Nach all dem Aristokratischen im letzten Frauenpost war mir nach einem ganz normalen Frauenleben, einem, wie ich es auch noch ansatzweise gekannt habe. Vom Dorf meiner Kindheit sind es nämlich knapp vier Stunden zu Fuß bis zu dem der heute Porträtierten, dass ebenfalls im Bauland liegt, einer Muschelkalkhochebene im geschmähten Badisch Sibirien. Roswitha/weggefaehrtin hat mich dankenswerterweise auf sie aufmerksam gemacht und mir ein Buch mit ihren gesammelten Werken geschenkt. Die Rede ist von Augusta Bender.
Oberschefflenz
Augusta Bender kommt am 20. März 1846 in Oberschefflenz, einem knapp Neunhundert -Seelen-Dorf im damaligen Großherzogtum Baden, 70 Kilometer östlich von Heidelberg, zur Welt. Sie ist das sechste Kind von Christine Spiegel, bei ihrer Geburt schon 39 Jahre alt wie ihr Ehemann Johann Jacob Bender, die in dieser klimatisch rauen Gegend eine Landwirtschaft betreiben. Das Haus in der heutigen Augusta-Bender-Str. 5, in dem sie geboren wird, ist von den Großeltern mütterlicherseits während der napoleonischen Kriege erbaut worden, und die Schuldenlast, die diese auf sich genommen haben, drücken auch noch Augustas Eltern.
Das Geburtshaus |
Das Mädchen ist ein sogenannter Nachkömmling, dessen Geschwister Martin, Ludwig Emmerich, Christina, August und Gustav Adolph zwischen sieben und achtzehn Jahren älter sind ( der Altersabstand zur einzigen Schwester beträgt 12 Jahre ).
Den Vater - ein Vogtssohn & Gemeinderat und damit etwas "Besseres" - erlebt es als herrisch und dem Alkohol zugewandt, der den Erbbauernhof der Mutter ruiniert. Augusta verklärt und entschuldigt ihn gleichzeitig, gerät aber bei seinen verbalen Attacken "in höchste Aufregung".
Die Mutter wiederum wird von ihr als ideale Mutter gesehen, die ihr in gewisser Weise Heimat ist und das Kind mit ihrem Gesang und ihren Geschichten ein Leben lang inspirieren und zu literarischer Produktion anregen wird. Die Mutter unterstützt Augusta auch in ihrem Bedürfnis nach literarischem Ausdruck, was sie in die Außenseiterrolle in der Volksschule des Dorfes bringt, die sie bis zu ihrer Konfirmation 1859 besucht.
Schon 1855 schreibt sie ihr erstes Gedicht, das in der "Mosbacher Zeitung" veröffentlicht wird, eine Tatsache, die sie in ihrer ungewöhnlichen Gabe bestärkt. Im Dorf gilt sie nun als Dichterin, was nicht besonders liebevoll & anerkennend gemeint ist. Nur in der Nachbartochter Schlossers Bertha hat sie eine Freundin: "Sie war meine liebste, wenn auch nicht treueste Jugendgespielin; denn an Sonn- und Feiertagen lief sie immer den reicheren und geputzteren Mädchen nach und überließ mich meiner Einsamkeit."
Augusta ist auch so ganz & gar kein typisches Landkind: Als sie einmal beim Schlachten dabei ist, traumatisiert sie dieses Erlebnis dermaßen, dass sie kein Fleisch mehr essen mag, auch wenn sie dazu mit Schlägen genötigt wird. Sie hat außerdem einen Waschzwang, durch den sie sich selbst von ihren Mitmenschen getrennt erlebt, die ihre "erdigen" Hände, obwohl Wasser zur Verfügung steht, einfach erdig sein lassen. Und das ältere Mädchen ekelt sich vor dem, was sie weiß und unter Liebe & Sexualität versteht.
