Donnerstag, 17. Februar 2022

Great Women #290: Yoko Ono

Natürlich habe ich als Teenie die Geschichte mitgetragen, dass sie die Beatles auseinander gebracht hat. Was weiß frau in diesem Alter schon vom Leben und der Liebe! Ich erinnere mich nicht mehr, wann der Zeitpunkt kam und ich sie mit anderen Augen betrachtet habe, ja, dass sie mir regelrecht zu imponieren begann und ich sie schließlich auf meine Agenda gesetzt habe: Yoko Ono, die morgen ihren 89. Geburtstag begehen kann.

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"I think it's better to dance than to march through life"
 
Yoko Ono kommt also am 18. Februar 1933 als erstes Kind von Isoko Yasuda und Eisuke Ono in Tokio zur Welt. Sie wird in eine illustre Familie hineingeboren: Ahnen väterlicherseits lassen sich bis ins 9. Jahrhundert zurückverfolgen, darunter ein religiöser Führer einer buddhistischen Sekte. 


Ihre bei ihrer Geburt 22jährige Mutter entstammt der angesehenen, & vermögenden Familie Yasuda, einer Kaufmanns- & Bankdynastie. Yasuda Zenjirō, Yokos Urgroßvater, hat im 19. Jahrhundert den Aufstieg aus einem armen Samurai- Clan aus der Provinz Etchu zu einem der wichtigsten Finanziers Japan in Edo geschafft. Er gründete eins der vier großen Zaibatsu Japans. Es wird erzählt, dass John Lennon beim Betrachten eines Fotos des Urgroßvaters gesagt haben soll: "That's me in a former life." Darauf Yoko: "Don't say that. He was assassinated." Yasuda Zenjirō ist 1921 von einem Ultra-Nationalisten ermordet worden, weil er ihn nicht finanziell unterstützen wollte.

Yokos Vater wiederum ist ein entfernter Verwandter der kaiserlichen Familie, Yoko wächst also im Bewusstsein auf, dass ihre Vorfahren mächtig und wohlhabend gewesen sind.

Der Ehe ihrer Eltern ist eine lange Verlobungszeit vorausgegangen, in der der Vater, der eigentlich Pianist werden wollte und der christlichen Minderheit Japans angehört, von Eltern & Schwiegereltern zu einem Studium gedrängt worden ist, dass ihn für die Tätigkeit im Bankgeschäft der Yasudas qualifiziert. Ab 1927 arbeitet er sehr erfolgreich für verschiedene Geldhäuser.

Mit ihren Eltern (ca.1935)
Nach ihrer Heirat wohnen die Eltern innerhalb des palastähnlichen Anwesens der Yasudas. Das kleine Mädchen kennt seinen Vater nur von Fotos, weil dieser bis zu ihrem 3. Lebensjahr in San Francisco tätig ist. Die Mutter bemüht sich wenig um ein intensives Miteinander mit ihrer kleinen Tochter, sondern überlässt erzieherische Maßnahmen dem Hauspersonal, das sich auch als Spielkamerad zur Verfügung stellt. Isoko führt lieber ihren Künstlersalon und ein intensives Leben mit Hausmusik. Es ist wohl keine warme Atmosphäre in diesem vom Tokioter Geldadel und der geistigen Elite geprägten Haus, in dem Kinder stets adrett, anständig und leise zu sein haben. Nicht verwunderlich, dass das Mädchen von Verlust- & Existenzängsten geplagt wird!

1935 zieht die Mutter mit Yoko zum Vater nach San Francisco, wo der Bruder Keisuke zur Welt kommt. 1937 geht es aber schon wieder zurück nach Tokio, 1940 abermals für ein Jahr nach New York. Weil der Vater inzwischen eine Bank in Hanoi leitet, zieht seine Frau mit den beiden Kindern erneut nach Tokio, wo sie ein weiteres Kind, die Tochter Setsuko, 1941 zur Welt bringt.

Das enge Korsett, welches die strengen Regeln im Hause Ono und die strikte Forderung, sich immer dem elterlichen Willen zu fügen, dem Mädchen anlegen, wird bei Yoko auf Dauer zu Rebellion, Durchsetzungsfähigkeit und Freiheitsliebe führen.

Da beide Eltern die Leidenschaft zur Musik beseelt, melden sie ihre Tochter an der renommierten Jiyu- Gakuen Girl's School zum Musikunterricht an, wo auch Kinder der kaiserlichen Familie von teilweise berühmten japanischen Komponisten unterrichtet werden. Noch erfüllt sie alle Wünsche & Anforderungen der Eltern, macht bei der Hausmusik mit, übernimmt den eigentlichen Berufswunsch des Vaters und tritt auch schon öffentlich auf.

Tokio nach dem Luftangriff am 10. März 1945
Nach dem letzten großen amerikanischen Luftangriff mit über hundertdreißigtausend Toten am 9. März 1945, den Yoko mit ihrer Mutter & den Geschwistern in einem Bunker im vornehmen Stadtteil Azabu überlebt, flieht die Mutter mit ihnen ins sicherere Hinterland. 

