Sonntag, 18. August 2024

Monatsspaziergang August 2024

Und nochmals musste ich den Spaziergang, den ich schon auf den August verschoben hatte, wieder anders gestalten als geplant. Die vorgesehene gemeinsame Wanderung mit den Pensionistas meiner allerersten Schule wurde wegen einer Beerdigung eines Kollegen verschoben, und zwar auf einen Termin, an dem ich verhindert bin. Traurig, aber dann traf es sich, dass die Tochter überraschend zu Besuch kam und Lust hatte, mit mir in Köln auf Tour zu gehen.  

Ich hab ja - berufsbedingt - viel in puncto "römisches Köln" unternommen, vor allem auch jedes Mal, wenn ich ein 4. Schuljahr im Sachunterricht hatte. Die entgingen einfach nicht den Exkursionen in die Geschichte ihrer Heimatstadt! Aber es blieb für mich immer eine Lücke, und zwar die in der westlichen Begrenzung der antiken Stadt CCAA. Da gab es einen Abschnitt, von dem ich zwar wusste, den ich aber bisher noch nicht in Augenschein genommen hatte, liegt er doch ganz verborgen in einer Nachkriegssiedlung, die aus Wohnblocks mit viel Grün drumherum besteht, also so ganz im Stil amerikanischer Gartensiedlungen, wie sie in der Nachkriegszeit auch bei uns aufkamen. Und den südlichen Teil habe ich auch nur aus dem Autofenster heraus begutachtet, grenzt er doch an eine laute, stark befahrene Ost-Westachse.

Begonnen haben wir unsere Tour an der Kirche St. Maria im Kapitol ( die seit meinem Monatsspaziergang im Juli zu einem magischen Anziehungspunkt für mich geworden ist ). Die Kirche ist auf den Fundamenten des kapitolinischen Tempels der Römerzeit erbaut und liegt leicht erhöht. Ganz nah bei ihr ist wohl eine der Pforten der vier Kilometer langen Mauer um die Stadt gewesen. Das Ubiermonument markiert die Südostecke der späteren römischen Colonia. Reste davon sind erst 1965 entdeckt worden. Es stammt aus der Zeit 4/5 n. Chr, also noch vor der Gründung der Römerstadt 38 n.Chr., war also Teil einer älteren Stadtbefestigung des Oppidum Ubiorum. Man kann das Monument nur im Rahmen von Sonderführungen besichtigen.




Wir sind deshalb gleich weitergegangen entlang der Straße mit heutigem Namen Mühlenbach, die in der Rinne des ursprünglich aus Hürth kommenden Duffesbaches verläuft - nicht gerade einladend und unangenehm laut! Sie verläuft parallel zum südlichen Abschnitt der römischen Stadtmauer. Die Römer nutzten den natürlichen Geländeeinschnitt des Duffesbachs, der sich hier seinen Weg zum Rhein gebahnt und für eine Art Tälchen gesorgt hatte. An dessen oberen Rand setzten sie ihre Mauer, die so noch mächtiger wirkte.




Und da ist es dann auch schon, das erste Stück dieser Römermauer, einen Parkplatz begrenzend!



Diesem Teilstück fehlt teilweise die Mauerschale, und es scheint daran gearbeitet zu werden, die wieder neu aufzumauern. Oberhalb der Mauer sieht man die Wohnbebauung entlang des Marienplatzes bei St. Maria im Kapitol.

Die Restaurierung des 78 Meter langen Teilabschnittes wird u.a. durch die NRW-Stiftung finanziert. Mittelalterliche und aktuelle Eingriffe haben zu einer deutlichen Verringerung der ursprünglichen Mauerstärke geführt und es lastet zudem ein hoher Erddruck auf dem alten Gemäuer vom Norden her. 





Wie in der Antike wird die äußere Mauerschale aus Grauwacke-Handquadern aufgemauert. So wird  sich ein relativ geschlossenes Bild der römischen Stadtmauer in ihrer einstigen Bauflucht einstellen.




