Sonntag, 21. Mai 2023

Monatsspaziergang Mai

Jeden 3. Sonntag im Monat lädt Kristina Schaper zu einem Monatsspaziergang ein - da simmer dabei, dat is prima. Und diesmal wieder mit einer architektonischen Besonderheit im Kölner Norden, der Wohnanlage "Grüner Hof", die ich vor einer Woche aufgesucht habe. 
 

Auf die Idee, den "Grünen Hof" aufzusuchen, bin ich gekommen, nachdem ich mich über diese mir durch viele Spaziergänge in der Vergangenheit eigentlich gut bekannte Siedlung informiert und von einem dritten Hof erfahren habe. Den zweiten Hof habe ich im vergangenen September entdeckt, als ich einfach durch ein geöffnetes Tor in der Häuserreihe auf der Nordseite marschiert bin ( letzten Endes kam ich am anderen Ende nicht mehr raus, und ein Bewohner, der in der Sonne saß, hat mich dann befreit ). Also wollte ich auch den dritten Hof in Augenschein nehmen. Der Eingang zu diesem liegt links von diesem markanten Kiosk und der Bushaltestelle:

Die Überraschung: Im mittleren Bereich liegt ein ehemaliger Weltkriegsbunker, und der Hof ist recht öd, auch die - weitgehend - Rasenmonokultur vor den Häuserblocks rechts und links.

Es existieren Entwürfe für eine Umwandlung dieses Betonklotzes, aber ich weiß nicht, ob das wirklich realisiert werden wird. Ich hab mich dann doch lieber in den mittleren Hof verzogen, der das Attribut "grün" wirklich verdient:

In keiner anderen deutschen Stadt wurde in den 1920er-Jahren so viel gemeinnütziger Wohnungsbau geschaffen wie in Köln. Kleine und große Genossenschaften schufen Siedlungen für unterschiedliche Bevölkerungsschichten. Der "Grüne Hof" wurde von dem bekannten Kölner Architekten Wilhelm Riphahn um einen grünen Innenhof geplant, noch vor der berühmten Berliner "Hufeisensiedlung" von Bruno Taut, in dessen Büro Riphahn anfangs gearbeitet hat, oder ähnlichen Anlagen in Wien.

Hof vom Süden her gesehen...















... und vom Norden aus














Riphan war der "Hausarchitekt" der  Gemeinnützigen Wohnungsbau AG Köln (GAG), die in den Jahren zwischen 1922 und 1924 als Reaktion auf den anhaltenden Wohnraummangel in Köln die insgesamt fast 700 Wohnungen erbauen ließ. An dieser Siedlung wird der Einfluss städtebaulicher Reformbewegungen der damaligen Zeit, wie der Idee der Gartenstadt und des "Neuen Bauens", auf den genossenschaftlichen Geschosswohnungsbau erkennbar.

Der "Grüne Hof" ist den Prinzipien des "Neuen Bauens" verpflichtet: einfache und klare, oft kubische Formen, Verwendung von Glas, Stahl, Backstein und Beton, folgt aber auch dem Credo der GAG seit 1915 "Licht, Luft und Bäumcher" (Licht, Luft und Bäumchen), nun auch im Geschossbau. Vier Häuserzeilen mit drei dazwischen liegenden Höfen entstehen, im Norden wie Süden abgeschlossen durch weitere Häuserriegel.















Die Anlage wirkt von außen massiv, fast mittelalterlich, auf jeden Fall älter, als man denkt. Die Formensprache ist allerdings expressionistisch, folgt sie doch der künstlerischen Ambition der "Kölner Progressiven" um den Maler Franz Wilhelm Seiwert.

Fensterreihen, Loggien und Treppenhäuser bilden vertikale Abfolgen in der Fassadengestaltung. Auflockernde Details wie die dreieckigen Dachluken und die "kölsche Spitzbogen" genannten Abschlüsse über den Loggien, die es übrigens  in jeder Wohnung gibt, zugänglich von der großzügigen Wohnküche. Riphan war es wichtig, nach Möglichkeit rechte Winkel zu vermeiden.


Hinter jeder Haustür verbirgt sich der Zugang zu sechs bis acht Wohnungen mit zwei oder drei Zimmern, Tageslicht-Bädern und Extra-Toilette.

Auffallend ist auch hier - wie in vielen Anlagen aus der Weimarer Zeit in Köln - die Anpflanzung von Rotdorn...


... und anderen rotlaubigen Bäumen:



Die Wohnanlage wurde in den 1990er Jahren generalsaniert, ist Element des historischen Kulturlandschaftsbereiches Mauenheim und steht seit Ende 2010 auf der Liste der Baudenkmäler der Stadt Köln.


