Barbara/barbarabee hat eine Reihe initiiert, in der sie immer donnerstags großartige Frauen in Wort und Bild vorstellen will. Da ich mich jahrelang mit diesem Thema befasst habe, habe ich mir vorgenommen, ab und an einen Post zu einer solch bemerkenswerten Frau beizusteuern .
Heute möchte ich eine sehr vielseitige Frau vorstellen, die die für mich beeindruckendsten Bilder des durch den Krieg zerstörten Kölns fotografiert hat, Bilder, die mich immer noch sehr zu bewegen vermögen: Lee Miller.
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Lee Miller, Lady Penrose, wird am 23. April 1907 als Elizabeth Miller in Poughkeepsie, New York, geboren. Das bezaubernde, blonde Mädchen wird Opfer eines innerfamiliären Missbrauchs und ist lange schon regelmäßig das Fotoobjekt ihres Vaters ( der sie auch mit der Fotografie vertraut macht ), bevor sie als Fotomodell entdeckt wird und Karriere macht.
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Sie hat schon eine erste Reise nach Paris hinter sich und ein Kunststudium aufgenommen, als sie von dem Verleger der amerikanischen Vogue, Condé Nast, vor einem Autounfall bewahrt wird. Der ist ganz beeindruckt von ihr, und bald erscheint ihr gezeichnetes Portrait auf dem Titelblatt der Vogue.
Namhaften Fotografen der Zeit steht sie Modell, bis es für sie - man glaubt es heute kaum - als Mädchen in einer Kampagne für Damenbinden unmöglich wird, weiterhin Mode zu präsentieren!
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Deshalb bricht Lee Miller 1929 nach Italien auf, mit der Absicht, dort weiter Kunst zu studieren. Doch ihrer Meinung nach ist schon alles gemalt, was gemalt werden musste, und sie besinnt sich einer Empfehlung des Fotografen Edward Steichen für seinen Kollegen Man Ray in Paris.
In Paris trifft sie den bekannten Surrealisten zuerst nicht an, macht ihm dann aber bei ihrer ersten Begegnung gleich klar, dass sie mit ihm arbeiten wolle. Drei Jahre dauert die Beziehung zwischen romantischer Liaison und produktiver künstlerischer Gemeinschaft. Miller entwickelt eine eigene surrealistische Ästhetik und mit Man Ray zusammen die Technik der Solarisation:
Portrait einer Frau ( Meret Oppenheim, 1930) Via |
1930 eröffnet Lee ein eigenes Fotoatelier und nimmt die von den Surrealisten propagierten Freiheiten in puncto Sexualität auch für sich als Frau in Anspruch. Darüberhinaus tritt sie in einem Film Jean Cocteaus, dem größten Gegenspieler Man Rays, als Statue auf:
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Man Ray reagiert mit einem Selbstmordversuch und mit Werken, in denen er den Körper Lees immer nur fragmentarisch abbildet ( wie bei diesem Werk ).
Lee kreiert zwar weiterhin in ihrem Studio surrealistische Werke, verdient aber ihren Lebensunterhalt mit Modefotografie für Patou oder Chanel. Bei diesen Gelegenheiten lernt sie eine reiche Ägypterin kennen, deren Mann - Aziz Elouit Bey - sich in Lee verliebt, sich von seiner Frau scheiden lässt und mit Man Ray Eifersuchtsszenen liefert. Lee rettet sich aus dieser komplizierten Situation 1932 nach New York.
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Dort - es ist die Zeit der Depression - nutzt sie ihre alten Kontakte, um mit ihrem Bruder als Assistenten ein neues Fotostudio aufzubauen. "Ich mache eher selbst ein Foto, als fotografiert zu werden", soll sie einmal gesagt haben.
Ihre Aufnahmen von Personen der New-Yorker- Kunstszene kommen gut an, doch Lee ist nicht immer zuverlässig genug und versucht, ihr unbekümmertes Leben aus Paris fortzusetzen. 1934 kommt es zu einer Wiederbegegnung mit Aziz, sie heiraten, lösen das Studio auf und reisen nach Kairo - ein Flop, wie Lee bald feststellen muss, denn das Leben als Angehörige der ägyptischen Oberschicht ist nicht ihr Fall und so flüchtet sie oft in die Wüste.
Ihre Aufnahmen von Personen der New-Yorker- Kunstszene kommen gut an, doch Lee ist nicht immer zuverlässig genug und versucht, ihr unbekümmertes Leben aus Paris fortzusetzen. 1934 kommt es zu einer Wiederbegegnung mit Aziz, sie heiraten, lösen das Studio auf und reisen nach Kairo - ein Flop, wie Lee bald feststellen muss, denn das Leben als Angehörige der ägyptischen Oberschicht ist nicht ihr Fall und so flüchtet sie oft in die Wüste.
Dabei entstehen viele Momentaufnahmen mit ihrer Rolleiflex. Doch ihre Sehnsucht nach Paris ist nicht zu stillen, so dass ihr Mann sie 1937 dorthin zurückschickt.
