Donnerstag, 17. August 2023

Great Women #347: Anita Loos

Wer kennt ihn nicht, den Film "Blondinen bevorzugt"? Und seinen Regisseur Howard Hawks? Aber wer weiß dann noch, dass neben den Schauspielerinnen Jane Russell und Marylin Monroe eine weitere Frau zum Erfolg beigetragen hat, nämlich die Autorin & Drehbuchschreiberin Anita Loos? Um die geht es mir heute, denn morgen jährt sich ihr Todestag zum 42. Male.


"I've always loved high style in low company."

Corinne Anita Loos wird am 26. April 1888 ( andere Quellen sagen 1889 oder 1893, aber das liegt daran, dass Anita sich immer jünger gemacht hat, als sie tatsächlich war ) in Mount Shasta am Fuße des gleichnamigen Vulkans ( damals hieß der Ort noch Sisson ) im Siskiyou County im Norden des US-Bundesstaates Kalifornien im Haus ihrer mütterlichen Großeltern geboren. Anita hat noch einen älteren Bruder, Harry Clifford, und wird 1891 noch die Schwester Gladys bekommen.

Ihre Mutter ist Minerva "Minnie" Ellen Smith,  29 Jahre alt, ihr Vater Richard Beers Loos, bekannt als R. Beers, drei Jahre jünger als sie, Journalist & Verleger einer Boulevardzeitung, der "Sisson Mascot", bei der seine Frau die meiste Arbeit erledigt. Zehn Jahre zuvor haben sie sich kennengelernt, als der Charmeur in Sisson aufgeschlagen ist und Minnie betört hat. Die hat geglaubt, sie habe damit das große Los gezogen. Später wird er sich als "Hallodri von Ehemann mit der bisweilen hautnahen Verehrung von Schauspielerinnen" (Brigitte Warkus) entpuppen, der ganz schön auf ihre Kosten lebt. Anita wird die Mutter später "an earthbound angel" nennen und als starke, geduldige Frau, die jede Krise zu überwinden scheint, charakterisieren. Den Vater hingegen bezeichnet sie als "hervorragenden Egoisten".

Zur Aussprache ihres Nachnamens wird Anita später kundtun: "Die Familie hat immer die korrekte französische Aussprache verwendet, nämlich lohse. Ich selbst spreche meinen Namen jedoch so aus, als würde er luce geschrieben, da die meisten Leute ihn so aussprechen. Es wär zu viel Aufwand, sie ständig zu korrigieren.

R. Beers Loos
Als das Mädchen drei Jahre alt ist, zieht die Familie um nach San Francisco, wo ihr Vater mit Geld, das seine Frau von ihrem Vater, einem erfolgreichen Rinderzüchter, geliehen hat, die Zeitung "The Dramatic Event" gekauft hat, eine Art von Polizei Gazette, wie sie in England üblich & erfolgreich ist. R. Beers glaubt einfach immer wieder fest an seine eigenen Geschichten von grüneren Weiden anderswo. 

Anitas formale Schulbildung bleibt unter diesen Bedingungen eher dem Zufall überlassen, sie entwickelt sich zu einer frühreifen Autodidaktin, die schon mit sechs Jahren Schriftstellerin werden will und jedes Buch liest, das ihr unter die Finger & Augen kommt, darunter später die von Philosophen wie Spinoza, Kant und Santayana. So entwickelt sie nach & nach ihren stilvollen, belesenen Witz. San Francisco wird Anita später als ihre spirituelle Heimat ansehen.

Mindestens so gerne ist sie aber auch mit dem Vater - von ihr Pop genannt und grenzenlos bewundert - unterwegs zu Angelausflügen an den Hafenpiers, wo sie die unterschiedlichsten Menschen kennenlernt, zwielichtige Charaktere mit fragwürdigen Motiven und etwas eigensinnigen Moralvorstellungen, darunter Unterweltler und Damen der Nacht. Die alternativen Lebensentwürfe, ihre Beobachtungen reicher Touristen bis hin zu den Verhaltensweisen der Männer - alles wird zum perfekten Futter für ihr Schreiben, wird sie lebenslang faszinieren und ihr zum Filmstoff gereichen. Ihre Komödien, die mit ihren unkonventionellen weiblichen Hauptfiguren und ihrem schlagfertigen Witz punkten, werden in ein paar Jahren den production code strapazieren.

Doch zurück zur Kindheit: 1897 tritt Anita und ihre Schwester auf Drängen des Vaters in der San Francisco Stock Company-Produktion von "Quo Vadis?" auf, später in Comedy-Sketchen, die als Ergänzung zu zehnminütigen Kurzfilmen ( "One-reeler", weil sie auf nur eine einzige Filmspule passen ) präsentiert werden. Das Geld für ihre Bühnenauftritte, die sie auch nach dem Tod der Schwester 1891 an einer Blinddarmentzündung beibehält, bleibt oft das einzige Einkommen der Familie. 

