Sonntag, 16. Juli 2023

Monatsspaziergang Juli

Für den Monatsspaziergang im Juli habe ich mir vorgenommen, mein eigenes Veedel und seine Plätze zu besuchen. Von denen gibt es acht Stück, die teilweise sehr wichtige soziale Funktionen übernommen haben. Zu meinem Glück liegen sie alle mit einer Ausnahme in meinem häuslichen Umfeld und konnten so leicht zu Fuß am vergangenen Mittwoch aufgesucht werden.


Fangen wir mit "meinem Plätzchen"an, welches in meinem Alltag ja eine große Rolle spielt, denn dort verbringe ich viele Nachmittage & manche Abende. 


Dabei war das gar kein Platz, als ich vor 46 Jahren nach Nippes gezogen bin, sondern eine Art Kreuzung dreier Straßen, darunter meine jetzige Wohnstraße. 

Im Rahmen der Verkehrsberuhigung in der zweiten Hälfte der 1980er wurde die diagonal querende Mauenheimer Straße unterbrochen und an der östlichen Platzseite entlang in die Schillstraße nördlicherseits überführt. Das ganze Stück wurde zur Spielstraße mit Tempo 15 erklärt. 

Meine Straße wiederum wurde westlich von der Platzfläche um die Ecke weitergeleitet bis zur Einmündung Schillstraße/ nordwestlicher Teil der Mauenheimer Straße. An der südlichen Platzseite gibt es gar keine Durchfahrt für Autos mehr, denn das ist ein sehr frequentierter Fußgängerweg in Richtung Hauptverkehrsstraße/U-Bahn ( bzw. entgegengesetzt zum Veedels- Krankenhaus ).



Schillplatz wurde "mein Plätzchen" schon lange im Volksmund genannt, bekam aber erst 2019 ganz offiziell im Stadtplan diesen Namen. Für viele ist das der schönste Platz von Nippes, denn dort kann man in drei Lokalen wie auf öffentlichen Bänken sich dem dolce vita hingeben. Er ist auch ein Dreh- & Angelpunkt  für die nachbarschaftliche Kommunikation und ebenfalls beliebt bei Kölnern aus den benachbarten Stadtteilen.

Der Schillplatz war schon 2014 und 2020 Schauplatz meines 12tel Blickes.

Die meinem 12tel Blick entgegengesetzte Perspektive


Nur ein paar Schritte entfernt von der nordöstlichen Ecke des Schillplatzes liegt der Platz meines diesjährigen 12tel Blicks, ein sehr viel strukturierterer Ort, wurde er doch zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom angesehenen Kölner Gartenbaudirektor Fritz Encke als Schmuckanlage mit Spielplatz geplant und angelegt. 

Der Platz wird an drei Seiten immer noch flankiert von den alten Häusern der Gründerzeit, die den 2. Weltkrieg glücklicherweise überstanden haben. 

Die Gartenanlage ist allerdings lange nicht mehr so vielfältig wie einst, der Spielplatz hingegen genügt neueren Ansprüchen. Was den Namen anbelangt hat der Erzberger Platz eine wechselvollere Geschichte. 

In den Hinterhöfen der westlichen Gebäudereihe befinden sich etliche Künstlerateliers, auch auf der östlichen Seite mit einem denkwürdigen Garten.



Vom Südende des Erzberger Platzes gelangt man über die Schillstraße an die Neußer Straße. 

Wenn man die überquert hat, geht es etwa hundert Meter leicht bergauf, bis man die nordwestliche Ecke des Leipziger Platzes erreicht. Auch der ist eine Schöpfung des legendären Fritz Encke, ebenfalls umgeben von großen Häusern, meist noch aus der Gründerzeit. Im Norden wird der Platz begrenzt von der Blücherstraße mit dem Nippeser Gymnasium, einem imposanten Gründerzeitbau mit einem Planetarium. 

In der Platzmitte befindet sich ein Spielplatz. 



Interessant fand ich, dass der Platz während der Naziherrschaft ein Treffpunkt von Jugendlichen gewesen ist, die sich den Ansprüchen der Hitlerjugend entzogen haben und 1943 zu langjährigen Haftstrafen wegen "Staatsgefährdung" verurteilt worden sind. Sie wurden den Edelweißpiraten zugerechnet. 

Um den Leipziger Platz lassen sich Möglichkeiten finden, eine Pause bei Speis & Trank einzulegen, einmal in einer Café Bar, zum anderen in einem italienischen Restaurant mit eigenwilligem Konzept an der südwestlichen Ecke des Platzes.

