Eigentlich fand ich, als ich zum ersten Mal von dieser Geschichte hörte, dass das ins Beuteschema der Regenbogenpresse passt und nichts für meinen Blog in dieser Freitagsrubrik ist. Aber je mehr ich erfuhr, umso mehr bildete sich die Überzeugung, dass es doch ganz sinnvoll sein könnte, so ein paar Zusammenhänge zu kennen und weiterzugeben.
Was ist passiert?
Jeff Bezos, Amazon - Chef, einer der reichsten Männer der Welt und Besitzer der "Washington Post", der größten Tageszeitung der amerikanischen Hauptstadt und neben der "New York Times" das andere Blatt, dass der derzeitige Präsident der USA als "Feind des Volkes" betrachtet ( Motto der Zeitung: "Democracy Dies in Darkness" ), wurde im Mai 2018 Opfer eines Hackerangriffes auf sein iPhone.
Im Januar 2019 veröffentlichte das Boulevard-Magazin "National Enquirer" Details aus dem Privatleben des Amazon-Gründers, indem es über eine Affäre des Unternehmers berichtete und die pikanten Text-Nachrichten an seine Freundin publik machte. Der "National Enquirer" gehörte zu diesem Zeitpunkt David Pecker, dem Mann, der seinerzeit dem damaligen Noch - Präsidenten - Kandidaten hilfreich zur Seite sprang und dem ehemaligen Playmate Karen McDougal, welches eine Affäre mit Herrn T. behauptet hatte, 150.000 US-Dollar für die Rechte an ihrer Geschichte gezahlt hat, um sie zum Schweigen bringen.
Bezos leitete daraufhin private Ermittlungen ein und machte außerdem in einem Blog- Eintrag im Februar öffentlich, dass und mit welchem Material er vom Verlag Peckers sonst noch erpresst werden sollte: "Wenn ich mich in meiner Position nicht gegen diese Erpressung erheben kann, wie viele Leute können es dann?", fragte er in diesem Post. Die Trennung von seiner langjährigen Ehefrau MacKenzie Bezos hatte er schon am 9. Januar 2019 bekannt gemacht.
Peckers Verlag wies weit von sich, mit der Veröffentlichung intimer Informationen auf Geheiß "externer Kräfte, politischer oder anderweitiger" gehandelt zu haben. Lange stand der Bruder der neuen Freundin Bezos im Verdacht, die privaten Daten weitergeleitet zu haben.
Pecker verfügt über gute Beziehungen zu Saudi - Arabien bzw. zum saudischen Kronprinzen, aber auch zu Jared Kushner, dem Schwiegersohn des US- Präsident, der im Auftrag des Weißen Hauses die Kontakte zum saudischen Kronprinzen hält. Inzwischen hat Peckers Verlag den "National Enquirer" verkauft.
So weit, so gut, das könnte in der Rubrik "Tratsch & Klatsch" abgelegt werden. Aber:
Wochen vor dem Hacker - Angriff im Mai 2018 hatte Jeff Bezos bei einem Abendessen in Hollywood Mohammed bin Salman, den saudischen Kronprinzen, kennengelernt, der damals seine Schleimspur durch wichtige Kreise in den Staaten gelegt hatte ( und um Investitionen in das Königreich zu sammeln ). Man tauschte Handynummern aus und schrieb sich über WhatsApp - schließlich gab es Möglichkeiten, gute "Deals" miteinander zu machen! Die harmlos anmutende Nachricht vom Mai 2018, die eine Videodatei enthielt, erweckte also keinen Argwohn bei Bezos. Eher schon, als wenig später große Mengen Daten von dem Gerät heruntergeladen wurden ( innerhalb weniger Stunden nach dem WhatsApp-Video stieg der Daten - Austritt auf 126 MB, sonstiger Durchschnitt 430 KB ).
Im gleichen Zeitraum sind übrigens die Smartphones von vier saudischen Dissidenten, die im Exil leben, ebenfalls gehackt worden.
Im gleichen Zeitraum sind übrigens die Smartphones von vier saudischen Dissidenten, die im Exil leben, ebenfalls gehackt worden.
Von links nach rechts: Jeff Bezos, Mohammed bin Salman, Jamal Kashoggi, der US-Präsident, David Pecker |
Das ist alles noch kein Grund, dass sich die Vereinten Nationen damit befassen, wie es jetzt die UN -Sonderberichterstatterin für außergerichtliche Hinrichtungen, Agnes Callamard, und der UN-Sonderberichterstatter für die Förderung und den Schutz der freien Meinungsäußerung, David Kaye, tun, sollte man jetzt meinen.
