Donnerstag, 7. September 2017

Great Women # 113: Caroline Schlegel - Schelling


Auf meiner ersten Reise nach der Wende ins Deutschland der Dichter & Denker stand nicht nur Eisenach mit der Wartburg und Weimar mit all seinen ansprechenden, wunderbaren Zeugnissen einer sagenhaften Zeit ( zumindest spielte sie diese Rolle in meiner Bildung ) auf der Liste, auch Jena gehörte zum Programm. Und dort war u.a. das Romantikerhaus ein Ziel, seit den 1980er Jahren als eine Art Museum zugänglich. Ich hatte vorher einiges gelesen über die Frauen, die dort um 1785/1800 gelebt hatten. Der Beitrag in einem Buch von Ulrike Müller, dass mir Sieglinde/Da sempre als kurzweilige Lektüre für meinen Reha - Aufenthalt geschickt hatte, erinnerte mich daran, wie mich der bewegte, abenteuerliche Lebenslauf einer dieser Frauen einst derart beschäftigt hatte, und ließ so in mir die Idee reifen, im Rahmen meiner Reihe über sie zu schreiben: Caroline Schlegel - Schelling. Heute ist ihr 208. Todestag.

Geboren wird die Frau mit den vielen Nachnamen ( verwitwete Böhmer, geschiedene Schlegel, verheiratete Schelling ) am 2. September 1763 als Carolina Dorothea Albertina Michaelis in Göttingen. 

Geburtshaus in Göttingen
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Ihr Vater Johann David Michaelis ist ein weit über Göttingen hinaus hoch angesehener Professor für Orientalistik und Bibelexegese. Über ihre Mutter hingegen - Luise Philippine Antoinette Schröder - ist wenig bekannt. Sie gilt als ehrpusselig und muss hinnehmen, dass von ihren neun Kindern nur vier das Erwachsenenalter erreichen.

Caroline wächst freier und umfassender intellektuell gebildet auf, als es sonst für Mädchen jener Zeit üblich ist. Die Ideen der Aufklärung beeinflussen ihren Vater, und so lässt er sie an Wissen und dem Gedankengut der Zeit teilhaben. Sie begegnet im Elternhaus vielen Berühmtheiten jener Tage wie Lessing, Lichtenberg und Goethe und schon als Kind liest sie Klassiker wie Milton, Hume und Shakespeare ( auch Goethe steht natürlich auf ihrer Lektüreliste ), lernt Englisch, Französisch, Italienisch und besucht regelmäßig das Theater. 

Das junge Mädchen besitzt einen hellwachen Verstand und ist stolz auf ihr selbstbewusstes Verhalten: "Ich schmeichle niemals. Ich sage, was ich denke und fühle." Und schon als Fünfzehnjährige - da besucht sie seit zwei Jahren in Gotha eine Art Mädchenpensionat - äußert sie sich ablehnend gegenüber dem damaligen Kult der Empfindsamkeit und orientiert sich an den Werten der Aufklärung: Selbständigkeit, Vernunft, Reflexion. Sie schreibt, sie sei "nicht romantisch" ( und will damit sagen, dass sie sich keine leidenschaftliche Liebesbeziehung wünscht ). Doch in den Briefen an eine Freundin jener Tage spielen durchaus Herzensangelegenheiten, erste Verliebtheiten, aber auch Fragen nach dem eigenen Lebensentwurf und Reflektionen übers Frausein eine Rolle. Ihr ist wohl klar: "Man schäzt ein Frauenzimmer nur nach dem, was sie als Frauenzimmer ist." Und ein sanfter, anschmiegsamer, sich den Konventionen beugender Charakter ist für Caroline nicht wirklich erstrebenswert. Die Achtzehnjährige meint, sie wolle "weit lieber gar nicht heyrathen, und auf andre Art der Welt zu nuzen suchen."

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Doch sein "eigener Herr" zu sein ist für eine Frau des 18. Jahrhunderts nicht vorgesehen. Und so geht die 21jährige Caroline eine von der Familie arrangierte Ehe mit dem zehn Jahre älteren Mediziner Johann Franz Wilhelm Böhmer ein und zieht mit ihm von Göttingen ins nahe Clausthal, einer Kleinstadt im Harz, in der sie sich abgrundtief langweilt.  