Von dort geht es wieder zurück zur Neußer Straße und die entlang in südlicher Richtung bis zur Baudristraße auf der rechten Straßenseite. Diese kurze Straße öffnet sich am westlichen Ende wie bei einem Ypsilon zu einem kleinen Platz mit einer großen Backsteinkirche von 1882 und großen Linden & Ahörnern als Begrenzung nach Westen. 



Davor ist eine leicht erhöhte steinerne Terrasse und um den Platz herum gibt es gut erhaltene Wohnhäuser aus der Gründerzeit mit kleineren anspruchsvolleren Läden... 

... und ein kleines, freakiges Café im Schatten, das ein sehr viel ruhigeres Ambiente bietet als etwa die ausgesprochen munteren am Schillplatz.



Linkerhand dieses Platzes muss frau dann an der Kaffeerösterei vorbei nur ca. hundert Meter weiter in südlicher Richtung gehen und stößt schon auf den Wilhelmplatz mit seinem täglichen Wochenmarkt. 



Diese Einrichtung besteht inzwischen seit 123 Jahren und hat sämtlichen anderen Überlegungen zum Trotz bis heute Bestand. Damit ist der Wilhelmplatz einmalig für Köln und Erwähnungen in Reiseführern wert. 



Auch dieser Platz war mal Objekt meines 12tel Blickes ( 2021 ). Und jedes Jahr an Weiberfastnacht zieht es mich dorthin und ich nehme fotografisch an der Eröffnung des Straßenkarnevals teil, der drei Stunden vor der offiziellen Ausrufung traditionellerweise in Nippes beginnt. 

Das kulinarische Angebot des Marktes hingegen nehme ich schon seit Jahr & Tag nicht mehr an, denn für einen Singlehaushalt wird alles nur in zu großen Mengen, eher für Großfamilien geeignet, verkauft. 



Rund um den Platz bzw. am "Tadsch Mahal von Nippes" gibt es einige Möglichkeiten, sich für eine Pause niederzulassen und diverse Nationalitätenküchen, vor allem die türkische, zu genießen.

Marktbeschicker


Vom Wilhelmplatz aus wende ich mich auf der Wilhelmstraße nach Westen, kreuze die Kempener Straße und komme auf die Merheimer Straße. In nördlicher Richtung führt linkerhand nach hundertfünfzig Metern eine kleine Straße auf den dreieckigen Wartburgplatz. 



Auch der ist eine Anlage aus der Anfangszeit des 20. Jahrhunderts, als die Köln-Nippeser Bau- und Spargenossenschaft - die erste gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Kölns, im katholischen Milieu verwurzelt - damit begonnen hatte, drumherum Zweifamilienhäuser für die Mitarbeiter des Eisenbahnausbesserungswerkes in engster räumlicher Nähe zu errichten.

Um den Platz stehen an zwei Seiten noch Häuser aus dieser Zeit, teilweise wenig ansprechend modernisiert. Im Südosten sind sie den Bombenangriffen zum Opfer gefallen und durch  vier- bis fünfstöckige Wohnbau - Riegel in nord-südlicher wie ost-westlicher Richtung ersetzt worden. Der Wartburgplatz ist ein ganz stiller Platz unter Lindenbäumen ohne gastronomisches Angebot.

Um zum letzten Platz zu kommen - den Merheimer Platz spar ich mir, der ist eh nur eine Bushaltestelle mit einem großen Parkplatz vor einem Getränkegroßmarkt -, mache ich mich auf gen Norden in Richtung Zuhause und noch ein paar hundert Meter weiter. 



Dort gibt es seit 2014 den Heinrich-Pachl-Platz, ein Boule-Platz unter großen, alten Kastanien mit einem Flutlichtmast in der Mitte, unweit des Altenberger Hofes, wo man sich dann auch erfrischen & verköstigen lassen kann. Der Namensgeber, der Kabarettist, Schauspieler, Filmemacher und Autor Pachl hat bis zu seinem Tod keine hundert Meter entfernt von diesem Platz gelebt. Der wird täglich rege bespielt, und ich schaue dort gerne vorbei.



Danke, dass ihr bis hierhin durchgehalten habt! Das Spaziergangsprojekt in diesem Sommermonat ist doch umfangreicher geworden, als ich gedacht habe. Dennoch verlinke ich ihn wieder mit Kristina Schapers Blog.




