Mittwoch, 10. April 2024

Auf meinem Stehpult XIX

Diesmal ist nur ein Vierteljahr vergangen, seit ich das letzte Mal im Blog Bücher vorgestellt habe, immerhin...

"Wir sollten die Landschaften von Friedrich... 
nicht als eine Abbildung der Wirklichkeit 
missverstehen. 
Sondern als deren Auflösung."


Regelmäßige Leser*innen meines Blogs werden sich jetzt wahrscheinlich nicht wundern, dass ich heute zuerst einen Lyrikband vorstelle, nämlich den im letzten Dezember erschienenen der Mary Oliver "Sag mir, was hast du vor mit deinem wilden, kostbaren Leben: Gesammelte Gedichte", der für mich, "Lyrikkonsumentin" seit Teenagerzeiten, eine echte Offenbarung gewesen ist. ( Niederschlag fand  & wird meine Lektüre noch finden in weiteren Blogposts). 

Jürgen Brôcan, Schriftsteller, Literaturkritiker, Herausgeber & Übersetzer aus dem Englischen, Französischen und Altgriechischen hat sich ihrer in den Vereinigten Staaten so erfolgreichen Gedichte angenommen und das von Oliver selbst zusammengestellte Best-of ihres Schaffens ins Deutsche übersetzt und im Schweizer Diogenes Verlag herausgebracht.


Da ich an dieser Stelle schon ein Gedicht vorgestellt und einiges zur Lyrikerin geschrieben habe, spare ich mir diesmal einen längeren Text. 

Der Honigdorn ( als Gleditschie auch schon im Blog präsentiert ) vor meinem Haus lässt gerade erst die Knospen aufspringen, so dass ich als Ersatz einen Lorbeerzweig aufs Foto gebracht habe. Einen Lorbeer hat Mary Oliver auch in meinen Augen für ihre Dichtkunst verdient, in der es ganz viel um die uns umgebende Natur geht...

Das zweite Buch, nämlich "Zauber der Stille" von Florian Illies, im Oktober letzten Jahres bei Fischer erschienen, handelt von Kunst, und zwar der des Malers der Romantik Caspar David Friedrich, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr mit etlichen Ausstellungen in Hamburg, Berlin, Dresden & Greifswald zelebriert wird. 

Vom Besuch derselben war schon in einigen Blogs die Rede, und das erinnerte mich daran, dass ich das Buch doch ungelesen auf einem Bücherstapel liegen habe. Also nichts wie her damit und an einem der zuletzt warmen Nachmittage auf der Terrasse gelesen! Das geht gut, denn der Autor hat einen federleichten, oft lässigen, unkomplizierten Schreibstil, bei dem man durchaus immer mal wieder ins Schmunzeln gerät und der einen auf diese Weise recht kurzweilig auf eine literarische Reise durch Caspar David Friedrichs Leben und Werk nimmt, gespickt mit vielen Querverweisen und Sprüngen durch die Geschichte der zurückliegenden 250 Jahre.

Die Kapitel sind dabei in die vier Elemente unterteilt, denen jeweils ein prominentes Bild des Malers vorangestellt ist. 

"Feuer" ist das erste mit dem Bild "Das brennende Neubrandenburg", ( 1834, Hamburger Kunsthalle ). So klar war mir nicht, wie oft und unter welch tragischen Umständen Bilder des Malers durch Feuer vernichtet worden sind. Illies weiß davon vieles zu erzählen, auch darüber, wie der Maler, zeitweilig ganz vergessen, durch die Nazis vereinnahmt wurde, indem sein Germanentum beschworen und den Soldaten an der russischen Front ein kleines Büchlein mit Friedrich-Reproduktionen für die Brusttasche der Uniform verpasst wurde - zwecks Motivation.

Im Wasser-Kapitel widmet sich der Autor ausgiebiger dem Werk "Mönch am Meer" (1808/10, Alte Nationalgalerie Berlin), das recht radikal und als Vorläufer abstrakter Malerei wirkt, stellt allerdings das "Eismeer"  (1823/24, Hamburger Kunsthalle ) seinen Ausführungen voran.


Fast natürlich finde ich, dass dem Abschnitt "Luft" das hinreissende "Wanderer über dem Nebelmeer" ( 1818, Hamburger Kunsthalle ) vorangestellt ist. 

Illies weiß von den Inspirationen auf andere Kunstschaffende wie Walt Disney ("Bambi"), Samuel Beckett für "Warten auf Godot", Leni Riefenstahl, aber auch James Cameron ( "Titanic" ) zu berichten. Spannend fand ich auch die Zusammenhänge rund um das Werk "Der Watzmann" (1824/25, Alte Nationalgalerie Berlin ), die verdeutlichen, wie der Maler seine Bilder komponiert hat, ebenso die Geschichten rund um C.D. Friedrich - Liebhaber in Adel & Künstlerkreisen.