Ziel ist die ursprüngliche Wandstärke von etwa 2,40 Metern wiederherzustellen. Da keine Gefahr im Verzuge ist, scheint es aber nur langsam voranzugehen. Insgesamt soll die Sanierungsmaßnahme 3 Millionen Euro kosten. Was mich freut, ist, dass dort ein außerschulischer Lernort mitgeplant ist.

Die Häuser oberhalb, nach Süden ausgerichtet, dürften durch die beeindruckenden Bäume davor etwas abgeschirmt vom tosenden Verkehr und seinen Imissionen sein.



Die Treppe macht den Höhenunterschied zwischen der Straße und dem Niveau des Marienplatzes deutlich. Bis zur Hohen Pforte ist dann nichts mehr von der Mauer zu sehen. Die Hohe Pforte selbst markiert das Südtor der CCAA, wo die Militärstraße von Mainz über Bonn einstmals die Stadt erreicht und sie als cardo maximus nach Norden durchlaufen hat. Dann führte sie weiter über Neuss nach Xanten.

Wir haben am davor liegenden Waidmarkt mit dem Hermann-Josef-Brunnen eine Essenspause eingelegt, bevor es zum nächsten Mauerstück weiter ging.




Von der Hohen Pforte/Waidmarkt führt die Straße in der Rinne des Duffesbaches den Namen Blaubach ( diese Straßenbezeichnung sollen an die Handwerker erinnern, die im Mittalter an dieser Stelle angesiedelt waren. Es waren Tuchfärber, die mittels der Waidpflanze blaue Tuche erzeugt haben ). In Höhe der Bachemstraße ist die römische Stadtmauer wieder öffentlich zu sehen und zu begehen ( allerdings vor einem häßlichen Block, hinter dem sich ein aufgelassenes Umspannwerk aus der Nachkriegszeit verbirgt ).

Parallel zur Mauer verläuft ein Fußweg mit dem Namen "Alte Mauer am Bach".



Den Mauerfarn Asplenium trichomanes mag ich so gerne. Er gedeiht in diesem regenreichen Sommer überall in den Steinritzen. 




Hinter der Mauer kann man einen Blick auf das berühmte "Wasserturm Hotel Cologne" erhaschen, dessen Innenleben die französische Architektin Andrée Putman ( siehe dieser Post ) konzipiert hat und das 1990 eröffnet worden ist.




Nächste Station ist der Aufgang zur "Kayjass"/Kaygasse, berühmt-berüchtigt aus der Hymne aller Kölner Schulen.




Dann steigt die Straße wieder leicht an...


...  und wieder kommt ein Teilstück der römischen Mauer zum Vorschein, die das Griechenmarktviertel nach Süden abschließt. Das ist eine ganz kleinteilig bebaute, fast dörfliche Idylle ( hier eine Erklärung des Namens ), die aber von lauten Straßen durchtrennt und umtost ist.

Früher haben hier so Promis wie die französische Königin Maria Medici, der Komponist Jacques Offenbach, als Jakob Eberst am Großen Griechenmarkt geboren, und der Maler Peter Paul Rubens gelebt. Ich selbst habe noch etliche Kriegskinder kennengelernt, die miterlebt haben, wie ihr Viertel im Juni 1943 so gut wie komplett in Schutt & Asche gelegt wurde und viele Menschen durch Brandbomben erstickt sind. Die traumatisierten Kinder wurden anschließend aufs Land verfrachtet und keiner hat sich dafür interessiert, was das alles mit ihnen gemacht hat. Daran muss ich denken, wenn ich den Veedelsnamen höre.

Einige alte Straßen und Gassen verschwanden für immer, als 1962 eine breite Schneise im Rahmen der Maßnahmen zur "autogerechten Stadt" durch dieses Viertel geschlagen wurde. Heinrich Böll hat das damals als "Kulturschande" bezeichnet. Auch die alte Straße Großer Griechenmarkt wird seitdem im Osten durch die hier als Neuköllner Straße sechsspurig geführte Verkehrsschlagader - die  "Nord-Süd-Fahrt", eine unsägliche Bausünde, ich kann es nicht oft genug schreiben - in zwei Hälften geteilt. Gerade diese Brutalität der Wirtschaftswunderjahre haben den Verwundungen der schönen alten Stadt durch den Krieg noch einen weiteren Todesstoß versetzt.


