Richtig gelesen: Heute geht es hier nicht um einen Baum, sondern um einen der schönsten "Baumbewohner", den ich kenne. Zu Beginn der Vorweihnachtszeit soll ihr an dieser Stelle einmal besondere Aufmerksamkeit zuteil werden: der Mistel ( viscum album ).
Jetzt ist wieder die Zeit angebrochen, in der man die Misteln in den Baumkronen erkennen kann und in der sie unsere Wohnungen schmücken. Und jedes Mal freue ich mich darüber.
Ohne einen Mistelzweig über unserer Hauseingangstür kann ich mir keine Adventszeit vorstellen, nicht wegen der Küsse darunter - es ist eher das Mysthische, dass diese Pflanze umweht, was mich anzieht. Sie ist doch die ungewöhnlichste unserer heimischen Pflanzen...
Wahrscheinlich ist es eben diese eigentümliche Lebensweise, weshalb die Mistel unter den Menschen in alter Zeit ein solches Ansehen besaß. Die Mistel ist nämlich ein sogenannter Halbschmarotzer:
Sie verfügt nicht über das gewöhnliche Wurzelwerk der Pflanzen, sondern bildet spezielle Saugwurzeln, mit denen sie in das Holz des Wirtsbaums eindringen und seine Leitungsbahnen anzapfen kann. Nur so kann die Pflanze an Wasser und darin gelöste Mineralien kommen. Im Gegensatz zu den echten Schmarotzern betreibt sie ihre Photosynthese - also die Beschaffung ihrer Nährstoffe - allerdings selbst.
Die Mistel ist perfekt an das Leben in den Baumkronen angepasst: So blüht sie schon, bevor die Bäume Blätter tragen, und die Früchte reifen erst, wenn die Bäume wieder kahl sind. Blüten und Beeren werden dadurch von Insekten und Vögeln leichter gefunden.
Für die Verbreitung der Mistel sind die Vögel unabkömmlich. Denn die fressen die weißen Beeren und scheiden die Samen mitsamt der klebrigen Hülle wieder aus. Wenn der Vogelkot auf einem geeigneten Baum kleben bleibt, treiben die Samen aus, und es können sich neue Mistelbüsche bilden. Deren Entwicklung dauert sehr lange, denn erst wenn die Saugwurzeln im Holz Fuß gefasst haben, beginnt auch der sichtbare Teil der Pflanze merklich zu wachsen. In der Regel entzieht die Mistel ihrem Wirtsbaum nur so viel Wasser und Nährstoffe, dass dieser noch genug zum Leben hat.
Misteln auf den Bäumen trifft man meistens in feucht-milden Klimazonen an, zum Beispiel in den Flussauen des Rheins oder der Mosel ( im trockeneren Kontinentalklima Osteuropas sind sie seltener ). Wegen der immergrünen Blätter vertragen Misteln keine intensive Wintersonne, denn wenn die Leitungsbahnen der Wirtspflanze eingefroren sind, leiden die Misteln schnell unter Wassermangel, ihre grünen Blätter vertrocknen und werden braun.
Bevorzugt wächst die Mistel auf Pappeln, Weiden, Apfelbäumen, Birnbäumen, Weißdorn, Birken, Eichen, Linden und Ahorn.
Namen hat die Mistel viele: Geißkraut, Bocksfutter, Nistel, Wintergrün, Hexenkraut und -besen, oder Donnerkraut, Donnerbesen und Bocksfutter wird sie, je nach Region genannt.
Bis in die heutige Zeit gilt sie - anders als die eher negativen Namen vermuten lassen - als Glücksbringer: So flocht man in der Schweiz der Braut einen Mistelzweig in den Brautkranz ein, in der Bretagne ist es Brauch, dass Verlobte unter die Mistel treten. Nach einem aus Skandinavien und England stammenden Brauch darf man ein Mädchen ungefragt unter einer Mistel küssen.
Die Mistel ist übrigens auch immer ein sehr beliebtes, dekoratives Kunstmotiv gewesen, auf unserer Jugendstilschale aus Zinn zu sehen:
In der jüngeren Zeit unser Blickfeld gerückt wurde die Mistel wieder in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts durch die Asterix - Comics:
Die keltischen Druiden kletterten dort bei Vollmond in die Eichen, um mit ihren goldenen Sicheln Mistelzweige zu schneiden und daraus geheimnisvolle Zaubertränke zu brauen, die Asterix und Obelix ihre sagenhaften Kräfte verliehen.
Abschließend noch ein paar Worte zu der in den letzten Jahren aufgekommenen Ansicht, Misteln seien am Absterben von Bäumen schuld:
Nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse, kann man davon ausgehen, dass die Mistel eher selten ihren Wirt umbringen wird, denn damit entzieht sie sich selbst die Lebensgrundlage. Wirklich kritisch wird es eigentlich nur bei stark befallenen Hybridpappeln, bei denen sich aber sowieso die Frage stellt, ob sie die geeigneten Stadtbaumarten sind.
Es ist eher so, dass die geringere Vitalität eines Baumes zum verstärkten Mistelbefall führt und nicht der Mistelbefall die Ursache der schlechteren Vitalität ist. Erst bei fortgeschrittenem Befall kommt es zum weiteren Absterben von Ästen ( und im Extremfall zu dem des Baumes ). Bäume mit uneingeschränkter Vitalität können sich mit moderatem Mistelbefall lange Zeit arrangieren. Experten schlagen deshalb auch vor, die Misteln wieder stärker für medizinische Zwecke alle zwei bis drei Jahre abzuernten oder sie uns als Glücksbringer in der Weihnachtszeit ausreichend zur Verfügung zu stellen...