Mit 13 Jahren beginnt sie, humorvolle Anekdoten an den "New York Morning Telegraph", eine Theaterzeitung, zu verkaufen. Als der verschwenderische Lebensstil ihres Vaters zunehmend zum Problem wird, weicht die Familie dem aus, indem sie 1903 nach San Diego zieht. Dort hat  R. Beers ein Angebot, eine Theatergruppe zu leiten, und  Anita lernt Einakter für die etwas verrufene Theatertruppe ihres Vaters zu verfassen. In San Diego hat sie selbst auch an der Seite des jungen Harold Lloyd einen Auftritt. Ihr Vater, eigentlich ein "boozer and loser", schafft es immer wieder, Anita zu inspirieren und sie zu prägen, zumindest was ihre lebenslange Schwäche für Männer, die sie ausnehmen, anbelangt.


Ihr erstes Drehbuch - "He Was A College Boy"- , das sie an die Filmproduktionsfirma "Biography Company" schickt, bringt ihr 25 Dollar ein. Aber erst ihr drittes Drehbuch mit dem Titel "The New York Hat", wird 1912 von David W. Griffith mit Mary Pickford und Lionel Barrymore als Co-Stars produziert. Bis 1915 wird Anita mehr als hundert Drehbücher für verschiedene Studios verfassen, darunter die "Lubin Manufacturing Company" und die schon erwähnte "Biography Company". 

Als sie 1913 von Griffith zu einem Treffen eingeladen wird, kleidet sich die zierliche Person ( mal heißt es, sie sei 1,48 Meter groß gewesen, mal auch 1,60 Meter ) wie ein Schulmädchen in ein Matrosenkleid mit Taftschleife im Haar, so dass der Regisseur sie zunächst in den Reigen seiner elfengleichen, kindlichen Schauspielerinnen einreihen will. Doch da schreitet Mutter Minnie ein, und Griffith setzt Anita schließlich auf die Gehaltsliste - 75 Dollar pro Woche - als erste angestellte Drehbuchautorin Hollywoods der 1915 neu gegründeten "Triangle Film Corporation".

1920
Zwischenzeitlich hat die 27jährige Frank Pallma Jr. geheiratet, der wohl ein echter Langweiler ist, denn nach einem halben Jahr Ehe schickt sie ihn zum Einkaufen von Haarnadeln, während sie ihre Koffer packt und ihn in Richtung San Diego zur Mutter verlässt. Später wird sie kundtun, sie wisse nicht mal mehr, ob ihr erster Mann Frankie oder Fredie geheißen habe. 

Als Drehbuchautorin ist Anita ihrer Zeit voraus – die ist nämlich die des Stummfilms. Ihr Talent für komische Dialoge hat die Konsequenz, dass ihre Drehbücher "nicht verfilmbar" sind, weil "die Lacher nur in den Zeilen steckten und es keine Möglichkeit gab, sie auf die Leinwand zu bringen", beklagt sich Griffith, der Regisseur. Doch Anita sieht im fehlenden Dialog im Stummfilm eine Chance. Griffith gibt ihr die, weil es ihm Spaß macht, ihre Skripte  zu lesen.

Aus diesem Grund erteilt er ihr den prestigeträchtigen Auftrag, die Zwischentitel für sein Epos "Intolerance" (1916) zu schreiben, eines umfangreichen portmanteau film, der ein zeitgenössisches Kriminaldrama, den Untergang des babylonischen Reiches, eine Bibelgeschichte und das Bartholomäus-Massaker von 1572 zum Inhalt hat. Anita Loos Untertitel für den Film gelten inzwischen als Klassiker des Genres.

Später wird Griffith Anita als "die brillanteste Frau der Welt" bezeichnen.

Zur Premiere des Films "Intolerance" reist diese erstmals nach New York und es beginnt eine andauernde Beziehung zur Stadt und eine langjährige Zusammenarbeit mit "Vanity Fair" und Frank Crowninshield.

Als Griffith die "Triangle Film Corporation" verlässt, arbeitet Anita weiter mit dem Regisseur John Emerson zusammen und verfasst ab 1916 eine Reihe Drehbücher für den aufstrebenden Star Douglas Fairbanks. Die Kombination ihres verbalen Humors mit dessen handlungsorientierter Energie wird von einer Reihe von Kritikern als Formel für Fairbanks Erfolg genannt. "His Picture in the Papers", "American Aristocracy", "The Americano" und zwei weitere Filme- alle nach einem Skript von Anita - verhelfen dem Schauspieler zu seinem Durchbruch. Als diesem von der "Famous Players–Lasky Corporation" ein lukrativeres Angebot gemacht wird, nimmt er das Team Emerson-Loos mit, dem nun 500 Dollar pro Woche gezahlt werden. 

