Sonntag, 28. Juli 2024

Mein Freund, der Baum: Die Mispel

Im Mittelalter gehörten sie zum Alltag der Menschen, doch mittlerweile sind die kleinen harten Früchte, die erst im Spätherbst reifen, nahezu in Vergessenheit geraten. Doch sehr sympathisch & passend, dass ich ein besonders schönes Exemplar bzw. ein "Doppel" an der Kirche St. Maria im Kapitol in der Kölner Altstadt vor zwei Wochen entdeckt habe. Da war klar, dass ich diesen Kleinbaum hier vorstellen werde. 

 

Die Mispel Mespilus germanica ( engl. Medlar ), Echte Mispel oder Gemeine Mispel bzw. Steinapfel ist eine Pflanzenart in der Familie der Rosengewächse Rosaceae. Wikipedia kennt noch eine stattliche Reihe von lustigen Namen wie Mispelche, Asperl, Aschperln, Hespelein, Dürgen, Dörrlitzen, Dürrlitzen; Hundsärsch und in der Innerschweiz Näschpli.

Ihre Herkunft ist nicht klar, wahrscheinlich kommt sie aus Vorderasien, obwohl ihr lateinischer Name "germanica" etwas anderes suggeriert. Fossilfunde lassen darauf schließen, dass die Mispel bereits im Tertiär im Bereich des Kaukasus zu finden gewesen ist. Im Orient hat man die dann schon vor dreitausend Jahren kultiviert. Tausend Jahre später haben die Römer die Mispel nach West- und Mitteleuropa gebracht. Charakteristische Steinkerne wurden erstmals in römischen Ausgrabungen im Rheinland und in der Wetterau entdeckt. Der Name "Mespilius" ist lateinischen Ursprungs und wurde von Plinius d. Ä. verwendet.



Im Mittelalter bauten Mönche die Mispel in Klostergärten als geschätztes Obst an und kultivierten sie. Sie  befindet sich schon auf den Anweisungen Karls des Großen für die Gärten seiner Hofgüter. Auch im Bepflanzungsplan des Klostergartens von St. Gallen werden sie um 820 erwähnt.

Noch im 19. Jahrhundert stand das Obstgewächs in vielen Bauerngärten  - da passt dieser Baum doch gut an diese Stelle in Köln, neben einer Kirche, die auf römischen Fundamenten steht, in einem biedermeierlichen Garten auf einem alten Klosterterrain! 

Heute dagegen findet man die Mispel meist nur noch in Parks oder an Feldrainen. Angebaut wird sie inzwischen häufiger in den Balkan- und Donauländern sowie Italien und Holland. In größerem Umfang findet man sie auch um den Vierwaldstättersee in der Innerschweiz.

Die Mispel ist verwandt mit den Zwergmispeln Cotoneaster, den Felsenbirnen Amelanchier, den Quitten Cydonia und den Weißdornen Crataegus. Nicht verwechselt werden sollte sie mit der ähnlichen, aber frostempfindlichen Japanischen Wollmispel Eriobotrya japonica, deren gelbe Früchte säuerlich schmecken und als Loquats bei uns angeboten werden. Diese gehört zu einer ganz anderen Pflanzengattung. In Rezepten ist allerdings häufig die Japanische Mispel gemeint.

Die Echte Mispel wächst baum- oder strauchartig, wird bis zu sechs Metern hoch und entwickelt im Alter eine ovale, ausladende bzw. sparrige Krone, die bis zu 7 Meter erreichen kann. Sie wächst sehr dicht, was das Laub aber auch anfällig für Blattkrankheiten machen kann. 

Wilde Mispeln sind - spärlich - mit Dornen bewehrt, Kultursorten nicht. Der Baum wächst in lichten Laubmischwäldern, Hecken, Gebüschen und sogar auf Felshängen und stellt nur geringe Standortansprüche, bevorzugt aber mäßig trockene, steinige oder sandig-lehmige, kalkhaltige Böden. Da  die Mispel wärmeliebend ist, kommt sie vornehmlich in klimatisch begünstigten Gebieten vor. Gerade in den trocken-warmen Teilen Mittel- und Süddeutschlands findet man die Art verwildert vor. Aufgrund ihrer Herkunft gilt die Mispel als relativ trockenresistent und sie übersteht zeitweise Dürreperioden gut. An geschützten Stellen kann sie auch in einer Höhe bis zu sechshundert Metern gedeihen.

Der Kleinbaum bzw. Großstrauch wächst sehr langsam, meist eben mehr breit als hoch und kann dabei einen Stammdurchmesser von zwanzig Zentimetern erreichen. Die etwas raue Borke ist bräunlich-grau und blättert im Alter in kleineren Platten ab. Die Zweige sind graufilzig. Die Mispel ist ein Tiefwurzler mit stark verzweigtem, weitreichendem Wurzelsystem. Eigentlich wird sie nur etwa 30 bis 40 Jahre alt, aber in Süddeutschland stehen Bäume, die seit circa 70 Jahren dort wachsen. 

