum Hessen ansässig gewesen. In seinen jungen Jahren geht Samuel Stern nach Amerika, gründet dort ein Unternehmen und wendet sich nach Südafrika, als er mit diesem scheitert. Dort ist er erfolgreicher, denn er handelt mit den landwirtschaftlichen Waren, die in den aufstrebenden Industriemetropolen Johannesburg & Kimberley mit ihrer wachsenden Bevölkerung an Berg- & Hilfsarbeitern, Angestellten, Ingenieuren & Spekulanten gebraucht werden. Ein Jahr vor Irmas Geburt geht Samuel Stern nach Deutschland, um dort in Einbeck die 18jährige Hennie zu heiraten, die abenteuerlustig genug ist, um ihrem Mann nach Afrika zu folgen. 

Doch der Zweite Burenkrieg ab 1898 stellt das Leben der Familie auf den Kopf: Der Vater wird zusammen mit seinem Bruder Leopold während des Krieges von den Briten wegen ihrer pro-burischen Gesinnung in einem Konzentrationslager interniert. Die Mutter geht mit ihren beiden Kindern währenddessen ins Exil nach Kapstadt, wo sie allerdings noch so gut situiert ist, dass sie ein Kindermädchen engagieren kann. Der Vater wird nach einiger Zeit zu ihnen stoßen.

1901 bricht die Beulenpest in Kapstadt aus, und die damalige Regierung führt deshalb die Rassentrennung ein, die auch die jüdische Gemeinschaft Kapstadts betrifft, denn die wird mal wieder, wie immer wieder in der Geschichte der Menschheit, als Verursacher für den Ausbruch der Krankheit angesehen.

Die Sterns verlassen daraufhin Südafrika und ziehen nach Deutschland. Irma ist gerade mal sieben Jahre alt, als sie Diskriminierung & den Verlust der Heimat erfährt. Sie wird sich auch immer als zwischen zwei Kulturen lebend empfinden bzw. in Deutschland im Exil.

Highveld
Creative Commons CC0 1.0
Doch erst einmal zurück zu Irmas Kleinkindertagen in Transvaal, die sie auf dem Highveld, dem nach Norden hin abfallenden Plateau Südafrikas, verbringt und dessen Schönheit & Weite sie nachhaltig beeindrucken wird ebenso wie die indigenen Menschen, die bei ihren Eltern arbeiten, ihre Lieder, Tänze, Märchen und Geschichten. Zeitlebens wird diese Gegend für Irma ein verwunschener Ort bleiben und sie wird immer wieder über den Lehmboden ihres Zuhauses in Schweizer - Reneke bzw. der Hütte sprechen, in der sie ihre Mutter - unbeabsichtigt - zur Welt gebracht hat. Anzumerken ist, dass Irma sich später aber um keine realistische Darstellung ihres Lebens bemühen wird, im Gegenteil, gerne fabuliert. Es ist also immer wieder die Frage angebracht, wie viel wahr ist an ihren Tagebuchaufzeichnungen oder Interviews.

Ab 1901 dann also Deutschland bzw. Berlin, wo sich die Eltern niederlassen und, unterbrochen von kurzzeitigen Episoden in Südafrika, bis 1920 ihren Hauptwohnsitz am Kurfürstendamm haben werden. Die Familie kennt keine existenziellen Sorgen, Irma kämpft allerdings mit sprachlichen Schwierigkeiten und versteht in der Schule nur wenig. Als "Jahre meiner Versklavung" empfindet das Mädchen diese Schulzeit, die sie aber dann mit der Reifeprüfung abschließt. Sie genießt allerdings mit ihrer Mutter die kulturellen Angebote im wilhelminischen Berlin, Theater, Konzerte, Ballett. Letzteres wie die Klassische Musik werden für Irma zeitlebens Seelennahrung bleiben. Das Heimweh nach Afrika geht davon nicht weg.

Dorthin kehrt die Familie 1909 zurück. 1914 wird Irma einen "blumigen Bericht" über ihren Aufenthalt in jenen Tagen in Wolmaransstaad, einer kleinen Stadt in der nun südafrikanischen Provinz, in ihrem Tagebuch verfassen. Sie schreibt u.a., sie gehe "auf Jagd - suchte schöne - schwarz Menschen - legte mir eine Sammlung von Negern an - die ich auf feines - weißes Ingrespapier bannte." 

Zuvor - ab Mai 1911- ist die Familie allerdings schon wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Irma erhält nun privaten Kunstunterricht und besucht Aktklassen - Akte werden eine stattliche Anzahl in ihrem Werk einnehmen: "Der menschliche Körper schien mir ein Instrument zu sein, um die Gefühle der Seele auszudrücken." 

