Donnerstag, 4. Januar 2024

Great Women #362: Mien Ruys

Wenn ich ganz ehrlich bin, gefällt mir die niederländische Gartenkultur besser als die vielgepriesene englische, auch wenn ich zwei ihrer Repräsentantinnen an dieser Stelle schon präsentiert habe, Gertrude Jekyll und Vita Sackville-West. Das lag aber vor allem daran, dass ich lange keine Kenntnis von einer Niederländerin auf diesem Gebiet hatte. Als ich Mien Ruys entdeckt hatte, gab es kein Halten mehr, hab Informationen über sie gesammelt, die ich heute an euch, geschätzte Leser*innen, weitergeben möchte.

Sonnenbraut
Helenium x-cult. 'Moerheim Beauty'

"Das einzige, was ich machen kann, sind Gärten und Tee."

Wilhelmina Jacoba Ruys kommt am 12. April 1904 in Dedemsvaart, einer kleinen Gemeinde und früheren Moorkolonie in der niederländischen Provinz Overijssel, zur Welt. Sie ist die Tochter von Bonne Ruys, einem 39jährigen Pflanzenzüchter, und Engelina Gijsberta Fledderus, sieben Jahre jünger als ihr Ehemann. 

Mien ist das fünfte ihrer insgesamt acht Kinder: Jan Daniël (*1897), Anna Charlotte (*1898), Gesine "Ina" (*1901), Lamberta Johanna (*1901), Frans Willem (*1905), Theodorus (*1907) und Maria Christina Henrica (*1911).  Ihren Namen verdankt Mien der ältesten Schwester ihres Vaters.

Die Familie Ruys aus Anlass eines Besuches des Prinzen Hendrik,
des Ehemannes der Königin Wilhelmina
(1911)


Miens Mutter ist Tochter des Predigers Lambertus Johannes Fledderus der Reformierten Gemeinde Hellendoorn in der Region Twente. 

Miens Vater Bonne betreibt eine international bekannte Staudengärtnerei namens Moerheim, für die er seit 1896 Kataloge einschließlich Pflanzratschlägen veröffentlicht. Im Jahr 1904, dem Geburtsjahr von Mien, wird dieser Gärtnerei der Titel "koninklijke" ( "königlich" ) verliehen. Staudengärtner*innen wird die Ortsbezeichnung 'Moerheim' als Bestandteil des Pflanzennamens bei etlichen Stauden sowie einem hellvioletten, kleinblättrigen Rhododendron oder einer kleinwüchsigen Blaufichte schon begegnet sein. Schon sein Vater hatte sich 1867 in Dedemsvaart niedergelassen und das alte Haus "Moerheim" bewohnt. Zehn Jahre später hat er sogar 14 Hektar Land auf der Ostseite des Nieuwewyk dazu kaufen können. 

Sein Sohn Bonne fühlt sich früh zum Pflanzenzüchten berufen, hat er doch auch Kontakt zu A.M.C. van der Elst, der seit 1875 in Dedemsvaart die "Tottenham" genannte Pflanzenzüchterei betreibt. Bonne wird mit siebzehn sein Lehrling, schon sechs Jahre später gründet er sein eigenes Unternehmen, indem er einem Torfbauer seine Farm mit dem dahinter liegenden Land abkauft. Er beginnt mit Gartensamen, Obstbäumen, Beerensträuchern, Blumen und Pflanzen zu handeln. Durch die Züchtung neuer Varietäten macht er sich bald einen Namen und produziert auch Pflanzen für den britischen Markt. Später wird er "Tottenham" übernehmen und sich zur größten Staudengärtnerei Europas ihrer Zeit weiterentwickeln. 

Bonne Ruys ist auch ein Freund des berühmten deutschen Staudenzüchters Karl Foerster.

