Samstag, 24. Juni 2023

Meine 25. Kalenderwoche 2023

 "... daß wir, wenn wir um das trauern, 
was wir verloren haben, 
auch um uns selbst trauern. 
Um uns, wie wir waren.
Um uns, wie wir nicht länger sind.
Um uns, wie wir eines Tages  
gar nicht mehr sein werden."
Joan Didion: "Das Jahr des magischen Denkens" 


Am vergangenen Samstag bin ich mittags trotz des komplett gesperrten Hauptbahnhofes in Köln ( fragt mich nicht, um welchen Preis ) nach Bonn gereist. Der Plan war, mich zunächst mit meiner Tochter, aus München kommend, zum Mittagessen im Hotel zu treffen, in dem wir zusammen übernachten wollten.




Die Bahn hatte mit ihr ( und mir indirekt dann auch ) anderes vor. Der Zug kam mit zweistündiger Verspätung an, und das Hotelrestaurant hatte zu diesem Zeitpunkt schon seinen Betrieb eingestellt. Ich musste mir also die Zeit vertreiben.




Immerhin konnte sich die Tochter im Hotelpool abkühlen, bevor wir uns zum eigentlichen Anlass unseres Besuches aufmachten: Unsere Wahlverwandten blicken auf fünfundzwanzig Jahre gemeinsamen Lebens zurück. Und das haben sie mit ganz vielen Leuten gefeiert, an einem ganz besonderen Ort.

Zunächst gab es viele kleine Köstlichkeiten auf die Hand und anschließend eine herrlich bunte, lustige Travestieshow mit durchaus nachdenklichen Momenten, weht der LGBTIQ-Gemeinschaft doch mittlerweile ein scharfer Wind entgegen. Das ist ja eines der Felder erreichter Liberalisierung der Bundesrepublik seit den sechziger bzw. siebziger Jahren, welches das konservativ- rechte politische Spektrum gerne wieder zurücknehmen würde, um die Bundesrepublik in jene Zeiten, welche man nach Adenauer überwunden glaubte, zurückzukatapultieren. 

Kaum etwas überfordert wohl die neuen konservativen Kulturkritiker mehr als die multiplen Möglichkeiten von Lebens- und Selbstentwürfen, bis hin zur Infragestellung von Geschlechterrollen und -normen, ja der Eindeutigkeit von Geschlecht an sich. Wir haben da ganz andere Erfahrungen gemacht:


Das, was Knut Vanmarcke & Dirk Vossberg-Vanmarcke auf die Bühne brachten war ein großes Plädoyer für die menschliche Vielfalt und für Toleranz, so, wie wir es gerade auch in unserer Familie schätzen und leben und dadurch über die Jahrzehnte eine ungeheure Bereicherung erfahren haben, ja unendlich viel Liebe, Mitmenschlichkeit im besten christlichen Sinne, Fürsorge & Unterstützung, besonders & gerade in den schwersten Stunden unseres Lebens.

Bestürzt hat mich dann am Sonntag zu lesen, was der Berater des russischen Präsidenten, Sergei A. Karaganov, dazu von sich gibt und wissenschaftlich zu begründen (!) versucht: Weil wir so verkommen durch unsere "... menschenfeindlichen Ideologien, die die Familie, die Heimat, die Liebe zwischen Mann und Frau, den Glauben ablehnen", müssen wir in den Städten Europas atomar vernichtet werden. "Wokeness" als Wurzel allen Übels der heutigen Zivilisation teilt mit ihm ja auch das bereits weiter oben erwähnte politische Spektrum hierzulande. 

Unsere Vielfalt & Lebensanschauungen wird von Karaganov also als Argument für die Legitimität von Atomschlägen gegen den Westen genutzt, und zwar so:
"Die Entwicklung von Atomwaffen war das Ergebnis einer göttlichen Intervention. Gott übergab der Menschheit eine Waffe des Armageddon, um diejenigen, die die Angst vor der Hölle verloren hatten, an deren Existenz zu erinnern."

