Donnerstag, 8. November 2018

Great Women # 160: Martha Gellhorn

"No job for a woman" mussten sich im vergangenen Jahrhundert immer wieder junge Journalistinnen anhören, die wie ihre männlichen Kollegen von vorderster Front der kriegerischen Auseinandersetzungen auf dieser Erde berichten wollten. Zwei von ihnen, Lee Miller und Thea Rosenbaum, habe ich Rahmen dieser Reihe schon vorgestellt. Heute geht es um eine dritte Kriegsreporterin, Martha Gellhorn, deren Bedeutung jahrzehntelang hinter dem Fakt, Ehefrau eines bedeutenden Schriftstellers gewesen zu sein, versteckt worden ist - ein Sachverhalt der mir immer mehr aufstößt, je mehr ich mich auf die Suche nach der Leistung von Frauen für die menschliche Zivilisation mache. Inzwischen macht mich das immer ärgerlicher, dass Frauen immer wieder ein Schattendasein zugemutet wird und ihr Beitrag ausgeblendet...

"Why should I be a footnote to someone else’s life?"
Martha Gellhorn



Martha Ellis Gellhorn wird am 8. November 1908  - also heute vor 110 Jahren - in eine gebildete und wohlhabende Familie in St. Louis ( Missouri ) hineingeboren. Ihre Mutter Edna Fischel Gellhorn ist eine prominente Suffragette mit jüdisch - protestantischem Hintergrund, ihr Vater George, ein deutscher Halbjude, der vor den Antisemiten aus Breslau geflüchtet ist, der angesehenste Gynäkologe der Stadt. 

Die Eltern teilen ihre liberalen Ideen in puncto Politik, Elternschaft, Sexualität und Bildung und sind Mitbegründer einer Koedukationsschule, der John Burroughs School, die auch ihre Tochter später besuchen wird. Martha hat bereits zwei ältere Brüder - George (1904) und Walter (1906) - und wird im Alter von fünf Jahren noch einen weiteren Bruder, Alfred, bekommen.

"The Golden Lane" (1916)
Die Mutter ist eine unermüdliche Fürsprecherin für das Frauenwahlrecht - später wird sie Präsidentin der "St. Louis Equal Suffrage League" -  und für den Kinderschutz und setzt sich für Entrechtete und für freie Gesundheitsfürsorge in entsprechenden Kliniken ein. 

Edna Fischel Gellhorn bezieht die Tochter auch in ihre Aktivitäten ein: So ist es Martha, die mit einem weiteren Mädchen als einzige Kinder an "The Golden Lane" 1916 in St. Louis teilnehmen, als die Frauenbewegung aus Anlass eines Konvents der Demokraten, bei dem die Partei Woodrow Wilson für eine zweite Amtszeit als Präsident nominiert hat, beide Seiten der Straße zum Kolosseum flankiert, indem Tausende von Frauen in Weiß mit gelben Sonnenschirmen und goldenen Schärpen für das Stimmrecht für Frauen demonstrieren ( auch als "Walkless-Talkless Parade" bekannt ). Der mütterliche Humanismus und Aktivismus scheint auch in Marthas DNA verankert zu sein, wie wir später sehen. Von ihrer Mutter wird sie sagen, sie sei die größte Liebe ihres Lebens gewesen...

Bereits als Schülerin beginnt Martha zu schreiben und gründet an ihrer Schule die "John Burroughs Review". Doch erst einmal tritt sie nach ihrem Abschluss 1926 in die Fußstapfen der Mutter und besucht wie diese das "Bryn Mawr College", die dort 1900 Präsidentin ihres Jahrgangs gewesen ist. Doch sie ist keine begeisterte Studentin, deshalb schreibt sie Zeitungen im ganzen Land an und fragt nach nach einer Stelle. Im Jahr darauf verlässt sie die Hochschule ohne Abschluss und geht für die "New Republic" nach New York und arbeitete in Albany als Reporterin für die "Times Union", da ist sie gerade einundzwanzig.

1930 geht Martha ausgestattet mit ihrer Schreibmaschine und 75 Dollar in der Tasche, aber vor allem mit der ihr eigenen Entschlossenheit, Auslandskorrespondentin zu werden, nach Paris, wie es ihre literarischen Helden Hemingway und Fitzgerald getan haben. Sie nimmt das billigste Hotelzimmer, das sie finden kann ( später  bekommt sie heraus, dass es ein Bordell ist ), und bekommt, nachdem die "New York Times" sie abgelehnt hat, schließlich einen Job beim "United Press News Service". Dort wird sie wieder entlassen, nachdem sie sich bei ihrem Chef beschwert hat, dass ein Kollege sie belästigt hat. 

