Donnerstag, 16. August 2018

Great Women # 151: Tilla Durieux

Zwei Dinge verbinden mich seit frühster Jugend mit meiner heutigen großartigen Frau: einmal ein Gemälde von Oskar Kokoschka, das, aus der Sammlung Haubrich, mich bei einem der ersten Besuche im Wallraf-Richartz-Mueum beeindruckt hatte, zum anderen eine Stimme, deren Wärme, Tonfall, Timbre mir aus dem Fernsehen geläufig war, welche in jenen 1960er Jahren noch eine Bildungseinrichtung darstellte und mich Theatersüchtige mit vielen beeindruckenden Inszenierungen versorgte. Das Gemälde ist seit fünf Jahren aus dem Museum an die Erben des des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim zurückgeben worden, ihrer wohltuenden Stimme kann ich aber immer noch bei Youtube und auf Hörspiel - CDs lauschen: Tilla Durieux ist mein heutiges Porträt gewidmet, deren Geburtstag sich übermorgen zum 138. Mal jährt.

Oskar Kokoschka: Tilla Durieux (1910 )
© dpa

Tilla Durieux kommt also am 18. August 1880 als Ottilie Godeffroy in Wien zur Welt, als einziges Kind in der zweiten Ehe ihrer Mutter Adelheid Hrdlicka, einer Pianistin, Tochter eines K.u.K. Militärbeamten aus Ungarn, und des Chemieprofessors Dr. Dr. Richard Godeffroy, der -  eigentlich aus einer in Hamburg ansässigen Hugenottenfamilie stammend - zudem katholischer Ordensritter & Träger des  spanischen Ordens der Isabella der Katholischen ist. Ein schweigsamer, unzugänglicher Mensch, der mit seiner Ehefrau in einer sehr spannungsreichen Beziehung lebt. 

Da die älteren Halbgeschwister schon aus dem Haus und verheiratet sind, wächst das kleine Mädchen als Einzelkind sehr einsam heran, bleibt ungeübt im Umgang mit Kindern, ja Menschen generell, und ist dem Ehrgeiz der Mutter ausgesetzt, die schon für die Sechsjährige eine Pianistinnenkarriere vorsieht. Das Kind ist auch überdurchschnittlich musikalisch, fühlt sich aber eher vom Tanzen angezogen und teilt "die versorgungsstrategischen Bestrebungen" der Mutter ( Renate Möhrmann ) keineswegs. Aber was soll in jener Zeit eine solche tun, wenn man aufgrund des koboldhaften Aussehens ihrer Tochter - so das mütterliche Urteil - zu dem Schluss kommt, sie werde keine Aussichten auf eine gute Partie haben. Eine Berufstätigkeit für eine Frau kommt in jener Zeit schon gar nicht in Frage: Es ist zum Beispiel so, dass ein Kaufmann kreditunwürdig wird, wenn seine Tochter einen Beruf ausübt.

Die Beziehung wird noch komplizierter, nachdem der Vater mit 46 Jahren an Krebs gestorben ist. Die Mutter verkauft Haus & Garten im durchaus vornehmen Währinger Cottageviertel und lebt fortan mit der vierzehnjährigen Tochter in einer kleinen Mietwohnung "... und Mutter und Tochter wohnten darin, starrten sich an und wußten sich nichts zu sagen, es war kein Weg da, der zueinander führte", wird Tilla später dazu schreiben.

Oft besuchen sie glücklicherweise das Theater, und die glitzernde Welt dort entzückt das Mädchen, das nun davon träumt, Schauspielerin zu werden. Der Zufall kommt ihr zu Hilfe: Die vor sich hin trällernde Tilla fällt einer Gesangslehrerin auf, und die schlägt ihr vor, sich beim Burgtheater vorzustellen. 

Tilla tut's, gefällt und kehrt begeistert nach Hause zurück. Die Mutter versetzt ihr eine Ohrfeige. "Mein bleiches Erstarren aber mußte ihr Mitleid und Angst eingeflößt haben... wenn einen Beruf auszuüben an sich schon… für ein Mädchen eine Degradierung bedeutete, wieviel mehr stellte sich eine werdende Schauspielerin abseits von allem Erlaubten", wird sie dazu in ihrer Biografie schreiben. Schauspielerin, das ist kein ehrenwerter Beruf, sind sie doch die "erotische Beikost" für die wohl situierten Herren des Fin de siècle. Schauspielerinnen, die sich verheiraten, wird an manchen Theatern sogar gekündigt, denn die Aktrice soll ein Objekt der Begierde für viele bleiben.