Anita bekommt den Spitznamen "The Soubrette of Satire" verpasst und zieht bald mit Emerson und der nicht minder erfolgreichen Drehbuchschreiberin Frances Marion weiter nach New York. Angeblich nimmt sie letztere als Chaperon mit, denn Anita fühlt sich von dem 15 Jahre älteren Emerson angezogen. Der hat lauthals verkündet, er "had never been, nor could be, faithful to any one female." An der Ostküste gründen sie die "John Emerson-Anita Loos Productions".

Fatalerweise bildet sich Anita ein, dass sie sich von all seinen anderen Liebschaften unterscheidet und hinter Emersons Gehabe ein großer Geist steckt und lässt sich doch auf eine romantische Beziehung ein. "I had set my sights on a man of brains, to whom I could look up, but what a terrible let down it would be to find out that I was smarter than he was", muss sie sich später zugestehen.

Emerson beansprucht alsbald die Anerkennung als Co-Autor von Anitas Drehbüchern, auch wenn er darin nur ein einziges Komma gesetzt hat, und verlangt Spitzenabrechnungen. Die verliebte Anita, mit dieser Dynamik durch die Erfahrungen mit dem Vater vertraut, lässt es zu. Als William Randolph Hearst sie engagieren will, um seine Freundin Marion Davies zum Star zu machen, bringt sie Emerson gleich mit. 

Obwohl Hearst immer wieder versucht, Davies zu ernsthaften dramatischen Rollen zu zwingen, erkennt Anita auf der Stelle das wahre Talent der Schauspielerin als Komödiantin. Nach langem Hin und Her kommt "Getting Mary Married" ( Drehbuch: Anita Loos mit Emerson als "blindem Passagier" ) 1919 in die Kinos. Eine weitere Zusammenarbeit mit Hearst-Davies lehnt das Duo Loos-Emerson dann aber ab.

Stattdessen ziehen sie es vor, für ihre alte Freundin Constance Talmadge zu arbeiten, deren Schwager Joseph Schenck, Ehemann von Constances Schwester Norma, ein unabhängiger Produzent ( und später Präsident der United Artists ) ist. Sowohl "A Temperamental Wife" (1919) als auch "A Virtuous Vamp" (1919) werden große Hits für die Schauspielerin. Mit den Talmadge-Schencks verbringt Anita auch ohne Emerson den Sommer in Paris.

Wieder zurück, entstehen in 16 Monaten fünf weitere Filme. Anita betreibt die Scheidung von ihrem ersten Ehemann und kann so am 15. Juni 1919 John Emerson auf Joseph Schencks Anwesen auf Long Island ehelichen. Anita ist nun 31 Jahre alt.

Die Zeremonie läuft ab wie in einem typischen Loos - Skript: Der Bräutigam befindet sich am Rande eines Nervenzusammenbruchs, seine Stimme versagt beim Ja-Wort, so dass Schenck als Bauchredner einspringt. Als es vorbei ist, fragt sich Anita, ob sie eigentlich Joseph Schenck geheiratet habe. Ihre Ehe wird sie später so kommentieren: 
15. Juni 1919
"Mir war nicht klar, dass John unter einer sehr gefährlichen pathologischen Unsicherheit litt. Als er sich nach unserer Heirat zum ersten Mal mit Herrn Loos anreden hörte, traf das seinen Egoismus mit einem Knall, der sein ganzes Leben lang nachhallte. Wäre ich eine Femme Fatale gewesen, hätte ich ihn nicht gründlicher zerstören können. Und doch liebte mich John die ganze Zeit über, hatte Spaß an mir, war auf mich angewiesen und dann, leider, beneidete er mich. Und bis zu dem Tag, an dem er starb, ärgerte er sich über mich."
 
Wenn Anita mehr Aufmerksamkeit bekommt als er, wird Emerson hypochondrisch. Im Laufe der Jahre  versucht das Paar das Problem "transatlantisch" zu heilen, indem Reisen unternommen werden, man sich nur auf zwei Filme pro Jahr beschränkt und ansonsten bescheiden lebt. 