"Mit großer Bedauernis habe ich aus deinem Brief die Überschätzung deiner Kräfte und geistige Verirrung gesehen. Schon viel zu viel hast du aus dem Gift unnützer und verderblicher Bücher und Schriften gesogen. Was aber dein Pfuschwerk von Gedichten betrifft, so kann ich dieses nur bedauern und schäme mich, eine solche Nichte zu haben. Es ist dir unverzeihlich, dass du deine einstige Bestimmung als brave fleißige Hausfrau so ganz außer Acht lässest. Ich rate dir daher ernstlich, ja kein Buch mehr anzurühren, sondern dich außer der Feldarbeit mit Kochen und dergleichen zu beschäftigen..."
1862 kann Augusta weitere Gedichte mit lokalem Bezug im "Odenwälder Boten" publizieren und sie versucht auch, ihre Gedichte in einer Mannheimer Tageszeitung unterzubringen, was aber fehlschlägt. Als ebensolcher Fehlschlag erweist sich der Kontakt zu einem Engländer dort, der sich um ihre Ausbildung kümmern will, was allerdings nicht passiert.
Im Jahr darauf entscheidet Augusta sich, in Mannheim Schauspielunterricht zu nehmen, muss diesen aber nach drei Monaten aus familiären Gründen abbrechen. Immerhin hat sie dadurch ein gute Haltung & dialektfreies Sprechen gelernt. Anschließend nimmt sie eine Ausbildung zur Weißnäherin im zehn Kilometer entfernten Adelsheim auf. Weil sie sich gehänselt fühlt, gibt sie auch diesen Versuch auf. Schließlich setzt sie ihr gesamtes Erbe, einen Acker im Wert von 300 Gulden, ein, um ein Jahr lang eine "Fortbildungsschule" im Nachbarstädtchen Mosbach zu besuchen.
Sie lernt beim Oberlehrer Strauß privat und wohnt im Rathausturm. Unter anderem lernt sie Französisch. Den versprochenen Klavierunterricht durch die Lehrertochter erhält sie aber nicht, denn die geht lieber auf Gesellschaften als zu unterrichten. Das wird Augusta später etliche Nachteile einbringen, denn in den "besseren Kreisen" erwartet man von einer Hauslehrerin unbedingt, dass sie das kann. Augusta entwickelt ein gewisses Misstrauen gegen ihre Geschlechtsgenossinnen aufgrund dieses Erlebnisses.
Ein Telegrafenamt |
Im Lehrerinnenberuf sieht sie ihre Berufung, doch sie hat die Rechnung ohne den Zeitgeist gemacht: Der sieht auch 1868, als sie die Ausbildung abgeschlossen hat, Frauen als Lehrerinnen in öffentlichen Schulen einfach noch nicht vor. Also muss sie privat Schülerinnen unterrichten.
Im April 1868 unternimmt sie ihre erste Auslandsreise, und zwar nach London, wo sie als Lehrerin und Gouvernante arbeiten will, man ihr aber in einem Internat nur Aufsichtsarbeiten zuweist. Die 22jährige, der Landessitten unkundig, eckt an und wird von den Schülerinnen reichlich aufgezogen. Als sie dann noch ein Heiratsantrag durch einen Theologiestudenten befürchtet & vorwegnimmt, verkauft sie ihre Zither und einen Ring, um im August regelrecht aus dem Land zu flüchten, zurück nach Heidelberg.
Von dort aus versucht sie vergeblich, an den privaten Töchterschulen in badischen Kleinstädten der Umgebung eine Anstellung zu bekommen - bleibt ihr also wieder nur der Privatunterricht übrig. Sie wohnt bei Emil Otto, einem einstigen evangelischen Pfarrer, der aufgrund seiner Beteiligung an der Revolution 1848/1849 sein Amt niederlegen musste und nun Lektor der neueren Sprachen an der Universität Heidelberg ist und sich dichterisch betätigt. Bei ihm entstehen erste Romanfragmente und Notizen für eine spätere Autobiographie.
Ab Oktober des Jahres 1868 begleitet Augusta eine US - Diplomatenfamilie nach Paris, Nizza und weiter nach Genua und Rom. Ihre Unterrichtspflicht umfasst eine Stunde pro Tag für deren Tochter, da bleibt für Augusta viel Zeit für "Welterfahrung" in schöner Landschaft.