Nach dem ersten Entsetzen folgt die Überlegung, wie mit dem Berufswunsch umzugehen sei: Tilla wird erst einmal in die "Theater-Vorbereitungsschule" des Hof-Schauspielers Karl Arnau gesteckt. 19-jährig hat sie ihren ersten öffentlichen Auftritt und fällt alsbald einem Agenten ins Auge, der ihr ein Angebot in Olmütz in Mähren vermittelt. Die Mutter willigt sehr zögerlich ein, löst dann aber den Wiener Haushalt auf, um Tilla 1901 zu folgen. 

Eugen Spiro (1915)
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Die Begrüßung des Direktors der Olmützer Bühne ist gleich eine Frechheit: "Mit dem ‚Ponem(jiddisch für Gesicht) wollen Sie zur Bühne? Lernen Sie lieber kochen!" Tilla ist enttäuscht, aber nicht gebrochen, ist sie doch von ihrem Talent überzeugt und lässt sich ohnehin nicht leicht abschrecken. Zu Recht: Schon bald wird sie zur Probe nach Breslau geladen, ergattert dort eine tragende Rolle und alsbald einen Fünfjahresvertrag.

In Breslau lernt sie den sechs Jahre älteren Maler Eugen Spiro kennen, der sie gentlemanlike behandelt und von dessen jüdischer Familie sie sich warmherzig aufgenommen fühlt. Und außerdem bietet er ihr in seinem Atelier ein Refugium, fern vom mütterlichen Regiment.

Eines Tages im Jahre 1903 kommt ein Telegramm vom Berliner Max Reinhardt-Theater mit einem Angebot. Tilla reist nach Berlin, ist geblendet von Reinhardts Ausstrahlung, der Theaterszene dort und dem unterbreiteten Angebot. Sie unterschreibt, und ein befreundeter Anwalt verhilft ihr zum Ausstieg aus dem Breslauer Vertrag, denn der hätte eigentlich bei der minderjährigen Aktrice von der Mutter unterschrieben sein müssen...

1905
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In Berlin am Deutschen Theater erhält Tilla die Rollen, in denen sie glänzen kann: Als erstes in "Salome" von Oscar Wilde, erspielt sie sich noch im gleichen Jahr weltweiten Ruhm. Als Lady Macbeth, Eliza Doolittle oder Wedekinds "Lulu" ist sie eine "Persönlichkeit von eigenen Gnaden" so der Kritiker Alfred Kerr, mit einer ansteckenden "Freude an sich selbst", wie der andere Kritikerpapst Herbert Ihering meint.

Allerdings entspricht die Darstellkunst der Durieux - so nennt sie sich nach eine Vorfahrin des Vaters mit Namen "du Rieux" - nicht dem Geschmack des Kaisers, denn ihr ist alles Pomphafte, Deklamatorische, Gestelzte verhasst. Sie strebt nach moderneren Ausdrucksformen in der Schauspielerei und fügt sich in keine Schablone, schon gar nicht in kaiserliche Erziehungsabsichten.

In Berlin heiratet sie endlich auch Spiro, um den bedrückenden Launen der Mutter endgültig zu entkommen. Aus ihren Lebenserinnerungen wird diese auf jeden Fall zu diesem Zeitpunkt verabschiedet...

Doch neun Monate nach der Eheschließung kommt es 1905 beim Kunsthistoriker Meyer-Graefe, wo sie hofft, ihrem Ehemann zur Aufnahme in die höheren Berliner Malerkreise zu verhelfen, zu einer schicksalhaften Begegnung:  Tilla lernt Paul Cassirer kennen.
Paul Cassirer, 1871 geboren, stammt aus einer namhaften jüdischen Familie in Görlitz, hat in München Kunstgeschichte studiert und für das Satireblatt "Simplicissimus" geschrieben und bei seiner Rückkehr nach Berlin 1898 mit seinem Cousin Bruno eine "Kunst- und Verlagsanstalt" gegründet. Durch ihre Bekanntschaft mit den Malern Max Slevogt und Max Liebermann machen sie die Bekanntschaft mit der Berliner Secession und werden deren Sekretäre. Mit Verve machen sie sich an die Vermittlung impressionistischer Kunst, zu deren Avantgarde sie neben Slevogt & Liebermann noch Lovis Corinth rechnen. Nach einem Zerwürfnis mit Bruno macht Paul ab 1901 mit der Kunsthandlung alleine weiter. Sein Kunstsalon wird zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine der wichtigsten Galerien für moderne und zeitgenössische Malerei in Deutschland ( ab 1910 sogar eine der führenden in Europa ). 
Als sich Tilla und Paul begegnen, sind beide bereits arrivierte Persönlichkeiten in der Kunstszene der Spreemetropole, jeder in seinem Metier erfolgreich auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen der Ästhetik, jeder quer zur staatlich verordneten Repräsentationskunst verortet, der Internationalität in der Kunst verpflichtet, Patriotismus ablehnend.

