Mittwoch, 5. Juni 2024

6. Juni 1944


 
"Welchen Preis muss man für 
Freiheit & Demokratie zahlen?"

Morgen jährt sich zum achtzigsten Mal der Tag, an dem der Startschuss zur Befreiung Westeuropas aus dem Griff der Naziherrschaft fiel, indem alliierte Truppen der USA, Großbritanniens, Kanadas & Frankreichs - 157.000  Soldaten insgesamt -  an den Stränden der Normandie landeten und eine zweite Front gegen das Dritte Reich im Westen eröffneten. Der D-Day ist als Operation "Neptune" Teil der Operation "Overlord" gewesen, die den Feldzug der alliierten Armee in Nordfrankreich bis zur Befreiung von Paris am 25. August 1944 umfasst.

Der Angriff musste in einer Vollmondnacht geschehen, damit die alliierten Fallschirmspringer sich orientieren konnten. Außerdem mussten die Soldaten die Küste bei auflaufender Flut erreichen, um den Hindernissen am Strand ausweichen zu können, die die Nazi-Militärs dort hatten errichten lassen. Für die Strände der Normandie als Angriffsort gab es mehrere strategische Gründe, denn die Deutschen hatten sich auf eine Attacke am Pas de Calais eingestellt. Man wollte den Überraschungsmoment nutzen.

Die Aktion dauert länger, als von den Alliierten zu Beginn geplant - Caen sollte bereits am selben Tag erobert werden, es dauerte aber bis Mitte Juli. Die Befreiung der normannischen Städte geschah also nur langsam und Stück für Stück und benötigte drei Monate. Bis Ende Juli 1944 landeten in der Normandie dann 1,5 Millionen alliierte Soldaten und kämpften gegen eine halbe Million Deutsche. Am Abend des D-Days selbst registrierten die Alliierten etwa 4400 Tote, darunter vor allem US-Amerikaner, Briten, Kanadier, Polen und Franzosen. Auf deutscher Seite wurden schätzungsweise 4000 bis 9000 Mann als verwundet oder verstorben verzeichnet. "Der längste Tag" kostete auf Seiten der Alliierten 53.700 Menschenleben. 18.000 Soldaten werden bis heute vermisst, mehr als 155.000 Männer wurden verwundet. Auf Seiten der Deutschen sind es 200.000 Tote gewesen.

Die Freude der Zivilbevölkerung über die Befreiung hat in der Normandie bis heute einen bitteren Beigeschmack: Traumatisierend waren die Zerstörungen und die mit Bomben unterstützten Kämpfe in den normannischen Städten. Die Zivilisten sind damals der Strategie geopfert worden, die deutschen Heere durch zerstörte Siedlungen zu behindern. Insgesamt knapp zwanzigtausend tote Zivilisten zählte man am Ende der Operation.

"Der längste Tag"
Inzwischen gibt es kaum noch Überlebende als Zeitzeugen, und die Erinnerung an dieses Ereignis wird  für uns nunmehr total überlagert von den Bildern & Interpretationen der Hollywood- Inszenierungen. Etliche Filme gibt es zu diesem historischen Geschehen, die oft nur heroische Rückbesinnung sind, ein Epos kreieren, Mythen schaffen. "Der längste Tag" oder "Der Soldat James Ryan" sind dazu angetan, die amerikanische Sicht der Dinge zu favorisieren und zu zementieren. "Die Filme sind fast durchweg Filme des Triumphes", sagt der Filmwissenschaftler Claus Löser. ( Das britische und französische Kino über den D-Day fiel ein paar Nummern kleiner aus.)

Das wird dem tatsächlichen Sachverhalt nicht gerecht, denn diese Operation ist nicht kriegsentscheidend gewesen. Nazideutschland hat den Krieg im Wesentlichen im Osten verloren. Bis zum D-Day hatte die deutsche Wehrmacht 80 Prozent ihrer Verluste bereits an der Ostfront "eingefahren". Entscheidend war dieser Tag allein für die Befreiung des westlichen Teils des europäischen Kontinents. 