Natürlich kommt die Tochter eines Pflanzenzüchters schon früh mit Pflanzen & Blumen in Berührung. Die Gärtnerei liegt ja gleich hinter dem Haus "Nieuw Moerheim" an der Moerheimstraat, ehemals Hoofdvard ( später ändert sich auch der Hausname in  "Lellingbo" ), das zwei Jahre vor Miens Geburt im eklektischen Stil erbaut worden ist und in dem die Familie anschließend wohnt. 

Die Familie Ruys gilt in dem beschaulichen Ort als recht fortschrittlich. Reitet der Vater anfangs noch auf dem Pferd durchs Dorf, hat er als erster ein Auto. Die Familie besitzt auch sehr früh einen Telefonanschluss, was für ein Unternehmen mit Kunden weit außerhalb im Land und darüberhinaus eine Notwendigkeit darstellt.

Mien - "die  Lange der Ruys" wird sie als Mädchen genannt - darf in dem Garten für die Kinder schon in jungen Jahren experimentieren. Doch schon bald stellt sie fest, dass das Gärtnern nicht von alleine gut läuft.

Nach ihrer Schulzeit, die sie 1920–1922 in einem Mädcheninternat, der "Luitgarde-Schule" in Bussum nahe Amsterdam, mehr als hundert Kilometer von ihrem Geburtsort entfernt, abschließt, ist Mien entschlossen, Landschaftsgärtnerin zu werden. Das ist ein Beruf, für den es in den Niederlanden zu dieser Zeit keine Ausbildung gibt. Doch anders als ihre Vorfahren ist sie mehr daran interessiert, "was man mit all diesen Pflanzen machen kann", als daran, sie anzubauen.

"Verwilderungsgarten" von 1924
( 2001 renoviert )
In diesen Jahren begleitet sie ihren Vater manchmal auf dessen Geschäftsreisen ins Ausland. 1923 beginnt sie als Zeichnerin für das 1916 gegründete Gartenplanungsbüro ihres Vaters zu arbeiten, in der auch ihre ältere Schwester Ina beschäftigt ist. Für Mien Ruys ist das der erste Schritt in eine Karriere als Gartengestalterin. 

Ihren ersten Testgarten legt sie 1924 im Gemüsegarten hinter dem Familienwohnhaus an: Der "Verwilderungsgarten" kann noch heute besichtigt werden. 

Vom Wohnhaus aus zieht sie damals eine schnurgerade Linie in den Garten bis unter die Obstbäume. Dort legt sie einen Querpfad an und in der Kreuzung dieser Pfade einen kleinen viereckigen Teich. Um diesen Teich herum und unter den Bäumen pflanzt sie Stauden, die sie einfach schön findet. Nach einem Jahr ist davon nur noch wenig übrig. Sie hat nämlich Gewächse gepflanzt, die auf kalkreichen Böden heimisch sind und nicht auf dem sauren Boden in Dedemsvaart gedeihen. Vor die Wahl gestellt, entweder die Bodenbeschaffenheit zu ändern oder das Pflanzensortiment anzupassen, entscheidet sie sich für letzteres. Dies wird ein erster wichtiger Grundsatz für ihre weiteren Überlegungen bei der Gartengestaltung.  

1927

Im Jahr 1928 reist Mien nach England, um Lehrling in der Abteilung für Gartenarchitektur einer Baumschule in Tunbridge Wells zu werden, wo sie in das Entwerfen und Zeichnen von Gärten und die Überwachung ihrer Anlage eingeführt wird. Sie besucht auch die berühmte Landschaftsgärtnerin Gertrude Jekyll, ebenfalls eine Bekannte ihres Vaters. 

Zurück in Moerheim übernimmt sie dann die Aufgaben ihrer Schwester und erstellt Pflanzpläne für Gärten. Ein Jahr später geht Mien nach Berlin, wo sie eine der ersten Studierenden des neuen "Instituts für Gartengestaltung" der Wirtschaftshochschule wird. 