Dass sie es tun, haben die Beiden dahingehend begründet, dass sie von einer möglichen Beteiligung des Kronprinzen an der Überwachung von Bezos "im Bemühen, die Berichterstattung der Washington Post zu Saudi-Arabien zu beeinflussen, wenn nicht zum Schweigen zu bringen" ausgehen. Man sei sich ziemlich sicher über "die fortgesetzte, jahrelange, direkte und persönliche Verstrickung des Kronprinzen bei Angriffen auf seine Gegner".
Dass sie es tun, haben die Beiden dahingehend begründet, dass sie von einer möglichen Beteiligung des Kronprinzen an der Überwachung von Bezos "im Bemühen, die Berichterstattung der Washington Post zu Saudi-Arabien zu beeinflussen, wenn nicht zum Schweigen zu bringen" ausgehen. Man sei sich ziemlich sicher über "die fortgesetzte, jahrelange, direkte und persönliche Verstrickung des Kronprinzen bei Angriffen auf seine Gegner".
Agnes Callamard, vielleicht noch bekannt aus diesem Post, hatte seinerzeit den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul im Oktober 2018 untersucht. Und Khashoggi - man erinnere sich - hatte bis zu seinem Tod für die "Washington Post" geschrieben, und zwar eine Kolumne, die sich kritisch mit dem saudischen Königreich auseinandergesetzt hat. Sein letztes Statement in der Zeitung vor seiner Ermordung: "Was die arabische Welt am dringendsten braucht, ist Meinungsfreiheit."
Nach seinem Tod setzte auch die "Washington Post" sofort ein Team ein, um die näheren Umstände dieser Ermordung zu recherchieren. ( Als möglicher Auftraggeber für den Mord gilt bis heute der Kronprinz. Auch der US-Geheimdienst CIA hat Indizien dafür gefunden. ) Saudi - Arabien reagierte auf die Untersuchung der Zeitung mit einer monatelangen, weltweiten Twitter-Hetzkampagne gegen Jeff Bezos und die "Washington Post" ( "Wer immer sich mit Saudi-Arabien anlegt, der wird zerstört und verachtet werden, und Gott wird seine Existenz beenden." )
Jetzt wollen also die UN- Sonderberichterstatter neben der weiteren Untersuchung des Mordes auch die Rolle der "Überwachungsindustrie" bei der Weitergabe von Spionagesoftware aufklären, die eingesetzt werde, um Journalisten, Eigner von Medien und Menschenrechtler unter Druck zu setzen.
Dass ausgespähte Informationen von Mohammed bin Salman genutzt werden, legt auch eine andere Tatsache nahe: Noch im November 2018 und im Februar 2019 hat der Kronprinz Nachrichten an Jeff Bezos gesandt, die private Informationen enthielten, die nicht aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen konnten, also auf anderem Wege in seine Hände gelangt sein müssen. Ein Wink mit dem Zaunpfahl? Wir wissen was über dich, lass deine negative Berichterstattung über uns sein?!
Laut "FTI Consulting" in Washington, die seinerzeit von Bezos beauftragt worden waren, den Hackerangriff aufzudröseln, war das eine recht anspruchsvolle Aktion, zu der nur wenige private Firmen oder staatliche Stellen technisch in der Lage sind ( Schadsoftware soll ja immer unbemerkt auf die Geräte gelangen! Das glückt, wenn zuvor unbekannte Sicherheitslücken in Apps oder Betriebssystemen genutzt werden können. ) Ihre Analyse ist inzwischen hier nachzulesen. Die im Fall Bezos verwendete Software konnte unter anderem SMS mitlesen, Anrufe abfangen und Aufenthaltsorte verfolgen, so die IT-Forensiker, die sich auch nicht wundern, dass sie eine solche Software nicht fanden, da die in der Regel über einen Selbstzerstörungsmechanismus verfügt.