Dem letzten Kapitel, dem Element "Erde" gewidmet, ist das berühmte Gemälde "Kreidefelsen auf Rügen" (1818, Kunst Museum Winterthur) vorangestellt. 

Dem Autor gelingt es mit seiner besonderen Art der Darstellung den melancholisch veranlagten, introvertierten Künstler, dessen Leben sicher keine Vorlage für eine fesselnde Biografie abgegeben hätte, dem Leser nahe zu bringen, dabei viel Kulturgeschichte ebenso wie Trivialia bis in die heutige Zeit einflechtend, ohne sich dem im Milieu sonst üblichen Interpretationsgeschwafel hinzugeben. Ich fand das Buch geistreich und unterhaltsam und eine gute Ergänzung zu Ausstellungsbesuchen.






7 Kommentare:

  1. Liebe Astrid,

    die Caspar David Friedrich - Ausstellung in Hamburg muss sehr sehenswert gewesen sein. Gesehen habe ich sie nicht.

    Von Caspar David Friedrich war ich das erste Mal fasziniert, als ich in meinem Deutschbuch vor vielen Jahren ein Foto von dem Gemälde mit den Kreidefelsen gesehen habe. Ich wollte unbedingt an diesen Ort. Jahre später, nach dem Mauerfall, habe ich es dann gemacht. Das heißt, ich weiß nicht, ob ich genau an der Stelle war. Aber es hätte sein können.

    Danke für die Vorstellung dieses Bandes.
    Viele Grüße,
    Claudia

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Solche Impulse aus Schulbüchern kenne ich auch: Bei mir war es u.a. die Wartburg und die Uta im Naumburger Dom, die wir nach der Wende dann besucht haben.
      GLG

      Löschen
  2. Das Buch fand ich auch lesenswert und konnte so einiges besser verstehen, auch vom Werk Caspar David Friedrichs. Er war wirklich verinnerlicht und hat ja auch fast alles innen im abgedunkelten Raum gemalt. Nach Skizzen und Erinnerung.
    Interessant, dass er nun soviel Erfolg damit hat. Leider habe ich noch nie ein Original gesehen. Ich für mich finde seine Malerei etwas aus der Zeit gefallen. Vielleicht auch schon damals aus seiner....
    Die Wartburg und Uta haben wir übrigens auch besucht, weil wir so imposante Bilder davon gesehen haben, als sie noch nicht besucht werden konnten.
    Es gibt derzeit in Düsseldorf eine Ausstellung von Hilma af Klint. Leider ist es mir zu weit weg. Würde mich sehr interessieren.

    Den Lyrik-Band finde ich sehr anziehend. Da muss ich mich noch etwas damit beschäftigen. Die Dichterin kenne ich nur über Deinen Blog.
    Das finde ich so schön, dass ich hier inspiriert werde. Danke!
    Liebe Grüße
    Sieglinde

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Zu Hilma af Klint geh ich in den nächsten Tagen. Mit ihr fremdle ich sehr viel mehr als mit C.D.Friedrich. Ich habe aber auch alle seine Bilder gesehen, die in deutschen Museen vorhanden sind und sie beeindruckten mit ihrer monumentalen Ausstrahlung. Ich hab mir jetzt noch mal ein Buch gekauft, aus dem Prestel-Verlag: Einfach toll.
      GLG

      Löschen
  3. "Zauber der Stille" liegt gerade ausgelesen auf meinem Nachttisch. Sehr schön und informativ. Besonders lustig fand ich die Beschreibung, warum Personen von CDF immer nur von hinten gemalt sind. Gut zu lesen. Wie alle Bücher des Autors.Als nächstes folgt "14 Tage" mit besonderem Bezug zur Coronapandemie. Herzlich, Sunni

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja, den Illies knöpfe ich mir auch weiter vor. Gut lesbar, auch wenn frau immer mal unterbrechen muss, du weißt schon.
      GLG

      Löschen
  4. Das Buch von CDF würde mich auch sehr reizen. Allein, weil wir schon am Königsstuhl gestanden haben und ja - natürlich haben sich die Kreidefelsen verändert - aber auch, dass wohl das Bild keine reale Darstellung war, sondern eine Zusammenfassung mehrere Kreidefelsen zu der Zeit. (und noch mehr Infos konnte man dort lesen, denn natürlich kennen viele Menschen, die auf Rügen zur berühmten Steilküste kommen, dieses Gemälde)
    CDF habe ich in der Jugend sehr gemocht, heute ist er mir manchmal etwas zu "lieblich". Aber er hat das Wesen der Natur im Bild immer so gut getroffen. Mehr dazu werde ich dann wohl in dem Buch erfahren :)
    Liebe Grüsse
    Nina

    AntwortenLöschen

Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass dieser und die personenbezogenen Daten, die mit ihm verbunden sind (z.B. User- oder Klarname, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.