Samstag, 9. November 2019

Meine 45. Kalenderwoche 2019

Ach ja, das Abschiednehmen!  Am vergangenen Sonntagmittag war es dann wieder so weit... Das Wetter an den nächsten Tagen vermochte an der Stimmung auch nichts zu ändern und ich habe mich in fremde Leben verkrochen ( das heißt, ich habe einen Great-Women-Post zu Ende geschrieben und zwei weitere neue verfasst ).

Aber irgendwann muss man doch mal an die Luft. Und weil die Temperaturen mild waren ( 13°C am Dienstag )...


... habe ich den Herrn K. zur Physiotherapie begleitet und mich trotz Fisselregen im Park herumgetrieben.

Das sahen relativ viele Leute mit Kindern und Hunden ( und junge Liebespaare auf den Bänken ) auch so.

Grautöne habe ich auch versucht zu finden für Andreas Monatsthema - der Himmel passt, aber die Natur ist noch verdammt grün. Kein Wunder, denn a) hat es in den letzten Wochen genug geregnet und b) ist der diesjährige Oktober der wärmste seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen. Da reagiert die Natur auch anders.

Baumfreunde habe ich aufgesucht wie die Pyramidenpappel...

... oder die Rot - Eiche.

Wie die Farbtöne zu Hause denen draußen gleichen!

Zum Glück hatte ich die Gelegenheit genutzt: Der Mittwoch war dann absolut trostlos!

Deshalb haben wir am Donnerstagnachmittag flugs die Schuhe & Jacken angezogen, als es zu regnen aufhörte und am Himmel blaue Flecken zu sehen waren.

Ich wollte doch mal schauen, ob die Birken meines diesjährigen 12tel Blicks nun schon gelb sind:

 Anderes Laub war beeindruckender:


Wie schnell es jetzt wieder dunkel wird!


Während ich an den verregneten Tagen so vor mich hingeputzt & aufgeräumt habe, ging mir immer wieder ein Beitrag von Per Leo ( "Mit Rechten reden" ) durch den Kopf, den ich in der "ZEIT" gelesen hatte. 

Darin zitierte der eine Erwiderung/Ergänzung von Karl Marx auf eine Aussage Hegels, dass sich Geschichte immer zweimal ereigne. "Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als große Tragödie, das andere Mal als lumpige Farce", so Marx.
"Wir leihen uns Namen, Schlachtparolen und Kostüme der 1930er-Jahre, um die Kämpfe unserer Gegenwart in die Kulissen der Weimarer Republik und damit vor den Horizont des Nationalsozialismus zu stellen", beschreibt Leo das, was wir momentan praktizieren. 
Wenn ich mir so die Entwicklung in den (sozialen) Medien anschaue, komme ich auch zu diesem Schluss ( dabei verfalle ich als gelernte Historikerin auch immer wieder in diese Verhaltensweise, auch hier im Blog ).

Aber indem wir das alte Drama nachspielen, verpassen wir, uns den heutigen Kämpfen zu stellen. Und die ziehen einfach ganz andere Anforderungen nach sich, als es in der Weimarer Republik nötig war. Es reicht auch nicht, "Haltung zu zeigen", die Rechten auszugrenzen und als Personen zu ächten, wie das von Politik bis Showbiz, von Facebook über Twitter bis in die Diskussionsforen einschlägiger Zeitungen üblich geworden ist. Der Gegner verschwindet nicht, auch wenn man ihn so des Feldes verweist. Das müsste uns nun klar sein, nachdem die Blaunen in allen Parlamenten sitzen.

Es bleibt nur die Auseinandersetzung, der Kampf. Und da heißt es, strategisch sein: "Du musst deinen Gegner besser kennen als er dich. Oder anders formuliert: Je weniger der Gegner dich durchschaut, desto größer ist dein Spielraum", so Per Leo. Doch was sehen die Blaunen? "... die Namen, Schlachtparolen und Kostüme eines Antifaschismus, der mit den Gespenstern von 1932 ringt."