Doch zurück zur Römermauer: Inzwischen sind wir nämlich an der Südwestecke des Stadtcarrées angekommen, wo sich noch der Rest des Eckturms drei Meter über dem Straßenniveau der sog. Griechenpforte erhebt. Bis zur Kriegszerstörung waren seine Reste in die dortige Bebauung eingefügt.




Und dann wären wir auch schon, entlang des Mauritiussteinweges, am Zugang zu der Gartensiedlung mit den 160 Metern Mauerresten, die ich noch nicht kannte. Auch sie verdanken ihre "Bloßlegung" dem Kriegsgeschehen. Die Bauwerke der Neuzeit hat die Bombardierung regelrecht zerstreut, das Römerwerk blieb stehen. Welche Qualität muss der verwendete Mörtel haben!


An diesen Resten ist die römische Bautechnik mit einer Füllung zwischen äußerer und innerer Mauerschale mit Gussbeton - opus caementitium - erkennbar. Mich hat dann eher die Gartenidylle und das soziale Miteinander in der Anlage gefesselt. 




Schade finde ich allerdings, dass momentan von keiner Seite dieses Kulturgut gepflegt wird und der üppige Bewuchs so seine negativen Auswirkungen entfalten kann. Das weiß doch eigentlich jeder, dass Wurzeln & Mauerwerk nicht gut miteinander können.




Schließlich ging es nicht mehr weiter an der Mauer entlang, und wir mussten auf den Mauritiussteinweg zurück. Dort passierten wir noch die Wolkenburg, ein barockes Gebäude auf den Grundmauern einer mittelalterlichen Klosteranlage und heute "Eventlocation", und gingen zur Straßenbahnhaltestelle, die ungefähr auf der Höhe des Tores zur einstigen Heerstraße nach Trier in der Römermauer liegt. Für heute hatten wir genug und fuhren nach Hause.




Ich hoffe, ihr habt euch bis dahin nicht gelangweilt. Den Post verlinke ich wieder in Kristina Schapers Blog.

                                                                           

13 Kommentare:

  1. Liebe Astrid,

    du hast mich keinesfalls gelangweilt. Ich finde solche Städtebeschreibungen und- entdeckungen hochinteressant.
    Immer wieder sehenswert, altes Gestein und Gemäuer zu entdecken, das sogar den Krieg überstanden hat und weiterhin neben Neubauten besteht.


    Liebe Grüße,
    Claudia

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  2. Ich glaube, in dem Teil Kölns war ich noch nie liebe Astrid, obwohl mir die Griechenmarkt doch was sagt. Wir haben mal in dem Alten Wasserturm übernachtet, lange her, der liegt doch dort in der Nähe, wenn ich mich nicht irre.
    Schön war es, mit Dir die Gegend zu erkunden.
    Ganz lieben Gruß
    Nicole

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  3. sehr interessant euer Spaziergang
    und erstaunlich dass trotz Krieg und den Umweltsünden danach
    immer noch Teile der Mauer zu finden sind
    auch schön dass daran gearbeitet wird
    liebe Grüße
    Rosi

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  4. Liebe Astrid,
    gerne habe ich dich auf deinem Monatsspaziergang begleitet...den "Mauerfarn" Asplenium trich. mag ich besonders gern und hier sitzt er auch in meiner Sandsteinmauer und hat sich dieses Plätzchen selbst gesucht.
    Lieben Gruß und einen gemütlichen Abend wünscht dir Marita

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  5. Kürzlich hast du ja schon drüber geschrieben und nun habe ich den ganzen Weg sehen können. Zu interessant, wie sich die alte Mauer so lange im Stadtbild halten konnte. Schön, dass Du uns mitgenommen hast zusammen mit Deiner Tochter.
    Herzlichst, Sieglinde

