Donnerstag, 5. Mai 2022

Great Women #298: Anna Maria von Schürmann

Unter den insgesamt 124 abgebildeten Persönlichkeiten am Kölner Rathausturm sind nur 18 Frauen: Vier davon habe ich hier im Blog schon porträtiert: Agrippina, Theophanu, Edith Stein und Irmgard Keun. Heute ist die fünfte dran. Ihr Todestag jährte sich gestern zum 344. Male: Anna Maria von Schürmann.
CC BY-SA 4.0
"Daher kommt es, 
dass bei der Lektüre historiographischer Werke
 über weite Zeitläufe hinweg 
von den Spuren der Frauen 
nicht mehr erscheint 
als von den Spuren eines Schiffes im Meer"

Geboren ist Anna Maria von Schürmann 5. November 1607 in der katholischen Freien Reichsstadt Köln als Kind reformierter Eltern. 

Die Brüder Hendrik (links) und Johan (rechts),
gemalt von Anna Maria von Schürman,
in der Mitte die Mutter Eva von Harff zu Dreiborn
Die Familie ihres Vaters Frederik van Schurmann, 1564 in Antwerpen geboren, eine wohlhabende Kaufmannsfamilie, hat ihre Heimat in den südlichen Niederlanden 1593 verlassen, weil sie als Pro­tes­tan­ten im Zu­ge der Glau­bens­krie­ge Ver­fol­gungen ausgesetzt gewesen sind. Köln wird als Zuflucht gewählt, weil pro­tes­tan­ti­sche Flücht­lin­ge dort zu­nächst durch­aus ge­dul­det wer­den. In Köln lernt Frederik in einer der geheimen calvinistischen Gemeinden der Stadt Eva von Harff zu Dreiborn, 1580 geboren, aus einer Jülich-Eifeler Adelsfamilie kennen. Sie heiraten 1602 und bekommen vier Kinder: Hendrik Frederik (1603), Johan Godschalck (1605) und nach Anna Maria noch Willem (1610), der nur 5 Jahre alt werden wird. Anna Maria ist also die einzige Tochter.

Aber auch im katholischen Köln können sie ihre Religion als Contraremonstranten auf Dauer nur im Untergrund ausüben. 
Contraremonstranten, [auch Gomaristen geheißen] sind eine calvinistische Religionsgemeinschaft, die nach dem Leidener Theologen Franciscus Gomarus benannt ist. Kern der religiösen Strömung der Contraremonstranten war die strenge Auslegung von Calvins Lehre der Prädestination, nach der das Schicksal der Menschen von Gott vorbestimmt sei. ( nach Wikipedia )
Anna Maria ist drei Jahre alt, als die Familie aus Köln nach Dreiborn, dem Schloss der mütterlichen Familie im damaligen Kreis Schleiden ( heute Kreis Euskirchen ), flieht und dort bis 1615/16 bleibt. Anschließend weicht die Familie ins liberale Utrecht aus, einer Hochburg des Calvinismus. Anna Maria lernt durch diese Fluchten wohl, um des Glaubens willen keine Kompromisse zu schließen.

Die meis­ten Kennt­nis­se über ihre Kind­heit stam­men aus ih­rer Schrift "Euk­le­ria", ei­ne Art Au­to­bio­gra­phie, die sie 1673 schreiben wird:

Der wohlhabende und gebildete Vater kann den standesgemäßen Lebensstandard halten und seinen  Kindern eine gründliche, umfassende häusliche Ausbildung bieten, auch der einzigen Tochter. Die gilt als hochbegabt, wird von ihrem Vater und einen Hauslehrer unterrichtet und in ihren intellektuellen Fähigkeiten nach Kräften gefördert. Wissenschaft und Religion sind die Grundlage der Pädagogik des Frederik van Schurmann. Schon als als Dreijährige kann Anna Maria aus der Bibel zitieren. Spielend lernt sie Latein und wird später als beste Latinistin ihrer Zeit gelten. Sie ist ausgesprochen sprachbegabt und wird schließlich zehn Sprachen lernen & sprechen ( Eng­lisch, Fran­zö­sisch, Ita­lie­nisch, Alt­grie­chisch und He­brä­isch und durch be­freun­de­te Pro­fes­so­ren Ara­bisch, Sy­risch, Chaldä­isch und Sa­ma­ri­ta­nisch). Die äthio­pi­sche Spra­che wird sie sich im Ei­gen­stu­di­um an­eignen und eine äthiopische Grammatik verfassen.