Eins zu Null für den Gegner! Die haben nämlich längst kapiert, was sie an Verkleidungen, Parolen und Vorbildern brauchen, um nicht als Gegner des Liberalismus wahrgenommen zu werden, die sie sind, sondern als die einzig wahren Gegner des Nazitums. Und so klauen sie unsere Helden des bürgerlich-konservativen Widerstands wie Graf Stauffenberg und Sophie Scholl oder Gustav Stresemann und die Wende von 1989. 

Hier in Köln haben sie sich geschickt auch noch eine karnevalistische Variante einverleibt: den nachweislichen Nazigegner Karl Küpper, der sich damals als einer der wenigen gegen rechts positioniert hat und jetzt für einen Preis der Blaunen für die beste politische Rede im Karneval herhalten soll. "Und gerade diese Leute, die jetzt im Ruf stehen, die Nachfolgepartei zu werden, wollen ihn aufs Schild heben, um damit in gewisser Weise von ihren eigenen Zielen abzulenken", durchschaut Küppers Sohn Gerhard das Manöver. 

Ein vielleicht nachvollziehbareres Beispiel gefällig? Kürzlich nahm eine Leipziger Bio-Supermarktkette einen Hirsebrei aus dem Sortiment, weil der Lieferant ein AfD-Funktionär ist. "Kauft nicht bei AfD-Leuten? Ich meine, was kommt als Nächstes?", empörte sich daraufhin M*euthen. "Das ist doch faschistoid!" Die Parole unter den Nazis, auf die er da anspielt, dürfte ja allen bekannt sein. Und schon steht man mit offenem Mund da und fühlt sich ertappt...

Meinungsfreiheit - auch so ein Schlagwort, bei dem der Spieß immer wieder umgedreht wird: Die Blaunen erobern Terrain für die eigene Sache, indem sie sich gegen unsere Kritik verwahren ( "Denkverbote!" ) und zugleich den Raum nach rechts öffnen ( "Das wird man doch noch sagen dürfen!"). Und die Journaille fällt immer wieder darauf herein: "Wer Narrative wiederholt, stärkt den Spin. (...) Und je nachdem welche Narrative ihr wiederholt oder wie ihr Themen präsentiert, stärkt ihr den Spin der "Maulkorb-Demokratie" und "Wohlfühl-Diktatur", wirf Rezo denen - zu Recht - hier vor.

Abschließend noch ein Exkurs ins östliche Ausland: "Wir sind die wahren Europäer", behaupten Orbán und Kaczyński immer wieder, und wenn der Westen sich retten will, müsse er sie nachahmen. Orbán im Juli 2017: "Vor 27 Jahren haben wir hier in Mitteleuropa geglaubt, dass Europa unsere Zukunft ist. Heute empfinden wir es so, dass wir die Zukunft Europas sind."

Sophistische Methoden, das haben die Blaunen und ihre Gesinnungsgenossen drauf, bis zum Steinerweichen. Und wir, die wir ihre Ansichten - oder noch mehr: ihre Ziele - nicht teilen, sind ständig damit beschäftigt, ihnen ihre Masken vom Gesicht zu zerren. Und was zeigen sie da? 
"Hinter der Maske des Faschisten erscheint die Maske des Demokraten, hinter der Maske des Rebellen die des Bürgers, hinter der Maske Mussolinis die Stauffenbergs, hinter der Maske des Täters die des Opfers, hinter der Maske des nationalen Sozialisten die des libertären Freigeistes, hinter der Maske des Antisemiten die des antiislamischen Israelfreundes, hinter der Maske des Islamfeindes die des Feministen, hinter der Maske des Rassisten die des Völkerpluralisten, hinter der Maske des Menschenfeindes die des Christen. Ich bin der wahre Demokrat, ruft dieser Gegner seinem Anhang zu." ( Per Leo )
Und wir, wir sind dann die Bösen, die Undemokratischen, die Autoritären, die falschen Christen, die die wahren Demokraten in ihren Rechten einschränken. Oder, wie es auf der Frankfurter Buchmesse 2017 passiert ist, gegen die auf "Nazis raus!" ein ebensolches von der Gegenseite gebrüllt wurde. Inzwischen gelingt es den Blaunen doch auch zu suggerieren, dass sie ihren Kampf gegen unsere Verfassung im Namen des Grundgesetzes führen.