Paul, frisch geschieden & sexuell ein Libertin, ist wohl sofort vom Blitz getroffen und lässt seinen Witz und seinen Geist sprühen. Tilla ist zunächst sprachlos und hängt an seinen Lippen wie er an ihrer Bluse, so beschreibt Renate Möhrmann diese erste Begegnung. Sie versucht aber noch, ihr Herz unter Verschluss zu halten. Cassirer weiß sich zu helfen: Für den alljährlichen Ball der Secession engagiert er als Überraschung für die Gäste die Aufführung eines Einakters durch das Deutsche Theater. Auf der Schauspielerliste: Tilla Durieux.

Paul Cassirer (1912)
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So fand "die Klapperschlange ihr Kaninchen, zischte alles aus ihrer Nähe fort, auch Spiro und setzte sie wehrlos dem Sturm aus", kommentiert sie den Abend später und gesteht, sie wäre am liebsten sofort mit ihm auf und davon. Doch erst einmal weiht sie ihren Ehemann ein ( oh, wie ich das kenne! ).  Der lockt Tilla in ein Sanatorium, damit sie sich in Ruhe ihren Entschluss überlegen kann. Doch diese Einrichtung entpuppt sich als Psychiatrie ( so ein heftiger Seelentumult kann ja doch nur eine geistige Erkrankung sein! ).

Tillas Widerstand ist schnell mobilisiert. Es gelingt ihr mit dem Zug zu entkommen. Und sie steuert direkt die Berliner Viktoriastraße 35 an, Cassirers Kunstsalon. Nun beginnt eine freie Liebe, aber man glaube nicht, dass das immer einfach sei!

Beide sind nämlich keine Romantiker, wie man es zu der Zeit schätzt: Tilla ist nicht bereit, das Theater zugunsten der Bedürfnisse eines Partners zurückzustellen. Und Paul handelt auch nicht nach dem damaligen gesellschaftlichen Regelkodex und lässt sich von ihrem Wissensdurst, ihrem Bildungshunger bezaubern. Er entpuppt sich als wahrer Professor Higgins: Er arbeitet streng mit ihr an der Verminderung ihres Wiener Tonfalls, studiert mit ihr Goethe und andere Autoren ein, verschafft ihr die entbehrte & begehrte Bildungsbiografie: "Alles, was ich weiß und was ich erreicht habe, verdanke ich eigentlich ihm, der mich in jeder Weise geführt und gelehrt hat, aber auch meine Fehler gerügt hat." Aber gleichzeitig ist der Meister auch des Lehrlings Muse...

Das verstehen bzw. goutieren nicht alle ihre Berliner Freunde: Insbesondere Max Liebermann heißt das nonkonformistische Zusammenleben des Paares nicht gut und verweigert Tilla den Gruß...