Als sie merkt, dass sie in der kleinstädtischen Enge und dem Alltag einer Vernunftehe auf ihrem angestrebten Weg der Selbstverwirklichung nicht weiterkommen wird, hält sie Innenschau & entscheidet, dass sie nur zufrieden sein kann, solange sie sich selbst als Herrin ihrer Lage erlebt. Und um dem zu entkommen, entwirft sie sich einem genauen Tagesplan, liest, was sie in die Finger bekommt und beobachtet & reflektiert ihre "innre(n) Geschichte". Bevor sie sich allerdings selbst die Frage stellen kann, ob & wie sie ihr Leben ändern will, hat sie ihre beiden Töchter geboren - Auguste ( Gustel ) im April 1785, Therese ( Röschen ) im April 1787 und - sie ist gerade mit dem dritten Kind schwanger - ihren Ehemann, am 4. Februar 1788 an einer Wundinfektion erkrankt, verloren...

Die 24jährige kehrt erst einmal ins Göttinger Elternhaus zurück, wo ihr drittes Kind, Wilhelm, im August 1788 zur Welt kommt, aber nur wenige Wochen überlebt. Eine zweite eheliche Verbindung, die Freunde ihr zu vermitteln versuchen, schlägt sie aus: Damit hat sie ihre erste freie Wahl getroffen.

Büste der Auguste Böhmer
von Friedrich Tieck (1804)
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Sie spürt aber bald, dass sie im Elternhaus nicht selbstbestimmt leben kann. Als ihr Halbbruder Christian Friedrich (Fritz), Professor der Medizin in Marburg, sie einlädt, zu ihm zu ziehen, nimmt sie das Angebot an in der Hoffnung, "Einsamkeit, Freyheit und Ruhe" zu finden. Gemeint ist damit ein Freiraum, wo sie ohne Vorschriften und Ratschläge der Familie über ihre Lage und ihre Zukunftsperspektiven nachdenken kann. Doch der Aufenthalt wird überschattet durch den Tod der knapp dreijährigen Therese. Und der Erwartung der Familie, sie möge eine Versorgungsehe eingehen, kann sie sich auf Dauer auch in Marburg nicht entziehen. 

So kehrt sie 1789 erneut nach Göttingen zurück und pflegt von dort aus ausgedehnte Korrespondenzen mit drei Männern, die sie seit ihrer Göttinger Jugendzeit kennt und schätzt, darunter der vier Jahre jüngere August Wilhelm Schlegel und Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer, ein Bibliothekar und Schriftsteller. Ihre Briefe zeigen, wie bewusst ihr ihre Lage ist und wie für sie zu ihrem persönlichen Glück Eigensinn und Eigenverantwortlichkeit gehören: "Göttern und Menschen zum Trotz will ich glücklich seyn - also keiner Bitterkeit Raum geben, die mich quält - ich will nur meine Gewalt in ihr fühlen."

1791 stirbt der Vater. Die Mutter verkauft das Elternhaus und zieht nach Braunschweig. Caroline schreibt an Meyer:
„[...] das ganze Lebensgewirr kreuzte sich in meinem Kopf - so oder so! 3 Tage wars mir ein Räthsel - es lößte sich zuletzt in die Frage auf: willst du gebunden seyn, und gemächlich leben, und in weltlichem Ansehn stehn bis ans Ende Deiner Tage - oder frey, müßtest Du es auch mit Sorgen erkaufen. - Die träge Natur lenkte sich dorthin - und die reinste innerste Flamme der Seele ergriff dieses - ich fühle was ich muß - weil ich fühle was ich kann - schelte mich niemand unvernünftig - [...] Wer sicher ist, die Folgen nie zu bejammern, darf thun was ihm gut dünkt.“
Im Frühjahr 1792 trifft sie die Entscheidung, mit Auguste nach Mainz umzuziehen. Dort hat sie einen alten Bekannten, Georg Forster, Forscher und Weltreisender, für den sie schon als junges Mädchen geschwärmt hat, der aber eine andere aus dem Kreis der Göttinger Professorentöchter zur Ehefrau genommen hat, ihre Freundin Therese Heyne - übrigens ein Fiasko für Forster: Als Caroline nach Mainz kommt, wohnt bei denen längst der Liebhaber der Ehefrau. Caroline kommt trotz der amourösen Turbulenzen mit der neuen Lebenssituation gut zurecht, auch wenn sie sich mit ihrer Witwenrente sehr einschränken muss, denn die Menschen, mit denen sie lebt, "gewähren meinem Kopf mehr Nahrung."