Wir müssen schlauer sein, uns auf unsere Stärken besinnen und uns klar machen, dass Rechte den Kampf um des Kampfes willen praktizieren. Wir können uns auf den Kampf einlassen und zu dem werden, was uns die Rechten immer unterstellen. Wir haben aber auch die Wahl, es sein zu lassen und uns den Aufgaben und Problemen zuzuwenden, die dringend gelöst werden müssten. "Probleme lösen kann aber nur, wer die Macht nicht um ihrer selbst willen sucht, sondern um etwas zu verwirklichen." Etwas tun, statt in Posen zu erstarren, zum Beispiel der des Warners oder Verächters, attraktive Alternativen zur abstoßenden Alternative für Deutschland anbieten, für die eigene Sache werben, zeigen, das man mit Herz und Verstand dabei ist. Die meisten wollen in Deutschland nicht in der Vergangenheit leben, sondern in einer besseren Zukunft. Also jenen die Bühne nicht überlassen ( auf nichts sind sie schärfer! ), sondern für unsere Zwecke nutzen!

Auf die eigene Stärke vertrauen!  Und stärker wird man, wenn man den Gegner ernst nimmt, auch in seiner Dummheit. Auf dumme oder provokante Äußerungen verächtlich oder empört zu reagieren, statt das Gesagte zu hinterfragen, hilft nicht, um aus einem solchen Gegner herauszukitzeln, dass er der Geist ist, der stets verneint. Wir können ihn tolerieren - und damit ist das Wort in seiner Bedeutung "dulden" gemeint, denn Demokratie ist auf Diskurs und Kompromiss gebaut -, die Macht müssen wir ihm aber verweigern ( das nur mal in Richtung Thüringen )!



"Wenn die Leute sich nicht artikulieren können,
dann werden sie Häuser anzünden.
Und wenn man ihnen nicht 
eine demokratische Lösung anbieten kann, eine linke Lösung,
dann werden sie sich nach rechts wenden,
werden wieder dem Faschismus folgen...."
Stefan Heym, Neue deutsche Literatur, Heft 12, 1992

Ich möchte diesen Post nicht in die Weiten des Netzes jagen, ohne auf dass heutige Datum einzugehen und auf die Geschehnisse in unserem Land vor dreißig Jahren. Und da werfe ich dieses Zitat in die Runde, das sich nun nach Jahrzehnten bewahrheitet, als knappen Beitrag zu den vielen Reden & Analysen, die derzeit wieder die Medien fluten.

Und ansonsten mache ich das Erinnern in der Form mit, die mir immer am Herzen liegt, indem ich nämlich auf die Lebensgeschichten großer Frauen verweise, die in der ehemaligen DDR gelebt haben. Vielleicht bietet der morgige Novembersonntag Gelegenheit, eines der Great - Women - Porträts von Ruth Hildebrandt, Helga KönigsdorfLona Rietschel , Zenzl Mühsam, Marianne BrandtElisabeth Hauptmann oder Anna Seghers  zu lesen?

In diesem Sinne ein ertragreiches, da nachdenkliches Wochenende!


Verlinkt mit der Gartenwonne und Andrea Karminrots Samstagsplausch

8 Kommentare:

  1. Hallo Astrid,
    ja es wird jetzt sehr schnell dunkel. Ich liebe deine Great Women Posts die sind echt informativ. Ich lese mich da immer wieder mal durch.
    LG
    Ursula

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  2. Dialog ist das Wichtigste. Nicht der hat recht, der am lautesten brüllt, sondern der mit den soliden Argumenten. Nicht der Machthungrige hat recht, sondern derjenige, der sich fürs Wohl der Menschen einsetzt. Darüber, was das Wohl ist, soll man reden. Gerechtigkeit und Friede, dafür setze ich mich ein. LG von Regula

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  3. Das sind wieder starke Worte die Du da schreibst liebe Astrid. Ich hoffe, dass wir stärker sind und nicht auf die Masken hereinfallen!!

