Mary Oliver
When I am among the trees,
especially the willows and the honey locust,
equally the beech, the oaks and the pines,
they give off such hints of gladness.
I would almost say that they save me, and daily.
I am so distant from the hope of myself,
in which I have goodness, and discernment,
and never hurry through the world
but walk slowly, and bow often.
Around me the trees stir in their leaves
and call out, “Stay awhile.”
The light flows from their branches.
And they call again, “It’s simple,” they say,
“and you too have come
into the world to do this, to go easy, to be filled
with light, and to shine.”
Wenn ich unter den Bäumen bin,
geben besonders die Weiden und der Honigdorn
gleichermaßen die Buche, die Eichen und die Kiefern,
solche Anzeichen der Freude von sich.
Ich würde fast sagen, sie erlösen mich, und das täglich.
Ich bin so fern der Hoffnung auf mich selbst,
in der ich Güte und Urteilsvermögen habe,
und haste niemals durch die Welt,
sondern gehe langsam und verneige mich oft.
Um mich herum bewegen die Bäume ihre Blätter
und rufen: "Bleib eine Weile."
Das Licht strömt von ihren Zweigen.
Und sie rufen wieder "Es ist einfach", sagen sie,
„und auch du bist in die Welt gekommen,
dies zu tun - leicht zu gehen, erfüllt zu werden
mit Licht und zu leuchten."
Da kommt er vor, der Baum, den ich am vergangenen Sonntag beschrieben habe, der honey locust, der bei uns den sperrigen Namen Gleditschie trägt. Das Gedicht, schon so lange in meinem lyrischen Sammelordner auf dem Computer gehortet, es musste jetzt "raus".
Geschrieben hat es also Mary Oliver, eine der prominentesten und populärsten Naturdichterinnen ihrer Zeit, zumindest in den USA. Jürgen Brôcan nennt sie gar eine
"Bestseller-Dichterin" ( ein Gedichtband hat immerhin 17 Auflagen erreicht! )
. Sie zu entdecken ist nun auch bei uns möglich, hat doch der deutsche Lyriker und Übersetzer ein "
Best-of" ihres Schaffens in einem Lyrikband zusammengestellt und Ende letzten Jahres herausgebracht. Das Buch ist eine Offenbarung für mich gewesen und ein echter Schatz in meiner Lyrik-Bibliothek.
Mary Oliver hat zu ihren Lebzeiten mehr als zwanzig Gedichtbände veröffentlicht, mit denen sie auf der "New York Times"-Bestsellerliste stand und zahlreiche Preise gewann, unter anderem den Pulitzer-Preis für "American Primitive" und einen National Book Award für "New and Selected Poems".
1935 kam sie in einer Kleinstadt nahe Cleveland, Ohio als Tochter eines Lehrers zur Welt, verbrachte dort eine nicht immer idyllische Kindheit, hat oft die Schule geschwänzt und floh vor Streit & Gewalt in die Natur, wo sie Trost, ja auch für sie wichtige Wahrheiten, fand. Erste eigene lyrische Versuche unternahm sie im Alter von 14 Jahren.
Als sie mit siebzehn nach ihrem High School Abschluss nach Austerlitz, New York reist, um die von ihr verehrte Schriftstellerin
Edna St. Vincent Millay kennenzulernen, wird sie von deren Schwester Norma eingeladen, einige Zeit auf dem riesigen Anwesen der 1950 verstorbenen Dichterin, einer Farm namens Steepletop, zu verbringen. Anschließend wird sie sechs bis sieben Jahre viele Stunden Norma bei der Sichtung von Edna Millays literarischen Nachlasses zur Seite stehen. Dort, in Steepletop, lernt sie 1959 auch die Fotografin Molly Malone Cook kennen, die später für über vierzig Jahre ihre Lebensgefährtin sein wird.