Selbstporträt in Pastell
(1640)
Begabt ist Anna Maria nicht nur auf intellektuellem Gebiet, sie besitzt auch andere bewundernswürdige Geschicklichkeiten: Mit elf Jahren ist sie weit mehr als nur eine Dilettantin im Aquarellieren, Schnitzen, Modellieren und Sticken, im Glasschliff & der Bossierkunst. Auch Musik spielt für sie eine Rolle. Über zwanzig Gemälde und Stiche von ihr sind erhalten.

Als 14jährige verfasst sie eine lateinische Elegie, welche sie an den Pensionarius von Holland und populären Dichter, Jacob Cats, richtet. Cats attestiert ihr, dass "sie auch in den schwersten und subtilsten scholastischen Quaestionen" bewandert ist und ist wohl von der Person so bezaubert gewesen, dass er Anna Maria die Ehe angeboten hat, was sie aber ausschlägt.

1632 zieht die Familie nach Franeker in Friesland, wo sich Vater wie Bruder an der Universität Franeker einschreiben, um Vorlesungen von William Ames, einem Begründer des Puritanismus, zu hören. Doch der Vater stirbt dort ziemlich bald, da ist Anna Maria sechzehn. Noch kurz zuvor hat sie ihm ver­spro­chen, sich ganz der Wis­sen­schaft und Bil­dung zu widmen, auch wenn sie sich zunächst eher als Künstlerin einen Namen macht. Sie bleibt deshalb auch un­ver­hei­ra­tet und kin­der­los. Durch Selbst­stu­di­um und Pri­vat­un­ter­richt bei nam­haf­ten Pro­fes­so­ren, bei denen ihre Brüder studieren, er­wirbt sie sich Kennt­nis­se in Geo­gra­phie, Ge­schich­te, As­tro­no­mie, Ma­the­ma­tik, Bio­lo­gie und Me­di­zin. Die Gren­zen der Bil­dung für Frauen erlebt sie, die so voller ungebändigter Wissbegierde ist, allerdings im Fach Theo­lo­gie: Die best­mög­li­che theo­lo­gi­sche Aus­bil­dung bekommt man nur an Uni­ver­si­tä­ten. Und von denen sind Frauen ausgeschlossen.

Selbstbildnis
(Kupferstich, 1640)
1626 zieht die Familie nach Ut­recht zurück. Dort darf sie 1636 zwar das la­tei­ni­sche Fest­ge­dicht zur Er­öff­nung der Uni­ver­si­tät ver­fassen, aber studieren darf sie dort nicht. Den Mund hält sie daraufhin dennoch nicht und verfasst eine Denk­schrift "Dis­ser­ta­tio num fe­mi­nae chris­ti­a­nae con­ve­ni­at stu­di­um lit­terar­um" ( auf Deutsch: "Ob ei­ner christ­li­chen Frau wis­sen­schaft­li­ches Stu­di­um an­ste­he") und ver­öf­fent­licht sie 1638 un­ter dem Ti­tel "Ami­ca dis­ser­ta­tio in­ter An­nam Ma­ri­am Schur­man­niam et An­dr. Ri­vetum de ca­pa­ci­ta­te in­ge­nii mu­lie­bris ad sci­en­tas" ( auf Deutsch: "Das Recht der Frau­en auf die Ar­beit als Wis­sen­schaft­le­rin"). 

Diese Ausgrenzung beschäftigt die inzwischen 30jährige schon länger und ist Gegenstand brieflicher Dispute mit dem Leidener Professor & Alttestamentler An­dré Ri­vet, der Her­for­der Für­stäb­tis­sin Eli­sa­beth von der Pfalz oder der französischen Schrift­stel­le­rin und Frauenrechtlerin Ma­rie de Gour­nay und bringt ihr den Ruf als Vorkämpferin für das Recht der Frauen auf Bildung ein.