    Liebe Grüße
    Kerstin

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  4. von Helga:

    Liebe Astrid,

    schöne Fotos hast Du zusammengetragen, das ist Herbst pur.
    Die andere Geschichte ist jetzt unsere Geschichte. Diejenigen die die andere Geschichte nicht miterlebt haben, können das nicht nachvollziehen. Erst wenn man dann selbst involviert ist, gehen die Lichter an, meist zu spät. So war es da auch. Den Menschen von heute geht es nur um Freizeit und Events an allen Orten. So ein kleines Beispiel sind die Kirchweihen, Rummelplätze, Volksfeste und Freudenparks wie Disneyland oder Rust. In meiner Kindheit gab es das Volksfest, ein Zuckerspazierstöckchen und einen Luftballon, einmal Kettenkarussell oder Riesenrad, oder oder.. nicht auch noch und das noch, und jenes noch. Ein Windrädchen durfte es auch gerne sein und eine Zuckerwatte. Schaust du heute hin ist es nie genug...noch und noch. Geld ist da, Auto auch, Parkplatz mit der Karte schon bezahlt.
    Keinerlei Gedanken daran, daß die mit der Maske anderes im Sinn haben.
    "Hallo wach" kommt erst wenn es zu spät ist. Die meisten Aussagen beziehen sich: uns gehts doch gut und das Kleingeld stimmt auch.
    Ende der Vorstellung, es ist bereits Fünf vor 12, die hinter der Mauer lebten, meinen immer noch sie kommen zu kurz. Fataler Fehler, ein Schritt vorwärts, zwei zurück, die wollen es nicht glauben unsere Volksparteien stehen schon am Abgrund.
    Traurige Grüße von der Helga, die heute sich mit der Great Women Regina Hildebrand beschäftigt hat. Außerdem bewundere ich Deine Intelligenz, kann ich ein Krümel abhaben? 😊

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  5. Optisch hast du den Herbst so wunderbar eingefangen und geschrieben die Stimmung in Deutschland.
    Immer freue ich mich, wie du in deinem Sonntagspost beides verbindest, optisch deine Woche und im Anschluß die politische Woche.
    LG, Monika

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  6. Uff, Astrid. Ein fantastischer Text, auf dessen Schwere ich zwar gerade nicht vorbereitet war, aber den ich höhst interessiert gelesen habe.
    Ich teile vieles und beobachte, dass sich schon viele Jahre lang die Menschen es gemütlich machen. Dafür braucht man nicht einmal weit schauen, da reicht durchaus der Blick in die Gemeinde oder bei der Arbeit. Wieviele sind heute wirklich aktiv, allein in Vereinsarbeit.
    Wieviele Arbeitnehmer organisieren sich wirklich und können es dann nicht fassen, wie Arbeitgeber in der Politik ihre Interessen durchsetzen.
    Das mag nun vielleicht nicht hundertprozentig deinen Beitrag treffen, aber sehr wohl deine Aussage stützen: "Es reicht auch nicht, "Haltung zu zeigen""
    Tolle Worte.

    Hab noch einen entspannten Sonntag.
    LG Naddel

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  7. Trotz Novemberstimmung wunderbare Baumbilder, das ist doch was. Was das besondere Datum betrifft, kämpfe ich gerade mit mir, ob ich hier mal zu den Absurditäten der Geschichte und der aktuellen Lage schreibe. Diejenigen, die bei mir lesen, sind eh ähnlicher Meinung und die anderen...?????
    Hab eine gute Woche!
    Magdalena

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  8. Schön deine Bilder, trotz Novemberstimmung. Ich habe heute früh bemerkt, dass der schöne, knallrote Zierahorn seine Blätter abgeworfen hat. Das ist so schade. Bald wird der Blick vom Schreibtisch karg und grau sein. Jedes Jahr schade, denn im Gegensatz zu manch anderen, mag ich karge Bäume nicht so sehr.
    Liebe Grüße
    Jutta

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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