Im zurückliegenden Monat habe ich die Suche nach einem neuen Baum sehr, sehr lässig betrieben. Als ich mich dann gestern noch zwecks Pirsch in den Botanischen Garten aufmachen wollte, ging es mir nicht so, dass ich mir das zugetraut hätte. Also greife ich zurück auf einen Post, den ich schon in ähnlicher Form veröffentlicht habe und der ganz viel von meiner jahrzehntelang gewachsenen Liebe zu den grünen Baumfreunden erzählt.
Hilde Domin
Ziehende Landschaft
Man muss weggehen können
und doch sein wie ein Baum:als bliebe die Wurzel im Boden,als zöge die Landschaft und wir ständen fest.Man muss den Atem anhalten,bis der Wind nachlässtund die fremde Luft um uns zu kreisen beginnt,bis das Spiel von Licht und Schatten,von Grün und Blaudie alten Muster zeigt,und wir zu Hause sind,wo es auch sei,und niedersitzen können und uns anlehnen,als sei es an das Grabunserer Mutter.
Der erste Baum, der einen großen - im wahrsten Sinne des Wortes - Eindruck auf mich als kleines Kind gemacht hat, war die Doppellinde auf der höchsten Höhe eines Höhenzuges namens Lindenberg, der das Dorf meiner Kindheit in nordöstlicher Richtung einschließt. Eine Landmarke bis heute, allerdings nicht mehr so beeindruckend wie einst, weil ihr die Wohnbebauung ganz schön auf die Pelle gerückt ist. Dort am Hang wohnte meine Lindenberg - Oma, und bei vielen Besuchen in ihrem uralten Haus habe ich den Berg noch weiter erklommen, unter der Linde gestanden und über den mächtigen Baum gestaunt.
Mein zweiter "Lebensbaum" war der große Walnussbaum im Garten hinter meinem Elternhaus. Hier habe ich ihm ein Denkmal gesetzt, denn er ist schon lange nicht mehr der alte. Den Geruch der zwischen den Fingern zerriebenen Blätter mag ich nach wie vor sehr viel lieber als den Geschmack der Nüsse. Und ich kann es bis heute nicht lassen, wenn ich in unserem Tälchen an Nussbäumen vorbeikomme und muss ihn auch immer meinen Enkeln unter die Nase reiben, so betörend finde ich ihn.
Obwohl neben dem Treppenaufgang zu meinem Elternhaus eine Reihe ganz junger Birken stand, haben die mich viel weniger beeindruckt als die Lärchen mit einem ähnlichen, besonders ansprechenden Maigrün. Oberhalb unseres Gartengeländes auf der Hügelkuppe gab es ein kleines lichtes Wäldchen aus Lärchen mit einem ebenso grünen, weichen, gräsernen Waldboden, durchwebt von zarten, wilden Glockenblumen, zierlichen Karthäuser- und weißen Lichtnelken, heiteren Margeriten, bevölkert mit Widderchen und Grashüpfern. Und dort habe ich gerne gesessen und das ganze Tal mit dem Dorf überblickt. Diese Erinnerungsbilder sind für mich der Inbegriff des Sommers, als er noch nicht so gnadenlos überhitzt war. Lärchen sind bis heute meine liebsten Nadelbäume, auch in ihrer unübertroffen grandiosen Herbstfärbung, die dem Odenwald im November ein besonders eindrückliches Aussehen verpasst.
Auch vor unserer Wohnung in Bonn stand eine Birke neben den Autoparkplätzen. Wichtiger waren aber die Ahörner hinterm Haus, Kletterbäume par excellence, bis mir von meinen Eltern deutlich gemacht wurde, das schicke sich nicht für ein Mädchen in der beginnenden Pubertät, darin mit den Jungen in leichter Kleidung herumzuklettern. So war das in den 1960er Jahren!
Auch bei meiner ersten Kölner Wohnung gab es eine Birke vor dem Fenster mit meinem Schreibtisch, die längst den heißen & regenarmen Sommern zum Opfer gefallen ist. Die imponierend, da unüblich hohen Birken in der südwestlichen Ecke unseres Häusercarrées, deren Schwanken im Wind ich immer vom Bett aus meditierend verfolgen konnte, sind auch schon vor längerer Zeit gefällt worden. Mit ihrem dicht unter der Erdoberfläche liegenden Wurzelwerk waren sie einigen Nachbarn nicht mehr geheuer, die ihre Standsicherheit in Frage stellten. Seitdem ist im Geviert kein Buchfink mehr zu vernehmen, die ja für ihre Nester eine größere Höhe bevorzugen.
Der zweite Baum, der im Bett liegend lange mein Herz erwärmt hat ( besonders, als ich einmal mit einer Angina während seiner Blüte ans Bett gefesselt war ), war der beachtliche Birnbaum im Garten unserer Nachbarn zur Rechten. Auch er fiel der Säge zum Opfer, weil er nicht mehr gesund genug war und den Nachbarn zu viel Schatten gespendet hat. Ihm, wie der großen Zahl anderer Bäume, die in unserem Häusercarrée wuchsen, habe ich beim Fällen immer hinterher geweint, selbst den düsteren Koniferen, als ihre Eigentümerin sie hat entfernen lassen. Inzwischen ist aus der Vogelperspektive nur noch mein Grundstück und das der Nachbarin gegenüber grün von Bäumen, abgesehen von einer mächtigen Robinie in der südöstlichen Ecke. Als wir das Haus vor fast vierzig Jahren gekauft hatten, war es genau umgekehrt gewesen.