1870 |
Das scheint sich in großer Kreativität niederzuschlagen: Sie schreibt in 14 Tagen zwei Novellen: "Rasche Entschlüsse" und eine später vernichtete Geschichte. Doch wegen familiärer Probleme -Teilung des elterlichen Vermögens, weil diese aufs "Altenteil" gehen und ihren Besitz dem Bruder August vermachen - kehrt sie im März 1869 allein nach Deutschland zurück.
Wieder kommt sie bei Emil Otto unter und übernimmt Schreibtätigkeiten für seinen Kollegen Professor Friedrich Wilhelm Nippold. Auch ohne Studium tun sich der jungen Frau nun universitäre Bildungswelten auf. Nippold lässt die Novelle aus Rom in der Zeitung veröffentlichen. Mit zwei weiteren haben sie weniger Glück. In diesem Milieu entwickelt sich auch eine Brieffreundschaft mit Rudolf Hildebrand, dem außerordentlichen Professor in Leipzig, Mitarbeiter am Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm und Herausgeber der Werke des jung verstorbenen österreichischen "Bauerndichters" Franz Michael Felder.
Mit dem Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870 verschlechtert sich die materielle Lage der Augusta Bender, denn viele Diplomatenfamilien, bei denen sie unterrichtet hat, verlassen Heidelberg und "ihr" Professor wird nach Bern berufen. Deshalb reist Augusta im Sommer 1870 zu ihrem Bruder Gustav Adolph nach Messkirch, um ihm den Haushalt zu führen und ihren schriftstellerischen Ambitionen weiter nachzugehen. Doch der Tod ihres Bruders im September zerstört diese Lebensperspektive vorzeitig. ( 1882 wird sie in Philadelphia eine fiktionale Erzählung zu diesem Geschehen unter dem Titel "Mein Bruder" verfassen. )
"Ich habe auf dem fremden Boden, weder physisch noch moralisch Wurzeln fassen können", schreibt sie zu dieser Erfahrung.
Gleichwohl bricht sie sich nach einer kurzen Phase der Vortragstätigkeit auf Frauenkongressen & - tagen in Stuttgart, Karlsruhe und Mannheim im Sommer des darauffolgenden Jahres wieder auf in die Neue Welt. Auf dem Frauenkongress in Stuttgart wird die "radikale Amerikanerin" gar von Louise Otto-Peters ( siehe auch dieser Post ) um Mäßigung gebeten, befürchten doch die Damen, sie werde über Politik reden. "Man muss in Stuttgart eben gar vorsichtig auftreten und wir können nur Erfolg haben, je bescheidener wir unsere Ansprüche stellen."
In New York legt Augusta ein amerikanisches Lehrerinnenexamen ab und unterrichtet anschließend vier Jahre lang in Philadelphia als Privatlehrerin. Aber immer wieder kränkelt sie und muss erfahren, dass ihre in Europa eingesandten Manuskripte nie gelesen worden sind, was wohl auch als ein Grund dafür angesehen werden darf, dass sie immer wieder die Atlantiküberquerung auf sich nimmt. ( "Immer mit schwerem Handgepäck beladen... meine Nerven sind dadurch nicht stärker geworden und noch weniger mein Magen... am Ende einer Seereise war sie immer geschwächter, als an ihrem Anfang gewesen." ) Wann sie letzten Endes wieder heimkehrt - dazu ist die Quellenlage unsicher: Es kann 1879, aber auch 1880 gewesen sein.
Da sind die finanziellen Verhältnisse der inzwischen 34 Jahre alten Augusta erstmals - und das einzige Mal - rosig. Sie kehrt mit ein paar tausend Mark nach Deutschland heim, löst eine amerikanische Lebensversicherung auf und erhält einen Vorschuss auf ein Romanprojekt. Das macht es ihr möglich, in Heidelberg eine Fremdsprachenschule für Erwachsene zu eröffnen. Doch mit dieser "Pension Internationale" scheitert sie schnell und eine weitere Reise über den Atlantik ist die Reaktion.