Immerzu habe sie gemalt und gezeichnet und sich bereits mit elf Jahren in den Kopf gesetzt, Künstlerin zu werden. "Bei mir erwachte jegliches Interesse über die Augen", wird sie 1926 einmal feststellen. Ab 1912 besucht die inzwischen 18jährige Irma die Reimann’sche Kunstschule, denn im Wilhelminischen Kaiserreich ist ihr als Frau der Zugang zur Kunstakademie versperrt .

1913
Schon ein Jahr nach ihrem Studienbeginn - von dem dortigen Nachzeichnen von Masken und Büsten bald gelangweilt - wechselt Irma gemeinsam mit der Freundin Marianne Brandt ( siehe auch dieser Post ) an die Großherzoglich Sächsische Kunstakademie zu Weimar: Zu "meinem blanken Entsetzen begann die gleiche Routine wieder von vorne – Gipsabgüsse (...), Totenmasken", sogar der "Abguss eines ertrunkenen Mädchens" wird ihr als Studienobjekt zugemutet. 

Bei Ausbruch des 1. Weltkrieges und dem Ausscheiden des von Irma geschätzten Lehrers, des Amerikaners Gari Melchers, kehrt sie nach Berlin zurück. Dort studiert sie bis 1916 bei Martin Brandenburg, einem Maler des Impressionismus & Symbolismus, in den von Arthur Lewin-Funcke geleiteten "Studien-Ateliers für Malerei und Plastik", wo auch Anni Albers ( siehe dieser Post ) ausgebildet wird. 

Als sich Irma mit Brandenburg überwirft, bedeutet das das Ende ihrer offiziellen Ausbildung zur Künstlerin. Auslöser dafür ist eins von Irmas Gemälden: Das "Ewige Kind" ( auch "Eternal Child" / "Pathetic Child" ), welches Brandenburg wohl als "kaltherzige, zynische Repräsentation menschlichen Elends" empfindet, was Irma nicht nachvollziehen kann, ist ihre Motivation doch eine andere.

"Das ewige Kind"
(1916)
1916 bei einem Aufenthalt bei den mütterlichen Großeltern in Einbeck entstanden, ist das "Ewige Kind" wohl das berühmteste Gemälde der Irma Stern. Als Inspiration wird immer wieder Paula Modersohn-Beckers berühmtes "Worpsweder Bauernkind auf einem Stuhl sitzend" von 1905 erwähnt. 
Irma Stern hat das Mädchen eines Tages in einer Straßenbahn getroffen und fühlt sich animiert, es zu zeichnen, um das Elend und die Not auszudrücken, die der Krieg allen Leben zufügt. Sie malt das Werk aus dem Gedächtnis und lädt es mit Symbolik auf, z.B. durch die lebendigen Blumen oder das Gitter des Stuhls, das metaphorisch die eingeschränkte natürliche Entwicklung des Kindes andeuten könnte. Erst 1965, kurz vor ihrem Tode, wird sie "Das ewige Kind" zum Verkauf freigeben, ist es doch ( unbeabsichtigt? ) zu einem Schlüsselwerk der Malerin geraten.

Mit der Kunst verbundene Medienleute sehen auch einen Zusammenhang zwischen diesem Bild und Irmas Bekanntschaft mit dem Künstler Max Pechstein. Ihre Tante ist mit dem vermögenden Berliner Immobilienmakler John Meyer verheiratet, in deren Haushalt in Lichterfelde Künstler & Berühmtheiten der Zeit ( darunter auch Max Reinhardt & Elisabeth Bergner - siehe dieser Post ) aus und eingehen. Der Maler,  führender Vertreter der Avantgarde im wilhelminischen Deutschland und Angehöriger der "Brücke", gehört auch dazu. Der über zehn Jahre Ältere hinterlässt einen starken Eindruck bei der 23jährigen. 

"Dumela Morena.Bilder aus Afrika"
(1920
In sozialer wie politischer Hinsicht besteht zwar ein großer Gegensatz - Pechstein kommt aus dem Arbeitermilieu -, aber von seiner lebensfrohen, unbekümmerten Persönlichkeit und seiner Malerei "trunken von einer glühenden Schönheit der reinen Farben, in der sich die Schönheit der Außenwelt steigert und multipliziert" fühlt sich die junge Malerin stark angezogen. Sie ist ihm außerdem dankbar, dass er sie von ihren Selbstzweifeln und der innerlich Zerrissenheit in den dunklen Stunden nach dem Zerwürfnis mit ihrem Lehrer befreit hat. 1918 nimmt sie an einer Gruppenausstellung der "Freien Secession", deren Mitbegründer & Präsident Pechstein ist, mit zwei neu entstandenen Gemälden teil. Sie wiederum unterstützt den Künstler & seine Familie während der desolaten Zeit zum Kriegsende hin mit Lebensmittelpaketen, da sie finanziell besser gestellt ist. 