Mir macht dieser russische Anspruch Angst, dieses zur Schau getragene Auserwähltsein, dieses Gefühl der Überlegenheit, wie wir es ja vor neunzig Jahren im eigenen Land auch an den Tag gelegt haben ( "am deutschen Wesen soll die Welt genesen" ). Tut mir leid, mit solchen Menschen kann man meines Erachtens keine Friedensverhandlungen führen. Die afrikanische Friedensmission in Moskau hat das ja wohl auch zu spüren bekommen... 

Zehn Monate waren es am Sonntag her, dass mein Mann gestorben ist. Das obige Zitat gibt meinen derzeitigen Gemütszustand gut wieder.

Da ich sonntags erst am frühen Nachmittag heimgekehrt bin und nicht mehr raus wollte - drückende 30 Grad  -, habe ich mich montags in der Früh zum Friedhof aufgemacht. Diesmal hab ich einen Kranz aus meinen Beständen und ein Töpfchen Margeriten aufs Grab gelegt, denn im Moment geht jeglicher Blumenschmuck schnell zugrunde. Die Kerzen kann man auch vergessen, die verflüssigen sich und der Docht versinkt.  

Aber Extra-Blumenschmuck ist irgendwie auch nicht nötig, denn im Bestattungsgarten wächst & blüht es ganz wunderbar.








Ich habe länger auf der Bank im Pavillon gesessen, hab erfrischende Spritzer von der Beregnungsanlage abbekommen, den Vögeln gelauscht und den Gedanken nachgehangen.




Aber auch auf unserer Hauptverkehrsstraße konnte ich es aushalten. Dort blühen unterdessen schon die Stockrosen.

Am Mittwoch dann stand die Sonne um 16:57 Uhr am höchsten über der Äquatorebene der Erde: Sommersonnenwende auf der Nordhalbkugel! 


Die habe ich dann alleine auf meiner Terrasse verbracht, den spielenden Kindern im Nachbarhof gelauscht, den Zickzackflug der Fledermäuse verfolgt und wieder meinen Gedanken nachgehangen.


Am Donnerstag sind nach ekelhafter Schwüle mindestens fünf Regenschauer, manchmal begleitet von etwas Donnergrummeln, über die Stadt gezogen. Die Frau, die immer alles besser weiß, hat ja Köln als Unwetterschwerpunkt prognostiziert. Davon konnte keine Rede sein. 19 Liter verzeichnete der Regenmesser im Garten.

Freitagnachmittags habe ich mich dann auf dem Plätzchen mit Karin/fadenspielundfingerwerg getroffen. Das war richtig, richtig schön, so lange so vertraut miteinander zu "quatschen".


Ich kann's nicht lassen ( schließlich kommt auch der Dom meiner Heimatstadt in der Ankündigung vor ), aber die Irren & Bekloppten um uns herum hören auch nicht auf mit der Angstmacherei - die letzte Drohung habe ich doch erst vor drei Wochen hier gepostet :


Wenn die Menschheit, besonders in den hochzivilisierten, reichen Regionen dieser Erde, doch endlich die Katastrophe ernst nehmen würde, die tatsächlich auf uns zukommen wird! Frau könnte verzweifeln ob der Blödheit...

             




Verlinkt mit Andrea Karminrots Samstagsplausch, mit der Gartenwonne und Niwibos DraußenGlück.
 

10 Kommentare:

  1. Das war ja irgendwie eine sehr gemischte Woche, so schön mit den Treffen/Feiern, aber eben auch immer wieder traurig.
    Hier hat es etwas mehr geregnet, etwa das doppelte, aber heute wird es schon wieder so warm und drückend.
    Hab trotzdem ein schönes Wochenende und liebe Grüsse
    Nina

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  2. Ich lese immer nur von Verspätungen der Bahn. Das ist in vielen Fällen sehr ärgerlich. Du hast das Beste draus gemacht. Die Familienfeier klingt so schön, auch wenn in dieser Woche und drumrum viel nachdenkliches, trauriges und ärgerliches dazu kommt. Das Wetter hast Du wohl sehr gut gemeistert.
    Ich hatte hier im Alltag und bei der Arbeit richtig damit zu kämpfen. Die letzte kühle Nacht war eine Wohltat.😁
    Ein wunderschönes Wochenende wünsche ich Dir, herzliche Grüße Tina

