Mittwoch, 11. November 2020

„Frauen und Erinnerungskultur #femaleheritage“

"Eine Frau, die spricht, 
scheint unabhängig vom Inhalt des Gesagten 
immer noch ein diskussionswürdiges Phänomen 
zu sein" 
Sarah Bosetti

Das hat doch gerade vor einem Monat die Virologin Sandra Ciesek in einem Interview mit dem "Spiegel" erfahren müssen, die ab September im NDR im Wechsel mit Christian Drosten im Podcast "Coronavirus-Update" auftritt. Dass es so ist, auch im Jahr einhunderteins der verfassungsmäßig verbrieften "grundsätzlichen Gleichberechtigung" von Frau & Mann in unserem Land, kann einen fast tagtäglich aufregen. Ich habe für mich schließlich einen anderen Weg gewählt: 

Ich erinnere in meinem Blog jeden Donnerstag ( mit Ausnahme des monatsletzten ) an Frauen durch die Jahrhunderte, die ihrer Selbst bewusst ihren Weg gegangen sind, sich um das Zusammenleben in der Gemeinschaft im Großen wie im Kleinen gekümmert und damit die Gleichwertigkeit der Geschlechter bewiesen haben. Der casus knacksus: Über sie wurde stets der Mantel des Schweigens geworfen!

Da ist zum Beispiel die impressionistische Malerin Berthe Morisot, die zu ihrer Zeit sehr viel erfolgreicher beim Verkauf ihrer Gemälde war als ihre uns heute noch besser bekannten Impressionisten - Kollegen. Doch die Kunstgeschichte um die Wende zum 20. Jahrhundert hat sie einfach "rausgeschrieben". Oder Sibylle Mertens - Schaaffhausen: Zu ihren Lebzeiten eine renommierte Antikenkennerin & -sammlerin und Archäologin ( und mehr ), haben ihre Kinder ihre Sammlungen in alle Welt zerstreut und ihren Namen ausgelöscht, weil sie mit ihrer Lebensführung nicht einverstanden waren. Da ist die Naturwissenschaftlerin Rosalind Franklin, die die DNA - Doppel - Helix 1953 entdeckt hat. Doch ihre Meriten heimsten ihre Forscherkollegen Crick, Watson und Wilkins 1962 ein, indem sie den Nobelpreis dafür bekamen. Da sind solche Frauen wie die Mathematikerin, Physikerin, Philosophin und Übersetzerin der frühen Aufklärung Émilie du Châteletdie Journalistin & Kriegsreporterin Martha Gellhorn, ihre Kollegin Milena Jesenská, die Autorin Elisabeth Hauptmann, die Malerin Lee Krasner oder die Bildhauerin Camille Claudel, deren Name meist nur "überlebt" hat als Fußnote in der Lebensgeschichte ihrer berühmten Partner. Da gibt es Frauen wie Charlotte Perriand, die Designerin, oder die Fotografin Lucia Moholy, deren Urheberschaft an Möbeln oder Fotos fast lebenslang "gestohlen" worden ist, die Physikerin Marietta Blau, deren Beitrag zur Kernphysik bis nach ihrem Tod unterschlagen wurde. Und wenn frau sich weit zurück in die Geschichte begibt, trifft sie immer auf Frauen, die das Leben der Menschen mitgestaltet haben, auch wenn sie oft nur als Manövriermasse in der Heiratspolitik ihrer Familien eingesetzt worden sind, um vorteilhafte Allianzen zu schmieden. Wir müssen feststellen, wie unsere ganz eigene Emanzipationsgeschichte zum Beispiel im Geschichtsunterricht unter den Tisch fällt und wir keine Ahnung von den maßgeblichen Frauen haben. Den Frauen im deutschen Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime ist lange Ähnliches widerfahren...

Irgendwann hat sich bei mir der Eindruck verschärft: Frauen haben immer wichtige Rollen gespielt, auch außerhalb der drei Ks. Nur geredet wurde und wird darüber nicht. Aber dadurch, dass ich mich aktiv an sie erinnere, stärkt das von Mal zu Mal mein Selbstbewusstsein und macht sich auch in meinem Auftreten bemerkbar, wenn mal wieder ein männliches Gegenüber in "mansplaining" verfällt oder sich sonstwie herablassend äußert. Meine Nichte fragte mich unlängst, ob ich nicht deswegen üble Kommentare bekomme wie bei anderen Themen in meinem Blog. Nein, das Gegenteil ist der Fall: Ganz viel Zuspruch von vielen Stillen Leser*innen, die sich darüber freuen, von ihnen bis dahin meist unbekannten Frauen zu erfahren.