Ich genieße in dieser Anlage die ruhige Atmosphäre ( Autos stehen nur im Zufahrtsbereich und auf einem großen Parkplatz vor der Gartenanlage ). Als ich dort unterwegs war, hörte ich nur das Vogelgezwitscher, und das mitten in der Großstadt und unweit der Lebensader des Kölner Nordens, der Neußer Straße.




















Schade, dass sich die Infrastruktur südlich der Wohnanlage so ungut entwickelt hat: Der Eissalon und die Konditorei, die früher immer zu einerErfrischungspause eingeladen haben, ist ebenso wie ein Supermarkt aufgegeben worden.

Das zwang mich dann doch zur Heimfahrt mit dem Bus, um an "meinem Plätzchen" einen Eiskaffe zu trinken.




23 Kommentare:

  1. Die Hintergründe sind interessant, und das Grün in der Mitte wunderbar! Schön, dass es auch so ruhig war, wenn ich mir auch bei so etwas eigentlich immer wieder gern mehr "Leben" (spielende Kinder, Menschen die einen Kaffee trinken...) vorstelle. Ich hoffe sehr, dass der Rest auch schön saniert wird, aber sicher auf Grund der aktuellen Lage eher später als früher
    Danke für s Mitnehmen
    Liebe Grüße
    Nina
    (Die Deine letzten Berichte auch gern gelesen hat, aber kaum kommentiert hat)

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  2. Hallo Astrid,
    die Kioske gehören einfach zu Köln, solche sieht man ja noch wenige.
    In Köln-Höhenberg gibt es auch eine GAG Siedlung, sogar mit Museumswohnung und die Häuser dort sehen auch so aus.
    Gruß
    Hannelore

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  3. Wieder ein interessanter Hof und sozialer Wohnungsbau mit Mehrwert. Ich finde es bemerkenswert, dass Köln da einiges investiert hat und Vorreiter war. Die Architektur ist dieses Mal allerdings ein wenig streng und respekteinflössend.
    Da wirkt die Natur mit den Bäumen etwas dagegen.
    Schön, dass Du Dich auf den Weg gemacht hast, um uns diese Anlage zu zeigen.
    Der Eiskaffee auf vertrautem Terrain ist auf jeden Fall immer eine sichere Bank und gut zum Verschnaufen.
    Einen schönen Sonntag wünscht herzlichst,
    Sieglinde

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  4. Germaniasiedlung heißt die in Höhenberg

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    1. Die kenne ich von Hausbesuchen bei Schüler*innen, als ich noch auf der Schäl Sick gearbeitet habe. Dort gibt es noch etliche andere interessante Siedlungen aus der Weimarer Zeit, aber auch der Nachkriegszeit. Ein Besuch der Museumswohnung ist wirklich sehr aufschlussreich.
      LG

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  5. Danke fürs Mitnehmen an diesen interessanten Ort! Obwohl ich in Köln auf der PTA Schule war hab ich von der Siedlung noch nie gehört.
    Wünsche Dir einen sonnigen Sonntag, herzlichst Tanja

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    1. Die ist ja auch linksrheinisch gelegen. Aber dort in der Nähe gibt es auch interessante Siedlungsanlagen.
      LG

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  6. Ich bin auch sehr fasziniert von diesen Gartensiedlungen und freue mich, dass du heute diese interessante Anlage vorstellst!
    Ich habe mich übrigens heute ganz spontan entschlossen Schloss Derneburg zu besuchen und mir Baselitz anzu schaurn.
    Liebe Grüße von dort
    mano

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  7. Hier in Koblenz gibt es auch zwei drei dieser Siedlungen, ich bin immer ganz fasziniert, wenn ich dran vorbei fahre.
    Liebe Astrid, danke für den Spaziergang, die Siedlung kenne ich nicht, aber die in Höhenberg, die interessiert mich auch, liegt sie doch nah bei der Wohnung des Sohns...
    Muss ich mir mal anschauen beim nächsten Besuch.
    Dir einen schönen Abend, lieben Gruß
    Nicole

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  8. Schon ein bisschen Stadtgeographie. Sehr interessant, sich das mal anzusehen. Das viele Grün inmitten der Stadt ist toll. Hier wird hingegen alles verdichtet, jedes Grün, jeder Innenhof....
    Liebe Grüße
    Andrea

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  9. Ist der soziale Wohnungsbau eigentlich immer noch sozial, oder inzwischen längst „normalisiert“?