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  3. Das Zwischenmenschliche bleibt leider immer mehr auf der Strecke. Wie gut dass du immer Oasen findest um deinen Gedanken nach zu hängen.
    L G Pia

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  4. Ach Astrid, es gibt jeden Tag mehr Bekloppte. Im Netz, in der Politik, in der Gesellschaft. Lass sie reden und mach Dich nicht verrückt.
    Die Familienfeier war bestimmt ein Erlebnis. Das hört sich prima an.
    Und nun wünsche ich Dir einen schönen Abend, lieben Gruß
    Nicole

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    1. 😊 Verrückt mach ich mich nicht. ich muss einfach immer öfter den Kopf schütteln und nen Eiskaffee trinken.
      GLG

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  5. Es waren schöne Stunden in Köln und ganz besonders die mit dir! 🤗
    Der Gegenwind, der immer noch bzw. wieder Menschen trifft, die sich nicht in das zweigleisige Muster pressen lassen, macht auch mir Sorgen. Vor was haben diese Ewig-Gestrigen eigentlich Angst, dass sie das Rad unbedingt zurückdrehen wollen? Bei der Argumentation Karaganovs frage ich mich, ob er nicht etwas besseres tun könnte, als so etwas zu verfassen, unglaublich!
    Zum Netzfund - noch so ein Mensch, der sich besser von einer Tastatur und den sozialen Medien fernhalten sollte. Damit wäre der Menschheit mehr gedient.
    Viele liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
    ❤️lichts,
    Karin

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  6. Und es hat wieder nicht geklappt mit all den schauerlichen Dumm-Vorhersagen! Ich kann mich damit gar nicht mehr befassen, da reicht meine Kraft nicht mehr..:-)) Wie schön, dass ihr 2 doch mit euren lieben Wahlverandten so ein tolles Fest haben konntet! Stockrosen blühen schön...unglaublich! Herzlich und eine gute Woche wünshend, Sunni

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  7. wie schön, dass du dich mit karin getroffen hast! es ist schon toll, dass man zu menschen, die man nur online kennt, oftmals schon beim ersten treffen ein sehr vertrautes, freundschaftliches verhältnis hat.
    deine familienfeier war bestimmt sehr, sehr schön und das plädoyer für menschlichkeit und toleranz brauchen wir zur zeit so dringend.
    hier hat es übrigens donnerstagnacht heftigste unwetter gegeben, aber erfreulicherweise ohne riesige schäden. der viele regen, der am freitag hier noch durchzog hat der natur sehr, sehr gut getan.
    dir noch einen schönen sonntag und ganz liebe grüße
    mano

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  8. Nun lese ich rückwärts alle Deinen schönen Posts, die ich im Urlaub verpasst habe. Im Moment habe ich auch nicht soviel Zeit, also mache ich es nach und nach...
    Aber ein wenig informiert bin ich ja dann doch zwischendurch gewesen.
    Das Zitat zu Beginn trifft es wohl ganz besonders, wie stark man sich selbst mitverändert, wenn man um den verlorenen Partner trauert. Ich kann es so gut nachfühlen.
    Wie gut, dass es doch noch einen anderen Kosmos gab bei Dir, bunt wie ein Regenbogen. Tolles Fest!
    Und ein Treffen mit Bloggerfreundin, immer besonders schön sowas!
    Herzlichst, Sieglinde

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  9. Liebe Astrid,
    wie ist es doch schön, so ein Fest mit Freunden und Familie in so einer wunderbaren Location und Atmosphäre feiern zu dürfen. Du hast es bestimmt sehr genossen. Und wie schön, dass du dich mit Karin getroffen hast. Ja, ich denke auch, dass man sich mit lieben Bloggerinnen wie mit guten vertrauten Freundinnen unterhalten kann :-).
    Wunderbare Bilder hast du von eurem Bestattungsgarten mitgebracht. Der Lavendel blüht gerade auch in meinem Garten. Ich verstehe, dass du über so Vieles zu trauern hast... Fühl dich gedrückt!!!
    Ganz liebe Grüße
    Ingrid

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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