Über Pechstein bekommt Irma auch Zugang zu dem Kunsthändler Wolfgang Gurlitt, der Aquarelle & Zeichnungen von ihr ausstellt, darunter 1920 das Mappenwerk "Dumela Morena. Bilder aus Afrika." Es ist auch das Jahr, in dem sich die Familie Stern auf eine Rückkehr nach Afrika vorbereitet. Nach einem Urlaub im mondänen Ostseebad Ahrenshoop brechen sie ihre Zelte in Deutschland endgültig ab.

"Afrika - wie war das Wort der Inbegriff alles Ersehnenswerten für mich. Das Land meiner Kindheit - Der Sonne - der braunen Menschen - Der schroffen Berge - der unendlichen Himmel - Der farbentrunkenen Blumenpracht", beschreibt sie 1923 in ihrem Buch „Umgababa“ ihre Gefühle bei ihrer Ankunft mit dem Dampfer in Kapstadt.

Irma Stern ist 27 Jahre alt, als sie ins kulturelle Rampenlicht Südafrikas tritt und wird dieses ab da nie mehr verlassen.

"Coastal Landscape with Cape Malays"
(1921)
Die Kunstszene allerdings, auf die sie in Kapstadt trifft, könnte sich von der in Berlin nicht ärger unterscheiden: Es dominieren "amateurhafte Emporkömmlinge" und "selbstgefällige Viktorianer", man ist konservativ - vorherrschend ist der Stil des Naturalismus & Impressionismus- und antisemitisch. Allerdings hat sich dort schon eine respektable Fotoszene etabliert, deren Porträts bei den Kolonisten der Diamantenfelder in Kimberly gefragt sind. Minna Keene, eine Autodidaktin auf dem Gebiet der Fotografie, hat mit ihren botanischen Studien und Porträts "Einheimischer" durchaus Erfolg. Die ethnisch vielfältige Bevölkerung der Stadt spielt als Akteur in der Kunst keine Rolle, nur als Modell & Sujet. 

Der bisweilen verbohrte, weiße südafrikanische Geldadel macht Irma zusätzlich das Leben am Kap schwer. Ihr seit ihrer Kindheit verklärtes Afrika-Bild erfährt außerdem weitere Risse: "herrlich schön" sei nur die Natur, "aber alles was die Menschen hier gemacht haben" sei "hässlich".

Schon 1924 kann Irma dann in Kapstadt in den Ashbey's Galleries in einer Ausstellung 96 Aquarelle, Holzschnitte, Lithografien und Zeichnungen präsentieren. Einige der gezeigten Arbeiten sind noch in Berlin, andere vor Ort entstanden wie ein malaisches Paar und eine Zulu-Frau. Der Stil der Präsentation ist der des Salons, bei dem man die Wände vor lauter Bildern nicht sehen kann und der Quantität vor der Qualität der Vorzug gegeben wird. Auch werden neue und alte, bisher nicht verkaufte Werk munter gemischt.

Die Kritik der Schau ist in der "Cape Times" vernichtend, schreibt man doch dort von "offener Empörung übe die allgemeine Abscheulichkeit des Werkes. Man mag ja mit den Methoden der modernen Kunst vertraut sein, ja wohlwollend gegenüberstehen, doch diesem Versuch, die Kapstädter Kunstliebhaber vor den Kopf zu stoßen, sollte man keine ernsthafte Aufmerksamkeit schenken."

In Kapstadt, ca. 1925
Irma lernt schnell, mit der Presse umzugehen und sie als Sprachrohr für ihre eigene Vermarktung zu nutzen, indem sie die Medien mit wohl platzierten Nachrichten über ihre Reisen, ihre Erfolge & Erwerbungen versorgt. Die Attacken der Kritiker werden sie zeitlebens aber begleiten und ihr immer zusetzen. 