Schnell bekommt sie wieder Kontakt zu ihren alten Freunden und Auftraggebern und trifft bei einem Abendessen bei Max Ernst auf den englischen Surrealisten Roland Penrose, mit dem sie schnell eine Affäre beginnt und dem sie zu einem Sommeraufenthalt nach Cornwall folgt. Dort macht die Crème de la Crème der zeitgenössischen Malerei Urlaub, und sie folgt dem Trupp, als er sich nach Mougins aufmacht, wo Pablo Picasso damals lebt. Auch er hat Lee Miller mehrfach gemalt ( hier zu sehen ).
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1938 zieht Lee Miller - nach einer gemeinsamen Reise durch Griechenland und einem Aufenthalt bei ihrem Mann in Kairo - endgültig zu Penrose nach England. Ihr Ehemann hat erkannt, dass sein größtes Geschenk an sie ihre Freiheit ist.
1940 beginnt Lee wieder Modefotos für die englische Vogue zu produzieren wie das Foto oben, dokumentiert aber auch mit ihrer Kamera die Kriegszerstörungen durch die Deutschen. Bei diesen Fotos zeigt sich immer wieder ihr surrealistischer Blick:
Doch auf Dauer mag es die stets von rastloser Abenteuersucht geplagte Lee Miller nicht zufriedenzustellen, anspruchsvolle Fotos von London im Krieg anzufertigen. Auch die Sorgen um die Freunde in Paris unter deutscher Besatzung mögen dazu beigetragen haben, dass sie sich eine neue Aufgabe sucht. Die Möglichkeit bietet sich ihr, als sie 1942 den amerikanischen Life - Photojournalisten David E. Scherman kennenlernt, sich in ihn verliebt, mit ihm & Penrose zusammenlebt und es ihr gelingt, sich als Kriegsberichterstatterin der Vogue zu installieren. Nach einigen Auseinandersetzungen kann sie auch durchsetzen, die Texte zu ihren Fotoreportagen zu verfassen. Sie will den Krieg nicht als heroischen Kampf dargestellt sehen, sondern das Leid darstellen, welches er in jedem Fall hervorbringt.
Einen Monat nach Beginn der Invasion der Alliierten 1944 darf sie das erste Mal in die Normandie, und ihre Arbeit begeistert, so dass sie an einem Kommando zur Befreiung der französischen Stadt St. Malo teilnehmen darf. Lee wäre nicht Lee, wenn sie diesen Einsatz nicht im Sinne ihres Anliegens, den gewöhnlichen Menschen im Krieg zu zeigen, interpretieren würde, was ihr einen Hausarrest in Rennes beschert. Den nutzt sie, um ihren Bericht zu schreiben und schafft es dann doch noch rechtzeitig, zur Befreiung von Paris vor Ort zu sein. Ihr erster Weg führt zum großen Picasso in seinem Atelier in der Rue des Grands Augustin. " Wie wunderbar, der erste alliierte Soldat, und das bist du!", soll er gesagt haben:
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Die Vogue erkannte schnell den Wert der Befreiung der Modehauptstadt Paris, und Lee fotografiert in ihrem Auftrag ziemlich bald wieder Mode:
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In England kommt das weniger gut an - und die Vogue - Macher verhalten sich Lee gegenüber wenig loyal. Da macht die sich im November 1944 im Jeep auf zu der amerikanischen Division, die sie vor St. Malo begleitet hat, und die nun daran geht, Deutschland zu erobern. Ihre Stories über die Befreiung von den Nazis zeigt ihre Zuneigung zu denen, die unter ihnen gelitten haben, und ihren Hass auf die, die dieses Elend verursacht haben. Ihre Dokumentationen lassen diesen Hass immer wieder spürbar werden, und der wird noch stärker, als sie die ersten KZs und das Grauen dort erlebt hat. "Ich flehe sie an zu glauben, dass dies wahr ist", schreibt sie an die Herausgeberin der englischen Vogue. Doch nur die amerikanische Vogue traut sich, zwei der Fotos aus Buchenwald ganzseitig zu drucken.
Eines der bekanntesten Fotos von Lee Miller überhaupt, aufgenommen von David E. Scherman, zeigt sie beim Bad in der Badewanne in der ehemaligen Wohnung Hitlers in München:
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Beide ahnen zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht, dass das Ende ihrer Beziehung wie das Ende des Krieges bevorsteht: Dann benötigt die Vogue nämlich keine Kriegsberichterstatterin mehr!
Doch Lees Beziehung zu Roland Penrose in England ist auch nicht ohne Probleme wiederzubeleben. Sie reagiert wie üblich: Sie haut ab nach Paris, versinkt dort aber in tiefste Depression.
Ihr einziger Halt ist nach wie vor David E. Scherman. Mit ihm will sie deshalb in die USA zurück. Doch Scherman hat den Eindruck, dass die Verbindung zu Penrose längerfristig ist und lehnt das ab. Wieder packt Lee ihre Sachen, um sich nach Salzburg, Budapest, Rumänien aufzumachen. Von dort muss sie aber dann heimkehren, denn die Vogue sieht keinen Sinn mehr darin, ihre Reisen zu bezahlen: Die Zeitschrift setzt nun andere publizistischen Prioritäten.