In Paris lernt sie Bertrand de Jouvenal, einen erfolgreichen französischen Intellektuellen und Journalisten kennen, berühmt dafür, dass er in seiner Jugend von der viel älteren Schriftstellerin Colette ( siehe dieser Post ) verführt worden ist, und verliebt sich in ihn. Der ist aber verheiratet und nicht bereit, für Martha seine Familie zu verlassen. Schwanger kehrt sie in die USA zurück. Die Abtreibung bezahlt sie mit einem Honorar, das sie von der "Vogue" für ihre Modepublikationen bekommen hat. Fortan hat sie ein Motto: "travail – opium unique" ("Arbeit, die einzigartige Droge"). Diese Losung wird fortan über ihrem Schreibtisch hängen.

1931 hat sie auf einer Party in Washington, DC, einen Spitzenbeamten in der Regierung von Präsident Franklin D. RooseveltHarry Hopkins, kennen gelernt, für den sie einem kleinen Team von Reportern zu schreiben beginnt, als Hopkins die "Federal Emergency Relief Administration" einrichtet.

Sie reist mit Reiseschecks und fünf Dollar pro Tag durch das ganze Land und dokumentiert die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die amerikanische Bevölkerung. Sie startet in Gaston County, North Carolina, wo sie die Familien von Mühlenarbeitern und Teilpächtern interviewt. Sie beobachtet:
"Die Menschen, die am meisten körperlich getroffen zu sein scheinen, sind junge Mädchen ... Ich habe sie in einigen Fabriken beobachtet, wo die Arbeitsbelastung unmenschlich ist. Sie haben acht Stunden lang keine Ruhe; In einer Mühle sagten sie mir, sie könnten keine Zeit finden, den Raum zum Trinkwasserbrunnen zu verlassen. Sie essen im Stehen und haben ihre Augen auf die Maschinen gerichtet ... Ich sah drei Frauen auf dem Zementboden der Toilette liegen. "
Marthas Buch mit dem berühmten
Foto von Dorothea Lange auf dem
Cover
Sie bekommt Armut, Syphilis, langsames Verhungern und völlige Verzweiflung in einem unvorstellbaren Ausmaß mit, wie sie es sich aufgrund ihres bisherigen privilegierten Lebens nicht vorstellen konnte. Zusammen mit der Fotografin Dorothea Lange dokumentiert sie das alltägliche Leben der materiell deprivierten amerikanischen Bevölkerung.

Marthas Berichte sind scharf gezeichnete und bewegende Porträts von Menschen, die niedergeschlagen und bar aller Hoffnungen sind, aber noch voller Menschenwürde. Martha ist keine objektive Berichterstatterin, sie schreibt mit einem Anliegen, hat eine Meinung und verspürt eine eigene Wut. All dies kommt in den Berichten zum Ausdruck, die Hopkins ohne Marthas Wissen an Eleanor Roosevelt und den FDR schickt. Die Folge: Sie wird zu einem Abendessen im Weißen Haus eingeladen, um davon zu erzählen, was sie gesehen hat. Und daraus entwickelt sich eine lebenslange Freundschaft mit der First Lady ( die im Übrigen Marthas Mutter vom College kennt).

Source
Geschrieben hat Martha nicht nur als Journalistin: Es gibt einen frühen Roman "What Mad Pursuit" von 1934, der aber keine wohlwollende Kritik findet. 1936 veröffentlicht sie "The Trouble I've Seen", eine Sammlung von vier Novellen, die nun weit und breit gelobt wird. Darin enthalten sind auch ihre Erfahrungen, die sie gemacht hat, nachdem sie eine Gruppe von Arbeitern ermutigt hat, gegen einen korrupten Bauunternehmer in Coeur d'Alene, Idaho, aufzubegehren. Als Folge dieses Ereignisses verliert auch sie im September 1935 ihren Job.

Als sie das ihrer neuen Freundin im Weißen Haus mitteilt, schreibt ihr Eleanor Rossevelt, sie sei willkommen und könne dort leben, bis sie wieder Fuß gefasst habe. Zwei Monate wohnt Martha Gellhorn im Lincoln-Schlafzimmer und hilft der First Lady, Post von Menschen in Not zu beantworten.