14 Kommentare:

  1. Hallo
    Gerade hab ich mir ihren "Monatsspaziergang" angesehen.
    Das freakige Cafe im Schatten,hat mich sehr angesprochen!!
    Dürfte ich den Namen erfahren!?
    MfG E.Lamm

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  2. So interessante und unterschiedliche Plätze! Du hast ihre Eigenheiten sehr anschaulich beschrieben, fast ist man mitgelaufen... Einige "kannte" ich ja schon aus sonstigen Posts und einige waren völlig neu. Schön, dass Du in Laufnähe solche verschiedenen Plätze hast. Ich muss direkt mal überlegen, was bei mir in der Hood ist. Solche schöne fallen mir keine ein...
    Einen feinen Sonntag - vielleicht auf Deinem Plätzchen beim Eiskaffee? - wünscht Dir herzlichst
    Sieglinde

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  3. Ich mag diese schönen Figuren bzw Kopfe über den Giebeln auch immer sehr. Eine ganz besondere Atmosphäre weht da doch durch dieses Veedel, kein Wunder, dass es über Köln hinaus bekannt ist (nicht nur WG dem Karneval)
    Danke für s Mitnehmen und ganz liebe Grüße
    Nina

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    1. Das Besondere an Nippes ist das Miteinander, die Mitmenschen. Diese Woche hat mir der neue, junge Kellner in meinem Stammlokal ein paar Blumen geschenkt, einfach so. Und ich wurde von einer Passantin auf mein Kleid hin angesprochen, einfach so. Es ergab sich ein interessanter Plausch. Es gibt oft Gelegenheit zu einem Lächeln.
      Sonntagsgrüße!
      Astrid

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  4. Das ist aber schön, mit dir durch Nippes zu spazieren. Ich kenne dein Viertel gar nicht wirklich, nur so vom Durchlaufen zu irgendwelchen Terminen und Treffen. Du hast es schön, dort mitten in der Stadt, so vielfältig und lebendig.
    Liebe Grüße übern Rhein
    Michaela

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  5. Ich kenne von Nippes nur die große Neusser Straße, dass muss sich ändern liebe Astrid.
    Da gibt es ja ganz liebenswerte Ecken. Schön Dein Spaziergang.
    Den Wochenmarkt finde ich besonders klasse, sowas gibt es hier gar nicht.
    Dir einen schönen Abend, vielleicht auf der Terrasse, lieben Gruß
    Nicole

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  6. Das war ein wunderbarer und so informativer Spaziergang durch dein charmantes Veedel, liebe Astrid... danke dir für's Mitnehmen.
    Lieben Gruß von Marita

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  7. Guten Morgen liebe Astrid,
    wenn ich mal in Deiner großen Stadt bin, dann empfinde ich diese nach einer Zeit immer als zu riesig und laut.
    Erst im letzten Jahr haben der GG und ich mich in die vielen Seitenstraßen der Stadt verirrt und wir waren baff wie toll diese waren. Weniger laut, weniger Menschen und wunderbare Cafe`s und Geschäfte.
    Es war bestimmt nicht das letzte mal, dass wir uns verirren....grins.
    Danke für das Mitnehmen auf einen Spaziergang durch durch Dein Veddel.

    Liebe Grüße in den Montag

    Monika

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  8. da warst du ja ordentlich unterwegs ;)
    ein sehr schöner Spaziergang und man meint gar nicht
    in einer Großstadt zu sein
    da läßt es sich auch gut wohnen
    liebe Grüße
    Rosi

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  9. Ich habe Dich gern begleitet und Deine schönen Fotos geschaut und Deine Erklärungen gelesen. Mir gefällt Dein Spaziergang immer sehr gut. Als wäre man wirklich dabei. 😁
    Liebe Grüße Tina

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  10. Liebe Astrid, gern habe ich dich durch dein Veedel begleitet. An Köln habe ich noch nette Erinnerungen von einem mehrtägigen Ausflug mit lieben Freunden, sehr schön war das damals. Wir hatten die Falträder dabei, was den Radius doch gut erweiterte. In Nippes waren wir trotzdem nicht, es gab so viel anderes zu sehen. Offensichtlich haben wir ein recht nettes Viertel verpasst.
    LG heike

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  11. Oh ja, Nippes kenne ich zumindestens ein wenig, weil meine Schwester mal Neusser Str. gewohnt hat. Total nettes Viertel! Danke für den ausführlichen Spaziergang! Viele Grüße vom Strand sendet Kristina

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  12. Oh, liebe Astrid, da hast du mir aber echt Lust gemacht, deinen Kiez, ach ne der Kölner sagt ja Veedel, also das kennenzulernen. So schön hast du es mit deinen Fotos dokumentiert.
    ♥️ liche Grüße, Monika (aka Lilamalerie)

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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