Während sie für Schenck an Drehbüchern arbeitet, verfasst Anita auch mehrere Broadway-Stücke, darunter "The Whole Town’s Talking" (1923) und "The Fall of Eve" (1925). Als ihr Ehemann einmal in der Woche einen Tag Ehepause fordert, verbringt sie den mit den Talmadge-Schwestern, oft in Begleitung des jungen George Gershwin, in Harlem, denn der Jazz liegt in der Luft. Oder sie trifft sich mit dem "Tuesday Widows-Club", bestehend aus den Talmadge-Schwestern, deren Mutter Peg, Marion Davies, Adele Astaire und einer wechselnden Gruppe von Chormädchen der Ziegfeld Follies. An anderen Dienstagabenden genießt Anita die Gesellschaft einiger außergewöhnlicher Männer, darunter ihr Held H. L. Mencken, den sie vergöttert. Doch sie weiß auch: "High-IQ gentlemen didn't fall for women with brains, but those with more downstairs".
H.L.Mencken
(ca. 1913)

Auf einer Zugfahrt nach Hollywood Mitte 1924 beginnt Anita mit dem Schreiben dessen, was später "Gentlemen Prefer Blondes" heißen wird:
"Angeregt durch einen Flirt, den Henry Mencken mit einer dummen kleinen Blondine hatte, schrieb ich einen Sketch, der sich über seine Romanze lustig machte. Ich hatte nicht daran gedacht, dass es jemals gedruckt würde. Mein einziger Zweck war es, Henry über sich selbst zum Lachen zu bringen, und das tat es auch." 
Nach ihrer Rückkehr nach New York Anfang 1925 schickt sie die kleine amüsante Studie an den bewunderten Freund, der ihr attestiert, sie sei die erste amerikanische Schriftstellerin, die sich über Sex lustig mache, und drängt sie zur Veröffentlichung. Also fängt Anita an mit einer Serie für "Harper’s Bazaar", die im Laufe der Zeit die Auflage des Magazins verdoppelt. Der im November 1925 dann als Ganzes veröffentlichte Roman bringt Anita Loos Lob von literarischen Größen wie Aldous Huxley, William Faulkner, James Joyce ( siehe auch dieser Post ) und Edith Wharton ein, die einen Bekannten fragt, ob er die lustige Frau kenne, die ein Genie sein müsse. 

Anfangs lehnt ihr eigener Mann das Buch als zu frivol und eine Sache für Modemagazine, also nur ein weibliches Publikum, ab und beansprucht so keine Autorenrechte für sich. Dann ändert er doch noch seine Meinung und fordert Anita zu einer Widmung auf: "An John Emerson, ohne dessen Ermutigung und Anleitung dieses Buch nie geschrieben worden wäre." Sie ist zwar fassungslos, beugt sich aber wieder dem üblichen Muster, damit ihr Mann sein Gesicht wahren kann. Doch ihr Verleger spielt zum Glück nicht mit. 

Bis zum Ende des Jahrzehnts kann sich Anita Loos weltweiter Berühmtheit erfreuen, wird das Buch doch in 14 Sprachen (einschließlich Chinesisch) übertragen und macht sie zur Millionärin.
Die Heldin der Geschichte, Lorelei Lee, ist eine mutige, ehrgeizige Flapperin, der es viel mehr darum geht, teuren Schmuck von ihren Eroberungen einzusammeln als  Heiratsanträge. Außerdem ist sie zu klug, mit lockeren Moralvorstellungen und hohem Selbstbewusstsein ausgestattet und zudem eine praktische junge Frau, die den Materialismus der Vereinigten Staaten in den 1920er Jahren verinnerlicht hat, der Kultur mit Bargeld und Sachwerten gleichsetzt.
Während sie die Fortsetzung des Buches fertigstellt, gönnt sich Anita eine Art "Halbruhestand", denn sie fühlt sich ausgebrannt, hat sie doch zuvor auch eine Bühnenfassung ihres Buches erarbeitet. Sie reist und verkehrt in London im illustren Kreis von Sybil, Lady Colefax, trinkt in Paris mit Edith Wharton Tee, trifft sich mit Cole Porter und seiner Frau sowie Elsa Maxwell und ihrem Partner. Sie erleidet dann aber auch einen Hörsturz in Wien.  

Ihr Mann ist oft nicht dabei, denn der leidet wiederum an verschiedenen Krankheiten wie Kehlkopfentzündung, Nesselsucht und Furunkeln. Für "But Gentlemen Marry Brunettes" (1928) verfasst Anita dann diese Widmung: "An John Emerson, der alles entdeckt, entwickelt, gefördert und trainiert hat, was ich haben kann, wenn ich etwas habe, das sich lohnt." 1928 gibt es eine erste Filmversion von "Gentlemen Prefer Blondes" (heute verschollen) - ein Flop.

Die nächsten zwei Jahre verbringt das Paar den Herbst in New York, den Januar und Februar in Palm Beach, Florida, sowie Frühling und Sommer in Europa - zu viel Veränderung, wie Anita feststellt.