Ein ereignisreiches Jahr für die 28jährige, auch sonst: 

Ihr Vater stirbt und sie will eigentlich noch einen Roman über junge Pazifisten schreiben, als sie zu Gast bei HG Wells in London ist, was ihr missglückt und diesem Werk ein Schubladendasein beschert. Doch im Rahmen ihrer Recherchen hat sie sich auch einige Monate während der Olympischen Spiele in Berlin aufgehalten. Und das, was sie da gesehen und erlebt hat, genügt, um aus der Pazifistin Gellhorn nun auch eine entschiedene Antifaschistin werden zu lassen. 

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Am Ende des Jahres sie lernt zufällig - auf Urlaub mit Mutter und Bruder in Florida - in "Sloppy Joes Bar" in Key West, wo er seine Post zu lesen pflegt, den berühmtesten amerikanischen Schriftsteller jener Tage, Ernest Hemingway, kennen.

Sie reist nach Spanien in den Bürgerkrieg, den Kriegsberichterstattern, darunter Hemingway, hinterher, ohne eigenen Auftrag. "Ich gehe mit den Jungs nach Spanien. Ich weiß nicht, wer die Jungs sind, aber ich gehe mit ihnen", schreibt sie. Sie beobachtet zuerst nur, trinkt abends mit den anderen Journalisten und lebt bald mit Hemingway im Hotel Florida in Madrid. 

In Spanien (1937)
Doch Martha brennt darauf zu schreiben: Ihre Kollegen schreiben über Tapferkeit, militärische Taktiken und politische Machtverhältnisse, halt "den ganzen objektiven Scheiß",  wie sie meint. Sie hingegen will sich auf die Schicksale der einzelnen Opfer und den Alltag des Krieges beziehen. Deshalb geht sie in die Krankenhäuser und besucht die Leute in ihren ausgebombten Wohnungen. Ihre Artikel haben Erfolg und werden von "Collier’s Weekly", einem damals berühmten Magazin, veröffentlicht. Martha Gellhorn ist fortan Kriegsreporterin, und zwar eine mit einem ganz neuen Blick auf den Krieg.

Angst scheint die blutjunge Frau eher zu aktivieren als einzuschüchtern, und angesichts von Ungerechtigkeit entwickelt sie statt Verzweiflung Mut. Ihre Berichte sind frei von Sentimentalität. Sie schreibt aber mit Feuer und zeigt Empörung, um die Welt wachzurütteln. "Nichts in meinem Leben hat mein Denken so beeinflusst wie das Verlieren dieses Krieges", schreibt sie  an seinem Ende an eine Freundin. Von da an wird Martha Gellhorn so gut wie jeden großen Konflikt des 20. Jahrhunderts journalistisch begleiten, weit bis in ihre Achtziger hinein...

Es ist Martha, die im Jahre 1939 auf Cuba das Gut "Finca Vigía" aus dem 18. Jahrhundert in den Anzeigen einer Lokalzeitung entdeckt und auf eigene Kosten umfangreich renovieren lässt. Sie ist vorher aus Europa zurückgekehrt und hat den damals in einer privaten wie schriftstellerischen Krise befindlichen Hemingway in einem drückend heißen Hotel in Havanna angetroffen. Um ihm komfortablere Arbeitsbedingungen zu verschaffen, kauft sie das Haus, aber vielleicht auch in der Hoffnung auf Zugehörigkeit und Sicherheit in ihrer doch recht ungleichgewichtigen Beziehung. Fünfzehn Kilometer östlich von Havanna, eben so viele Kilometer vom Meer entfernt gelegen, ist das Gut heutzutage ein Museum, in dem ich bei meinem Besuch 1978 keine Spur mehr von Martha entdecken konnte ( die Witwen berühmter Männer neigen dazu, jegliche Erinnerungen an ihre Vorgängerinnen auszulöschen, da habe ich ähnliche Beispiele in dieser Reihe ).

1943
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Ernest und Martha heiraten nach Hemingways Scheidung 1940. Das Ehepaar reist nach China, das von Japan angegriffen wird, ihre Hochzeitsreise, wie sie selbst sagen werden. Während er im Hotel mit den Einheimischen trinkt, fliegt Martha über die feindlichen Linien trotz Artilleriebeschusses. Ihren Mann nennt sie "UB", ihren "unwilligen Begleiter".

Hemingway will lieber Bücher auf Cuba schreiben, trinken, ein Kind. Martha widerstrebt es, ein Leben im Sonnenschein auf der Karibikinsel zu führen, während in Europa ein Krieg tobt. Sie ist überzeugt, der eine oder andere Leser zieht Schlussfolgerungen aus dem, was die Kriegsberichterstatter zu berichten haben.

