Freitag, 13. November 2020

Allerlei Gehörtes & Gelesenes zur Meinungs- & Religionsfreiheit

Am Donnerstag habe ich im Radio ein Gespräch mit Mouhanad Khorchide, Münsteraner Islamwissenschaftler, gehört, und seiner Kritik am politischen Islam schließe ich mich ja schon länger an. So kritisiert er die Erscheinungsform seiner Religion, die auf Unterwerfung und Unfreiheit setzt und ihren wahren Kern - Barmherzigkeit, Freiheit und Frieden - verleugnet. Er fordert eine neue Interpretation der historischen Quellen, denn der Islam ist immer wieder durch die Jahrhunderte von politischen Machthabern  instrumentalisiert und mit allerlei martialischen Symbolen versehen worden - gerade jüngst hat Herrn E. bei der Rückführung der Hagia Sophia in eine Moschee das uralte Schema der machtpolitischen Instrumentalisierung wieder aufgegriffen. 

In muslimischen Gemeinschaften hat Gewalt einen viel zu häufig akzeptierten, als gesellschaftliche Normalität hingenommenen Platz, in der Kindererziehung, im Verhältnis von Mann und Frau oder als Muster kollektiver, politischer oder identitärer Auseinandersetzungen. Es gibt also unter Muslimen eine unkritische Haltung zur Gewalt und eine Militanz des Denkens und Glaubens, die nicht mehr hinterfragt wird und nicht als Widerspruch zum Islam wahrgenommen wird. Dass man nicht widerspricht, fördert auch das Gefühl von Identität & Zugehörigkeit. 

Korchide, der angehende Lehrkräfte ausbildet, die bekenntnisorientierten Religionsunterricht geben sollen, fordert von den muslimischen Verbänden klare Distanz zur Gewalt, erwartet im Gegenzug von der Mehrheitsgesellschaft einen differenzierten Blick auf die große Mehrheit der Musliminnen und Muslime, die sich durch die Gleichsetzung von Islam und Islamismus diskreditiert sieht. Dieses Misstrauen zwischen den Menschen wird vom politischen Islam durch die Anschläge geschürt, um die gesellschaftliche Spaltung in den europäischen Ländern herbeizuführen. Korchide setzt auf eine Bewegung liberaler Muslime von unten.

Aufklärend ins puncto islamistische Strömungen mit friedlicherem Gesicht, aber rassistischem Grundtenor ist auch dieser Beitrag von Reyhan Şahin. 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Inhaftierung der Mitarbeiter der türkischen Zeitung "Cumhuriyet" für nicht rechtmäßig erklärt. Nach Auffassung des Gerichtshofs seien die Journalisten und Mitarbeiter der regierungskritischen türkischen Zeitung lediglich auf Grundlage von Spekulationen festgenommen worden. Die dem Gericht vorliegenden Fakten hätten keinen begründeten Verdacht zugelassen, heißt es in dem am vergangenen Dienstag veröffentlichten Urteil. 

In einem international verfolgten Prozess im April 2018 in der Türkei waren insgesamt 13 Ex-Mitarbeiter der "Cumhuriyet" wegen Terrorvorwürfen zu Strafen zwischen zweieinhalb und zehn Jahren Haft verurteilt worden. Als Beweise wurden vor allem Artikel aus der Zeitung herangezogen. Im September 2019 hatte das hohe Berufungsgericht Strafen gegen die Journalisten aufgehoben und die Freilassung der meisten Betroffenen angeordnet, die zu dem Zeitpunkt im Gefängnis saßen. Doch ein untergeordnetes Gericht hat sich mehr als zwei Monate später dem Urteil des Berufungsgerichts entgegengestellt und an den Haftstrafen für zwölf ehemalige Mitarbeiter festgehalten. Die Türkei soll den acht vor dem Europäischen Gerichsthof Klagenden in diesem Fall je 16.000 Euro zahlen. 

Am Montag hat "Human Rights Watch" die G20-Staaten aufgefordert, von Saudi-Arabien zu verlangen, dass jeder unrechtmäßig verhaftete Gefangene freigelassen wird. Vor dem virtuellen G20-Gipfel am 21. November soll dem saudischen Regime Rechenschaft darüber abverlangt werden. Die NG - Organisation startete am Dienstag die Kampagne #G20SaudiArabia. Bereits im Juli und August waren entsprechende Schreiben an die Regierungen der G20-Staaten verschickt worden.

Saudi-Arabien ist für das Jahr 2020 die G20-Präsidentschaft übertragen worden, obwohl das Land weiter fundamentale Freiheiten verletzt. Dissidenten und Menschenrechtler sitzen in Haft oder werden eingeschüchtert, Zivilisten im Jemen angegriffen und internationale Aufrufe, die Verantwortlichen für die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi zur Rechenschaft zu ziehen, missachtet.

Die bedingungslose Freilassung aller saudischen Menschenrechtsaktivisten, denen unklare Verstöße aufgrund ihres Aktivismus vorgeworfen worden inklusive Kontakten zu internationalen Menschenrechtsorganisationen, zum Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und zu internationalen Medien, soll darüberhinaus postuliert werden. Zu diesen Aktivisten gehören die prominenten Frauenrechtlerinnen, die 2018 inhaftiert wurden – Loujain al-Hathloul, Nassema al-Sadah, Samer Badawi und Nouf Abdulaziz – sowie Salah Haidar, Waleed Abu al-Khair, Essam Koshak und Raif Badawi.

Raif Badawi ist übrigens seit  3094 Tagen im Gefängnis. Neuigkeiten gibt es keine. 



2 Kommentare:

  1. Keine Neuigkeiten von Raif Badawi. Das ist kein Grund zum Freuen. Auch wenn es wenigstens keine schlechten Neuigkeiten gibt.

    Dafür machst Du wieder auf einiges aufmerksam.
    Mouhanad Khorchide ist ein wichtiger Mahner für beide Seiten. Ich bin froh, dass es solche, klugen Informationen und Menschen gibt, die hinter die Fassaden blicken. Es wäre viel mehr möglich, wenn sie mehr gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit bekämen und ihr Wissen mehr einbezogen würde in die Diskussionen und Entscheidungen.
    Gut, dass Du hier darauf hinweist.
    Herzlichst, Sieglinde

    AntwortenLöschen

Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst! Ich setze allerdings voraus, dass am Ende eines anonymen - also von jemandem ohne Google- Account geposteten - Kommentars ein Name steht. Gehässige, beleidigende, verleumderische bzw. vom Thema abweichende Kommentare werde ich nicht veröffentlichen.

Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass dieser und die personenbezogenen Daten, die mit ihm verbunden sind (z.B. User- oder Klarname, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.