Besonders hat sich auf dem Gebiet der Spionagesoftware die israelische IT-Firma "NSO Group" hervorgetan: Sie hatte - so wird vermutet - auf dem Schwarzmarkt Informationen über eine Whatsapp-Sicherheitslücke aufgekauft, um sie für Spionagezwecke zu nutzen. Mit einem verdeckten Sprachanruf sollen Kunden der "NSO Group" unbemerkt eine Schadsoftware auf Smartphones installiert haben. Whatsapp ging deshalb vor Gericht, das ist bekannt, und von Facebook auch bestätigt, dass mit WhatsApp-Videos Spionagesoftware installiert werden kann. Amnesty International hat ebenfalls gegen die israelische Firma Klage wegen Internetkriminalität eingereicht.
Die israelische Regierung selbst hatte Geschäfte der "NSO Group" mit einigen arabischen Staaten erlaubt. Die Software dürfe, laut israelischer Regierung, allerdings nur zur Terror- und Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt werden, ist aber in Wirklichkeit als mächtiges Spionage-Werkzeug in Gebrauch. Zwischen der Firma und Saudi-Arabien habe es Verträge über eine solche Software im Gesamtwert von 55 Millionen US-Dollar gegeben, berichtete seinerzeit die israelische Tageszeitung "Haaretz", was die "NSO Group" damals bestritten hat.
Sogenannte Zero-Day-Malware, die die Sicherheit eines iPhones umgehen können, ist nicht gerade für jeden erschwinglich, aber in der genannten Kaufsumme dürfte eine solche durchaus drin gewesen sein. Saudische Dissidenten und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bestehen auf ihrer Aussage, dass die israelische Firma dem Königreich mit ihrer Software geholfen habe, Kritiker auszuspionieren. Das soll auch bei Jamal Kashoggi der Fall gewesen sein.
Sogenannte Zero-Day-Malware, die die Sicherheit eines iPhones umgehen können, ist nicht gerade für jeden erschwinglich, aber in der genannten Kaufsumme dürfte eine solche durchaus drin gewesen sein. Saudische Dissidenten und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bestehen auf ihrer Aussage, dass die israelische Firma dem Königreich mit ihrer Software geholfen habe, Kritiker auszuspionieren. Das soll auch bei Jamal Kashoggi der Fall gewesen sein.
Ob es sich bei Jeff Bezos um die Spyware "Pegasus3" der "NSO Group" gehandelt hat, die sowohl von Saudi - Arabien wie von den Vereinigten Arabischen Emiraten gegen Regimekritiker eingesetzt wird, oder "Galileo" von "Hacking Team"- da mögen sich die Forensiker von "FTI Consulting"nicht festlegen, weil sie das Root-Dateisystem des iPhones von Bezos nicht analysieren konnten.
Die saudischen Kontakte zur "NSO Group" liefen über Saud al-Qahtani. Und der war, bis er im Zusammenhang der Ermordung Khashoggis öffentlich untragbar wurde, einer der engsten Berater Mohammed bin Salmans und nach Erkenntnissen des türkischen Geheimdienstes an dem Mord beteiligt. Von Al-Qahtani war bekannt, dass er im Auftrag des saudischen Regimes anstößige Hacking-Tools beschaffte, darunter Tools des italienischen Unternehmens "Hacking Team". Er war u.a. auch für die systematische Überwachung saudischer Regierungskritiker verantwortlich. Er wurde nach dem Kashoggi - Mord zwar entlassen, aber nie in Haft genommen.
Empfohlen hat den Saudis die Software der Israelis übrigens Jared Kushner, so ein in Oslo unter Polizeischutz lebender saudischer Dissident, der von der CIA schon vor einer Ermordung gewarnt worden ist...
Saudi-Arabien hat vor der Stellungnahme der UN - Vertreter schon einen entsprechenden Medienbericht zurückgewiesen. Die Vorwürfe seien absurd, twitterte die saudische Botschaft in den USA. Das Schema kennen wir ja, das hat nicht nur der Intimfeind der Saudis drauf...
Empfohlen hat den Saudis die Software der Israelis übrigens Jared Kushner, so ein in Oslo unter Polizeischutz lebender saudischer Dissident, der von der CIA schon vor einer Ermordung gewarnt worden ist...
Saudi-Arabien hat vor der Stellungnahme der UN - Vertreter schon einen entsprechenden Medienbericht zurückgewiesen. Die Vorwürfe seien absurd, twitterte die saudische Botschaft in den USA. Das Schema kennen wir ja, das hat nicht nur der Intimfeind der Saudis drauf...