Vier Mal insgesamt schleicht sie sich in der gemeinsamen Zeit in einen Krieg davon, einmal wegen ihrer politischen Überzeugungen, aber auch, weil sie die Anspruchshaltung ihres Mannes gegenüber einer Ehefrau "vor Einsamkeit und Langeweile verrückt" macht: Erst ist es Finnland, bevor dort russische Flugzeuge die Stadt Helsinki bombardieren, dann der Blitzkrieg in London und 1943 Italien - Hemingway fühlt sich verlassen und lamentiert: "Are you a war correspondent or wife in my bed?"

Ein echter Bruch erfolgt im Sommer 1944, als sich ihre Liebe endgültig in Hass verwandelt hat und die Bewunderung für den großartigen Schriftsteller in Verachtung  und  zusätzlich die "Colliers Weekly" Hemingway zu ihrem alleinigen Kriegsreporter ernennt, denn mittlerweile kann sich jede Zeitschrift oder Zeitung nur noch einen an der Front leisten. Martha hat jetzt keinen Ehemann, aber auch keine Akreditierung mehr. ( Eine andere Kriegsberichterstatterin, Lee Miller, wird ähnlich fragwürdig behandelt - siehe dieser Post. )

Sie findet für sich einen Weg zurück nach Europa auf einem Munitionsschiff, beladen mit Amphibienfahrzeugen und Dynamit für England. Und während ihr Noch-Ehemann zur Invasion am D-Day auf der "USS Dorothea L. Dix" fährt, soll sie von der Küste aus zusehen. Martha, "die mutigste Frau, die er je traf", so Hemingway, die er am Ende der Beziehung "egoistisch" und "talentfrei, aber mit dem Ehrgeiz Napoleons" nennt - unerschrocken & leidenschaftlich würde ich eher sagen - erschleicht sich mit ihrem abgelaufenen Presseausweis und dem Hinweis, sie sei Krankenschwester, auf einem Rot-Kreuz-Krankenhausschiff einen Platz. Es wird das erste Krankenhausschiff sein, das mitten ins Invasionsgeschehen fahren wird.

Tote US- Soldaten nach dem D-Day
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Inmitten dieses gewalttätigen Chaos wird jede Hand gebraucht, und Martha stellt die Ihren zur Verfügung, nicht als Journalistin, sondern an der Tragbahre, um Verwundete zu bergen.

Hemingways Geschichte erscheint zwar bald in "Collier's Weekly", aber gleich daneben auch ihre...

Martha beginnt eine Affäre mit dem Fallschirmjäger Generalmajor James M. Gavin, Hemingway mit Mary Welsh, einer hübschen jungen Journalistin, die seine vierte Ehefrau werden wird. ( Martha hingegen wird nach Kriegsende den Heiratsantrag des Generalmajors ausschlagen.)

Nach dem D-Day bleibt sie in Europa und gehört zu den ersten Journalisten, die bei der Befreiung des KZ Dachau im April 1945 dabei sind. Sie habe sich gefühlt, als sei sie von einer Klippe gestürzt, sagt sie später zu dieser Erfahrung.
"Hinter dem barbarischen Stacheldraht und den elektrischen Zäunen saßen Menschen in der Sonne, die nur noch Skelette waren, und suchten sich gegenseitig nach Läusen ab. Sie haben kein Alter und kein Gesicht. Sie sehen alle gleich aus und wie nichts, das Sie je sehen werden, wenn Sie Glück haben." ( Quelle hier )
In Berlin (1945)
Nach dem Krieg lässt sie sich scheiden. Das wird Hemingway ihr nie vergeben. Obwohl sie ihre eigene Frau und Schriftstellerin gewesen ist, bevor sie ihn traf, wird ihr ab da wie ein ewiger Fluch, mit dem sie Großteil ihres Lebens fertig werden muss, anhängen, dass sie nur als Frau eines berühmten Autors gesehen wird. Hemingway und sie werden sich nie wieder treffen.

Martha ist jetzt 38 Jahre alt, lebt zunächst in Cuernavaca, Mexiko, dann in Italien und adoptiert dort einen italienischen Waisen und arbeitet weiter daran, als Journalistin den Stimmlosen in den Konflikten dieser Welt eine Stimme zu geben. 