(ca. 1930)
Durch den Börsencrash 1929 verliert Emerson, der über Anitas Vermögen alleinig verfügt, fast alles Geld. Nur einer könne vom Rest noch gut leben, sagt er, und er schlägt Anita vor, dass sie doch wieder zur Arbeit zurückkehren solle. Die macht sich tatsächlich daran, innerhalb weniger Monate eine Bühnenadaption von "Gentlemen Marry Brunettes" zu erarbeiten und schreibt die ungarische Komödie "Cherries Are Ripe" um. 
"A wide variety of kept or semikept men has developed since the disappearance of the gold digger of the Twenties,” schreibt sie 1974. “In cases where a girl has talent, any husband or lover can ‘manage’ her career. And, although he generally mucks it up thoroughly, he’s able to save face..."
Als das Paar sein aktuelles Zuhause aufgeben muss, entdeckt Anita beim Packen der Umzugskisten einen Stapel Liebesbriefe anderer Frauen an Emerson. Sie schlägt ihm die Scheidung vor, doch er bevorzugt eine räumliche Trennung und bietet ihr an, ihr für eine eigene Wohnung eine Zulage zu zahlen. Anita zieht also aus, hat aber auch Schuldgefühle gegenüber Emerson, freut sich aber, nun über einen Teil ihres Geldes selbständig verfügen zu können. Ihre Situation bessert sich, als sie ohne ihren Mann für Irving Thalberg bei MGM Drehbücher verfassen kann, bei 3500 Dollar pro Woche. 

Das erste Projekt, mit dem Thalberg Anita beauftragt, ist Jean Harlows "Red-Headed Woman", weil der namhafte Autor F. Scott Fitzgerald mit der Adaption von Katharine Brushs Buch nicht zurandegekommen ist. 

Als die mit dem Zug nach Hollywood reist, um dort zu arbeiten, bringt ihr der Schaffner in Kansas City ein Telegramm des Ehemannes "in dem er mich daran erinnerte, dass er immer noch nur für seinen Bug ( sein Kosename für Anita; Erg.d.m. ) lebte. Hätte er nur telegrafiert: 'Ich lebe immer noch von meinem Käfer', hätte ich seine Unverschämtheit vergöttert und mich möglicherweise noch einmal in ihn verliebt." Anita ist entschlossen, nur noch vorwärts zu schauen.

Der im Mai 1932 fertiggestellte Film ist ein Knaller, etabliert Jean Harlow als Star und katapultiert Anita Loos erneut in die erste Reihe der Drehbuchautoren Hollywoods. Und zu ihrer Überraschung freut sie sich zurück zu sein, in der Nähe ihrer Mutter, ihres Vaters und ihres Bruders, einem inzwischen angesehenen Mediziner. 

Sie denkt, dass ihre "guten Zeiten für zwei weitere Jahre gesichert waren, während Herr E. in New York bleiben konnte, um seine Beschwerden zu pflegen und das Mitgefühl seiner jetzigen Freundin zu genießen." Doch die Rechnung hat sie ohne ihren habgierigen Mann gemacht, der sie wieder bedrängt, mit ihm im Team zu arbeiten. Die Wahrheit über den ausbeuterischen Charakter dieser Ehe ist in Hollywood allen bekannt, und Thalberg sträubt sich gegen das Ansinnen. Doch Anita setzt sich durch. Thalberg: "Du bist noch masochistischer als ich."

Man wohnt also wieder zusammen, diesmal in Beverly Hills, wo Emerson seine Frau nicht weiter stört, weil er erst mittags aufsteht und sie schon um fünf Uhr morgens mit dem Schreiben beginnt. Als einer der bestbezahlten MGM-Autoren verfasst Anita weiter Drehbücher wie für "Riffraff" (1935) mit Jean Harlow & Spencer Tracey und arbeitet auch als line producer. 1936 beginnt sie mit ihrem neuen Schreibpartner Robert "Hoppy" Hopkins an "San Francisco" (1936) zu schreiben, einer Hommage an die Stadt, die sie beide lieben, und an ihren Freund Wilson Mizner, ebenfalls Drehbuchautor, der 1933 gestorben ist. Anita: "Alles an diesem alternden Verbrecher war aufregend." Kenner halten diesen Film für ihren besten.