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    1. Genossenschaftswohnungen sind kein Sozialer Wohnungsbau ( hier werden die Unterschiede gut erklärt:
      https://www.dein-hilfexpert.de/sozialwohnungen/genossenschaftswohnung/
      In der vorgestellten Siedlung hat es meines Wissens keine Sozialwohnungen gegeben..
      LG

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  10. Wien hatte mehr sozialen Wohnbau in den 1920ern.
    LG aus den "fernen Osten", Ludwig

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    1. Bei der von mir vorgestellten genossenschaftlichen Anlage geht es um eine, die der Idee der Gartensiedlung verpflichtet ist. Diese Idee wurde in Wien in der Mitte der Zwanziger Jahre aufgegeben zugunsten des höhergeschossigen Gemeindehausbaues. Damit konnte die Stadt sehr viel mehr Wohnraum schaffen als in den Kölner Siedlungen, die auch immer Wert auf Bauten in Grünanlagen gelegt haben. Der Wiener Gemeindebau hat allerdings noch viel mehr Aufschwung nach dem Krieg genommen, so dass die Stadt heutzutage einer halben Million Menschen Wohnraum bieten kann. Das ist schon bemerkenswert.
      LG

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  11. Liebe Astrid,
    danke dir für diesen schönen Spaziergang, der immer wieder interessante Aspekte bietet. Den blühenden Rotdorn - auch hier jetzt zu sehen - mag ich besonders gern.
    Hab eine schöne Woche - einen lieben Gruß von Marita

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  12. Liebe Astrid, die Anlage erinnert mich ziemlich an so manchen Wiener Gemeindebau aus den 1920er Jahren. So z.B. an den Rabenhof https://de-academic.com/dic.nsf/dewiki/1151514 , in dessen Nähe ich jahrelang gewohnt habe. Ich wusste nicht, dass es in Köln auch solche Beispiele gemeinnützigen Wohnbaus gibt - meiner Meinung nach sollte es davon generell mehr geben. Die Grünanlage der Siedlung hat schon was - auch wenn ich denke, hier könnte man auch noch eine schöne Schmetterlings- und Bienenwiese einbauen... Wäre wichtig...
    Für deine Baumsammlung habe ich heute wieder Bäume aus Costa Rica mitgebracht, diesmal aus dem artenreichen Nebelwald in Monteverde...
    Alles Liebe 🌱🌿🌱, Traude
    https://rostrose.blogspot.com/2023/05/costa-rica-11-kapitel-monteverde.html

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  13. ich finde diese Anlagen sehr schön
    sie sind auch gut in Schuss und saniert
    die Grünanlage im zweiten Hof ist sicher im Sommer sehr angenehm
    für die Bewohner .. das kühlt doch immer etwas herunter
    danke fürs mitnehmen
    Rosi

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  14. Der grüne Hof trägt seinen Namen wahrlich zu recht. Schön, dass das Grün auch so umfangreich erhalten ist und nicht durch Parkplatz und Garagen ersetzt wurde. Interessant auch, dass Köln anscheinend Wien nicht wirklich nachsteht in punkto große Gemeindewohnbauten.
    LG heike

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  15. Es war ein sinnvolles Wollen zu der Zeit allen würdevollen Wohnraum zu ermöglichen. Hier in D. sind es Genossenschafften gewesen, so circa 13-15 haben solch Anlage gebaut und viele sind erhalten, weil sie nicht so zentral gelegen waren,günstiges Bauland. Torhäuser scheint ein zentrales Merkmal gewen zu sein.
    Viele Grüße Karen

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  16. Hellerau war ja die erste Gartensiedlung in D. In Köln sind zunächst auch Siedlungen entstanden, die aus kleinen Einfamilienhäusern bestanden, z. B. ganz in der Nähe dieser Siedlung die Nibelungensiedlung 1919 oder Bickendorf I sogar schon ab 1914 im Westen der Stadt und die Märchensiedlung 1920 im Osten sowie die Milchmädchensiedlung 1919 im Fischerort Poll. Dann ging man zur Geschossbebauung über, und der Grüne Hof ist eine der ersten genossenschaftlichen Anlagen dieser Art. Das unterschied sich auch alles vom in Wien üblichen Gemeindebau, der die Gartensiedlungsidee in den Hintergrund verschoben hat.
    Ich werde sicher noch mal solche Siedlungen weiter aufsuchen.
    GLG

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  17. Liebe Astrid,
    vielen Dank für diese interessanten Einblicke mit deinen schönen Fotos in diese Siedlung. Eine grüne Oase in der Stadt. Ich bin sehr gerne mitspaziert!
    Liebe Grüße
    Ingrid

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  18. Mir gefällt die Anlage, ich mag eh solche Genossenschafts-Wohnungsbauten mehr als diese ganz schlimmen Neubauten, die es leider zuhauf gibt. Dann lieber mit Einbußen leben und dafür "richtige" Wände und Mauern. Dass Köln da Vorreiter war, finde ich gut. Einen grünen Hof zu haben, ist viel wert, sorgt für Abkühlung und Ruhe. Schön!
    Liebe Grüße, Maren

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  19. Liebe Astrid,
    toll, dass Du uns den wirklich Grünen Hof und die Siedlung zeigst- da bin ich gerne mitspaziert. Ich finde es immer spannend, in Höfe zu gehen (wenn es erlaubt ist) häufig findet man da so hübsche, stille Orte...
    Viele Grüße aus Kopenhagen sendet Kristina

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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