"Sei gewarnt, Liebe vergeht", schreibt sie. "Arbeit allein bleibt." Noch einmal versucht sie 1954 eine feste Beziehung mit dem ehemaligen Chefredakteur des "Time Magazines", Tom Matthews. Neun Jahre lang hält die Ehe. Dann ist sie seine Untreue leid.

Von nun an zieht sie von Beziehung zu Beziehung, so wie sie allein als "un voyageur sur la terre", durch - 53 Länder werden es am Ende sein - die Welt reist. Sie wohnt in Italien, in London, in Ostafrika. 

Sie berichtet natürlich in den 1960er Jahren für "Atlantic Monthly" und "The Guardian" über den Vietnamkrieg:
"I hated Vietnam the most, because I felt personally responsible. It was my own country doing this abomination. I am talking about what was done in South Vietnam to the people whom we, supposedly, had come to save. I'm seeing napalmed children in the hospital, seeing old women with a piece of white sulphur burning away inside of them, seeing the destroyed villages, seeing people dropping of hunger and dying in the streets. My complete horror remains with me as a source of grief and anger and shame that surpasses all the others." ( Quelle hier )
Auch die arabisch-israelischen Konflikte in den 1960er und 1970er Jahren, später die Bürgerkriege in Nicaragua und El Salvador begleitet sie immer noch zornig ob der verlogenen Argumente & der falschen Versprechen, mit denen Regierungen Kriege auslösen und mit ihrer heuchlerischen Propaganda begleiten. Immer weniger ist sie aber von der Wirksamkeit ihrer Arbeit überzeugt:
"Mit unseren Artikeln richteten wir so viel Gutes aus, als ob wir sie mit unsichtbarer Tinte geschrieben, auf Blätter gedruckt und in den Wind geworfen hätten."
1995
Sie arbeitet als Kriegsberichterstatterin, bis ihr Körper die Belastungen nicht mehr ertragen kann. Das ist 1989, als sie die US-Invasion in Panama noch einmal journalistisch begleitet. Sie schreibt, bis ihre Blindheit es ihr unmöglich macht. "Travels with Myself and Another", ihr einziges autobiografisches Buch, wird 1978 veröffentlicht, als Martha siebzig wird. Sechs ihrer insgesamt zwanzig anderen Bücher hat der Dörlemann Verlag in den letzten Jahren wieder herausgebracht.

Sie umgibt sich in London mit Freunden, die wie sie dem Whisky, dem Tabak und dem Klatsch zugeneigt sind, und geht in hohem Alter weiterhin schwimmen und tauchen. Als die Dinge nach einem langen Kampf gegen Leber- und Eierstockkrebs zu schlimm geworden sind, sie ihre Wohnung am Londoner Cadogan Square makellos aufgeräumt und noch den Müll herausgebracht hat, so die Fama, begeht Martha Gellhorn am 15. Februar 1998 Suizid, offenbar durch Verschlucken einer Zyanidkapsel. Vierzehn Tage nach ihrem Tod überlässt ihre Familie ihre Asche der Strömung der Themse.
"Ich bin von einer guten, harten Schule geprägt, deren erste Lektion lautet: Weitermachen. Irgendwie. Man lernt durch Taten, nicht durch Herumsitzen und Beschau seiner eigenen Innereien", hat sie 1972 geschrieben.
1999 wird ein Preis für Journalismus nach Martha Gellhorn benannt. In den letzten zwei Jahrzehnten wird sie endlich als bahnbrechende Journalistin gewürdigt und als eine der besten Kriegsberichterstatterinnen des 20. Jahrhunderts. Sie wird zum Vorbild für Generationen von jungen Korrespondentinnen im Kampf um Gleichbehandlung und einen gleichberechtigten Platz an vorderster Stelle.

2011 wird Martha Gellhorn auch Thema einer Langzeitsserie der BBC über außerordentliche Frauen. Im Jahr darauf wird sie im Film "Hemingway & Gellhorn" von Philip Kaufman von Nicole Kidman dargestellt.



13 Kommentare:

  1. Kenne Martha G. nur aus 2 Buechern von E.Hemingway. Aber Ihr Bericht ueber diese faszinierende Frau veranlasst mich bei Doerlemann nach einigen ihrer Buecher nachzufragen. Danke fuer die Muehe der Zusammenstellung dieses Beitrages.