Aus den spitz eiförmigen Winterknospen entfaltet sich im Frühjahr das später ledrig dunkelgrüne Laub. Die Blätter werden bis zu 15 Zentimeter lang mit einer Blattspreite von 2 - 4 Zentimetern, und sie sind unterseits leicht behaart, der Blattrand ist ganz bis teils gesägt. Von der Form her werden sie beschrieben als eilanzettlich bis verkehrt-eilanzettlich oder elliptisch bis lanzettlich und abgerundet bis rundspitzig oder spitz bis zugespitzt  - die Blätter sind also von recht variablem Aussehen! 

Im Herbst verfärben die sich von der Spitze her gelb mit unregelmäßigen roten und grünen Flecken, wobei der untere Teil länger grün bleibt. 

Die weißen - seltener rosa -  Blüten des Baumes erscheinen spät, von Mai bis Juni nach dem Laubaustrieb am Ende der Kurztriebe, nicht an Langtrieben. Sie ähneln denen der Apfelblüte, sind sehr groß - fünf Zentimeter - und sehr auffällig mit fünf Blütenblättern und der für Rosengewächse typischen doppelten Blütenhülle. Die Blütenblätter sind auf der Außen- und Innenseite behaart. Sie sind wegen der späten Blütezeit kaum spätfrostgefährdet. Selbstbestäubung ist bei den meisten Sorten der Kulturmispel die Regel. 

Die Früchte sind gut zu identifizieren, denn sie haben eine aufklaffende Fruchtspitze, an der man noch die fünf schmalen Kelchblätter erkennen kann. Der volkstümliche Name "Hundsarsch" bezieht sich auf das eigenwillige Aussehen dieser Frucht.

Von der Form her sind die kugelig und teils etwas abgeflacht an der offenen Seite. Die kleineren Früchte der Wildform haben einen Durchmesser von 1,5 bis 3 Zentimetern und eine Länge von 1,6 bis 2,4 Zentimetern, bei Kulturformen beträgt der Durchmesser 3 bis 6,5 Zentimeter, selten 7 bis 8 Zentimeter. Ihre raue Schale färbt sich gelb- bis orangebraun und ist mehr oder weniger behaart. Die Früchte sind stark von einem Stützgewebe durchsetzt, was der Mispel auch den Namen Steinapfel eingebracht hat. 

Botanisch betrachtet ist die Mispel eine Sammelsteinfrucht mit fünf festen Steinkernen.

Reif werden sie im Oktober, November. Ähnlich wie bei den Schlehen benötigen die Früchte die Frosteinwirkung, damit sie weich und süß werden. Vorher sind sie herb bis bitter im Geschmack. Handelt es sich um sogenannte Wilde Mispeln, reichen kurze milde Nachtfröste um -3 Grad Celsius für diesen Prozess nicht aus. Aber auch Überreife kann das harte Fruchtfleisch teigig machen und die Fruchtsäuren abbauen.

Die Früchte können zu Marmelade, Mus oder Obstwein verarbeitet werden. Wegen des hohen Pektingehaltes gelingen Gelees besonders gut. Für Mispelmarmelade werden Mispelmus und der Saft einer Zitrone mit Gelierzucker im Verhältnis 1:1 oder 2:1 gekocht. Mispelmus stellt man her, indem man die Früchte teilt, weich kocht und passiert. Für Gelee müssen die Früchte erst entsaftet werden. Dieser Saft wird dann mit Gelierzucker im Verhältnis 2:1 verkocht. Die Früchte können auch zu Obstbränden oder Likör verarbeitet werden. Mispelbrand mit seinem fruchtig-herben Aroma gilt bei Liebhabern als echte Spezialität. Getrocknet und vermahlen können Mispelfrüchte auch verbacken werden.

In der Volksmedizin kamen die vollreifen Mispelfrüchte wegen ihrer entzündungshemmenden Wirkung zur Linderung von Nieren- und Harnwegsentzündungen zum Einsatz. Schon Hildegard von Bingen hat den Verzehr der Früchte zur Stärkung schwächlicher Kinder empfohlen ( "... weil sie ihr Fleisch wachsen lässt und ihr Blut reinigt..." ), enthalten sie doch viel Vitamin C. Sie schlug vor, die pulverisierte Wurzel, in warmem Wein getrunken, als Mittel gegen Fieber und Schwächeanfälle zu nutzen. 

Außerdem wurden die unreifen Früchte zum Gerben genutzt, enthalten die doch - wie auch die Rinde und die Blätter - Gerbstoffe.

Die Mispel ist ein wenig anfällig für Pilzkrankheiten. Schorf und verschiedene Blattfleckenkrankheiten sind häufig die Folge eines feucht-warmen Sommers. Ebenso kann es zu einem Befall mit Spitzendürre (Monilia) kommen, die dazu führt, dass die Triebe nach der Blüte absterben. 