Für uns heute verwunderlich bzw. nicht nachvollziehbar ist, dass für Anna Maria das eine religiöse, keine politische oder gar eman­zi­pa­to­ri­schen Einstellung ist: Christ­innen sollen durch ein Stu­di­um die Mög­lich­keit er­hal­ten, ih­re christ­li­che Ge­lehr­sam­keit und ihre mo­ra­li­schen Tu­gend zu optimieren. Auch begründet sie ihr Plädoyer für die Bildung der Frauen mit der Gottähnlichkeit des Menschen, ihr geht es also nicht um eine Gleichstellung, sondern um ein religiös begründetes "Ideal geistiger Vervollkommnung", um die die fromme Pflicht der Frauen. Mit ihrer "Dissertatio" heizt sie die seit dem Mittelalter virulente "Querelle des femmes" um die Minderwertigkeit der Frauen weiter an, die sie weit über die Niederlande hinaus bekannt macht.

Ab Mitte der 1630er Jahre erhält Anna Maria bei Gisbert Voetius, Mitbegründer der Universität von Utrecht, Privatunterricht und darf schließlich als erste Studentin an der theologischen Fakultät in Utrecht studieren. Allerdings darf sie den Disputationen und Vorlesungen nur in einer "loge grillé", einer Art vergittertem Kasten, für die männlichen Studenten nicht sichtbar lauschen. 

Mit 35 Jah­ren wir­d Anna Maria von Schürmann in das Le­xi­kon "Bi­blio­the­ca Bel­gi­ca" aufgenommen. Sie hat nun ei­nen vor­züg­li­chen Ruf als Ge­lehr­te und Wis­sen­schaft­le­rin, gilt als die gelehrteste Frau Europas und steht in Kon­takt mit zahl­rei­chen be­rühm­ten Wis­sen­schaft­lern des Barock. 

Ihr Korrespondenznetzwerk zeigt, dass sie eine herausragende Stellung in der sogenannten Gelehrtenrepublik, dem sozialen Netzwerk frühneuzeitlicher Gelehrter, eingenommen hat. Der französische Gelehrte Pierre Gassendi schreibt ihr: "Es gibt nichts, was du nicht verstehst, nichts, was du nicht erschaffen kannst; Du bist das Wunder dieser Zeit." In ihrer Antwort bezeichnet sie das Lob von Gassendi als übertrieben.

Sie korrespondiert zum Beispiel auch mit dem fran­zö­si­schen Phi­lo­so­phen Re­né Des­car­tes. Per­sön­lich­kei­ten wie die Schrift­stel­le­rin Ma­de­lei­ne de Scu­dé­ry und die fran­zö­si­sche Kö­ni­gin Ma­ria von Me­di­ci fühl­en sich ge­ehrt, Hand­schrif­ten von ihr zu er­hal­ten. Eh­ren­be­zeich­nun­gen wie "Mi­ra­kel von Köln", "Zier­de von Ut­recht" ("De­cus Ul­tra­jec­ti") und "l´hon­neur de l´uni­vers" (Eh­re des Uni­ver­sum) werden ihr zu­teil. 1648 kommen bei Elzevir, den berühmten niederländischen Verlegern und Druckern in Leiden, ihre gesammelten Werke mitsamt einer Auswahl der an sie gerichteten Briefe und Gedichte ihrer gelehrten Korrespondenzpartner heraus. Die Neuausgaben von 1650, 1652 und 1749 bezeugen das anhaltende Interesse eines großen Publikums über die Zeiten hinweg.

Jan Lievens: Anne Marie de Schurman
(1649)
Ab der Mitte der 1640er Jahre bahnt sich langsam eine "religiöse Neubesinnung" bei Anna Maria an, die sich daran ablesen lässt, dass sie sich aus den Debatten mit Freunden und Gelehrten immer mehr zurückzieht. Sie will fromm leben und losgelöst von gesellschaftlicher Anerkennung und verfasst jetzt religiöse Gedichte über die Liebe zu Jesus.