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Krank und geschwächt kehrt sie auf Schermans Aufforderung heim. Die Versöhnung mit Roland Penrose erfolgt bald: 1947 heiraten sie, im gleichen Jahr kommt Sohn Antony zur Welt. 1949 kaufen sie das Anwesen in Sussex, dem Antony Penrose viele Jahre später mit seinem Buch "Das Haus des Surrealisten" ein Denkmal setzen wird:
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Voller Wärme erzählt der Sohn darin die Geschichte seiner Eltern und ihrer vielen prominenten Freunde, von der Kunst und der Natur um das Anwesen, von den Hausangestellten und Mitarbeitern, die es dem Sohn ermöglichen, Beständigkeit zu erleben und die dazu beitragen, dass er, trotz der inneren & äußeren Distanz seiner Mutter ihm gegenüber, zu einem empathischen Menschen heranwächst. Er schreibt, sie hätte nie eine normale Mutter - Sohn - Beziehung, doch später eine tiefe Freundschaft verbunden. Sie hätten sich gemocht und respektiert, aber er habe sie nie richtig gekannt und sie sei ihm immer ein Rätsel gewesen. So habe er auch erst nach ihrem Tod davon erfahren, dass sie Kriegsberichterstatterin gewesen war und von ihren furchtbaren Erlebnissen in Kindheit und Krieg.
In den Fünfziger Jahren kommt Lees Fotografenkarriere zum Erliegen. Sie kämpft mit ihren Traumata und dem Alkohol. Die letzten Jahre bis zu ihrem Tod verlegt sie ihr Studio in die Küche ihres Hauses in Sussex, wo sie beeindruckende Essen kochend und legendäre Feste veranstaltet - ihre surrealistische Ader kann sie dabei nicht verleugnen:
Am 27. Juli 1977 stirbt Lee Miller an Krebs.
Was ich an ihr bewundere, ist, wie sie es immer geschafft hat, nicht nur das schöne Objekt zu sein und sich ausschließlich mit den Augen anderer sehen zu lassen, sondern die Herrin ihres eigenen Lebens, und wie sie dabei beeindruckende Positionen bezogen hat, mögen sie einem gefallen oder nicht.
Über diese Frauen habe ich schon geschrieben:
Und diese findet ihr bei Barbara:
Tolle Vorstellung
AntwortenLöschenLiebste Grüße zu dir :-)
Eine wirklich beeindruckende Frau. Danke für deine Vorstellung!
AntwortenLöschenLG Janine
Wieder total spannend. Ich glaube, ich hole mir mal die Biographie und/oder einen Bildband von ihr
AntwortenLöschenLiebe Grüße und Danke für die Anregung!
Andrea
Danke für das interessante Portrait! Eine wirklich faszinierende Frau!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Renate D.
sie hat ein emanzipiertes leben verbracht ... in voraus für ihre Zeit
AntwortenLöschendanke für diese biographie !
Unglaublich, aber ich habe zuvor wirklich noch nie von ihr gehört, diese Frau ist so faszinierend. Jetzt will ich mehr über sie wissen, unbedingt. LG mila
AntwortenLöschenliebe astrid, mit dieser wunderbaren reportage über lee miller hast du dich wirklich selbst übertroffen! ich habe den bericht schon zweimal verschlungen und werde es sicher noch einmal tun. bisher kannte ich wenig von ihr, das wird sich aber ändern! so ein faszinierende frau!
AntwortenLöschenvielen dank und liebe grüße von mano
Liebe Astrid,
AntwortenLöschenich habe Deine Ausführungen über diese interessante Frau hingerissen gelesen. Danke!
Schönes Wochenende und herzliche Grüße,
Kebo
Ist ja schon eine Weile her! Aber immer noch ein bemerkenswerter Bericht.
AntwortenLöschenLieben Gruß
Andrea
welch eine bemerkenswerte und faszinierende Persönlichkeit,
AntwortenLöschenin dieser Zeit zu leben immer wieder eine Herausforderung auch nur - davon zu lesen..
herausragend - phantastisch - war sehr von diesem Bericht und ihrer Biographie eingefangen.....
mir war sie ein Begriff aber nicht ihr Leben in dieser Ausführlichkeit...
herzlich ein Danke dafür..angel
Liebe Astrid,
AntwortenLöschenso, jetzt habe ich mir deinen Beitrag durchgelesen und bin immer noch beeindruckt von Lee Miller. Was sie erreicht hat, als Frau und in den Kriegsjahren , ist schon erstaunlich. Darunter gelitten hat sicher ,wie so oft, die Beziehung zu ihrem Sohn. Erstaunlich, dass sie ihm zu ihren Lebzeiten nichts von ihren fotografischen Aktivitäten erzählt hat.
Wenn du die Gelegenheit hast, dir den Film über sie anzusehen, es lohnt sich. Manche Szenen sind allerdings sehr schlimm.
Danke für dieses Porträt,
liebe Grüße,
Claudia