Das kulturelle Leben in Berlin spricht sie sehr an. Und nachdem sie Bertolt Brechts "Dreigroschenoper" gesehen hat, sei sie nach eigenen Worten sozial erwacht. "In einer Nacht wurde ich Kommunistin". Auch ihre sechs Jahre ältere Schwester, die spätere Bakteriologin Charlotte Ruys, fortschrittlich und durchaus widerständig, soll bei dem Gesinnungswandel eine Rolle gespielt haben. 

In den frühen 1930er Jahren übernimmt Mien die Leitung des Gartenplanungsbüros der väterlichen Gärtnerei Moerheim, wo sie zunächst hauptsächlich Gärten für "reiche Leute" entwirft.

Da Mien auch immer an Architektur interessiert gewesen ist, besucht sie dann 1931–1932  Seminare für Architektur bei Marinus Jan Granpré Molière an der Technischen Universität Delft. Sie wird eine der ersten in den Niederlanden – und sicherlich die erste Gartendesignerin –, die die Bedeutung der Integration  von ihrem Handwerk mit Architektur erkennt. Sie spielt eine aktive Rolle bei diesem Prozess, motiviert durch die sozialistischen & feministischen Bewegungen, der sie sich in den 1930er Jahren zugehörig fühlt. Ihre Überlegungen & Ideen werden in Zukunft Einfluss auf den Diskurs innerhalb der Architekturbewegungen in den 1940er Jahren haben, wie auf "De 8" in Amsterdam und "Opbouw" ("Wiederaufbau") in Rotterdam.

Mien ist eine Gartenplanerin, die klare Linien in der Gestaltung bevorzugt. Rechteck und Quadrat dominieren bei ihr und bestimmen ihr Konzept eines jeden Gartens. Das ergibt einen harmonischen Gesamtzusammenhang,  den man bei ihr bald zu schätzen weiß, weil die gesamten Anlagen wie aus einem Guss erscheinen. Die junge Gestalterin wird diesen Prinzipien überwiegend treu bleiben.

Geuzenhof
1933 beginnt eine neue Episode in ihrem Schaffen, als sie den Gemeinschaftsgarten des Geuzenhofs in Amsterdam-West, einer Anlage mit lauter Sozialwohnungen, gestalten darf.  

Für Stadtbewohner ist ein Garten in der Regel unerreichbar. Für Mien sind solche "Gemeinschaftsgärten", also Grünanlagen in der Umgebung der Wohnanlagen, die Lösung: So können auch Stadtbewohner, die in einer Wohnung im Obergeschoss wohnen, die Vorzüge eines Gartens genießen. Alte Fotos zeigen, wie der Garten ursprünglich ausgesehen hat. Es hat eine Voliere mit verschiedenen Vögeln und in der Mitte des zentralen Platzes der Anlage einen Teich gegeben sowie einen Weg mit Lavendel, der vom Sandkasten bis zum Teich geführt hat. Im schmaleren Teil des Gartens ist ein Spielplatz gewesen.

Anschließend erhält sie von vorwiegend privaten Wohnungsbaugesellschaften Aufträge für Gemeinschaftsgärten bei diversen Projekten. 1935 darf sie auch die Erweiterung des Stadtparks von Avereest, ( zu dieser Gemeinde gehört Dedemsvaart ) direkt hinter dem Rathaus gelegen, entwerfen ( "Burgemeester Visserpark" ). 

Nachdem Mien 1937 mit dem Gartenplanungsbüro der Firma ihres Vaters von Moerheim nach Amsterdam gezogen ist, verbringt sie den Winter in der Stadt und den Sommer in Moerheim. Kurz vor Ausbruch des Krieges erscheint ihr erstes Buch "Borders: hoe men ze maakt en onderhoudt" ( engl. "Borders: how to make and keep them", 1939 ).