Sie hält wieder Vorträge und arbeitet journalistisch für die Frauenbewegung. Dabei vertritt sie die Ansicht "Die Frauenemanzipation hat es nicht allein mit gelehrten Frauen und Schöngeistern zu tun, sie ist ganz einfach eine Brotfrage" und kritisiert damit das Frauenbild der "Gartenlaube" und der Bestsellerautorin Eugenie Marlitt. Die "landläufige Phrase, dass Frauen nur Talent, aber kein Genie" hätten, lehnt sie in ihren Vorträgen vehement ab und konstatiert "denn alle Menschen - ob Frauen oder Männer - haben den natürlichen Beruf, ihre Fähigkeiten zu eigenem und fremdem Frommen bestmöglichst zu verwerten." In einem Korrespondentenbericht für die "Deutsche Post" hat sie schon früher einmal geschrieben:
"... ich habe mich oft darüber gewundert, wie man ganz ungebildete Jungen bloß wegen ihrer geschlechtlichen Privilegien zu Vorgesetzten von Frauen hat machen können, die nicht nur doppelt so viel gelernt, sondern auch doppelt und dreifach so lange Dienstzeit haben."
Da hat sich doch in 150 Jahren wenig geändert! Klar, dass Augusta da ein heftiger Gegenwind entgegen bläst! Ein weiteres Fazit:
"Wo immer der Mensch als Sache geschätzt wird, verliert er an seiner Menschenwürde, und alle Unterdrückten - ob Frauen oder Männer - sollten sich fortan nur unter Einer Fahne schaaren."In dieser Zeit in den Staaten erscheint das bereits erwähnte Buch "Mein Bruder" und 1887 in New York der Gedichtband "Haideblumen". Noch vorher ist in den "Westermanns Monatsheften" ihre Briefnovelle "Deutsche Liebe in Amerika" gedruckt worden, "worin alles außer dem hoffnungsvollen Schluß eigenes Erleben widerspiegelt" ( Ullrich Weber hier ), und "Die Frauenfrage in Deutschland" erschienen. In einem Artikel der "New Yorker Volkszeitung" zu diesem Buch schreibt sie:
"Die Kriege von 1866 und 1870 haben die Frauenfrage und Frauenschätzung wieder um Jahrzehnte zurückgebracht [..] Ein kriegerischer Staat braucht nur Frauen zum Kindergebären, [...] ihr individuelles Wohl und Wehe - fördert seine Interessen nicht und ist ihm also gleichgültig."
Nach eigenen Aussagen ist sie zwischenzeitlich zwei bis drei Mal nach Europa und wieder zurück gereist. 1890 ist sie so krank und schwächlich, dass sie sich eine Auszeit von einem halben Jahr im Auguste-Viktoria-Stift in Heddernheim bei Frankfurt am Main nehmen muss. Sie leidet an chronischer Schlaflosigkeit, hat permanent Magenprobleme und attestiert sich eine Neurasthenie, im Verständnis jener Tage ein Nervenleiden, heute als Burn-Out bezeichnet.
"Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist anzunehmen, daß das Schreiben für Augusta Bender die Basis ihrer Überlebensfähigkeit darstellte. Sie hatte zwar Bauernmädchengestalt, wäre aber längst untergegangen, wenn sie ihre inneren Konflikte und jene mit den Arbeitsbedingungen nicht seelisch aufgearbeitet hätte. Ihre Nahrungsverweigerung und die Gemütsdepressionen [... ] können als Reaktion auf die Widersprüche ihres Lebens verstanden werden: Sie hatte früh geschlechtsspezifische Rollenvorschriften verinnerlicht, deren Ziel die Bedürfnisunterdrückung war, jedoch weiterhin die Präsenz der Bedürfnisse gespürt", schreibt Georg Fischer im Nachwort dieses Buches.
Augusta gelingt es also ihre physischen wie psychischen Probleme erträglich zu halten, indem sie alles sprachlich-literarisch verarbeitet - eine lebenserhaltende Fähigkeit also, die ihr eine emanzipatorische Lebensgestaltung möglich macht. Mit der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart schließt sie einen Vertrag für ihren Roman "Die Reiterkäthe", der im Dreißigjährigen Krieg spielt und von einem Mädchen handelt, welches lieber unverheiratet bleibt trotz Zuneigung eines jungen Grafes & Fähnrich.