"Obwohl neugierig, belesen und kultiviert, war sie doch das verwöhnte, reiche Kind geblieben, das nach der Rückkehr aus Europa in Kapstadt im Elternhaus lebte. Häufig fügte sie sich den Wünschen ihrer Eltern, nicht zuletzt, als sie 1926 ihren ehemaligen Tutor Johannes Prinz (1886-1942) heiratete. Die Sonnenanbeterin, deren feministische Neigungen durch ihre Liebe zum Sonnenbaden und Schwimmen sublimiert wurden - harmlose Rituale, die im Kapstadt der 1920er-Jahre dennoch nicht gern gesehen wurden - war unreif, leicht gelangweilt verwundbar und empfindlich", so Sean O'Toole in seinem Buch zu Irma Stern.

Die Ehe mit Johannes Prinz ist eine rätselhafte Episode im Leben der Malerin. Der aus Potsdam Stammende ist kurz nach seiner Promotion 1909 in Wolmaranstaad ihr Tutor gewesen und es bleibt im Trüben, welche Rolle er anschließend in ihrer Jugend in Berlin gespielt hat. Ab 1922 ist er Dozent für Deutsch an der Universität Kapstadt, und es gibt Fotos aus der Partyszene der Stadt, auf denen er mit Irma zu sehen ist. Die entpuppt sich da als Genussmensch, der raucht, maßlos trinkt & isst und gerne feiert ( und z.B. einen ersten Preis für eine Verkleidung bei einem Ball einheimst ) und der so gar nicht dem in ihren persönlichen Schriften gemalten melancholischem Selbstbild voller Weltschmerz entsprechen mag.

Ab 1927 lebt das Paar in einem neu erworbenen Haus - The Firs" - und es wird bald klar, dass die Ehe mit dem inzwischen zum Professor ernannten gelehrsamen Prinz die junge Frau nicht zufriedenstellt. Die verzieht sich in ihren üppigen Garten voller sinnlicher Farben und malt & malt - "alle Schwere ist von mir genommen", schreibt sie an ein Freundin. Sie stellt nicht nur jedes Jahr in Kapstadt aus, sondern auch in Europa bei Gurlitt in Berlin, in Frankfurt/Main, aber auch Paris, Amsterdam, Breslau, Brüssel, Hannover, London, Den Haag und Wien. Die aufwändigen und langsamen Reisen mit den Dampfern nimmt sie wohl gerne auf sich. Dort in Europa nimmt man ihre Kunst einfach wohlwollender auf. 

Sie gewinnt aber allmählich auch Anhänger unter fortschrittlicheren weißen Kapstädtern, darunter der zur Labour Party gehörende, aus Litauen stammende Politiker & Geschäftsmann Richard Feldmann. Dessen Frau Freda porträtiert Irma sechs Mal. Die wird ihre Freundin & Muse und ihre innige Verbindung sorgt immer wieder für Mutmaßungen und Spekulationen, sowohl zu Lebzeiten der beiden Frauen als auch danach. Einige behaupten, Irma habe ein Auge auf Fredas Ehemann Richard geworfen. Andere wiederum gehen davon aus, dass Irma und Freda mehr verbunden hat als reine Freundschaft. Fredas Tochter wird später ein Bild von einer fordernden, zanksüchtigen Frau zeichnen, die sich nur allzu gerne in das Familienleben ihrer Freundin eingemischt habe. 

Drei Freda - Porträts von Irma Stern alle von 1943


Freda, zehntes Kind eines Ladenbesitzers in Amersfoort (Mpumalanga) bei Johannesburg und recht ungebildet & wenig weltgewandt, anders als Irma, wird in jeder Hinsicht von ihrem Mann gefördert und später in die globale "World ORT Union" gewählt und eine wichtige und angesehene Führungspersönlichkeit in der südafrikanischen jüdischen Gemeinde werden. Freda Feldmann scheint ihr natürliches Gespür für Stil zu ihrem besten Vorteil und ihre Liebe zu schöner Kleidung und Accessoires zur Schaffung einer eleganten öffentlichen Persönlichkeit genutzt zu haben, was Irma wohl fasziniert hat.

Die reist nicht nur nach Europa, wie schon erwähnt, sondern verfolgt ihre private Vision von Afrika schon seit Anbeginn ihrer Rückkehr auf den Kontinent, indem sie in den nächsten zwanzig Jahren immer größere Wegstrecken im südlichen Afrika, teils mit dem Auto, zurücklegt. Schon 1922 besucht sie den am indischen Ozean bei Durban gelegenen Badeort Umgababa - dort entsteht das Reisetagebuch "Umgababa"-, wo sie die Zulu- wie die Natal-Indische Kultur kennenlernt, was ihrer Malerei eine neue Grundlage gibt. 