Paul ist also der Mann, den sich Tilla erträumt hat, der sie in die Welt der Kunst, "der wirklichen Kunst" einführen kann. Doch zu seinen Abenden in Berliner Künstlerkneipen nimmt er sie nicht mit. Und bald muss Tilla auch noch feststellen, dass er "seine Augen begehrlich auf fremde Weiden geschickt" hat. Da schreibt sie ihm einen Brief, dass sie sich nicht mehr mit ihm treffen wolle. Aber sie hat nicht mit der Energie gerechnet, mit der Cassirer solche Hindernisse aus dem Weg räumt. So entwickelt sich ein dauerhaftes Muster in der Beziehung:
"Alle vier Wochen das gleiche Theater: Treuebruch, Anklagen, Versöhnung, Leid, Wut und die trügerische Freude über den Scheinfrieden. Ein Jahr, fünf Jahre zehn Jahre. Unmöglich. Aber doch nicht unmöglicher als die endgültige Trennung. In diesem Fall hatte sie gar nichts. Im ersten Fall etwas. Und so entschied sie sich schweren Herzens für das Etwas", beschreibt Renate Möhrmann es.
1910 zieht man zusammen und heiratet. Das Berliner Theaterleben ist in den Zehnerjahren pulsierender denn je und die Stadt steht nicht mehr im Schatten anderer europäischer Metropolen. Max Reinhardt ist es gelungen, ein Theater zu entwickeln, das den Menschen Freude gibt. Zehn Jahre nach ihrem Debüt ist Tilla Durieux die Darstellerin, auf die die Berliner Bühnen ihre Spielpläne zuschneiden. Sie löst den alten Schauspielerinnentypus des realitätsfernen Wesens, der Udine, der Nymphe, der tragisch Liebenden ab ( was ihr allerdings auch den Vorwurf einbringt, sie sei gefühllos, denn sie zeige keine Tränen ). Mit der Judith bei Hebbel löst sie Begeisterungsstürme aus.

Doch an ihrer Schauspielkunst scheiden sich auch die Geister: Kurt Tucholsky nennt sie eine "Friseur-Circe" und zieht für sich die Schlussfolgerung: "Ich schiebe die Schauspielerin beiseite – sie interessiert mich nicht." Fasziniert sind die Maler - einige ihrer Porträts sind auf dieser Seite zu finden.

In ihrem Zuhause (1920)
CC BY-NC-SA 4.0
Auch Pauls begüterte Familie, vor allem die Frauen, sehen auf sie, die Angehörige des fahrenden Volkes und Nicht-Jüdin, herab. Dabei spielt sie auch die Rolle als Gattin eines der bedeutendsten Berliner Kunsthändler jener Zeit, die einem opulenten und kultivierten Haushalt vorsteht, gut. Denn auf einmal, als Ehemann, legt Paul hausväterliche Allüren an den Tag.

Der Ausbruch des 1. Weltkriegs bringt das ohnehin sehr fragile Gleichgewicht in der Beziehung massiv zu Einsturz und immer wieder wird die Trennung erwogen. Paul hat sich als Freiwilliger, Tilla als Krankenschwester gemeldet. Beide lernen schnell die harten Realitäten des Krieges kennen und entwickeln sich unabhängig voneinander zu Pazifisten. Dazu kommen geschäftliche Probleme, und der suspekte Jude, Vertreter "französischer Dreckskunst" gerät ins Visier der Behörden, wird verhaftet. Sein Gesundheitszustand ist angeschlagen, und so flüchtet er 1917 in die Schweiz. Tilla lebt bei ihm in Spiez am Thunersee, erfüllt aber auch ihre laufenden Verträge und ist immer wieder zu Gastpielen unterwegs.

Auch nach der Rückkehr 1919 nach Deutschland ist die Beziehung immer wieder neuen Krisen ausgesetzt. Schauspielerisch bringen die Jahre nach dem ersten Weltkrieg für Tilla den Übergang in das "ältere Fach". Sie spielt nun die problematischen Frauen der späten Strindberg-Stücke, die Alice im "Totentanz", die Frau in "Nach Damaskus".

1924
Die psychische Belastung durch die Launen ihres Ehemannes hält sie immer weniger aus. Sie entwickelt eine engere Beziehung zu Ludwig Katzenellenbogen, Generaldirektor der Schultheiß-Patzenhofer-Brauerei in Berlin, mit dem das Ehepaar schon länger befreundet ist. 

Es folgt eine räumliche Trennung, sie akzeptiert alle Bedingungen, als Scheidungspapiere aufgesetzt werden. Und als diese 1926 in einer Anwaltskanzelei unterschrieben werden sollen, verlässt Paul Cassirer den Raum und erschießt sich im Nebenzimmer. "Nun bleibst du aber bei mir!", sind die Worte, die er noch an Tilla richtet.

Der Boulevard hat seine Schlagzeilen wie schon öfter bei diesem Paar, und kübelweise wird Schmutzwasser über der Witwe ausgekippt.