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Mary Oliver (rechts) mit ihrer Lebensgefährtin Molly Malone Cook an ihrem Haus in Provincetown, Massachusetts |
Sie besucht ab Mitte der 1950er Jahre die Ohio-State-University bzw. das Vassar College, beendet das Studium wie so viele erfolgreiche Autoren vor ihr ohne Abschluss. 1963, im Alter von 28 Jahren, gelingt es Mary Oliver eine erste eigene Gedichtsammlung - "
No Voyage and Other Poems"- zu publizieren.
Später lehrt sie in den 1980er Jahren an der Case Western Reserve University, einer privaten Universität in Cleveland, Ohio. In den 1990ern ist sie "Writer in Residence" am Sweet Briar College in Virginia.
Was zeichnet ihre Dichtung aus?
Hannah Aizenman meint im "New Yorker", dass Mary Oliver mit geübter Klarheit "das Heilige in Verbindung mit dem Alltäglichen" sucht & findet. Ruth Franklin nennt sie "eine ekstatische Dichterin". Björn Hayer meint in der "Frankfurter Rundschau", sie setze "der omnipräsenten Gewalt... eine Poesie der Empathie entgegen." Für die Autorin stehe fest: Dichtung muss sensibilisieren: Das Betrachten eines Schwans beispielsweise gehe weit über einen augenblicklichen Genuss hinaus.
"Wir alle / müssen viel mehr zuhören", zitiert er Mary Oliver, die in ihrer Dichtung Perspektiven zahlreicher Wesen der Flora und Fauna einnimmt, sei es nun ein Otter oder der Frosch, der von einem Reiher verschlungen wird. Unser allgegenwärtiger Anthropozentrismus ist der Dichterin ein Graus.
"The end of life has its own nature, also worth our attention. I don’t say this without reckoning in the sorrow, the worry, the many diminishments. But surely it is then that a person’s character shines or glooms."
Das ist eine Aussage von ihr, die mich in meiner derzeitigen Lebensphase besonders angesprochen hat...
Mary Olivers Gedichte werden heutzutage gerne auf You-Tube- oder sonstigen Videos rezitiert ( hier kann man sie selbst ihr berühmtes Gedicht "Wild Geese" vortragen hören und hier bei Instagram das Baumgedicht - ich mag es sehr ).
Im Alter von 83 Jahren ist sie im Januar 2019 in Florida, wo sie nach dem Tod der Gefährtin gelebt hat, an den Folgen eines Krebsleidens gestorben. Dieses, ihr Gedicht, spricht mich im tiefsten Innern an. Ich werde sicher das eine oder andere Gedicht der Lyrikerin in naher Zukunft hier im Blog noch vorstellen...
liebe Astrid, natürlich habe ich mir die Gedichte angesehen, gelesen und bewundert die Art wie sie sie sang...nicht auf You tube sondern unter ihrem Namen in den gebundenen Gedichtbänden, auch was Doris Dörre dazu schreibt,,,,
AntwortenLöschenerstaunlich wie sie die Natur und die Tiere der Welt wahrgenommen und verdichtet hat...
eine Biographie so kurz sie auch ist, - verrät ja vieles über die Gestalterin schöner gewichtiger Worte...ihre Gedanken dazu...
sie hat nie einen Abschluß gemacht, lehrte trotzdem an privaten Universitäten zu einer Zeit als die Dichtkunst kaum Unterstützung fand, ....
eine sehr interessante Biographie einer Frau die ich bislang noch nicht kannte, vielen Dank....
herzlich angel
ein schönes Portait abseits der großen Frauen
AntwortenLöschenich kannte sie nicht
aber das Baumgedicht gefällt mir
liebe Grüße
Rosi
Liebe Astrid,
AntwortenLöschenso ein feines Gedicht, so schön und wohltuend. Ja, mein Freund, der Baum! Von Mary Oliver habe ich noch nie gehört. Danke, dass du sie vorgestellt hast!
Alles Liebe
Ingrid
Oh wunderbar! Mary Oliver. Oh ja, stell noch ein paar Gedichte von ihr vor. großartige Lyrik ist es. Soifz und froi.
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