"Dirnen auf Madeira"
(1932)
Zwei Jahre später reist sie in die nördlichsten Regionen von Transvaal und die Stammesreservate in Zululand, wohin sie auch 1926 zurückkehrt. 1926 wie 1929 führt es sie außerdem nach Swasiland sowie in die damals unter dem Namen Pondoland firmierenden Gebiete der Östlichen Kapprovinz. Es ist damals übrigens nicht ungewöhnlich, dass weiße Frauen aus der Großbourgeoisie alleine reisen.

Da das Reisen Balsam für Irmas Seele ist, setzt sie es auch im nächsten Jahrzehnt fort. Sie führen aber erst einmal nach Europa. 1931-32 unterbricht sie eine solche Reise mit einem längeren Zwischenaufenthalt in Madeira. 

1933 beginnt mit einer Tour nach Swasiland bzw. den Norden des Landes und im Herbst zusammen mit ihrer Mutter nach Namaqualand mit seiner jährlich Ende August/Anfang September stattfindenden farbenprächtigen Wüstenblüte. Als sie nach Kapstadt zurückkommt, reicht sie die Scheidung von Johannes Prinz ein. 

Auf den Hitlerfaschismus in Deutschland reagiert sie, indem sie nur noch in englischer Sprache korrespondiert. Auch in Südafrika schleichen sich faschistische Vorstellungen immer mehr ein und die Viktorianer Edward Roworth, ein Maler, und Bernard Lewis, jüdischer Kunstkritiker in der Stadt, steigern sich immer mehr, was ihren Antisemitismus anbelangt, und prangern Irma Stern als Vertreterin des "Kultes des Hässlichen" an. Moderne Kunst ist in ihren Augen generell nicht-arisch, sondern jüdisch, kommunistisch und hässlich. In einem solchen Klima ist es auch nicht verwunderlich,  dass Irma sich wieder ins Reisen flüchtet.

Auf einer Heimreise von einer Londoner Ausstellung, einem Malaufenthalt in Italien und dem Besuch der Salzburger Festspiele 1938 legt sie einen Zwischenaufenthalt in Dakar, damals noch Französisch - Westafrika, heute Senegal, ein. Aber selbst sie beschwert sich dort über die fehlende "Farbschranke" ( damit ist die Rassentrennung gemeint ) in dem ansonsten "malerischstem Fleck, der ihr jemals begegnet sei". Bei aller Begeisterung für Afrika und die Völker des Kontinents verfällt Irma Stern immer wieder in white supremacy und autoritäres Gehabe - ein Widerspruch in ihrer Persönlichkeit, der sich auch auf den Reisen  nach Belgisch - Kongo ( 1942, 1946 und 1955 ) und Sansibar ( 1939 und 1945 ) zeigen. Diese Reisen inspirieren sie allerdings zu den Werken, die heute als Höhepunkt ihres Schaffens angesehen werden.

Links: "Arabischer Priester", rechts "Araber in Schwarz", beide von 1939

Auf der der Ostküste Afrikas vorgelagerten Insel Sansibar entsteht z. B. das Porträt eines arabischen Priesters, welches 2011 bei Bonhams in London für über 3 Millionen Euro versteigert werden wird. Das bedeutet nicht nur einen Rekord für Irma Stern, sondern generell einen Rekord für das Werk eines südafrikanischen Künstlers. Auch "Arab in Black" ist 1939 auf Sansibar entstanden und wird ebenfalls bei Bonhams im Jahr 2015 versteigert - ein Zufallsfund in einer Londoner Wohnung, wo es halb verdeckt von Postkarten und Zetteln an der Wand gehangen hat. Interessanter als der Verkaufserlös ist jedoch die Tatsache, dass Irma Stern das Gemälde ursprünglich verkauft hat, um Nelson Mandelas Verteidigung mitzufinanzieren.

Die Streifzüge durch Afrika befördern Irmas Kunst enorm. Sie entwickelt sich nun auch zu einer beeindruckenden Stilllebenmalerin und einer Meisterin in der Beherrschung der Grüntöne, vor allem bei ihren Werken in Belgisch - Kongo. Dabei zieht sie es vor, unterwegs mit Wasserfarben zu arbeiten, und die Ölmalerei  dem Atelier in Kapstadt zu reservieren. Dadurch begünstigt ist allerdings, dass diese Bilder eher ihren Fantasien von einem vormodernen Leben in Afrika entsprechen als der Wirklichkeit. Der Widerspruch zwischen dem Bedürfnis nach der direkten Begegnung mit Menschen vor Ort und dem nach Erfüllung ihrer Wunschvorstellungen ist wohl markanter Bestandteil der Kunst der Irma Stern. 