Die Gartengestalterin schließt sich in jenen Jahren dem antifaschistischen "Comité van Waakzaamheid" an, welches 1936 von Intellektuellen gegründet worden ist, die im Nationalsozialismus und gleichartigen Gruppen eine ernsthafte Gefahr für die Forschungs- und Meinungsfreiheit und damit für die Entwicklung von Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft in den Niederlanden sehen. Das Komitee setzte sich auch für Flüchtlinge aus Deutschland ein, gerät aber in Widerspruch zur Regierung, die in Deutschland ein befreundetes Nachbarland sieht. Mien ist besonders befreundet mit Annie Romein, einer Bewunderin von Rosa Luxemburg & Marxistin, und ihrem Mann Jan, die dem Komitee ebenfalls angehören. Annie wird sich nach Kriegsende für die Veröffentlichung des Tagebuchs der Anne Frank einsetzen.

1940 wird Mien Schriftführerin des Komitees. Beim Einmarsch der Nazis in die Niederlande am 10. Mai 1940 verbrennt sie "in einem altmodischen Ofen" ( weshalb sie zwei Tage braucht ) das gesamte Archiv der Vereinigung. Anschließend versucht sie vergeblich nach England zu fliehen.

Hochzeitsfoto

1942 verlässt sie aus Protest gegen deren Kollaboration mit den deutschen Besatzern den "Bond van Nederlandse Tuinarchitecten". Da sie kein Mitglied der neuen Kulturkammer werden will, wird sie arbeitslos. Inoffiziell arbeitet sie jedoch an dem Konzept für den Nationalpark "De Hoge Veluwe". 

1943, während einer Studienwoche für Architekten in Doorn, kommt Mien persönlich mit Mitgliedern von "De 8" und "Opbouw" in Kontakt, Befürwortern des Funktionalismus in der Architektur wie Gerrit RietveldBen MerkelbachHein Salomonson und Arthur Staal. Kurz darauf wird sie selbst Mitglied von "De 8". Nach dem Krieg wird sie häufig mit ihnen zusammenarbeiten, bis diese Gruppierung sich 1956 auflöst. Mien wird auch eine der wenigen weiblichen Mitglieder des 1928 gegründeten CIAM ("International Congress of Modern Architecture") sein, einem Ideenlabor der modernen Architekturbewegung. 

Im Januar 1950 heiratet die mittlerweile 45jährige den mehr als fünfzehn Jahre älteren, aus Alkmaar stammenden Fotografen, Journalisten & Verleger Theodorus Aloisius Maria "Theo" Moussault. Bekannt ist aus dem Eheleben der beiden nur, dass er sie bekocht, denn Mien kann angeblich nur Tee kochen.

Es ist auch das Jahr, in dem ihr Vater stirbt und ihr zweites Buch "Perennial Plant Book" publiziert wird. Insbesondere dieses Buch hat großen Einfluss darauf, wie in den Niederlanden nach dem Zweiten Weltkrieg im Garten gearbeitet wird. Sie schreibt darin:

"Manche Leute denken, dass diese mehrjährigen Pflanzengruppen und Rabatten eine Modeerscheinung sind, aber solange wir keine bessere Möglichkeit finden, die Stauden zu gruppieren, werden Rabatten bestehen bleiben. Der vielleicht größte Reiz liegt darin, dass wir so eine möglichst natürliche Entwicklung in einer vom Menschen gewünschten Form ermöglichen können. Ein endloses Spiel von Farben und Formen ist möglich, ohne die Steifheit und Unnatürlichkeit der ehemaligen Beete, denn wir sehen Blumen in Knospen, Pflanzen in voller Entwicklung neben verblühten Arten. Letztere behalten auch ihren Platz im Beet und so lernen wir die Pflanzen gerade in diesen aufeinanderfolgenden Stadien und nicht nur als Farbfläche wertzuschätzen. Aber auch diese neue Art, Schönheit in den Garten zu bringen, ist kein Endpunkt. Der Mensch wird sich ändern und seine Einstellung zum Garten wird sich ändern; Neue Wege werden entdeckt und neue Pflanzen werden entstehen."