( Wer das alles noch mal in einem zeitlichen Ablaufplan lesen will, der sei auf diesen SPIEGEL - Beitrag verwiesen. )
Was die Sache Raif Badawi anbelangt, macht mir die ganze Angelegenheit deutlich, dass wir es bei dem saudischen Regime, insbesondere bei Mohammed bin Salman, mit einem Gegner zu tun haben, dem all unsere moralischen Prinzipien völlig wurscht sind, gilt ihm doch nicht nur die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte nichts, sondern auch von der eigenen Religion lässt er sich nichts vorschreiben, hält er die Gepflogenheiten im Umgang mit Freunden und Geschäftspartnern bzw. abgeschlossene Verträge für seine Person nicht bindend und für selbstverständlich, dass er sich für Geld alles kaufen kann. Und wer ihm in die Quere bekommt, der kann sich seiner Rache sicher sein. Von so jemandem kann man NICHTS erwarten, schon gar nicht Barmherzigkeit. Hoffnung, fahre dahin!
Wo nehmen all die Menschen die Kraft her, die immer noch die Mahnwachen organisieren? Zum Beispiel am nächsten Freitag um 10.00 Uhr vor dem König-Abdullah-Zentrum in Wien mit anschließender Demo vor der saudische Botschaft, von 13-14 Uhr in London, von 14-15 Uhr vor der Berliner Botschaft des Königreichs in der Tiergartenstraße 33-34 und zeitversetzt weitere Mahnwachen in Ottawa und gegebenenfalls in Oslo.
Die Menschen, die Mahnwachen machen und einen so langen Atem haben, sind wirklich zu bewundern. Und Du auch, dass Du solch verwirrende politische Geschichten aus tausend und einer Nacht aufdröselst und uns hier vorstellst. Auch bei Scheherazade ging's ja um's Leben. Und die unverstellte Macht von Männern.
AntwortenLöschenWenig Fortschritt muss ich sagen.
GlG Sieglinde
Liebe Astrid,
AntwortenLöschenauch du wirst nicht müde uns immer wieder zu informieren, danke dir dafür...so manche Zusammenhänge wüsste ich ansonsten gar nicht. Man bleibt angesichts dieser fassungslos.
Lieben Gruß von Marita
Liebe Astrid,
AntwortenLöschengroßartig, dass Du das so ausführlich darlegst. Den meisten sind diese Zusammenhänge völlig unbekannt. Es braucht unbedingt viele Menschen, die wenigstens kritisch hinsehen und sich informieren. Danke und ein schönes Wochenende.
Magdalena
Dazu passt folgende Meldung, die ich gerade im Autoradio hörte:
AntwortenLöschenBundespolizei nimmt Ausbildung in Saudi-Arabien wieder auf
Nach der Ermordung des Journalisten Kashoggi hatte die Bundesregierung die Polizeikooperation mit Saudi-Arabien ausgesetzt. Die Bundesregierung fährt beim Umgang mit Saudi-Arabien seit Jahren eine Doppelstrategie. Zwar kritisiert Berlin den Wüstenstaat immer wieder wegen der prekären Menschenrechtslage oder für die Beibehaltung der Todesstrafe.
Zugleich gilt Riad gerade für die Sicherheitsbehörden als wichtiger Kooperationspartner im Kampf gegen den Terrorismus, auch die Bundesregierung will die strategische Partnerschaft mit Saudi-Arabien nicht vollständig aufgeben
Was haben wir doch für furchtbare Opportunisten in der Regierung.
Und da fragen sich die Politiker, warum sie nicht mehr für voll genommen werden?
Anstand und Werte gelten anscheinend nicht mehr.
Danke für das Aufdröseln der Zusammenhänge, ich hatte zwar von dem Bezos Hackerangriff gehört, aber die Einzelheiten waren mir so nicht klar.
Liebe Grüße aus dem grauen Münsterland - Brigitte
Danke für deine zahlreichen Informationen und Hintergründe (wohl eher Abgründe). Irgendwie fehlen einem die Worte...
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Andrea
Liebe Astrid,
AntwortenLöschenDanke das Du das Thema nicht in die Rubrik "Regenbogenpresse" geschoben hast.
Das Thema war mir zwar bekannt, aber manches ist mir doch nicht so klar gewesen.
Liebe Grüße
Bettina
ja.. ich habe von der Geschichte gelesen..
AntwortenLöschendiese Herrschaften haben eine enorme kriminelle Energie
und überhaupt kein Gewissen
Hoffnung dass sich da etwas ändert habe ich auch nicht
liebe Grüße
Rosi