Mein heutiger Baumfreund ist mir immer als ein typischer Stadtbaum vorgekommen, denn im Dorf meiner Kindheit gab es ihn nicht, ich habe ihn also erst beim Umzug in die Stadt kennengelernt. Und da kam er mir immer zu duster vor, zu staubig, in irgendwelchen städtischen Vorgärten unter anderen Bäumen immer etwas bedrängt stehend. Dabei ist dieser Nadelbaum etwas ganz besonderes, nämlich die älteste und schattenverträglichste Baumart Europas.

Die Europäische Eibe Taxus baccata, auch Gemeine Eibe oder nur Eibe genannt, Baum des Jahres 1994, ist die einzige Variante der Pflanzengattung Taxaceae bei uns in Europa. Eiben gab es schon vor der letzten Eiszeit in unseren Breiten. Damit ist sie eine Besonderheit, denn die meisten anderen für unsere Klimazone typischen Bäume tauchten erst auf, als das Klima wieder milder geworden war. Die Härte gegenüber klimatischen Widrigkeiten ist typisch für die Eibe, die robust & extrem stark ist. Sie kann auch sehr alt werden. Insgesamt kommen auf der Nordhalbkugel unserer Erde - und nur dort - acht bis zehn verschiedene Arten der Eibe vor.

Als Deutschlands älteste Eibe gilt die Hintersteiner Eibe im Allgäu, deren Alter auf ca. 2000 Jahre geschätzt wird. Sie hat einen Stammdurchmesser von etwa einem Meter. In Münchshagen bei Rostock steht eine Eibe, deren Alter auf 1500 Jahre geschätzt wird, und das Exemplar neben der Kirche in
Wietmarschen bei Bentheim/ Niedersachsen wurde bereits 1152 bei der Erbauung der Stiftskirche urkundlich erwähnt ( ".
.. neben dem hiligen Ibenbaum" - Ibe ist der alte Name des Baumes und kommt in etlichen Ortsnamen vor ).
Von Natur aus ist die Eibe in allen deutschen Bergregionen bis hinauf in eine Höhe von 1400 Metern verbreitet gewesen. Doch sie wurde in der Vergangenheit rigoros abgeholzt, so dass sie nur noch an wenigen Stellen in unserem Land in nennenswerter Zahl zu finden ist und mittlerweile auf die Rote Liste der gefährdeten Arten aufgenommen wurde.
Einer der größten Eibenwälder Deutschlands mit einer Fläche von 90 Hektar befindet sich heute in der Nähe des
Klosters Wessobrunn in Bayern. Im
Naturwaldreservat des niedersächsischen Forstamts Bovenden bei Göttingen findet man einen kleineren geschlossenen Eibenbestand von ca. 13 Hektar. Auf der
Vorderröhn in der Nähe von Dermbach gibt es einen Bestand von ca. 600 Stämmen ( "
Ibengarten" ) sowie größere Gruppen des Baumes wie auch Einzelexemplare
im Bodetal im Harz, zwischen Thale und Treseburg.
Gründe für diesen Schwund in früheren Zeiten gibt es mehrere:
Das Holz der Eibe ist harzfrei, sehr elastisch und zäh, dabei doch sehr dicht und schwer, was auf das sehr langsame Wachstum zurückzuführen ist. Im Spätmittelalter war dieses harte und gleichzeitig elastische Eibenholz für den Bogen- und Armbrustbau sehr gefragt. Besonders in England, der Heimat des Langbogens, war die Nachfrage nach solchen Bögen aus Eibenholz so groß, dass diese über Nürnberg in großen Mengen - quasi ein früher Exportschlager - nach Antwerpen geliefert und von dort weiter verschifft wurden. Für das Jahr 1560 ist alleine die gewaltige Menge von 36 000 Eibenbogen verzeichnet!
Auch als Rohstoff für Musikinstrumente war die Eibe sehr beliebt. So entwickelte sich in der Renaissance Füssen im Allgäu zu einem Zentrum der Lautenmacherkunst, dem u.a. die Eibenwälder entlang des Lechs zum Opfer fielen. Und dann dezimierten schließlich noch die Pferdehalter die Eiben entlang ihrer Fuhrwege, weil schon geringe Mengen der Nadeln oder Rindenstücke des Baumes, einmal gefressen, zum Tod ihrer Pferden führte. Jedenfalls erklärte der Herzog Albrecht von Bayern im 16. Jahrhundert offiziell, dass es keine einzige Eibe in seinem Herrschaftsbereich mehr gäbe.
Die Eibe ist ein immergrüner Nadelbaum, der selten eine Höhe von über 20 Metern erreicht, oft auch nur strauchförmig wächst.
Typisch für die Eibe ist, dass sie aus mehreren, miteinander verwachsenen Stämmen besteht. Oft wachsen Stockausschläge oder zusätzliche Triebe am Hauptstamm empor, die sich dann eng an ihn anlehnen und mit ihm verwachsen. Die Krone einstämmiger Exemplare bleibt anfangs eher kegelförmig und sieht erst später abgerundet bis kugelig aus mit stark verzweigt Ästen. Stärkere Äste hängen leicht nach unten, zeigen an den Enden dann wieder nach oben. Im Gesamtbild erscheint die Eibe oft sehr ungleichmäßig gewachsen.
Ihr Wurzelsystem ist sehr weitläufig, tiefreichend und dicht. Die Entwicklung dieses Wurzelsystems hat beim Heranwachsen des Baumes Priorität vor dem Dicken- und Höhenwachstum. In Felsregionen ist die Eibe sogar in der Lage, mit ihren Wurzeln in wasserführende Senken und Klüfte zu dringen und sich gleichzeitig mit anderen Wurzeln an den nackten Felsen zu klammern.
Der tiefgefurchte Stamm hat in jungen Jahren eine rötlich - braune glatte Rinde, die später zu einer graubraunen, sich in Schuppen ablösenden Borke wird. Die Nadeln sind etwa 15 bis max. 40 mm lang und 2 bis 3 mm breit, an der Oberseite glänzend dunkelgrün, auf der Unterseite graugrün mit zwei undeutlichen Spaltöffnungsstreifen und relativ weich. Mir kommen sie immer vor - im Vergleich zu den Nadeln anderer Bäume - wie mit der Schere gerade geschnitten.
Die Eibe ist zweihäusig: Männliche und weibliche Blüten befinden sich auf unterschiedlichen Bäumen.
Die zahlreichen männlichen Blüten haben eine kugelige Form mit einem Durchmesser von etwa 4 mm, die weiblichen sind nur 1 bis 1,5 mm groß, stehen jeweils als Kurztriebe in den Blattachseln jüngerer Zweige und sind auf Grund ihrer grünlichen Farbe unscheinbar ( Blütezeit: März - April ). Die roten Fruchtkörper ( biologisch handelt es sich um einen Samenmantel arillus ) der Eibe sind für Drosseln und andere Federträger ein willkommener Snack - aber Achtung:
Die Eibe ist der einzige bei uns heimische Nadelbaum, bei dem fast alle Teile giftige
Alkaloide ( Taxin, Miloxin und Ephedrin ) sowie das
Glykosid Taxacatin enthalten. Nur das Fruchtfleisch der leuchtend roten Früchte ist genießbar, die darin "versteckten" Samen enthalten das giftige Taxin. Auch Hasen, Rehe und Rothirsche vertragen dieses Gift, beim Menschen hingegen führt schon eine geringe Menge zu Atemlähmung und Herzversagen. Auf jeden Fall sollte man den Kern immer ausspucken!