1891 kehrt sie nach Amerika zurück. Sie hat diesmal das Glück, in Northhampton/Massachusetts eine Schwangerschaftsvertretung am Smith College zu ergattern und als Literaturdozentin zu unterrichten. Parallel zum Erscheinen ihres Romans 1893 kommt sie aber wieder nach Deutschland, besucht diverse deutsche Städte und schreibt das Vorwort zu den "Oberschefflenzer Volksliedern". Über den Winter zieht sie sich dann wieder nach New York zurück, um nun mit Vorträgen über Richard Wagner Geld zu verdienen.
Eberbach am Neckar |
Trotz reger schriftstellerischer Aktivität bessert sich ihre Lage nur geringfügig. Unter den Publikationen jener Zeit ragt die Sammlung "Oberschefflenzer Volkslieder" hervor: Schon 1893 hat sie das Manuskript abgeschlossen, 443 vom Vergessen bedrohte Liedtexte schriftlich fixiert und erläutert und die Melodien von Josef Pommer, dem Leiter des Deutschen Volksgesangvereins zu Wien, nach ihren Angaben 1898 niederschreiben lassen. Dabei hat Augusta vor allem das Singverhalten der Frauen im Blick gehabt, denn ihres Erachtens sind die "auf dem Lande und andernwärts die Pflegerinnen und Bewahrerinnen des Ideellen". Dank großherzoglicher Subvention wird die Volksliedsammlung 1902 in Karlsruhe gedruckt.
Die ersten zehn Jahre des neuen Jahrhunderts werden die schriftstellerisch produktivsten im Leben der Augusta Bender. Ihre Lebensumstände sind dadurch gesichert, dass sie bis 1903 im Lehrerinnenwohnheim des Lehrerverbandes unter Unterstützung der badischen Großherzogin in Lichtental bei Baden - Baden wohnen kann und von der Staatskasse alimentiert wird. Sie bekommt Kontakt zu politisch einflussreichen Kreisen der Landeshauptstadt wie auch zur Großherzogin. Ihre wertkonservative Haltung tritt immer deutlicher zutage. Es erscheinen im Eigenverlag drei Bände "Die Hausfreundin" mit Novellen und Kochrezepten.
1906 |
Ab 1912 kann sie wieder kostenlos in Lichtental wohnen, diesmal im Margarethenheim der Krupp- Stiftung. Dort entstehen die beiden Bände "Auf der Schattenseite des Lebens", eine Autobiografie, in der sie ihre Kindheit und die erste Amerikafahrt schildert. Sie werden 1913 und 1914 publiziert und geben eine besondere Sicht auf die Erfahrungen der jungen Augusta Bender wieder. Für verschiedene Zeitungen verfasst sie Novellen.
Im Juni 1922 muss das Margarethenheim in Folge der Inflation schließen. Augusta zieht für ein halbes Jahr zu ihrer Nichte nach Siegburg und überlebt dann den Winter 1922/23 bei ihrem Großneffen in Mannheim. Zum Schluss zieht sie im Juni 1923 in das neu eröffnete Altersheim in der Kreisstadt Mosbach, wo sie am 16. September 1924 mit 78 Jahren stirbt. Begraben wird sie dort.
Augustas Leben ist für die damalige Zeit für eine Frau mehr als nur außergewöhnlich. Anders zu sein als die Frauen und Mädchen ihrer Umgebung, hat sie sicher viel Kraft gekostet, das kann ich als Landkind mit der Chance, auch in der Stadt aufzuwachsen und eine Alternative gehabt zu haben, gut nachvollziehen. Sich vor mehr als 150 Jahren dazu zu entschließen, das heimatliche Dorf zu verlassen und eigenständig, ohne Ehemann, für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen als berufstätige, schreibende Frau, dazu gehört schon eine große Portion Mut, mal abgesehen von den vielen Überseereisen, die ja auch in diesen globalisierten Zeiten nicht viele unternommen haben.Verbitterung und Enttäuschung an ihrem Lebensende in ihren konservativen Ansichten zu sehen fällt mir ebenso schwer wie eine Ruhelosigkeit oder eine Bindungsunfähigkeit in ihrem Wesen herauszulesen, wie es in manchen Veröffentlichungen über sie durchscheint. Vieles in ihrer Jugend ist mir aus den Erfahrungen in meiner bäuerlichen Ursprungsfamilie geläufig, in der familiärer Zusammenhalt auch bedeutet, individuelle Pläne aufzugeben, oder etwas abzubrechen, weil eben das Geld in Form von Äckern ausgegangen ist. Es heißt auch oft, sie starb verarmt. Aber ist materieller Reichtum ausschlaggebend für jemanden, der nach dem "höheren Dasein" strebt? Ihre "tief im Herzen sitzende Hoffnung auf endliches Gelingen" ist mir nicht wesensfremd.