Nun ist das ja nicht meine alleinige Idee: Zum Glück gibt es inzwischen viele Initiativen, die sich dem entgegenstellen. An vorderster Stelle steht wahrscheinlich die FemBio - Website, von Luise F. Pusch seit 1982 aufgebaut und die heute über 30.000 Datensätze über Frauen umfasst. Als letzte Social-Media-Initiative habe ich bei Twitter den Account "Die Geschichtsdolmetscherin" entdeckt bzw. Hinweise auf die Podcast - Serie "HerStory". 

Nun ruft die Monacensia im Hildebrandhaus, das Literaturarchiv der Stadt München sowie Forschungsbibliothek zur deren Geschichte und deren kulturellen Lebens zu einer Blogparade "Frauen und Erinnerungskultur #femaleheritage" vom 11. November bis zum 9. Dezember dieses Jahres auf, aus dem Wunsch heraus "Frauen in der Erinnerungskultur präsenter machen und das Bewusstsein für ihr Werk und ihr Wirken stärken". 

"Da simmer dabei! Dat is prima!", sagt da auch die Kölnerin mit vielfältigem Bezug zu München und nutzt die Gelegenheit, auf die eigene Sammlung von inzwischen 239 Frauenporträts ( darunter zehn Münchnerinnen, 14 Kölnerinnen, 25 Berlinerinnen, 17 Wienerinnen und viele mehr ) hinzuweisen.

Viel Freude beim Neu- und Wiederentdecken!







Frau Nr. 240 wird morgen porträtiert und die hat im Münchner Kulturleben einmal eine wichtige Rolle gespielt und ist schließlich auch in der Stadt gestorben.

11 Kommentare:

  1. Tolle Leistung, liebe Astrid. Und zwar deine. Durchzuhalten, so lange, mit allen anderen Verpflichtungen. Das kann man nicht hoch genug schätzen. Ich erwarte jedes Portrait mit Spannung und lese mit großem Interesse. Lieben Dank dir für deine Mühe und weiter viel Kraft beim Durchhalten und gute Einfälle zu den Personen! Herzlich, Sunni

    AntwortenLöschen
  2. Das ist ja ganz toll, dass Du endlich Deine wunderbare Reihe genau passend einbringen kannst. Ich freu mich so!
    Das trifft es doch ganz genau:
    "Frauen in der Erinnerungskultur präsenter machen und das Bewusstsein für ihr Werk und ihr Wirken stärken".


    Luise F. Pusch ist eine echte Größe in der Frauengeschichte und ihr Werk ist wirklich nicht hoch genug einzuschätzen. Denn auch die Frauen hinter der Frauengeschichte sind es wert beachtet zu werden.
    In Nürnberg hier haben wir z.B. Nadja Bennewitz, die am Anfang belächelt, seit vielen Jahren sich der Geschichte - nicht nur der Nürnberger Frauen - widmet. Sie hat viele Wege geebnet, damit Frauen aus dem Schatten treten konnten.
    Sicher wirst Du ihr in der Monacensia virtuell begegnen.
    Und das ist doch auch eine sehr schöne Seite daran, zu sehen, wer noch alles auf diesem Weg ist und vielleicht auch neue Netzwerke zu erschließen. Sicher wirst Du uns berichten, was sich alles so tut!

    Wie Du schon sagst: Da simmer dabei!
    Und ich in Gedanken mit Dir,
    herzlichst, Sieglinde

    AntwortenLöschen
  3. Liebe Astrid,
    Ich lese deine Frauenportraits immer mit grossem Interesse und bewundere deine Arbeit. Vielen Dank, dass du die Frauen sichtbar machst.
    Herzliche Grüße Ingrid

    AntwortenLöschen
  4. Gratulation zu so einem schönen, grossen Frauenbild, eine Collage, die Du mit Leben und Informationen gefüllt hast und erweiterst. Danke dafür!
    Hab als Karnevalsliebende heute trotzdem einen schönen 11.11. und sei einfach ein wenig närrisch im Herzen
    Liebe Grüsse
    Nina

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Nein, ich bin und bleibe traurig, aber vor allem auch, weil wir hier momentan so ein lieb- & gnadenloses, hässliches Land geworden sind, dass alles verschlampen lässt, was ihm mal lieb und teuer war, z.B. der 9. November, die Rücksichtnahme in der Pandemie usw. Das wird ohne Karneval einfach TOTAL sichtbar.
      GLG