"Watussi Woman"
(1942)

Durch die vielen Reisen passiert aber auch noch etwas anderes: Irma erfährt eine Desillusionierung, die durch die drastischen Veränderungen aufgrund der Zivilisierung im ländlichen Leben des Kontinents bewirkt wird: "Vor sechs Jahren erlebte ich den Geist Afrikas als glückliches, ungehindertes Geschöpf, das überaus glücklich und farbenprächtig war", schreibt sie schon 1933.

Kritiker ihres Werkes bemerken denn auch immer wieder, dass in Irmas Bildern die "verstörende(n) Aspekte ihrer politischen Überzeugung und Weltanschauung zum Ausdruck" kommen neben "ihrer persönlichen Sicht und schichtenspezifischer Privilegien". "Primitivismus als Kulturideologie" - Irma Stern ist darin ein Kind ihrer Zeit, da unterscheidet sie sich nicht von Max Pechstein oder Paul Gauguin. Bei diesen wie bei Irma spielt zudem die Kolonialfotografie als bildgebendes Medium eine Rolle, was z.B. bei dem Gemälde rechts vermutet wird. Auch wenn ihre Titel sich an den Gepflogenheiten der ethnografischen Fotografie orientieren - in meinen Augen malt Irma nicht Köpfe, sondern individuelle Gesichter.

"Watussi-Woman with Mountains"
(1946)
1943 erscheint unter ihrem Namen ein Buch, auf 300 Exemplare limitiert, namens "Congo", 1948 ein ähnliches namens "Zanzibar", die die Leidenschaft der Künstlerin für die Buchgestaltung offenbaren, aber weniger Reiseliteratur sind.

Dass das Ende der Zeit des Herumreisens in Afrika einhergeht mit der Installierung der Malerin als anerkannte Künstlerin und couragierte Dame der besseren Gesellschaft ist eher Zufall und hängt eher mit der politischen Entwicklung in den Kolonien der Europäer zusammen, die nun von Streik & Aufstand geprägt ist. Im Jahr der Unterzeichnung der Pariser Friedenskonferenz hat Irma Stern in der Stadt die bedeutendste Ausstellung ihrer Karriere in der Galerie Beaux-Arts mit über 120 Werken ( auf hundert Ausstellungen wird Irma insgesamt kommen, ). Diese festigt den internationalen Ruf der Künstlerin, werden dort doch auch alle Werke des heute gültigen Stern-Kanons gezeigt.

Eine Reise durch die britische & amerikanische Besatzungszone des Nachkriegsdeutschlands veranlasst die nunmehr 53 Jahre alte Malerin, in einem Brief zu schreiben, sie habe auf dieser Reise die Vergangenheit zu Grabe getragen. In Kapstadt, wo sie einstens übel diffamiert worden ist, werden jetzt ihre jährlichen Ausstellungen zu einem gesellschaftlichen Event, ja ähneln "Triumphzügen", wie ein Kritiker der Zeitung "Cape Argus" schreibt. Vertreten ist sie auch im Südafrikanischen Pavillon auf der Biennale in Venedig in den Jahren 1950 -59 mit einem Schwerpunkt 1958. 

Doch die Themen ihrer Bilder wandeln sich, bedingt durch Reisen nach Tunis (1950), Istanbul (1955), Spanien. Die figurative Malerei ist in der Nachkriegszeit an ihr Ende gekommen. Was die Abstrakte anbelangt, die sie abgelöst hat, äußert sich Irma öffentlich nun ebenso abschätzig, wie sie es in ihren ersten Jahren am Kap in puncto ihres Malstils erfahren hat. Ebenso scharf verurteilt sie die Veränderungen, die sie auf ihren Reisen feststellt. "Ich fühle mich unter Primitiven nicht mehr wohl", verkündet sie in der "Cape Argus". 

Es ist jetzt die Zeit der kompromisslosen Rassenpolitik in Südafrika, durch die "National Party" forciert. Im Kampf gegen die Apartheid engagiert sich die Künstlerin nicht, unterstützt aber mit einer Malerei den Rechtschutzfond der "Freedom Charter" von 1955. Gleichzeitig - der typische Sternsche Widerspruch -  entgleiten ihr, vor allem gegen Lebensende, mitunter manifeste Rassismen, über die sich die wohlgesonnenen Feldmans beträchtlich echauffieren können. Allerdings muss man auch berücksichtigen: Irma Stern ist Jüdin. Nach überlebter Shoah und großer Angst vor der Renaissance antijüdischer Hetze,   bringt nur eine Minorität südafrikanischer Juden & Jüdinnen die Kraft auf, sich offiziell gegen die Apartheid zu positionieren. Der Rest schweigt, oder adaptiert eben wie Irma Stern rassistische Ressentiments.