Ihr Ruf bleibt ungebrochen und bringt ihr nach wie vor internationale Hochachtung ein: So beehrt sie  im Jahre 1654 die Königin Christine von Schweden, mit der sie schon länger brieflich verkehrt hat, nach ihrer niedergelegten Regentschaft auf ihrer Reise gen Süden, verkleidet als Mann, mit ihrem Besuch. Sie lässt sich auch von Anna Maria als Pallas Athene, der Verkörperung der Weisheit, porträtieren.

Nach dem Tod ihrer Mutter 1637 hat sie ihrem Bruder Johan Godschalk den Haushalt geführt. Der Nachlass ihrer Eltern ermöglicht beiden ein sorgenfreies Leben. 1653/54 begleitet sie ihn nach Köln, um zwei Schwestern ihrer Mutter zu unterstützen. Die müssen dort als Calvinistinnen nach wie vor im Verborgenen leben. Köln beschreibt sie in einem Gedicht jener Zeit als Babylon, Utrecht hingegen ist Jerusalem.

Der längere Aufenthalt in Köln befördert zu Hause Gerüchte einer Konversion zum Katholizismus. Da in Utrecht die Auseinandersetzungen um eine Reform des Calvinismus immer härter werden, wird die Situation Anna Marias in Stadt und Gemeinde schwierig, denn sie findet die Staatskirche mittlerweile mehr und mehr von der Welt korrumpiert. Sie und ihr Bruder sowie die beiden Kölner Tanten ziehen sich deshalb zunächst nach Lexmond bei Vianen in der Provinz Utrecht zurück, um entfernt von aller Gemeinschaft der Welt, ruhig und unter Übungen der Andacht zuzubringen. Nachdem die beiden Frauen gestorben sind, sie selbst eine lebensgefährliche Krankheit durchgemacht hat und sich ihr Bruder im Jahre 1661 zu einer Reise nach Deutschland und in die Schweiz aufmacht, kehrt Anna Maria in ihre alte Wohnung in Utrecht zurück.

Cornelis Jonson van Ceulen:
Anna Maria van Schurman
(1657)
Spätestens seit dem Kölnaufenthalt haben sich mystische Tendenzen und die Sehnsucht, das ganze Leben dem Glauben zu opfern bei der nunmehr über Fünfzigjährigen verstärkt. Die Bekanntschaft ihres Bruders Johann Godschalk mit Jean de Labadie in Genf führt letztlich auch bei der Schwester zum definitiven Anschluss an den religiösen Erneuerer und Sektenführer, mit dem sie über den Tod des Bruders 1664 hinaus korrespondiert. Sie verwandelt nun endgültig ihr Leben in "ein neues, wiedererwecktes Leben, das nun der Hingabe an Gott allein dienen soll"
Labadie, 1610 bei Bordeaux geboren, war vom Orden der Jesuiten über eine Phase als Wanderprediger 1650 zur reformierten Kirche übergelaufen. Er fand die Sittenlehre dieser Kirche aber zu lau und die Frömmigkeit zu gering. Die Absage an die Welt war ihm besonders wichtig. Seine aktive Erneuerung der Kirche soll durch praktische Jüngerschaft, Bibelstudium, Hausversammlungen und vieles andere gefördert werden, was für die reformierte Kirche zu dieser Zeit neu war. Sein prophetischer Anspruch und seine Abweichungen von der reformierten Orthodoxie erregten also Widerspruch, während seine Anhänger ihn für einen zweiten Calvin hielten. Auch in den Niederlanden fanden seine auf Französisch schriftlich weit verbreiteten Ansichten ein sehr unterschiedliches Echo.
Jean de Labadie
Labadie kommt 1666 in die Niederlande und wird in Middelburg in Zeeland als Prediger angestellt, wohin ihm Anna Maria nebst zwei andern adeligen Frauenzimmern für zwei Monate folgt. Aus der reformierten Kirche Utrechts tritt sie jetzt aus, verkauft ihr Haus und schließt sich 1669 mit sechzig anderen Labadie - Anhängern seiner in Amsterdam neu gegründeten und urchristlich geprägten Hausgemeinschaft an, d.h. man teilt seine Besitztümer nach dem Muster der Kirche, wie sie in der neutestamentlichen Apostelgeschichte beschrieben ist. 