Blöderweise ist Anita darauf angewiesen, dass ihr Mann mit den Studiobossen kommuniziert und Verträge abschließt, denn die schrecken vor einem Gespräch mit einer selbstbewussten, gleichberechtigten Frau zurück. 1937 beschließt sie nämlich, nach dem Tod Thalbergs und Jean Harlows zu  Samuel Goldwyn, früher bei MGM und jetzt Leiter von United Artists, zu wechseln - jetzt schon für 5000 Dollar pro Woche als Lohn. Obwohl sie den Wechsel bald bereut, schlägt sie sich weiterhin mit "undurchführbaren" Drehbüchern herum. In ihrem Tagebuch notiert sie, dass Goldwyn "die abscheulichste, schleimige, abscheuliche Maus war, mit der ich mich jemals beschmutzt habe."

Loos - Haus in Santa Monica
Auch privat steht es nicht zum Besten: "Eines Abends", schreibt sie später, "waren wir allein in unserem Wohnzimmer, als [Herr E.] ohne Vorwarnung meinen Hals packte und anfing, mich zu würgen." Nachdem sie von ihrem Fahrer gerettet worden ist, bringt sie mit ihrem Bruder Emerson im Oktober in ein sehr teures Sanatorium, wo bei ihm Schizophrenie diagnostiziert wird. 

Anita, die ihren Finanzen nie viel Aufmerksamkeit geschenkt hat, entdeckt jetzt Schockierendes: 

Erstens zahlt ihr Goldwyn nur die Hälfte des ausgehandelten Gehalts, der Rest ist an Emerson überwiesen worden. Zweitens hat der 150.000 US-Dollar von ihrem Gemeinschaftskonto auf seine eigenen Konten transferiert. Drittens ist ihr gesamtes Eigentum einschließlich des Hauses an Santa Monicas "Gold Coast", entworfen vom Star- Architekten Richard Neutra, auf seinen eigenen Namen eingetragen worden. Und viertens hat er ihr Papiere untergejubelt, mit deren Unterschrift sie ihm die Lizenzgebühren für ihre Bücher überlassen, hat, ohne dass ihr das klar gewesen ist. 

"Ich finde es allerdings ironisch, dass das Geld, das John mir gestohlen hat, tatsächlich dazu verwendet wurde, ihn die letzten 18 Jahre seines Lebens in einer Irrenanstalt zu unterstützen", so ihr Kommentar in späteren Jahren dazu. John Emerson wird im März 1956 sterben und Anita treuhänderisch etwas Geld vermachen, was ihr ein paar tausend Dollar pro Jahr einbringen wird.

Ohne große Schwierigkeiten kann sie Anfang 1938 ihren ungeliebten Vertrag mit Goldwyn auflösen. Zurück bei MGM arbeitet sie an einer Reihe von Drehbüchern, bei denen sie nicht im Film-Abspann aufgeführt wird. Anita kann auch erneut für Fitzgerald einspringen und in knapp drei Wochen Clare Boothe Luces Broadway-Hit "The Women" filmreif umschreiben. Für sie ist es wie in alten Zeiten, als sie eng mit Regisseur George Cukor zusammenarbeiten kann, der darauf besteht, dass sie an allen Aspekten der Produktion beteiligt ist: Umschreibungen, Werbung, Vorschauen und sogar die Bearbeitung von Trailern. 

"The Women" (1939) wird als einer der besten Filme des Jahres gefeiert. 

Leider ist dieses kreative Hoch bald wieder vorbei. Während des Krieges verfasst die Autorin noch Drehbücher für vier Filme, baut Gemüse in ihrem Garten an und strickt wie andere Socken und Pullover für die Jungen im Ausland. Als der Zweite Weltkrieg im September 1939 beginnt, überzeugt Anita den befreundeten Aldous Huxley, dass es für ihn & seine Familie sicherer sei, wenn sie zu ihr in die Vereinigten Staaten kämen. Sie verschafft ihm einen Job bei MGM. Privat hat sie einen neuen Partner, der allerdings ein Alkoholproblem hat, so dass diese Beziehung von kurzer Dauer ist. MGM beschließt schließlich, Anita Loos im Alter von 63 Jahren endgültig aus ihrem Vertrag zu entlassen.

Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1944 kehrt Anita Loos nach Hollywood zurück und arbeitet an dem McGuire-Drehbuch "A Tree Grows in Brooklyn" (1945), wird aber im Abspann nicht erwähnt. Immerhin wird der Film in der Kategorie "Bestes adaptiertes Drehbuch" für den Oscar nominiert.

Yvonne Adair links und Carol Channing in
"Gentlemen Prefer Blondes"
(1949)
1948 laden die Produzenten Herman Levin und Oliver Smith  Anita zum Mittagessen ein, um ihr ihre Idee vorzustellen, "Gentlemen Prefer Blondes" als Musical zu produzieren. Sie ist begeistert. 