1951–1952 lehrt die umtriebige Gestalterin in Wageningen Garten- und Landschaftsarchitektur und von 1953–1955 "Städtische Grünanlagen" an der TH in Delft. Gemeinsam mit ihrem Mann gründet sie 1955 das vierteljährlich erscheinende Magazin "Onze Eigen Tuin". In diesem Magazin teilt die Gartenplanerin ihr in der Praxis erworbenes Wissen über Pflanzen und Gartenarchitektur mit, darunter der Grundsatz, dass die Pflanzen dem örtlichen Boden angepasst sein müssen und nicht umgekehrt. Die Zeitschrift existiert noch heute. 

In Moerheim experimentiert sie weiterhin unter anderem an Farbkombinationen im Laufe der Jahreszeiten, Blattverfärbungen, Naturalisierungen und der Wirkung von Licht und Schatten im Garten. Das Wissen, das sie auf diesen Testgeländen erwirbt, gibt sie an ihre Leserschaft weiter.

Wassergarten -
erster Versuch der Gestalterin, einen Garten ohne Rasen zu schaffen
(1954)

In den 1950er Jahren ist sie mit an den Entwürfen von "De 8" und "Opbouw" für den Bau und die Errichtung der Gemeinde Nagele im Noordoostpolder beteiligt, der 1942 trockengelegt worden ist. Nagele ist einer der wenigen Orte, an denen moderne Architekten ihre Ideen in größerem Maßstab verwirklichen können. Mien entwirft einen Windschutz rund um das Dorf in Form eines Erholungswaldes mit einheimischen Bäumen. Mit  Gerrit Rietveld kooperiert sie  für die Weberei De Ploeg in Bergeijk

Mien arbeitet aber nicht nur für Unternehmen ( darunter Van Nelle in Rotterdam, eine Textilfabrik in Hengelo, Tomado in Etten Leur, Bata in Beest ) oder andere große Organisationen, die soziale Wohnprojekte mit Gemeinschaftshöfen schaffen, sie entwickelt auch kleine Stadtgärten für die Häuser, die in den 1950er Jahren in großer Zahl im Rahmen des Wiederaufbaus fertiggestellt werden. "Ich wollte funktionale Grünflächen für normale Menschen schaffen", sagt sie einmal in einem Interview.

Dass Mien Ruys sich um den "einfachen Mann" kümmert, zeigt sich auch an ihren Bemühungen, für Gärten sogenannte "Ready-to-wear-borders" zu entwerfen, inspiriert von der Fertigbauweise der Architektur und der Konfektionskleidung in der Mode. 

Diese Rabatten umfassen kräftige, gesunde Stauden mit langer Blütezeit in verschiedenen Größen und Farbschemata, für Sand, Lehm und Torf und Sonne, Halbschatten und Schatten, geeignet für kleine Gärten. Die Pflanzen für die Beete gibt es in der Gärtnerei ihrer Familie zu kaufen. Man muss bei der Bestellung bloß Wünsche und Boden- & Lichtgegebenheiten angeben und sie werden in Kisten inklusive Pflanzplan und Pflegeanleitung geliefert. 


Dazu gehört auch der charakteristische diagonale Verlauf, der der Gartengestalterin in jenen Tagen den Namen "Schuine (schräge) Mien" einbringt. Auf der Suche nach einem optimalen Gebrauch des Gartenraumes entwirft sie in dieser Periode ihres Schaffens Pfade, Terrassen und Pflanzenbeete unter einem schrägen Winkel zu den Gebäuden und damit in Kontrast zu ihnen. 

Ab den Sechzigerjahren werden die schrägen Linien wieder zugunsten von geraden und strengen Blöcken abgelöst, eingefasst von Schnitthecken aus  Berberitzen, Eiben oder Buchsbaum als Kontrast zum überschwänglichem Gebrauch von Stauden. Mien findet einfach, dass  gerade Stauden das Naturempfinden in einem Garten ermöglichen, eine in ihren Augen wichtige Funktion eines Gartens. Die Niederländerin gilt als Pionierin in der gärtnerischen Nutzung zahlreicher Pflanzen, darunter Frauenmantel, Riesen-Chinaschilf, Japan-Zwergschilf, Russel-Brandkraut und Wickelwurz ( Bergenien ), die für mich aus holländischen Gärten nicht wegzudenken sind. Dennoch sind diese Gärten einfach & funktional angelegt.