Dennoch bleibt sie eine der gefragtesten Schauspielerinnen der Weimarer Republik. 1927 beteiligt sie sich an der Finanzierung der Piscator-Bühne, einem ausgesprochen politischen Theater, am Nollendorfplatz und tritt auch unter der Regie von Erwin Piscator auf. 1928 veröffentlicht sie den Roman "Eine Tür fällt ins Schloß", der auf die Bestsellerlisten gerät, weil die Protagonisten mit dem Ehepaar Cassirer - Durieux identifiziert werden. "Auch hier ging ein weiterer Hagel von Schmähungen über mich nieder." Karikaturen erscheinen und machen deutlich, dass die Schauspielerin ein früher Medienstar ist.

Ludwig Katzenellenbogen
1930 schließt sie ihre dritte Ehe mit Ludwig Katzenellenbogen, von dem sie sich eigentlich Ruhe und Sicherheit erhofft hat, aber nun das Gegenteil erfährt: Katzenellenbogens Konzern bricht 1932 zusammen, er wird wegen Verdachts auf Wirtschaftskriminalität verhaftet und ist von da an ein gebrochener Mann. Tilla unternimmt Theatertourneen, um das Geld zu verdienen, und ist dem wachsenden Antisemitismus  in Deutschland ausgesetzt. 

Nach der Machtübernahme der Nazis flüchten sie gemeinsam über Prag nach Ascona in der Schweiz, von wo aus sie noch nach Skandinavien auf Gastspiele geht. Später gehen sie nach Jugoslawien, wo sie 1936 - 38 ein Hotel in Abazia, in der Nähe von Zagreb/Agram, betreiben. Tilla bemüht sich um Ausreise-Visa für die USA, ihr Mann wird 1941 aber in Skopje von der Gestapo aufgegriffen und nach Berlin ins Konzentrationslager verschleppt ( er stirbt 1944 im Jüdischen Krankenhaus ).

"Die letzte Brücke" (1953)
Tilla entkommt, irrt monatelang in den serbischen Wäldern umher und bekommt durch ein Ehepaar, das in den Räumen ihrer alten Wohnung eingezogen ist, Kontakt zur Untergrundbewegung und schließt sich den Partisanen Titos an. Nach Kriegsende bleibt sie in Zagreb, arbeitet für eine staatliche Puppenbühne als Entwerferin & Schneiderin von Puppen. Dieser Zustand dauert bis 1952 an. Dann kommt ein neues Engagement als Schauspielerin: In Helmut Käutners Film "Die letzte Brücke" spielt sie eine Bäuerin.

1954 bringt sie ihre Memoiren unter dem Titel "Eine Tür steht offen" heraus. Erst 1955 kehrt sie über die Schweiz nach Berlin zurück. Weit über siebzig Jahre alt, wird es ihr in Deutschland nicht leicht gemacht. Mit Ehrungen und Auszeichnungen - u.a. wird sie Ehrenmitglied der "Deutschen Akademie der Darstellenden Künste" - wird sie zwar überhäuft, doch kein Ensemble nimmt sie auf und sie ist auf Tourneen angewiesen. Friedrich Luft, der angesehene Theaterkritiker der Nachkriegszeit, schreibt einmal dazu:
"Eine Schauspielerin, die in der Bleibtreustraße als ständig wohnhaft und zur Ehre der Stadt gemeldet ist, muß, da ihr am Ort ausreichend Beschäftigung nicht gewährt wird, auf dem Umweg über eine Tournee sich hierorts produzieren. (…) Die Frau wird in zwei Jahren 90. Und spielt immer noch – und spielt richtig gut, spielt eigentlich phänomenal. Sie ist zum Ende hin, ist nach mehr als zwei Stunden schwerer Darstellungsarbeit, eigentlich viel besser noch als zu Beginn. Man versteht’s nicht. Der Jubel war gewaltig." ( Quelle hier )
"Es" (1966)
In jenen Jahren arbeitet sie auch viel in Hörfunk und Fernsehen: "…es macht mir eine Art höllischen Spaß! Als Kind erledigte ich meine Schularbeiten noch bei Gaslicht – und heute arbeite ich mit den modernsten Wiedergabemitteln, die es gibt.

Sie spielt in den Filmen "Die Stärkere", "Anastasia, die letzte Zarentochter", "Auferstehung" und - mir am Eindrücklichsten - in "Es" von Ulrich Schamoni mit Sabine Sinjen. 1970 ist ihr letzter Auftritt im Fernsehen.