(ohne Jahr )

In ihren letzten Jahren müssen die unterhaltsamen Reisen dann aufgrund gesundheitlicher Probleme ganz unterbleiben, und Irma kann nur noch Gäste in ihrem Haus mit ihrer Sammlung von Objekten aus Afrika, Asien, Europa und Amerika empfangen. Auf ihr Leben legt sich ein Schatten. 

Am 23. August 1966, gestern vor 57 Jahren, stirbt die stark übergewichtige, knapp 72jährige an einem Herzinfarkt. Die Nachrufe sind überschwänglich, aber ohne Wärme, was deutlich macht, dass Irma Stern nirgendwo hingehört hat und eine ewige Vagantin geblieben ist.

Ihre Freundin Freda Feldman hat erheblichen Anteil daran, dass das Wohnhaus Irma Sterns - die "Gartenrepublik der Imagination" in Kapstadts Stadtteil Rosebank - nach deren Tod erhalten bleibt und 1971 in ein Museum umgewandelt wird, in dem Besucher nicht nur Dutzende ihrer Werke betrachten, sondern durch die Möbel und Dekorationen die persönliche Ästhetik der Künstlerin nachempfinden können. 

Meine Beschäftigung mit Irma Stern hat mir die Bekanntschaft mit einer Künstlerpersönlichkeit gebracht, die voller Ambivalenz und charakterlichen Ecken und Kanten gewesen ist, dazu aber von beeindruckender farbsprühender, geradezu grenzenloser Kreativität wie Produktivität, was mir immer imponiert. Mehr Gemälde sind übrigens hier zu betrachten.









Sonntag, 20. August 2023

Monatsspaziergang August

Für den Monatsspaziergang im August habe ich mir - anders als sonst, wo öfter Siedlungen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Mittelpunkt standen - ein Wohnprojekt des beginnenden 21. Jahrhunderts vorgeknöpft. In meinen Posts findet diese Siedlung öfter Erwähnung, gehe ich doch mindestens zweimal pro Woche dorthin, denn dort befindet sich auch meine Physiotherapiepraxis. Auch einer meiner 12tel Blicke, nämlich der von 2019, liegt westlich dieser Wohnanlage, und das Terrain war in den letzten Jahren sehr beliebt bei Spaziergängen mit meinem Mann während der Pandemiezeiten. 

 


Es war Mitte der Neunziger Jahre, dass uns ein guter Bekannter von einem Projekt berichtete, welches er mit anderen anstoßen wollte, nämlich auf dem Gelände des ehemaligen Bundesbahnausbesserungswerkes, am Ende unserer Wohnstraße gelegen, eine autofreie Siedlung anlegen zu lassen. 



Dieses Werk, seit 1862 bestehend und bis in die 1970er Jahre hinein größter Arbeitgeber in meinem Veedel, war eigentlich schon 1978 aufgegeben worden, aber viele Gebäudeteile wurden von der Bahn noch genutzt und die Kantine auf dem Gelände entwickelte sich zu einem beliebten Treffpunkt für Tanzbegeisterte & zu einer gefragten location für kulturelle Veranstaltungen. 

Als die Deutsche Bahn sich Ende der 1980er Jahre ganz zurückgezogen hatte, richteten sich in den freigewordenen Gebäuden Künstler und verschiedene Betriebe als "Zwischennutzer" sowie eine Sonderwerkstätte für Behinderte ein. Der größte Teil des ehemaligen Betriebsgeländes entwickelte sich aber fortan zur Industriebrache.

Die Initiatoren wurden als Öko-Spinner abgetan, stellte doch zu jener Zeit in der breiten Bevölkerung kaum einer das Auto als Statussymbol in Frage. Das Ringen um politische Mehrheiten war mehr als mühsam für die Initiatoren. Vor allem die Kölner Stadtverwaltung erwies sich als besonders autoaffin & spreizte sich, so gut sie konnte ( Notiz an mich: gelegentlich sollte ich mal zu den Auswüchsen dieser Ideologie der autogerechten Stadt einen Ausflug machen ). 