Das Schreiben eines Librettos ist dann aber eine Herausforderung für die auf diesem Gebiet unerfahrene Autorin. Für die Hauptrolle wird die bis dahin unbekannte Carol Channing gewonnen - eine gute Wahl! Das Musical wird 900 Mal aufgeführt und geht noch ein Jahr auf Tournee und wird nur aufgegeben, weil Channing schwanger wird und man keiner anderen die Rolle zutraut.

An diesen Erfolg reiht sich 1951 Anitas Dramatisierung von Colettes ( siehe auch dieser Post ) "Gigi" sowie eine Reihe weiterer Adaptionen nach französischen Veröffentlichungen ( darunter "Chérie", ein weiterer Colette-Roman ). 

Anita ist zwischenzeitlich in Europa herumgereist und hat in Paris auch Colette getroffen, die später Anitas Fassung begeistert. Mit der Newcomerin Audrey Hepburn wird für die Hauptrolle die passende Darstellerin gefunden. Allein "Gigi" kommt auf 219 Vorstellungen, hätte aber länger noch laufen können, wenn die Hepburn nicht eine Filmverpflichtung gehabt hätte. Anita selbst genießt eine Berühmtheit, wie sie sie seit den 1920er Jahren nicht mehr gekannt hat. 

Die Filmversion der "Gentlemen" wird 1953 unter der Regie von Howard Hawks produziert, Anita selbst hat nichts mit der Produktion zu tun, findet aber, die Monroe sei ein inspiriertes Casting.

"Miss Loos" lebt jetzt mit ihrer Haushälterin, zu der sie ein familiäres Verhältnis hat, in New York in einer gemütlichen, schönen Wohnung in der Nähe der Carnegie Hall. Sie ist weiterhin als Zeitschriftenautorin für "Harper's Bazaar", "Vanity Fair" und "The New Yorker" tätig. Ihr Biograf Gary Carey bemerkt in seinem Buch: "Sie war eine geborene Geschichtenerzählerin und war immer in Höchstform, wenn es darum ging, eine Begegnung aus dem wirklichen Leben in eine amüsante Anekdote umzuwandeln." 1966 startet sie mit ihrem Memoirenband unter dem Titel "A Girl Like I", der im September herauskommt.

Das Buch umfasst den Zeitraum ihrer Kindheit bis hin zur frühen Karriere in Hollywood und New York bis zur Veröffentlichung von "Gentlemen Prefer Blondes".  Sie erhält viel Lob und Aufmerksamkeit. So widmet ihr die "New York Times Book Review" eine ganze Seite, und "The Nation" hält es für "die bemerkenswertesten Hollywood-Memoiren, die je geschrieben wurden, aufgrund ihrer Offenheit, ihres Witzes und ihrer Intelligenz".  

Mit Audrey Hepburn
(ohne Jahr)

Viking Press veranstaltet eine Party im Terrace Room des Plaza Hotels für Anita und viele ihrer engsten Freunde, darunter Hayes, Paulette Goddard und Tallulah Bankhead sowie prominente Bekannte wie Truman Capote und Edmund Wilson. Im November besucht Anita Capotes schwarz-weißen Maskenball in einem schwarzen Spitzenkleid von Balenciaga und einem Umhang aus Straußenfedern. Denjenigen, die die Gala im Zeitalter des Vietnamkriegs für unangemessen halten, hält sie entgegen: "Ein bisschen Glamour könnte gerade jetzt allen guttun." Selbst im Alter bleibt sie eine echte New Yorker Institution, eine eifrige Partygängerin und Restaurantbesucherin und fällt auf bei Modenschauen, Theater- und Filmveranstaltungen, Bällen und Galas, bis ihre schwindendes Augenlicht & Gehör das nicht mehr zulassen.

Nach wie vor wirkt Anita dabei eher zurückhaltend & beobachtend. Aber das ist auch eine Fassade für ihre kluge Zunge und ihren schnellen Verstand. Sie hat den Akzent einer Farmfrau aus dem Mittleren Westen, und so bodenständig ist sie auch. Snobistische Phrasen sind nicht ihr Ding. Ihr Wesen hat ihr wohl immer als Eintrittskarte in die Häuser berühmter Persönlichkeiten im In- und Ausland gedient. Über fünfzig Jahre lang hat sie Kontakte zu den Besten und Klügsten in Amerika und Europa gepflegt und lebenslange Freundschaften mit einigen der brillantesten Künstler des 20. Jahrhunderts entwickelt.

Mit Lilian Gish
(1980)
Darüberhinaus bleibt sie eine disziplinierte Schriftstellerin wie eh und je, die eindringlich beobachtet und genau den Humor findet, den es braucht, wenn männliche Ansprüche auf weibliche Entmachtung aufeinanderprallen. Selbst in ihrem 92. Lebensjahr steht sie jeden Morgen noch um 4.30 Uhr auf und hält  alles handschriftlich auf linierten gelben Blättern fest, die auf einer Chaiselongue in ihrem Schlafzimmer liegen. Wenn um 8.30 Uhr ihre Tagesarbeit erledigt ist, telefoniert sie mit ihren Freunden.