Belagerung von Mainz 1793
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In Mainz gerät sie in ein politisch aufregendes Klima: Forster sympathisiert mit der Französischen Revolution & hat nach dem Vorbild des Pariser Jakobinerclubs die "Gesellschaft der Freunde der Gleichheit und Freiheit" begründet. 1792 nimmt die französische Revolutionsarmee die Stadt kampflos ein. Es beginnt die kurze Ära der Mainzer Republik, der Georg Forster von nun an seine ganze Kraft widmet. Caroline ersetzt ihm die Hausfrau, denn seine Ehefrau hat sich auf und davon gemacht, nicht ohne Gerüchte zu streuen, Caroline sei an der ehelichen Zerrüttung schuld.

Im März 1793 spitzt sich die politische Lage zu, denn man beginnt die Stadt von den Franzosen zurückzuerobern. Forster wird mit Reichsacht belegt, geht aber als Abgeordneter nach Paris. So ist es die arme Caroline, die dafür büßen muss: Als sie endlich Mainz verlassen will, wird sie von preußischem Militär gefasst & als Geisel für Forster in die Festung Königstein geworfen. Gegen sie spricht außerdem, dass der Bruder ihres verstorbenen Mannes, Georg Wilhelm Böhmer, einer der radikalsten Vertreter der Mainzer Republik ist.

Carolines Lage, mit der achtjährigen Auguste eingekerkert zu sein, wird noch verzweifelter, als sie in der Haft einer erneuten Schwangerschaft gewahr wird ( Vater des Kindes ist Jean Baptiste Dubois-Crancé, ein 20-jähriger französischer Leutnant, den sie in Mainz kennengelernt hat ): Die Entdeckung dieses Sachverhaltes dürfte ihr nicht nur den Titel einer "Franzosenhure" einbringen, sie würde ihre Witwenrente verlieren & die Tochter würde ihr genommen...

Caroline sendet daraufhin verzweifelte Hilferufe an Familie & Freunde in Gotha & Göttingen. Dem Bruder Gottfried Philipp gelingt es schließlich mit einem Gesuch an den preußischen König, dass sie im Sommer 1793 aus der Haft entlassen wird. Auch August Wilhelm Schlegel kommt aus Amsterdam zu Hilfe ( im Gepäck das Gift, um das sie gebeten hatte für den Fall, dass sie nicht vor Entdeckung der Schwangerschaft wieder in Freiheit sei ).

Schlegel bringt Caroline nach Leipzig, wo sie in einem kleinen Ort in der Nähe Unterschlupf im Haus eines alten Arztes findet. Bevor er nach Amsterdam zurückkehrt, beauftragt er seinen jüngeren Bruder Friedrich, Student in Leipzig, sich um Caroline zu kümmern. Am 3. November 1793 bringt sie dort ihren Sohn auf die Welt. Der französische Vater zeigt sich bereit, für das Kind zu sorgen und sie zu heiraten, doch Caroline geht darauf nicht ein. Sie gibt das Kind - vorübergehend, wie sie glaubt - in Pflege. Der Junge wird allerdings nur anderthalb Jahre am Leben bleiben.

Die Schlegels, links August Wilhelm, rechts Friedrich
Ihre Lage ist prekär. Und doch ist die Dreißigjährige von einer inneren Freiheit, die den jungen Friedrich Schlegel nachhaltig beeindruckt. Sie wird ihm eine geschätzte Gesprächspartnerin. Gleichwohl ermahnt er den Bruder, Caroline endlich zu heiraten. Diese geht aber erst einmal zur Familie ihrer Freundin nach Gotha, muss dort aber die Erfahrung machen, dass man sie ( wie auch ihre Gastfamilie ) schneidet, weil sie als sittenlose Witwe wie auch als "Jacobinerweib" verunglimpft wird. Ihr wird sogar der Aufenthalt in ihrer Heimatstadt behördlich verboten. Schließlich findet sie 1795 Asyl in Braunschweig bei Mutter & verheirateter Schwester...

Inzwischen ist auch August Wilhelm Schlegel wieder im Lande, auf der Suche nach neuen Verdienstmöglichkeiten. Friedrich Schiller bietet sie ihm bei seinem Zeitschriftenprojekt "Allgemeine Literaturzeitung" in Jena an. Und am 1. Juli 1796 wird er mit Caroline in Braunschweig getraut: "Ich kann ohne Liebe leben, aber wer mir die Freundschaft nimmt, der nimmt mir alles, was mir das Leben lieb macht", schreibt sie. Offensichtlich ist: Für die junge Witwe ist die Grundlage ihrer Beziehung Freundschaft, Achtung und Dankbarkeit dafür, dass ihr Wunsch nach Sicherheit für sich und ihr Kind erfüllt ist. 