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  2. Vielen Dank für den so guten Lesestoff an einem trüben Herbst-Donnerstag vormittag.
    Grüße von Rela

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  3. Liebe Astrid,
    vielen Dank für das Portrait von Martha Gellhorn.
    Es zieht es sich wie ein roter Faden durch die Biografien großer Frauen, immer wieder wurden sie von Männern ausgebremst.
    viele Grüße Margot

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  4. wieder ein interessantes Portrait
    ich kannte sie nicht
    sehr gut hast du sie vorgestellt
    liebe Grüße
    Rosi

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  5. Ihr Name ist mir ein Begriff, aber Du hast das Wissen interessant und sehr spannend aufgefrischt, angereichert und aktualisiert. Wie gut zu lesen, dass ihre Geschichte nicht vergessen und endlich anerkannt ist !
    Liebe Grüße
    Andrea

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  6. ein weitergeleiteter Kommentar von meiner Mama:

    Liebe Astrid,

    herzlichen Dank für die 160te Große Frau, die Du uns vorstellst. Es ist unglaublich, aber faszinierend zugleich, dies lesen zu dürfen. Begreifen kann ich allerdings dadurch immer weniger, warum uns die Männerwelt als das "Starke Geschlecht" dargestellt wird. Auch in der Tierwelt sind es meist die Weiblichen Wesen, die die Kohlen aus dem Feuer holen. Ich bewundere Deine Rechergierbegeisterung, schade daß sich nicht mehr Menschen dafür interessieren. Martha, eine wahrhaft große und starke Frau. Ich muß jetzt auch noch über die Links, nach den anderen benannten Damen Ausschau halten. Derweil liebe Grüße von der Helga, die immer darüber sinniert, wie sie sich wohl alles dies merken könnte? 😴

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    1. Merken muss man sich das alles sicher nicht, liebe Helga! Das schaff ich auch nicht. Aber im Herzen bewahren und im Selbstwertgefühl gegenüber all denen, die uns immer wieder die zweite Geige spielen lassen wollen. Heute muss es heißen:"Kann ein Mann Bundeskanzlerin werden?" In meiner Jugend hielt die Adenauer - Stiftung hier in meiner Nähe noch eine Tagung zur umgekehrten Frage ab. Es wird, aber sehr, sehr langsam.
      Herzliche Grüße!

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  7. Was für eine itneressante Frau! Ich hatte wieder mal keine Ahnung wer das ist. Danke!

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  8. Wieder einmal eine wahrhaft starke Frau. Dass an sie nichts mehr erinnert auf der Finca, ist auch so eine der Schatten-Geschichten. Dieses Mal noch dazu von einer Frau veranlasst(Witwe), die - ebenso wie viele Männer - eine andere Frau in ihrer Stärke nicht gelten lassen konnte. Sehr schade.
    Die komplizierte Lebensgeschichte von Martha Gellhorn hast Du sehr interessant aufbereitet und sie uns somit nahe gebracht. Es ist also doch nicht gelungen, sie einfach im Schatten stehen zu lassen. Auch, dass sie nun post mortem die Anerkennung in Journalisten-Kreisen findet, ist ein kleiner Trost. Aber starke Frauen müssen schon meist erst tot sein, damit man sich traut sie zu würdigen, Konkurrenz sind sie ja nun keine mehr. Aber dafür im besten Fall Vorbild, was wunderbar ist.
    Toll, dass Du sie vorgestellt hast. Vielen Dank dafür.
    GlG Sieglinde

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  9. Wie immer habe ich dieses Frauen Portrait heute morgen beim Frühstück gelesen und fand es wie alle vorigen sehr lesenswert. Als ich ihr Foto von 1995 sah, konnte ich mich auch sofort an sie erinnern. Ich wundere mich immer wieder wie mutig viele Frauen waren, Kriegsberichterstatterin wäre jetzt nicht gerade mein Traumjob gewesen.
    Liebe Grüße
    Sigi

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  10. Hallo. Sehr interessant und für mich neu. Hatte noch nie zuvor von ihr gehört. Wie schön, dass Du uns an Deinen Recherchen, an den interessanten Biographien teilhaben lässt. Ja, man wundert sich, dass sich erst so wenig in Bezug auf Gleichberechtigung geändert hat, aber an den Schaltstellen sitzen Männer... Unermüdlich, darin das aufzuzeigen. Danke!

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  11. wieder so eine starke, mutige, politische frau!! ich hatte vorher noch nie von ihr gehört. danke fürs erzählen ihrer faszinierenden geschichte.
    liebe grüße
    mano

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  12. Dankeschön und wieder so viel Neues für mich!
    LG Urte

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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