In diesem Jahr wird auch endlich offiziell der zivilen Opfer der Landung der Alliierten gedacht, über die erst in den 1990er Jahren wieder gesprochen worden ist.

2014
© dpa
In diesem Jahr findet das Erinnern im Schatten des Ukrainekriegs statt.

Bei den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Alliierten-Landung, wie auch vor zehn Jahren war noch Russlands Präsident Wladimir Putin eingeladen, damals im Rahmen seiner ersten Präsidentschaft. Vor zwanzig Jahren hatte man noch die Vorstellung, ein gemeinsames Europa aufzubauen. Krieg schien gebannt. Zehn Jahre später fand die Feier wieder mit ihm statt, kurz nachdem er die Krim illegal annektiert hatte. Welche Illusionen musste man inzwischen begraben! Das 80. Jubiläum ist der richtige Zeitpunkt, sich erneut zu fragen, welchen Preis man für Freiheit & Demokratie zu zahlen bereit ist, und sich entsprechend zu engagieren. Eine Demokratie kann besiegt werden, das zeigt auch die Geschichte Frankreichs im Jahr 1940. Und das wirft Fragen auf für Gegenwart & Zukunft. Fragen, die auch bei mir zu veränderten Einstellungen geführt haben.

                                                                  


Was wäre mein Blog ohne den Hinweis auf die Porträts großartiger Frauen an dieser Stelle, die es rund um den D-Day auch gab: Da ist Lee Miller, die Kriegsfotografin zu nennen, auch Martha Gellhorn, die als Berichterstatterin dabei gewesen ist, die junge Laura Ashley, die auf britischer Seite als Telegrafistin eingesetzt war, und Vera Atkins, die Agentinnen ausgebildet hat, die hinter der Front abgesetzt wurden. Und dann ist da auch noch die Sängerin Vera Lynn, die mit ihren Songs für die moralische Unterstützung der britischen Soldaten zuständig gewesen ist. 

2 Kommentare:

  1. liebe astrid, danke für deinen wichtigen beitrag zum 6.06., gerade im hinblick auf die europawahl und den ereignissen im wahlkampf können wir nicht wachsam genug sein. für mich ist sehr erschreckend, wie die stimmung in manchen kreisen kippte. da erhebe ich meine stimme und werbe für ein friedliches europa, und kämpfe heimlich gegen meine innere mutlosigkeit. es ging etwas verloren mit den jahren..., herzlichen gruß, roswitha

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  2. auch wenn es sicher fast zu spät gewesen ist
    trotzdem war dieses Ereignis wichtig
    ich habe heute gelesen
    " Zum Westen gehört auch das viel zu späte Reagieren. Man schlägt nicht gleich zurück. Dafür steht beispielhaft die Appeasement-Politik, die aufgegeben wurde, als es schon zu spät war. Erst aufgrund des Westfeldzugs Hitlers, durch den es dem Westen selbst an den Kragen ging und nicht länger „nur“ dem europäischen Osten, also Polen, erst dann hat man zugeschlagen"
    Zitat von Michael Wolffsohn
    auch heute wartet man mit Reaktionen viel zu lange
    das Bild oben mit der Queen spricht für mich Bände
    alle bemühen sich um sie
    Putin steht ein ganzes Stück abseits
    diese Filme sind zwar "gutes Kino" aber wohl doch sehr einseitig
    und manchmal schaut es aus wie ein Abenteuer
    das Grauen wird nicht thematisiert
    auch heute machen leider viele die Augen zu
    ich hoffe dass die Kreuzchen bei der Wahl an den richtigen Stellen gemacht werden
    nachdenkliche Grüße
    Rosi

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst! Es wäre schön, wenn ein Name am Ende des Kommentars stehen würde.

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