Damals fängt sie auch an, Eisenbahnschwellen, Waschbetonfliesen ("Griontegel") und Terrassendielen einzusetzen. Diese Ideen breiten sich schnell aus, und die Elemente gehören jahrzehntelang zur Standardausstattung niederländischer Gärten.  Nun bekommt die Gestalterin den Namen "Bielzenmien" verpasst.

Mit Ehemann Theo Moussault
( 1960er Jahre )
Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1974 setzt die inzwischen Siebzigjährige ihre Aktivitäten unvermindert fort. Sie meldet sie sich bei der Amsterdamer Künstlervereinigung "Arti et Amicitiae" als Künstlerin an: 

"Dafür musste ich hart kämpfen [...]. Es dauerte zwei Jahre, bis sie mir diesen Status verleihen wollten."

Ende der 1980er Jahre arbeitet sie im Auftrag eines amerikanischen Verlegers an einem Buch über ihre Designprinzipien: "From chaos to design. Principles of garden design." Aus unbekannten Gründen wird es nie veröffentlicht.

Der letzte bekannte Entwurf von Mien Ruys stammt vom 23. März 1995: Ein Bepflanzungsplan für ein Haus in Wijchen im Gelderland. In ihren letzten Jahren, als sie nicht mehr gut laufen kann, lebt sie in ihrem Häuschen im Garten in Dedemsvaart, einem vom Architektenfreund Merkelbach in den 1950er Jahren umgestaltetem Ferkelstall. Von ihrem Diwan aus überblickt sie ihre Versuchsgärten und bis zuletzt  brütet sie über Ideen. Am 9. Januar 1999 stirbt Mien Ruys im Alter von 94 Jahren, da ist sie schon Legende. Auf ihrem Grabstein steht:

"de seizonen zullen over deze
tuin en over onze levens gaan,
hoeveel voetstappen lieten
we daar niet achter"

( in etwa: "Die Jahreszeiten werden über diesen Garten und über unser Leben hinweggehen, wie viele Schritte noch übrig sind, das wissen wir nicht." )

Schon bald nach ihrem Tod wird in der Gemeinde Avereest eine weitläufige Allee nach ihr benannt, die Mien Ruyslaan. 

Mit der ehemaligen Königin Juliana der Niederlande
(1988)

Mien hat es immer für unnötig gehalten, Memoiren zu schreiben: "Die Leute sollten sich nur meine Gärten ansehen. Da liegt meine Seele". Nach der Datenbank TUiN hat Mien Ruys insgesamt 1075 Gärten entworfen.

Das Büro, das Mien Ruys in Amsterdam einst bezogen hat, befindet sich noch immer an der Amstel und heißt heute "Buro Mien Ruys". Einige ihrer Versuchsgärten in Dedemsvaart existieren noch. Als "Tuinen Mien Ruys" sind die 25 000 Quadratmeter mit 30 Einzelgärten für die Öffentlichkeit zugänglich und werden durch eine Stiftung betrieben. Ihre drei frühesten Gärten sind seit 2004 Nationaldenkmäler. 

Die Gärtnerei und das Gartencenter ihrer Familie existieren noch, sind aber seit 2011 nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich. Im zu den Gärten gehörigen Pflanzenhof kann ein Sortiment an Stauden gekauft werden. 

Miens Archiv ist in den Spezialsammlungen der Universität Wageningen untergekommen. Inzwischen gibt es auch eine Biografie von Leo den Dulk aus dem Jahr 2017.