Romantikerhaus
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Eine Woche nach ihrer Heirat mit August Wilhelm Schlegel trifft Caroline in Jena ein. Damit beginnt "eine der aufregendsten Perioden der deutschen Literatur- und Geistesgeschichte (...), die Frühromantik". 

So viel Mühe, wie sie in den vergangenen Jahren aufwenden musste, um sich gesellschaftlich zu rehabilitieren, so wenig bedarf es nun, um sich in Jena als Instanz der literarischen Öffentlichkeit zu installieren. Die Stadt wird für einige Zeit Zentrum einer intellektuellen Avantgarde aufgrund ihrer fortschrittlichen Universität, wegen Schiller, der Nähe zu Weimar und zu Goethe und: Carolines Zirkel. In ihrem Haus finden Debatten statt über Grundsatzfragen der Philosophie, der Ästhetik und Literatur, nicht immer ohne Kontroversen oder kleinliche Feindseligkeiten. Berühmt ist die Reaktion der Gemeinschaft auf Schillers "Glocke". Zum Vortrag dieses Gedichtes schreibt Caroline am 21. Oktober 1799, "sind wir gestern Mittag fast von den Stühlen gefallen vor Lachen". Kein Wunder, dass ihr Schiller den Namen "Dame Luzifer" anhängt!

Zum Zerwürfnis Schillers mit August Wilhelm Schlegel kommt es allerdings wegen einer frechen Kritik des Bruders Friedrich am Dichterfürsten. Das Verhältnis der Romantiker zu Schiller ist ohnehin nicht widerspruchsfrei, denn sie setzen sich gerne kritisch von seinen Theorien ab. Für Caroline hingegen sind es seine Dichtungen, die ihr fragwürdig, da zu idealistisch & blutleer, erscheinen: "Schiller hat doch in Jahren zu Stande gebracht, was Göthe vielleicht (die Studien abgerechnet) in einem Nachmittag hätte geschrieben, und das will immer viel sagen." Dem Weimarer Dichterfürsten gilt ihre rückhaltlose Bewunderung. ( Und selbst Wikipedia hält bis heute in einem Abschnitt das Gerücht einer Liäson zwischen Caroline & Goethe und der Vaterschaft bei Auguste für erwähnenswert - bewiesen ist aber nichts. )

Caroline Schlegel,
gemalt von Friedrich Jan August Tischbein (1798)
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Ihrem Ehemann ist Caroline eine geniale Co-Autorin bei seinen Shakespeare-Übersetzungen, die echte Teamarbeit sind: Mal beharrt Schlegel auf seinen Verszeilen, mal setzt sich Caroline durch. Schließlich übernimmt sie die Schlussredaktion. "Wir sind fleißig und sehr glücklich. Seit Anfang des Jahrs komme ich wenig von Wilhelms Zimmer. Ich übersetze das zweite Stück Shakespear. Jamben, Prosa, mitunter Reime sogar." Dennoch findet ihr Name nirgends Erwähnung, auch nicht bei den Rezensionen, die sie für den renommierten Literaturkritiker anfertigt. 

1799 findet die "Wohngemeinschaft" im "Romantikerhaus" Ergänzung durch Zuzug Friedrichs mit seiner neuen Gefährtin Dorothea Veit geb. Mendelssohn und deren jüngstem Sohn. Man bringt ein gemeinsames Projekt voran, die Zeitschrift "Athenaeum", an der auch beide Frauen mitarbeiten. Diese gilt bis heute als das literarische Manifest der Frühromantik.

1798 war schon der Philosoph Friedrich Schelling dazu gestoßen ( mit gerade mal 23 Jahren erhält er eine Professur für Philosophie in Jena ). Zwölf Jahre jünger als Caroline, gewinnt er das Herz der Hausherrin. Die Entschiedenheit und Klarheit seiner Gedanken bezwingen Caroline. Und er ist schon beim ersten Treffen tief beeindruckt von ihrer Persönlichkeit. Wohl zum ersten Mal in ihrem Leben verliebt sie sich leidenschaftlich. Der Ehemann, schon längst mit außerehelichen Verhältnissen beschäftigt, reagiert nach außen hin eher großmütig. Doch Friedrich & Dorothea reagieren heftig und mit übler Nachrede.