Fortan trägt sie alle Fluchtbewegungen der Sekte mit und führt ein asketisches Leben auf Wanderschaft. Anna Marias Bekanntschaft mit der Fürstäbtissin Elisabeth von der Pfalz, der hochgelehrten Tochter des "Winterkönigs", ermöglicht 1670 der Gemeinde eine Zeitlang die Zuflucht in Herford in Westfalen. Die rund 50 Mitglieder der Sekte kommen täglich zu Morgen- und Abendandachten sowie den Predigten Labadies zusammen, werden aber wegen ihrer Lebensführung und ihrer Schwärmerei dann doch bald wieder ausgewiesen. Anschließend wendet man sich nach Altona, eine damals vom dänischen König regierte Toleranzstadt, wo Labadie 1674 stirbt.

Anna Maria van Schuurman, wie sie in den Niederlanden heißt, wird nun zu einer der Säulen der Labadisten: Sie verbreitet seine Schriften, porträtiert und forscht, hält Kontakt zu anderen Reformgruppen, etwa zu den Frankfurter Pietisten um Philipp Jakob Spener und Johanna Eleonora von Merlau. Auffallend & merkwürdig ist, dass sie keine eigene Glaubensgemeinschaft wie die anderen Pietistinnen ihrer Zeit gründet, sondern sich der von einem Mann geschaffenen Anschaung bzw. Gemeinschaft unterordnet, wenn auch in führender Position. Teilt sie die Tendenz bei vielen Frauen, lieber in der zweiten Reihe zu bleiben, fragt sich Diemut Meyer an dieser Stelle, obwohl sie dem Begründer der Sekte intellektuell haushoch überlegen gewesen ist?

Auch ihre eigenen früheren Schriften widerruft sie: Deren eitle Motivation sei falscher Ehrgeiz gewesen, so ihre Erklärung. Für sie selbst stellt ihre neue Lebensweise keine Abkehr vom bisherigen Ziel der Selbstverwirklichung dar, sondern ist nur ein anderer Weg zu diesem Ziel. Diese Radikalität wird zu ihrer Zeit als Skandal empfunden.

Die wissenschaftlich orientierte Welt nach dem Dreißigjährigen Krieg schüttelt den Kopf über ihren Sinneswandel. Die Labadisten hält man nämlich für nicht ernst zu nehmende Schwärmer, die Frauen unter ihnen als "verzückt". Es kommt zum Bruch mit ihrem Lehrer & Förderer Gisbert Voetius.

Auch weite Teile der reformierten Kirche reagieren mit Unverständnis, dass die kluge Frau sich vorbehaltlos an die Seite Labadies stellt. Anna Maria erklärt und rechtfertigt sich schließlich in ihrer autobiographischen Schrift "Eukleria": Für sie sei das einfache Leben in Gemeinschaft der bessere Weg zu Gott. Ihr im Selbstverlag gedrucktes Werk schickt sie dann an alte und neue Freunde.  

Ab 1678 lebt sie mit den anderen Labadisten auf dem Landgut Waltha bei Wieuwerd in Westfriesland ( auf dieser Seite ist ein von der Merian gezeichneter Plan des Geländes zu sehen. Maria Sibylla hat sich zehn Jahre später dort niedergelassen ). Das Gut haben die drei Schwestern des Gouverneurs von Surinam der Sekte als Zufluchtsort zur Verfügung gestellt und es ermöglicht ihnen ein Leben als Selbstversorger. 

Dort stirbt Anna Maria von Schürmann am 4. Mai 1678 mit einundsiebzig Jahren. Vor ihrem Tod hat sie alle ihre Bediensteten weggeschickt, um in Einsamkeit, von jedermann verlassen, ihre Seele desto ruhiger ihrem Schöpfer übergeben zu können. Für ihre Mitmenschen außerhalb ihrer Sekte ist sie längst nicht mehr die gefeierte Forscherin, sondern nur noch eine fromme Närrin.