      Löschen
  5. Liebe Astrid,
    danke für deine immer sehr schönen Kommentare bei mir.
    Momentan komme ich kaum noch dazu,
    meine grüne Wiese mit Inhalt zu füllen,
    noch meine geliebten Blogrunden zu drehen.
    Bei dir schaue ich aber immer kurz vorbei
    und lese auch die meisten deiner Frauenporträts.
    So viele tolle Frauen, die ich dank dir
    erst kennenlernen darf :-)

    Die Schule, aber auch meine Mädels haben mich momentan
    schwer im Griff ;-) im positiven Sinne.
    Mir macht Schule immer noch - trotz der Umstände - viel Spaß,
    weil meine aktuelle Klasse (eine erste Klasse) - trotz Maskenpflicht -
    sehr begeisterungsfähig und motiviert ist :-)
    Wir haben zwar auch immer wieder positiv getestete Kinder
    und somit Klassen und Lehrer*innen ;-) in Quarantäne,
    aber alle bisher zum Glück mit wenigen und
    nicht bedrohlichen Symptomen und Verläufen.
    Mal sehen, wie sich das alles noch entwickelt...
    Ich denke an dich ...
    Ganz liebe Grüße
    Melanie


    AntwortenLöschen
  6. Liebe Astrid,

    ich bin richtig froh, dich angesprochen zu haben. Mich freut es, dass du deine großartige Serie "Great Women" mit der Blogparade #femaleheritage verbinden konntest und ich bin gespannt, was du morgen schreibst.

    Muss da auch an den Beitrag von Bürgerleben denken und die Reihe "Die Ersten". Vielleicht ist da ja auch noch etwas unbekanntes für dich.

    Tatsächlich gibt es schon 8 faszinierende und sehr unterschiedliche Beiträge - wir sind überwältigt, denn das war erst der Start!

    Dir alles Gute und bis morgen!

    Herzlich,
    Tanja Praske, digitale Vermittlung, Monacensia

    AntwortenLöschen
  7. beeindruckend liebe Astrid wenn man es so auf einem "Haufen" sieht ;)
    sehr schön dass du deine Portraits jetzt noch zu einer Blogparade vernetzen konntest
    auch ich habe sehr viel gelernt aus deinen Beiträgen
    weiter so

    liebe Grüße
    Rosi

    AntwortenLöschen
  8. Liebe Astrid,

    ich bin nicht unbedingt eine Karnevalfrohnatur, aber ich bin gerne lustig und meist zu haben für Fritzlers Witze o.ä. Daß man aber jetzt über die Corona herfällt und sie lächerlich macht, das gefällt mir überhaupt nicht. Auch daß die Politiker bis unter die Gürtellinie herhalten müßen, alle Jahre wieder, hat für mich auch nix mit Karneval zu tun. Aber um dieses Thema geht es heute nicht, mein Enkel feiert heute am 11.11. seinen 24. Geburtstag. Von feiern kann keine Rede sein, ein Haushalt mit drei Personen, einem Kuchen zum Nachmittagskaffee und das Kochen wurde unterlaßen und der Asia Lieferservice bemüht. Femaleheritage hätte ja was auf die Beine stellen können, hat eben heute mal versagt.
    Daß wir Deine Great Womens verehren, allesamt 239 an der Zahl weißt Du ja. Ich habe es Dir liebe Astrid so und so oft schon geschrieben, wie ich das bewundere, mit welcher Ausdauer und Akribie Du bei der Sache bist. Freu mich schon auf Morgen die 240 te im Bunde. Heute sah ich in der NN einen Kalender über Nürnberger Frauen. Mal sehen wer sich da alles zeigen wird.

    Herzliche Grüße von Helga und Kerstin

    AntwortenLöschen
  9. Deine hervorragende Reihe mit diesen stets kompetent und spannend dargestellten Frauenportraits verdient noch eine viel breitere Leserschaft.
    Du hast vollkommen recht, unsere Geschichtsschreibung ist aus Männerperspektive gesehen. (Irgendwie erinnert mich das an meine Tochter, die im Geschichtsunterricht in Neuseeland plötzlich merkte, dass die Weltgeschichte von dort aus, vollkommen anders daher kommt...).
    Liebe Grüße
    Andrea

    AntwortenLöschen
  10. bei dieser blogparade stehst du aber an erster stelle!! du weißt ja, dass ich deine beiträge sehr schätze und immer begeistert beim lesen bin (und oft wütend über diese jahrhunderte (jahrtausende..) alte männergesellschaft). es ist unglaublich, wieviele portraits du schon geschrieben hast und ich freu mich auf alle weiteren!!
    liebe grüße
    mano

    AntwortenLöschen

Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass dieser und die personenbezogenen Daten, die mit ihm verbunden sind (z.B. User- oder Klarname, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.