Die Eibe hat Strategien entwickelt, um mit den bei uns vorkommenden wesentlich höheren Buchen, Fichten und Tannen konkurrieren zu können. So verträgt sie mehr Schatten als alle anderen Bäume in Mitteleuropa, und dann kann sie selbst noch aus einem gefällten oder abgebrochenen Stamm neu austreiben. Auch Astteile, die mit dem Boden in Berührung kommen, beginnen Wurzeln zu schlagen. Eine weitere Überlebensstrategie ist die
vegetative Vermehrung. Die Tochtergeneration unterscheidet sich dann nicht von der Muttergeneration, sie ist sozusagen ein Klon.
Im Altertum spielte die Eibe im Totenkult sowie als Totenbaum eine Rolle. Auch vor Blitzen und Dämonen sollte sie den Menschen schützen. Bei den Kelten stellte man aus den Früchten ein Gift her, mit dem die Waffen bestrichen wurden. So glaubte auch Cäsar, dass die Germanen, um ihn zu töten, Pfeile mit Saft von Eiben vergiftet hätten. Die Zauberstäbe der Druiden waren ebenfalls aus Eibenholz, in das rituelle Worte eingeritzt wurden, geschnitzt.
Auf dem Höhepunkt des Rokoko kam die Eibe als scharfgeschnittene Formhecke in Mode: Auf Adelssitzen, in Gärten und auf Friedhöfen fand sie sich damals in Kugelform beschnitten, als Pyramide, Obelisk oder als Tier- & Fabelfigur wieder. Auch heute wird sie wieder als Einfassungshecke angepriesen, gilt gar als Königin der Heckenpflanzen.
Ghislana/
Jahreszeitenbriefe sammelt an diesem Wochenende alle Beiträge der Baumfreunde ein. Schaut mal vorbei!