Dorothea Veit und Friedrich Schelling
Fünf Jahre dauert Carolines Loslösung vom Ehemann, an der alle in Jena geknüpften Freundschaften zerbrechen. In der Zwischenzeit wird sie ernsthaft krank. Im Frühsommer 1800 macht sie deshalb eine Kur im fränkischen Bad Bocklet bei Bamberg. Dort erkrankt die Tochter Auguste an der Ruhr und stirbt 15jährig. Schlimmste Unterstellungen begleiten diesen für Caroline schweren Verlust. Sie und ihr Geliebter versteigen sich  selbst in die Vorstellung, dass Gott der Herr sie für ihre unschickliche Liebe bestraft habe. Und wieder muss sie sich eine Auszeit nehmen, um eine neue Lebensperspektive zu suchen. Doch dafür geht sie nach Braunschweig, nicht zurück nach Jena. Vom jungen Geliebten fordert sie erst einmal aber Verzicht:
"Ich bin die Deinige, ich liebe, ich achte Dich - ich habe keine Stunde gehabt, wo ich nicht an Dich geglaubt hätte, es sind Umstände gewesen, die deinen Glauben an mich trübten, es wird nun heller werden. Ich sehe Dich wieder..."
1801 kehrt Caroline nach Jena zurück. Doch ihr Ehemann folgt ihr nicht mehr ins einstige Zuhause, denn er ist schon längst in Berlin an die unglücklich verheiratete Schwester Ludwig Tiecks, Sophie, gebunden. Als 1803 das Scheitern der Ehe endgültig klar ist, und Caroline begreift, dass Schellings Depression lebensbedrohlich wird, erbittet und erhält sie Goethes Beistand. Der ändert ihr Scheidungsgesuch an den Landesherrn, dem Herzog von Sachsen-Weimar, eigenhändig ab und bringt es so zum Erfolg. 

Obelisk auf ihrem Grab in Maulbronn
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Schellings Vater vollzieht im Sommer 1803 die Trauung seines Sohnes mit Caroline - ihre "erste, einzige, echte Ehe". Fünf Jahre soll diese Ehe währen, die Carolines erster Liebesheirat folgt. Von ihrer Schwiegerfamilie wird sie vorbehaltlos akzeptiert & geliebt. Mit ihrem Mann geht sie nach Würzburg, wohin er einen Ruf an die Universität erhält, 1806 nach München. Aber es fällt auf, dass sie immer wieder an jene bewegten Jahre in Jena denkt.
Sie ist nicht untätig, schreibt Rezensionen und die unleserlichen Manuskripte ihres Mannes ins Reine - und doch scheint ihr Leben fragmentarisch, auch wenn es "in sich selbst vollendet" ist, als sie während einer Erholungsreise in die schwäbische Heimat Schellings am 7. September 1809 an der Ruhr stirbt wie ihre Tochter vor ihr. Zwei Tage später wird sie auf dem Mönchsfriedhof des Klosters Maulbronn begraben.

"Unter den großen Philosophen", wird später der Kollege Karl Jaspers sagen, "ist es nur Schelling, für den eine Frau durch ihre Persönlichkeit von entscheidender Bedeutung wurde […], durch ihr geistiges Wesen."

Von Caroline Schlegel- Schellings vielfältigen Ideen, Begabungen u. Talenten zeugen heute nur noch ihre Briefe, immerhin noch 600 Stück ( deren Originale aber nicht mehr existieren ), die man, so ihr Mann Friedrich Schlegel, als eine witzige wie erfahrungsgesättigte "Rhapsodie" romantischer Lebenskunst lesen kann. Vieles aus ihrer Hinterlassenschaft wurde absichtlich vernichtet, anderes verloren, kein Wunder, dass ihr Bild bis heute nicht immer ganz stimmig sein kann. Aber Frauen, die sich nicht den Konventionen beugen, polarisieren, vor allem, wenn sie ein solch riskantes Projekt einer selbstbestimmten weiblichen Existenz versuchen, wie es Caroline in ihrer Zeit gewagt hat...


13 Kommentare:

  1. Schön, dass du an sie erinnerst, man findet kaum Hinweise an sie, wenn man die Klosteranlage Maulbronn besucht. Sie war eine der aufgeklärtesten Frauen um 1800.