Am 21. Februar 1971 verstirbt Tilla Durieux, 90jährig, an einer Blutvergiftung nach einem Oberschenkelhalsbruch in Berlin. Sie wird neben ihrem zweiten Ehemann auf dem Städtischen Waldfriedhof Charlottenburg Trakehner Allee ( Feld 5-D-4-5-C4 ) beigesetzt.

Seit 1987 ist am Wohnhaus Bleibtreustraße 15 in Berlin-Charlottenburg eine Gedenktafel zur Erinnerung an Tilla Durieux angebracht. 2003 wird der Ausnahmeschauspielerin nahe beim Potsdamer Platz in Berlin ein Park gewidmet.

Sie selbst hat, um nicht vergessen zu werden, den "Tilla-Durieux-Schmuck", der für jeweils 10 Jahre an eine hervorragende Vertreterin der deutschen Schauspielkunst verliehen wird, gestiftet.

Der Schriftsteller Christoph Hein setzt ihr dann 2012 mit dem Bühnenstück "Tilla" ein literarisches Denkmal: Darin lässt er die Neunzigjährige am Abend ihrer Ernennung zur Ehrenbürgerin Berlins in einem Monolog ihr Leben Revue passieren. Vier Jahre später fließt dieses Stück in ein Opernlibretto ein für die Oper "Comeback" des Komponisten Oskar Strasnoy, die ebenfalls in Berlin in der Werkstatt der Staatsoper uraufgeführt wird.



7 Kommentare:

  1. ein sehr wirres leben.. leider kenne ich diese schauspielerin nicht... nur kokoschka.. :))) liebe grüsse

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  2. Danke für diese liebevolle Erinnerung.
    Ich kann mich nicht mehr erinnern, was ich im damaligen Fernsehen gesehen habe an Stücken mit Tilla Durieux, weil noch Kind, aber ich kann mich bis heute, über 50 Jahre später, noch an ihre prägnante Stimme und ihr intensives Spiel erinnern.
    Immer wieder: danke dass du diese Porträts der großen Frauen verfasst, enthalten sie doch für mich einerseits Erinnerungen oder aber auch Erstaunen, wie viele Frauenleben doch neu für mich sind, was mich widerum darauf bringt, wie wenig doch auch in heutiger Zeit der Frauen gedacht wird.
    Beste Grüße aus dem Münsterland - Brigitte

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  3. Sehr spannend liest sich dieses Frauenschicksal...wie auch all die anderen, die du hier unermüdlich jeden Donnerstag präsentierst. Und witzig...dieser Zusammenhang zu meinem Beitrag heute. So viele Künstlerleben dieser vergangenen Zeit sind beeindruckend...und auch der häufige jüdische Hintergrund schon faszinierend.
    Danke für dieses ausführliche Portrait. Noch eine schöne Restwoche! LG

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  4. Das Lesen deiner Biographien gleicht dem Blättern im Buch der Zeitgeschichte, im Buch eines Einzelschicksals, ... jedes Mal spannend und bereichernd dort einzutauchen!
    Liebe Grüße
    Andrea

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  5. ich erinnere mich noch an einige filme - besonders "es" hatte es uns ja ende der 60er jahre sehr angetan. mit ihrem namen verbinde ich immer "grande dame" und nach dem lesen deiner biographie fühle ich mich sehr darin bestätigt. wieder so ein unglaublich vielfältiges leben, so spannend, aber auch wieder in einigen bereichen so erschreckend. immer wieder bewundere ich die menschen (und leide noch mit ihnen), die sich in kriegszeiten und unter der schreckensherrschaft der nazis irgendwie durchgeschlagen haben.
    danke mal wieder für dein hochinteressantes portrait!
    liebe grüße
    mano

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  6. Ach wie wunderbar dieser Bericht! Meine MUtter war erklärter Tilla Durieux-Fan, oh sie hätte Deinen Post verschlungen! Danke danke liebe Astrid. Was ein Leben, rauf und runter, Männer, Nazis, Überleben und immer noch spielen. Und bei uns wird beim kleinsten Gegenwind gemaunzt.... Eva

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  7. den Namen kenn ich auch
    es ist schon erstaunlich wie turbulent doch das Leben dieser Frauen war
    sicher auch eine Auswirkung der damaligen unruhigen Zeit
    danke für das Portrait

    liebe Grüße
    Rosi

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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