In diesem Sinne: Einen glücklichen 1. Advent!
Alle Baumfreunde treffen sich heute wieder bei Jahreszeitenbriefe. Schaut mal vorbei!
au gui l'an neuf... sagen wir hier zum Neujahr, in meiner gegend eher zum Jahreswechsel an die Haustür. Mistel sollen ? sehr selten auf Eichen wachsen und diese wurden besonders von den *druides gaulois* vererht.
AntwortenLöschenschöner 1. Advent und vielen dank für dein interessanter Bericht !
Wieder ein ganz wunderabarer Bericht! Ja, die Mistel...ist auch hier in der Adventszeit gern gesehen...Dir einen schönen ersten Advent! LG Lotta.
AntwortenLöschenIch liebe Misteln. Egal ob Schmarotzer oder nicht.. lächel! Vor allem mag ich gerne unter ihnen vom Richtigen geküsst werden.. grins! Ich wünsche Dir einen kerzenhellen, besinnlichen ersten Advent, Nicole.
AntwortenLöschenLiebe Astrid,
AntwortenLöschenvielen lieben Dank für diesen tollen Post.... ich hatte ehrlich gesagt überhaupt keine Ahnung wie und wo die Mistel so wächst. Klar kennt man sie und überall bei den Floristen kann man sie kaufen, damit man sich ein kleines Gebinde über die Haustüre hängt. Hinterfragt habe ich (bisher) diese Pflanze allerdings nie. Nun bin ich mal wieder ein bisschen schlauer. Danke dafür ;-)
Liebe Grüße und hoffentlich einen schönen ersten Advent - mit vielen positiven Nachrichten aus der Heimat
Pamela
Oja, liebe Astrid, da ist dir ein ganz wunderbarer Post gelungen, der der Schönheit, der Lebensweise und den "Geschichten" der Mistel so gut gerecht wird. Ich freue mich sehr!!! Nachdem ich jahrzehntelang dachte, irgendwer schleppt sein Mistelzeug durch den Kiefernwald, habe ich endlich gelernt, dass es auch Nadelholzmisteln gib, die natürlich in den immergrünen Bäumen kaum auffallen... Letztes Jahr war ein mit Mistel bewachsener Kiefernast des sturmgefällten Baums hier ein paar Schritte weiter unser "Weihnachtsbaum"... Die Bilder sind phämomenal...
AntwortenLöschenIch mag sie auch sehr, die Mistelzweige. Aber ich hänge sie immer erst kurz Weihnachten auf. Warum weiß ich auch nicht. Persönliches Ritual halt. LG mila
AntwortenLöschenSehr interessanter Beitag. So genau hatte ich mich noch nicht mit Misteln beschäftigt, nur in den Flur gehängt und ich kenne natürlich auch die einschlägigen Stellen bei Asterix ;o)
AntwortenLöschenSchönen ersten Advent
Jennifer
...sehr interessant, liebe Astrid,
AntwortenLöschenvon früher kenne ich die Mistel gar nicht, erst in den letzten Jahren ist mir ihre Verbreitung verstärkt aufgefallen...gerade hier in den Rheinauen gibt es sehr viele auf den Bäumen...in meiner Wohnung keine...was der Bauer nicht kennt...usw ;-),
schöner 1. Adventabend,
lieber Gruß Birgitt
Sehe interessant zu lesen, danke dafür
AntwortenLöschenLiebste Grüße zu dir :-)
Misteln mag ich sehr und habe das Glück, sie immer wieder hier in der Gegend auf Bäumen bewundern zu können. (Manchmal würde ich ja so gerne wie Miraculix auf den Baum klettern und mit der Sichel... nur eine, gar nicht viele..Misteln ernten...) .Misteln werden übrigens auch in der Krebstherapie eingesetzt.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
ANdrea
Liebe Astrid,
AntwortenLöschenvielen Dank für diesen Post - das zweite Bild ist traumhaft. Da ich heute mit einem gewissen Misstrauen die Riesenmistel an einem Zierapfel betrachtet habe, bin ich jetzt beruhigt: Ich kann sie abschneiden und an Weihnachten ins Haus holen oder wachsen lassen, der Baum überlebt es. Bei uns im Stadtviertel werden die Misteln übrigens für medizinische Zwecke regelmäßig "geerntet", daraus wird ein Zytostatikum gewonnen, das insbesondere bei Brustkrebs eingesetzt wird. Im Nymphenburger Park hingegen sind manche Äste so voller Misteln, dass sie abbrechen...
Morgen einen besonders feinen Wochenanfang!
Deine Sarah
dass es soviel über die mistel zu wissen gibt, habe ich nicht gewußt. ich habe sie immer nur mit weihnachten in verbindung gebracht und kenne sie auch als zytostatikum. sehr schön hast du das alles zusammen getragen. fast schon eine kleine liebeserklärung :).
AntwortenLöschenSuper zusammengestellt liebe Astrid! Deine Schale gefällt mir sehr und das Foto ist wunderbar! Deinem letzten Satz mag ich mich gerne anschließen. Das Ansehen der Misteln resultiert sicher aus dem alten Wissen um ihre Heilkraft, wir sollten sie mehr nützen! Mit einem schönen Band dekoriert an der Haustüre hat sie bei uns vor Weihanchten auch immer einen Ehrenplatz :-)
AntwortenLöschenWünsch dir eine schöne Vorweihanchtszeit Elisabeth