Pillenwespen, Pelzbienen, Honigbienen und anderen Insektenarten besuchen gern die Blüten der Mispel. Auch die Früchte werden gern von Vögeln wie  Kernbeißer, Amsel und Ringeltaube gefressen. Sie dient allerdings auch zahlreichen Säugetierarten wie Eichhörnchen, Siebenschläfer, Igel, Marder, Dachs und Wildschwein als Nahrungsquelle. Besonders bei Jägern sind die Früchte beliebt als nahrhaftes Tierfutters für Reh- und Schwarzwild. Mispeln eignen sich übrigens auch bestens als Brutgehölz für die heimische Tierwelt.

Das Holz ist sehr hart, zerstreutporig und von feiner Textur. Das Splintholz ist weiß mit leicht rosa Tönung, das Kernholz ist bräunlich. Die einzelnen Jahresringe sind sehr gut zu erkennen, was dem Mispelholz ein wunderschönes Aussehen verleiht. Es wird von Drechslern und Kunsttischlern gesucht und gerne verwendet, auch für die inzwischen seltenere Intarsienkunst, für die nur wenige Hölzer geeignet sind. Auch zur Gewinnung von  Holzkohle ist der Baum eingesetzt worden. Im 14. Jahrhundert vermerkt ein  Konrad von Megenberg: "Von des nespelbaums holz macht man gar gout Knütel ze kämpfen und ze vehten".

Die Mispelblüte hat am Niederrhein häufig in Stadtwappen einen Platz bekommen. Dort ist sie unter dem Begriff "Geldrische Rose" als heraldische Variante bekannt und ziert in dreifacher Ausführung das Wappen der Stadt Geldern.

Gemäß einer Sage führten die Vögte von Geldern bzw. der Ort Geldern das Mispel-Motiv ungefähr ab 878, als die Herren Wichard und Lupold von Pont gegen einen feuerspeienden, unter einem Mispelbaum hausenden Drachen kämpften und ihn töteten. Das Röcheln des sterbenden Drachens, als „Gelre!“ überliefert, führte zur Namensgebung der bald an der Stelle gegründeten Stadt Geldern und die Mispel erschien als heraldische Rose dreifach im ältesten Stadtwappen, zu der im Mittelalter der Geldrische Löwe hinzukam. ( Quelle hier )

Seit 1970 symbolisieren drei Wappen-Mispelblüten den Zusammenschluss von Viersen, Dülken und Süchteln (Boisheim). Das Viersener Wappen schmückte sie schon seit 1450, als die Stadt zu Geldern gehört hat. In der Stadt wird auch noch heute ein Mispelgeist gebrannt.

Genug erzählt! Jetzt seid ihr wieder dran, liebe Baumfreund*innen! Das Linktool ist diesmal frei geschaltet bis zum Abend des 24. August.

                                                                           

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5 Kommentare:

  1. Oh, jetzt wollte ich doch ganz bald noch einmal über diese kleinen Bäume schreiben...(ein Porträt hab ich aber schon vor langer Zeit gebracht), zusammen mit der Kornelkirsche. Letztere ist nur eben nicht wirklich ein Baum.
    Wer Mispeln schon einmal nach den ersten kalten Herbstnachten verarbeitet hat, weiß, dass es zwar mühsam, aber lecker ist.
    Und ein hübscher kleiner Baum ist es auch noch (sehr schöne Blüten) und ähnlich der Quitte an warmes, trockenes Wetter angepasst.
    Schön, dass Du auch welche in Reichweite hast.
    Liebe Grüße
    Nina

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  2. Was für eine schöne Mispel an einen schönen Ort. Diese Baumart finde ich so spannend. Bei uns sind sie so selten. Ich könnte nicht mal sagen, wo eine steht. Aber ich werde nun vermehrt darauf aufpassen, ob ich eine sehe.
    Mispeln sind so alt und waren für die Menschen so hilfreich früher.
    Dass sie auch in Wappen geführt wird, war mir ganz neu.
    Danke für die deine sehr interessanten Ausführungen.
    Herzlich, Sieglinde

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  3. mein mann hat diese mispel bei uns im innenhof gepflanzt und viele menschen fragen nach. am kommenden wochenende können wir diese wunderschön gewachsenen bäume in köln anschauen, ein kurzurlaub mit museumsbesuch freut mich sehr. eine birnenquitte hat er auch gepflanzt, vors haus der enkelin. eine angenehme woche wünscht dir, liebe astrid, roswitha

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  4. interssant was du über die Mispel zu berichten weißt
    bei uns stehen welche auf dem Rochsuberg am Hildegard Forum
    und einer in den Weinbergen
    dazu weiß ich noch eine Stelle auf einem verwilderten Obstfeld
    da muss ich mal wieder nachschauen ;)
    liebe Grüße
    Rosi

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  5. bonjour Astrid, je viens de m'apercevoir que j'ai mis une image du tulipier de Virginie et non pas comme indique magnolia ... je ferais un autre article avec les arbres que j'ai photographiés au puy-en-velay
    les néfliers sont assez présents ici et j'aime goûter les fruits quand ils sont bien mûrs !
    bonne soirée
    mo
    les

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