Nach ihrem Tode findet man den zweiten Teil der "Eukleria", welcher 1684 in Amsterdam gedruckt wird. Beide Teile der Schrift werden im Jahre 1782 in Dessau wieder aufgelegt. Die Gemeinschaft der Labadisten existiert noch etwa 70 Jahre bis um 1750.




6 Kommentare:

  1. Liebe Astrid,

    ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich noch nicht mal weiß, wo der Kölner Rathausturm ist.
    Falls ich irgendwann noch mal nach Köln kommen sollte, werde ich das nachholen. Genau wie ein Besuch in der Flora.

    Deine porträtierte Frau sagt mir leider gar nichts. Vielleicht liegt es auch daran, dass zu viele Jahrhunderte dazwischen liegen, um für mich einen vergleichbaren Bezug zu haben. Will damit sagen, dass deine sonstigen Frauenporträts mir irgendwie "näher" stehen.

    Vielen Dank für den Blick hinter die Kulissen des Lebens von Anna Maria von Schürmann.

    Viele Grüße
    Claudia

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    1. Es ist mir ein Anliegen nachzuweisen, dass es immer außergewöhnliche Frauen gegeben hat, sie aber aufgrund unserer Art Geschichte zu schreiben dem vergessen anheim gegeben werden ( wie es die Schürmann ja so bildhaft ausgedrückt hat ). Klar ist mir ihre Frömmigkeit fremd, ihr Verlangen nach Bildung hingegen überhaupt nicht. Und einen Lebensentwurf ohne Ehe & Familie für sich zu beanspruchen, zumal in jener Zeit, finde ich auch erwähnenswert.
      GLG

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  2. Wirklich eine bemerkenswerte Frau und ein sehr ungewöhnlicher Lebensweg, den sie anscheinend mit in die Wiege gelegt bekam. Der Glauben ging der Familie über sehr viel, wenn nicht über alles.
    Interessant finde ich, dass Maria Sibylla Merian ja auch dort war in Waltha und Du hier auf die Nürnberger Seite Merianin verweist. Margot Lölhöffel, die diese Seite mit ins Leben gerufen hat, ist auch eine höchst interessante Frau mit vielerlei Facetten und Kenntnissen.
    Anna Maria von Schürmann jedenfalls ist eine große Gelehrtin gewesen und zeigt, dass Frauen auch große Netzwerke geschaffen haben zu diesen Zeiten. Die berühmte Surinam-Reise von Frau Merian konnte später ja über das religiöse Netzwerk der Labadisten stattfinden.
    Ich finde, unsere Ahninnen haben echt viel zu bieten!
    Herzlichst, Sieglinde

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  3. Liebe Astrid, Anna Maria Schürmann war auch mir unbekannt. Eine hoch intelligente Frau, die hartnäckig Wege gefunden hat, als Gelehrte und Wissenschaftlerin anerkannt zu werden. Ihre mit dem Älterwerden immer dominanter werdende Frömmigkeit ist mir bei diesem Wissen schwer verständlich. Mit dem Landgut Waltha (und deinem Link zu dem Plan des Geländes) ist dann eine Verbindung zu dem Roman „Der Fluch der Sommervögel“ über das Leben von Maria Sibylla Merian entstanden, den ich gerade lese. Herzlichen Dank für den Wissensgewinn!
    Liebe Grüße von Margit P. aus N.

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  4. Es ist bestimmt für viele unverständlich, warum Frauen ins Kloster gingen oder wie hier in religiöse Gemeinschaften. In Klöstern hatten sie die Freiheit, auch auf Bildung. Warum Maria so zurück getreten ist, wird sie selber am Besten gewußt haben und auch das ist Selbstbestimmung. Aber was für ein wissenschaftlicher Geist!
    Liebe Grüße
    Nina

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  5. schon schade, dass eine so kluge, starke und künstlerisch begabte frau die hälfte ihres lebens dieser frömmigkeit anheim gefallen ist. mir erschließt sich das "warum" einfach nicht. ob es ein ereignis gab, das sie dazu geführt hat? wir werden es wahrscheinlich nicht mehr erfahren.
    liebe grüße
    mano

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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