    Grüße Eva

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  2. Danke, liebe Astrid. Unlängst bin ich auf ihren Namen gestoßen, fing an ein paar Informationen im Netz zu finden und saß dann lange Zeit gebannt am PC. So spannend und interessant hat Du jetzt alles zusammengetragen. Eine faszinierende Frau!
    Liebe Grüße
    Andrea

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  3. Wenn ich mich daran erinnere, wie die Moral hier bei uns vor noch nicht allzu langer Zeit war, dann kann ich mir gut vorstellen, welchen Wirbel Caroline mit ihrem Lebensstil im 18. Jahrhundert verursacht hat.
    Liebe Grüße
    Edith

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  4. Ein großartiges Porträt, liebe Astrid. Immer wieder faszinierend, was du aus dem Recherchierten machst, es so schlüssig und spannend zusammenträgst. Ja, selbstbestimmt und mit Sinn leben zu können, was ist an diesem Wunsch eigentlich so absonderlich... Hat wieder Freude gemacht zu lesen. Lieben Gruß Ghislana

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  5. Ein tolles Porträt ist dir wieder gelungen, liebe Astrid! Ich kannte die Dame ja schon aus Jenenser Zeiten, aber so genau, wie du sie beschreibst, nicht. Was für ein Leben in der damligen Zeit, das selbst heute doch bestimmt einige Nachbarn grandios zum Tuscheln bringen würde! :-) Herzlich, Sunni

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  6. Eine von den ganz Großen hast Du Dir auserkoren. Man mag sich gar nicht vorstellen, wieviel Kraft das alles gekostet hat.
    LG
    Magdalena

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  7. In der Tag ein spannendes, beeindruckendes Leben, liebe Astrid! Was für eine Zeit! Damals Frau gewesen zu sein - überhaupt damals Mensch gewesen zu sein! - aber dennoch als Frau noch viel weniger in der Lage, sich nonchalant über manches hinwegzusetzen... Eingepfercht in Konventionen, Pflichten, Notwendigkeiten, schon in jungen Jahren so massiv vom Tod (Geschwister, Eltern, später die eigenen Kinder) umgeben... Und doch hat diese Frau geliebt, gelebt und offenbar sehr, sehr interessante Zeitgenossen sehr nah (wie nah auch immer) kennengelernt.
    Danke fürs Vorstellen, ich kannte diese Frau bisher nicht...
    Alles Liebe, Traude
    https://rostrose.blogspot.co.at/2017/09/island-kreuzfahrt-teil-2-es-geht-los.html

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  8. wieder so eine starke Persönlichkeit
    und eine interssante Biographie
    ich kannte ihren Namen noch nicht
    danke fürs Vorstellen

    liebe Grüße
    Rosi

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  9. Eine großartige Frau...traurig, dass sie alle ihre Kinder verloren hat. Zu dieser Zeit muss es sehr schlimm gewesen sein mit den Krankheiten.
    Ja, dem Goethe sagt man ja so einige Liebschaften nach....ich war zu DDR-Zeiten oft in Weimar und habe viel über die Dichter dieser Zeit erfahren, da meine Mutter dort Reiseleiterin war.
    LG Sigrun

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  10. was für eine verwirrend aufregende geschichte! heutzutage wäre sie wahrscheinlich universitätsprofessorin in philosophie und hätte fünfzehn bücher veröffentlicht! in bs kennt man sie anscheinend nicht - jedenfalls habe ich hier nichts von ihr mitbekommen.
    dass sie sich in clausthal als junge frau "abgrundtief gelangweilt" hat, ist allerdings kein wunder!
    liebe grüße
    mano

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  11. Liebe Astrid,
    wie gerne lese ich Deine Great Women Reihe!!! Meist leite ich Deinen Link umgehend an meine Freundin in der Schweiz weiter, die Biografien auch so liebt. Dadurch haben wir immer ein Thema bei unseren langen Telefonaten ;) .
    Über Caroline Schlegel wusste ich bisher kaum etwas. Dein Post über diese starke Persönlichkeit liest sich mehr als spannend! Wie immer super!
    Herzlichste Grüße von
    Regina

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  12. Ich bin immer wieder fasziniert, was für spannende Lebensgeschichten die unangepassten, rebellischen Frauen aufweisen, die du porträtierst. Und ich freue mich jedes Mal, wenn ich das Gefühl habe, dass sie irgendwann wirklich glücklich geworden sind.

    Liebe Grüße
    Sabrina

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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