Der heute ebenfalls berühmte Piet Oudolf ist in seinen Anfangsjahren sehr stark durch den Stil von Mien Ruys geprägt gewesen. Nach Oudolf war sie die einzige niederländische Gartenarchitektin, die über Pflanzen redete, statt über Design. Ohne Zweifel hat Mien Ruys mit ihrer mutigen Arbeit den Weg für das "New Perennial Movement" geebnet, das heute so großen Erfolg hat.






8 Kommentare:

  1. Was für eine interessante Biographie. Ich finde es immer wieder erfrischend, wenn du auch ganz andere Lebensbereiche mit einbeziehst. Auch Gärten und Gartengestaltung prägen Gesellschaft und Kultur.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  2. Wie interessant soviel über Mien zu lesen als Ergänzung zu meinem zweiten Besuch in den Tuinen im letzten Jahr. Sie war mit Herzblut bei ihren Pflanzen und der Gestaltung mit ihnen und ja, in dem vor Jahren besuchten Garten von P. Oudolf und auch z. B. seine Beetgestaltung im Maxipark Hamm zeugen von ihrer Inspiration.
    Lieben Dank für dein Portät, Marita

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  3. von Helga:

    Liebe Astrid,

    welch schöner Beitrag für Gartenliebhaber und Pflegende. Waren im eigenen Garten rund um unser Leben mit Änderungen und mit Umpflanzungen beschäftigt. Ein toller Ausgleich zum alltäglichen Geschehen war dies. Danke für diesen Beitrag, fühl mich zurückversetzt in diese Zeit der Gartenträume. Herzliche Grüße zu Dir von Helga und Kerstin, auch eine Mien 😁

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  4. Der Name sagte mir etwas, aber eben nur etwas und jetzt bin ich sehr froh, dass ich bei Dir mehr über diese tolle Gartenarchitektin gelernt habe (deren Gärten ich auch ganz wunderbar finde)
    Liebe Grüsse
    Nina

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  5. Wie interessant! Diese Gestaltertin kannte ich garnicht, sehr spannend. Danke! Liebe Grüße, Eva

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  6. Liebe Astrid,
    das klingt mir mal nach einem ziemlich glücklichen, langen, produktiven Leben. Wobei es für Mien in den Kriegsjahren allein schon wegen ihrer politischen Einstellung wohl ein Glück war, nicht in Deutschland gelebt zu haben. Hätte damals ziemlich schief gehen können...
    Ich hätte eine Gärtnerei mit "Ready-to-wear-borders" im Angebot auch gut gebrauchen können, als wir hier mit dem Garten anfingen 😊. Und möglicherweise wäre unser Garten jetzt rasenfrei, das fände ich auch nicht schlecht...
    Ich wünsche dir ein glückliches, gesundes und friedliches Neues Jahr 🍄🍀!
    Alles Liebe, Traude

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  7. ein interessantes portrait einer frau, von der ich nur den namen kannte. früher war es immer mal ein traum von mir, auch holländische gärten zu besuchen, die oft in gartenzeitschriften und -büchern erwähnt wurden. leider hat das nie geklappt, sonst hätte ich sicher mehr von ihr gewusst.
    liebe grüße von mano

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  8. Was für eine interessante, eigen-ständige Frau. Die niederländischen Gärten sind mir nicht bekannt, auch wenn ich dieses Jahr dort in Urlaub war. Wenn ich nochmals hinkomme, werde ich verstärkt darauf achten. De Hoge Veluwe habe ich vor ca. 45 Jahren besucht und besonders das Kröller-Müller Museum mit dem Skulpturen Park. Da hatte sie also auch ihre Gedanken dazu zu diesem Naturpark.
    Eine politische und geerdete Gartenkünstlerin war sie und das muss ziemlich spannend gewesen sein. Ein feines Portrait.
    Danke sagt Sieglinde

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst! Ich setze allerdings voraus, dass am Ende eines anonymen - also von jemandem ohne Google- Account geposteten - Kommentars ein Name steht. Gehässige, beleidigende, verleumderische bzw. vom Thema abweichende Kommentare werde ich nicht veröffentlichen.

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