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  6. ich habe dich sehr gern begleitet, denn alte gemäuer ziehen mich immer magisch an. ich finde es so spannend zu überlegen, wer dort vor fast tausend jahren schon herumspaziert ist und ob asterix und obelix vielleicht auch schon durch eine mauerritze in die stadt hineingekommen sind (späßken...).
    der grausame krieg und der bauwahn der nachkriegszeit haben auch dort leider massiv zugeschlagen, das kennt man ja von vielen städten. meine heimatstadt kassel ist dafür auch ein trauriges beispiel.
    ich danke dir fürs mitnehmen, es war sehr spannend für mich! ich habe den monatsspaziergang ganz vergessen. war es denn wirklich schon der 3. sonntag im august, unglaublich!
    liebe grüße von mano

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  7. Liebe Astrid eines der wenigen Bilder und so schön zu sehen wie du vorsichtig dich festhaltend die alten Steinstufen herabsteigst um uns zum Spaziergang der alten Stadtmauern zu führen..
    sehr interessant ist es für ich da ich nur wenige Teile von Köln " kenne, diese der vielen Viertel aber nicht und ich liebe alte Mauern, Stadtgrenzen und deren Geschichte, die uns - als Lesern - so viel gibt, erzählt und mitteilt.
    Oft sind sie ja stellenweise von wunderschönen alten hohe Bäumen umgeben wie man auch auf den Bildern entdeckt .Bäume die Ruhe, Klarheit und Wissen ausströmen denn was haben sie alles gesehen und stehen heute noch da, wie unberührt von Geschichten und Geschehnissen.
    ich danke dir..
    ganz ganz herzlich, dass ich dich bei diesem Spaziergang imaginär begleiten durfte..
    es bedeutet
    mir viel...
    herzliche Grüße Angel

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  8. Ich lese gerne mit bei Spaziergängen durch Städte oder Gegenden, die ich vlt nie selber sehe. Danke für die interessante Geschichtsführung
    Herzlichst
    yase

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  9. liebe astrid, nun konnte mein mann mit mir anhand deines blogs nochmal die gegend besuchen. er erzählte vieles dazu, so z.b. über das alte stammgebäude des kaufhaus-konzerns. danke für deinen spaziergang, herzlichen gruß, roswitha

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    1. Ja, das ist schon ne Welt für sich, diese Kaufhofzentrale, besonders das Gebäude aus den 1950er Jahren in der Kämmergasse. Da kommt man auch nicht ohne weiteres rein. Diesen Dunkel-)Grün-Ton verbinde ich bis heute mit dem Kaufhof. Den gab es auch noch an der Filiale in meinem Veedel. Das Agrippaviertel ist auch eher kein Wohnviertel.
      GLG

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  10. Liebe Astrid, da seid ihr ja ganz schön treppauf-treppab unterwegs gewesen - alle Achtung, du scheinst wieder relativ gut zu Fuß zu sein. Und du warst fesch unterwegs, wie man auf den beiden Fotos zu Beginn sieht. Steht dir super, die Lochstickereibluse im "Boho-Look".
    Ja, die alten Römer, die haben qualitativ hochwertig und quasi für die Ewigkeit gebaut - wie man so ziemlich überall sieht, wo sie sich herumgetrieben haben. Ich mag solch alte Mauern und die Geschichten die sie erzählen, auch gern. Gefällt mir, dass die Mauer zumindest teilweise restauriert und auch für Bildungszwecke verwendet werden soll!
    Alles Liebe, Traude
    https://rostrose.blogspot.com/2024/08/weltreise-2024-abschied-von-neuseeland.html

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  11. Nein, langweilig war dieser Rundgang wahrlich nicht. Von der Römerzeit bis ins Heute reichen die Spuren und auch Wunden. Ich fand es sehr interessant!
    Liebe Grüße
    Andrea

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  12. Oh gar nicht langweilig ich finde das sehr spannend. Wie alt dieses Gemäuer ist, ja man sollte darauf achten, da gebe ich Dir recht.
    Wolkenburg, was für ein schöner Name.
    Ich wünsche Dir einen schönen Abend, ganz liebe Grüße Tina

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