Gut, dass ihre Heimatgemeinde das Außergewöhnliche in dieser Frau erkannt hat und ihr 2020 ein eigenes Museum in Oberschefflenz möglich gemacht, der Verein "Literatur-Museum Augusta Bender e.V." ihre Werke wieder neu aufgelegt und sie damit dem Vergessen entrissen hat. Dir, liebe Roswitha, an dieser Stelle endlich einmal ein Dankeschön für dieses inspirierende Geschenk!
Hallo Astrid,
AntwortenLöschenwas für eine Frau und was für ein Kampf im Leben. Vor 150 Jahren diesen Weg zu gehen, alle Achtung.
Das hätte ich nicht geschafft.
Mein Vater, auch in einem Dorf groß geworden, war der Ansicht, Mädchen brauchen nicht zu studieren und das war nicht vor 150, sondern vor fast 50 Jahren. Ich durfte nicht. Meine Noten und ich hätten es geschafft. Und ich habe nicht die Kraft oder den Mut gehabt, mich gegen meine Eltern zu stellen.
Deshalb finde ich solche Autobiographien und Vorstellungen starker Frauen immer sehr interessant.
Liebe Grüße und alles Gute für deinen Partner,
Claudia
Liebe Astrid, es freut mich sehr, dass Augusta Bender hier eine so großartige Würdigung erfährt, Danke. Ich finde ihre Lebenskraft bewunderswert, immer wieder stand sie auf, gegen alle Konventionen. Dir und Deinem Lebenspartner alles Gute und hoffentlich bald wieder erste Frühlingsspaziergänge im Tälchen. Herzlich Roswitha
AntwortenLöschenÜber was für eine Kraft, Motivation und Antrieb diese Frau verfügt haben muss. So viele Reisen über den Atlantik, so viele Widerstände, immer um die schiere finanzielle Existenz kämpfend. Danke, dass wir Augusta Bender kennenlernen durften.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
ANdrea
Ich komme auch vom Dorf und weiß um die nicht frauenfördernde Umstände da. Wieviel inneren Antrieb muss sie gehabt haben, um als Frau solch ein ganz anderes Leben zu führen? Sehr bewundernswert!
AntwortenLöschenIhre Schriften kenne ich nicht, aber dass sie sie schrieb, ist für mich sehr erstaunlich. Sie muss ein ganz außergewöhnliche Frau gewesen sein: Klug und wissend, was sie will. Dass sie immer wieder woanders wohnen musste, zeigt schon wie flexibel sie war oder sein musste. Wie gut, dass sie um ihr Leben schreiben konnte!
So schön, dass Du so aufmerksame Leserinnen hast und wir dadurch auch noch ganz andere unbekannte Frauen kennenlernen können. Danke!
Liebste Grüße, Sieglinde
Danke für das tolle Porträt dieser mutigen und bewundernswerten Frau. Sehr interessant.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Claudia
wieder eine bewunderswerte Frau die es auch ganz kleinen Verhältnissen geschafft hat
AntwortenLöschenich Leben war ein einziger Kampf um die Existenz
eine sehr mutige Person
danke für das Portrait
liebe Grüße
Rosi
Sie war mir völlig unbekannt. Das ist mal ein Leben. Der ständige Wechsel zwischen Europa und den USA ist für ihre Zeit wirklich außergewöhnlich.
AntwortenLöschenLG
Magdalena