Zum Glück sind meine eigenen, vor 38 bzw. 37 Jahren gepflanzten Bäume inzwischen so groß, dass sie mir Schutz & Schirm sind, ein für die Augen wunderbar erholsames Grün, Schatten für meine allergiegeplagte Haut, Früchte und vor allem unendliche Freude das ganze Jahr über bieten. Dabei war die mittlerweile haushohe Magnolie einst nicht mehr als ein Bäumchen mit gerade mal drei Trieben!
Zum Glück sind meine eigenen, vor 38 bzw. 37 Jahren gepflanzten Bäume inzwischen so groß, dass sie mir Schutz & Schirm sind, ein für die Augen wunderbar erholsames Grün, Schatten für meine allergiegeplagte Haut, Früchte und vor allem unendliche Freude das ganze Jahr über bieten. Dabei war die mittlerweile haushohe Magnolie einst nicht mehr als ein Bäumchen mit gerade mal drei Trieben!
Meine Bäume, auch wenn ich nicht mehr darin herumzuklettern vermag, gehören zu meinem Fitnessprogramm, besonders im Frühjahr und Herbst, wenn ich tagelang mit dem Auffegen der Blütenblätter bzw. des Laubes beschäftigt bin. Aber das macht in diesen Jahreszeiten ja auch irgendwie Spaß.
Auch an der Schule, an der ich am längsten unterrichtet habe, habe ich mich mit meiner Baumliebe verewigt: Dort steht eine Esskastanie, die ich zusammen mit meiner damaligen Klasse bei einem Wettbewerb der Stadt gewonnen hatte. Die hat sogar die Belastung durch eine Umsetzung während einer Neubauphase auf dem Schulhof überstanden und trägt inzwischen die Früchte, wie es sich die Kinder meiner Klasse gewünscht hatten. Die sollten den Tieren überlassen bleiben, so, wie die meisten Kirschen an meinem zweiten Hausbaum, die Amseln in der Zeit nach dem Brüten wieder auf die Beine helfen oder den Alexander- oder Halsbandsittichen ermöglichen, in unseren Breiten gut zu leben.
In den letzten Jahren mit seinen unerbittlichen Klimaveränderungen sind viele Bäume bei uns in einen bedauernswerten Zustand geraten, der meines Erachtens nicht mehr zu übersehen ist. Gewünscht hätte ich mir und vor allem den jungen & jüngeren Leuten, die sich in den letzten Jahren eingesetzt haben, mehr Bundesgenoss*innen im Kampf um den Erhalt einer unserer wichtigsten Lebensgrundlagen. Ein Leben ohne Bäume ist für uns nicht möglich, das sollten wir uns immer wieder klar machen, und mir sind sie das, was anderen ihr Hund oder ihre Katze ist: des Menschen bester Freund. Das ist auch fünf Jahre, nachdem ich diesen Post verfasst habe, immer noch so.
Was für eine wundervolle Baumgeschichte, liebe Astrid, so viele grüne Wegbegleiter, Erinnerungen und ein bisschen Wehmut, aber auch ganz viel Liebe zu deinen Baumgefährten. Und Du hast mit Deiner Schulklasse eine Esskastanie gewonnen? Wie toll ist das denn? Sie muss jetzt schon groß genug sein um auch welche zu ernten und zu rösten, oder?! Ach, das ist ein schöner Gedanke. Linden und Birken mag ich auch sehr gerne. In unserem Garten steht auch eine Birke. Eine Linde hätte Platznot. Dir einen schönen Sonntag, Deine Nicole
AntwortenLöschenatemlos liebe Astrid habe ich diesen deiner vielen Post' s gelesen. Deine Liebe zu allen Baumarten spürbar deutlich, wobei du Lieblingsbäume hast um sie gesondert liebevoll im Detail zu beschreiben die deine Begeisterung zeigen und sehr ansteckend sind....dazu gibt es diese wunderschönen Bilder die deine jahrelange Freundschaft zu ihnen betonen...
AntwortenLöschentausend Dank - ein wundervoller Post...und wenn ich so aus meiner Feder heraus in meine grüne * Landschaft vor dem Fenster sehe , du hast mit jedem deiner Worte etwas sehr zum Klingen in mir gebracht, denn ich sehe dies genauso.. liebe sonntägliche Grüße in deine grüne Stadt, die das gewisse ETWAS hat...angel
Liebe Astrid,
AntwortenLöschendu sprichst mir mit deinem Post aus der Seele. Bäume sind lebensnotwendig. Ich habe auch seit 50 Jahren mehrere Bäume im Garten, die jetzt wunderbaren Schatten spenden. Was ist ein Garten ohne Bäume? Wie faszinierend ist das Spiel von Licht und Schatten im Garten. Sicherlich, man muss im Herbst auch Laub fegen, aber so ist es nun mal. Dafür entschädigen uns die Bäume im Frühjahr mit ihrer herrlichen Blüte. Und Bäume wollen gepflegt werden, ich lasse sie regelmäßig vom Fachmann schneide.
LG Agnes
Ich erinnere mich sehr wohl noch an diesen Beitrag. Er hat mich so an mein Leben mit Bäumen erinnert. Aber man kann den Menschen gar nicht oft genug sagen, wie wichtig Bäume sind.
AntwortenLöschenMit lieben Sonntagsgrüsse
Nina