In ihren letzten Jahren sind unter ihrer Feder u.a. noch entstanden: "Twice Over Lightly: New York Then and Now"1972,  eine Zusammenarbeit mit ihrer Freundin, der Schauspielerin Helen Hayes. "Kiss Hollywood Good-By" 1974ein weiterer Erinnerungsband, der Anekdoten über die Schauspielerin Louise Brooks und andere Persönlichkeiten der "goldenen" 20er Jahre enthalten. 1978 dann ihr Buch "The Talmadge Girls" (1978) eine Erinnerung an das Leben und die Zeiten der unbändigen Peg Talmadge und ihrer berühmten Töchter, mit denen sie befreundet gewesen ist.

Nachdem sie mehrere Wochen mit einer Lungeninfektion im Krankenhaus verbracht hat und wieder in ihre Wohnung zurückgekehrt gewesen ist, erleidet Anita Loos einen Herzinfarkt und stirbt im Alter von 93 Jahren am 18. August 1981  im "Manhattan Doctors Hospital" in New York City. Die Trauerfeier in New York wird von ihren Freund*innen gestaltet mit vielen Erinnerungen an ihren außergewöhnlichen Witz. Bestattet wird sie neben ihren Eltern auf dem Etna Cemetery in Etna, Siskiyou County in Kalifornien.








6 Kommentare:

  1. Das Buch, Bühnenstück und Film schon eine längere Vorgeschichte hatten, wußte ich nicht. Genau so, wie ich leider diese wunderbare Schriftstellerin nicht kannte (nur einige Filme) Ein bißchmännliche Schreiber der Zeit kennt, aber natürlich die Frau(en) wieder nicht.
    Danke Dir und liebe Grüße
    Ninaen Hollywood Babylon, ein bißchen Chaos und Harmonie Bestreben? Egal, ein aufregendes Leben, vor allem so produktiv. Peinlich, dass man zwar einige

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  2. Was für ein Elend, dass solch kluge und erfolgreiche Frauen sich so von Männern ausnutzen lassen und auch gesetzlich bestimmen und bevormunden lassen mussten. Zum Glück hat sie auch später andere Zeiten erlebt.
    Eine großartige Frau, deren Verdienste oft genug nicht mal im Abspann erwähnt wurden. Dabei leben Filme von einem guten Drehbuch.
    Sehr spannende Biografie, liebe Astrid. Danke.
    Herzlichst, Sieglinde

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  3. Ich weiß nie, wo bei solchen Frauen großartig aufhört und grandios dumm anfängt...warum immer SOLCHE Männer sein müssen...
    LG Berta

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  4. Danke für das spannende Portrait! Mir war Anita Loos kein Begriff. Wie gut, dass du dieses Fenster aufgestoßen hast. Verrückt, dass so clevere und gewitzte Frauen doch wieder auf solche Pfeifen und Ausbeuter reinfallen. Ob das die Prägung durch die Vater ausgemacht hat?
    Drehbuchautorinnen werden oft übersehen, dafür sind sie doch so wichtig für den Erfolg eines Filmes.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  5. von Helga:

    Liebe Astrid,

    im ersten Moment dachte ich an die Schauspielerin Anna Loos, aus der Jetztzeit, aber eine Anita Loos sollte ich wohl kennen, es war meine Kinozeit. Kannte ich aber nicht, aber jetzt, dank Deines ausführlichen Berichtes über sie. Ja was soll ich sagen, einfach andere Zeiten, sicherlich heute auch keine Besseren. Kein einfaches Geschäft sich da behaupten zu können. Unsägliche Stunden hast Du da wieder am Recherchepult zu gebracht, aber man merkt auch daran die unglaubliche Freude, die Dir das macht. Meine Güte schon 347 Womens hast Du geboren 🤱🏻unglaublich!
    Mir und Kerstin macht es Freude sie zu lesen. Danke und liebe Grüße von uns

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  6. beeindruckend
    und wohl heute kaum noch bekannt
    auch mir war sie kein Begriff
    dabei stand sie ja mit vielen auch berühmten Künstlern in Verbindung
    auf dem partnerschaftlichen Auge war sie wohl blind ;)
    erst vom Vater ausgenommen
    dann von ihren Männern und auch die Geschäftspartner nutzen sie wohl aus
    trotzdem hat sie sich die Freude an ihrer Arbeit nicht nehmen lassen
    wieder sehr interessant zu lesen
    liebe Grüße
    Rosi

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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