Inzwischen verbucht die Stadt Köln das Projekt jedoch als Erfolg. "Die autofreie Siedlung "Stellwerk 60" in Köln-Nippes zeigt, dass autofreie Bereiche und begrünte Innenhöfe zu einer hohen Aufenthaltsqualität für die Bewohnerinnen und Bewohner führen", heißt es jetzt in offiziellen Verlautbarungen.



Auch die unmittelbaren Nachbarn des Geländes waren nicht wohlwollend, fürchtet man doch den eigenen Parkplatzverlust. Die Mitglieder der Initiative lehnten für sich selbst Autos ab und wollten auch keins der kommenden Nachbarn vor der Tür stehen haben. Bis heute eint dieser Gedanke allerdings die meisten Bewohner der Siedlung. Achtzig private Stellplätze gibt es heute in einem abgesonderten Parkhaus – das verlangte ein Kompromiss mit der Stadt. Zwei Car-Sharing Stationen mit zwanzig Autos ( inklusive Neunsitzer und Kastenwagen ) befinden sich an den Zugängen zur Siedlung. Dafür gibt es in den Kellern der Häuser Tiefgaragen für Fahrräder.



Trotz der vielen in den Weg gelegten Steine - ein deutscher Projektentwickler warf das Handtuch - gab es  doch noch grünes Licht vom Kölner Stadtrat, und es fand sich schließlich & endlich ein niederländischer Immobilienentwickler als Investor für das 80 Millionen Projekt. 2006 wurde mit der Umsetzung begonnen, die vor zehn Jahren abgeschlossen werden konnte.



Heute leben auf einer Fläche von 4,5 Hektar Fläche um die 1550 Bewohner, verteilt auf 455 Haushalte. Gut drei Viertel der Wohnungen sind vermietet, der Rest ist Eigentum. Zwischen den Wohnblocks und kleinen Reihenhäusern befinden sich kleine Spiel- und "Versammlungsplätze". 



Eine große Freifläche mit Wiese und dem von mir geliebten Birkenwäldchen befindet sich westlich von den Wohnbauten und zieht sich bis zur Trasse der Bahnstrecke Köln - Krefeld hin. Daneben gibt es einen Spielplatz sowie südlich davon ein sehr bunt bewirtschaftetes Gartengelände.

Ehemalige Kantine, jetzt Kindergarten

Die Kantine ist längst in eine Kindertagesstätte umgewandelt worden, es gibt ein Mehrgenerationenhaus, eine Mobilitätsstation, wo Bollerwagen, Fahrradanhänger, Elektro-Lastenräder, Tretroller, Bierzeltgarnituren u.a. ausgeliehen werden können ( das Motto: Teilen statt Besitzen )...

Mehrgenerationenhaus mit pride flag
... sowie einen großen Kiosk - DB-Speisewagen mit Namen -, der von seinem Sortiment her mehr ein "Tante Emma"- Laden alter Schule ist. Dort kann man seine frischen Morgenbrötchen holen und - bei Bedarf - an den Tischen davor verzehren. ( Ich profitiere auch schon mal davon, wenn mich die Physiotherapie in der Praxis daneben zu sehr gefordert hat. )




Schon 2007 hat das autofreie Projekt die ersten Preise gewonnen, den "Best Practice Modell"-Preis der Konrad-Adenauer-Stiftung oder die Auszeichnung als ein Ort der Aktion "Deutschland – Land der Ideen". 2013 gab es den dritten Platz beim Deutschen Fahrradpreis für die Siedlung.

Aus der damaligen Initiative ist nun der Verein "Nachbarn60 e. V." geworden. Unser Bekannter von damals ist dann aber wegen privater Veränderungen nicht mehr in die von ihm initiierte Siedlung gezogen. 

Ich selbst fühle mich in diesem Teil meines Veedels recht wohl, vor allem wegen der vielen Kinder, die überall ungefährdet herumwuseln können. Und irgendwie scheint sich auch das soziale Miteinander gut entwickelt zu haben: Johannes, ein etwas vernachlässigter alter Herr, nicht mehr gut zu Fuß, dennoch jeden Tag auf dem Gelände mit seinem Wägelchen unterwegs, wird von den verschiedensten Frauen aus der Siedlung betüddert & betreut und lässt das moderne Ambiente doch sehr menschlich, sehr kölsch erscheinen.

Was aber besonders auffällt, wenn frau sich lange in der Siedlung herumtreibt: die Stille! Einfach wohltuend in der Großstadt.

Danke, dass ihr bis hierhin durchgehalten habt! Die Lektüre war aber sicher nicht so schweißtreibend wie meine Runde gestern. Verlinkt wird der Spaziergang wieder mit Kristina Schapers Blog.