Anfangs ist die Familie materiell besser gestellt als die arme Landbevölkerung. Im Laufe der Monate führt der Kriegszustand aber auch bei den Onos zu Verschlechterungen. Wertvolle Gegenstände müssen veräußert werden und hin und wieder ist Yoko gezwungen, bei der bäuerlichen Nachbarschaft um Essen zu betteln. Dabei erlebt sie erniedrigende Situationen, denen sie trotzig standhält.

Andererseits macht sie aber auch die Erfahrung, dass die Armut verborgene Vorzüge in sich trägt, nämlich Freiheiten, die es in dem streng ritualisierten japanischen Familienleben der Reichen nicht gibt. "Stiller Widerstand und Bereitschaft zum Kampf paaren sich im letzten Kriegsjahr mit einer vagen Sehnsucht, dazu zu gehören, auch arm zu sein, um dem Neid, den Aggressionen und dem ausbeuterischen Verhalten zu entgehen", schreibt Nicola Bardola in seiner Biografie. Sie lernt zudem, Verantwortung für ihre Geschwister zu übernehmen, einen widrigen Alltag bei Mittellosigkeit zu bewältigen, aber auch mit Ungerechtigkeit & Konflikten klarzukommen. Diese Zeit prägt zudem die Sorge um den Vater, der ohne Wissen der Familie in Saigon in einem Konzentrationslager von den Alliierten gefangen gehalten wird. Yoko wird als ein Mädchen beschrieben, dass sich in der Schule auf dem Land durchzusetzen weiß. Später wird sie als wichtigste Lektion dieser Zeit die Erkenntnis benennen, dass nichts bestehen bliebe und man nichts besitzen solle, dass einem wichtig ist.

Nach einem Jahr kehren die Onos zurück ins zerstörte Tokio, der Vater kommt aus der Gefangenschaft  heim und darf alsbald wieder, nun als ungefährlich Eingestufter, eine leitende Position bei der Bank of Tokyo einnehmen. Das alte Leben voller Disziplin, Ordnung und Unfreiheit beginnt erneut. Die 13jährige Yoko ist froh, als der Vater ihr verkündet, dass sie zu wenig Talent fürs Klavierspielen habe und sie ihre Zeit beim Üben vergeude. Sie selbst will ohnehin viel lieber Komponistin werden.

Ab 1947 besucht sie wieder die Schule der Gakushuin-Schulgesellschaft, auf der auch die Kaisersöhne sind. Ab 1952 studiert sie dann als erste Frau an der Gakushuin - Universität Philosophie - mit voller Unterstützung ihrer Eltern. Besonders ihre Mutter vermittelt ihr Selbstvertrauen in ihre Möglichkeiten als Frau:
"Zu sehen, wie sie immer dafür kämpfte, ein unabhängiger Mensch zu sein, hat mich geprägt. Ich respektierte sie dafür. Von klein auf riet sie mir: "Heirate auf keinen Fall. Bekomme nie Kinder. Das ist das Schlimmste, was du dir antun kannst." Ich verstehe, warum sie das dachte: Mutter zu werden bedeutete für sie das Ende ihrer Identität. Sie konnte sich nicht mehr frei bewegen. Ich habe trotzdem nicht auf sie gehört", erzählt Yoko einmal in diesem Interview.
Dennoch gibt sie das Studium nach einem Jahr auf und übersiedelt wieder mit der ganzen Familie nach New York, weil der Vater dort die Leitung der Bank of Tokyo übernimmt. Sie geht nach Harvard und belegt dort Kurse in Musik, besonders im Gesang. Später geht sie an das musisch orientierte private Sarah Lawrence- College, wo sie sich für Arnold Schönberg und Anton Webern begeistert und eigene serielle Werke komponiert. Auch die Werke Kurt Weills bzw. Bert Brechts lernt sie kennen: "Sie liebt Grenzgänger und alle Versuche, die Regeln in der Tonkunst zu brechen. Unkonventionelles, Experimente, Nonkonformismus reizen sie."

Toshi Ichiyanagi (links) & Yoko Ono
(1961 )
Zu vieles spricht die junge Frau an und fasziniert sie - den Mitstudierenden kommt sie immer etwas angespannt vor. Bei einer Party der Beatniks und Bohemians im Umkreis ihrer Schule, zu denen sie sich zählt, lernt sie dann ihren gleichaltrigen Landsmann Toshi Ichiyanagi kennen, Student an der berühmten Julliard School in New York, Schüler von John Cage und Aaron Copland. Nun fasziniert sie dieser mehr als der Unterricht an ihrer Schule und hält sich bei ihm in Manhattan auf. Als sie ihren Eltern den jungen Mann vorstellt, kommt es zum Eklat: Denn obwohl Yokos Vater von den viel reicheren Eltern seiner Zukünftigen zur Aufgabe seiner Pianistenträume genötigt worden ist, kann er diese Erfahrung nicht auf den jungen mittellosen Pianisten übertragen, den seine Tochter liebt. Yoko verlässt das Elternhaus im Streit. Letztendlich organisieren die Eltern eine Hochzeitsfeier im Herbst 1956, nehmen aber nicht daran teil und bestehen darauf, dass die Eheschließung in Japan nicht vermerkt wird.

Yoko bewohnt anschließend mit ihrem Ehemann ein ungeheiztes Loft in Manhattan und taucht mit ihm ab in die Entdeckung neuer Welten. Dazu zählen Avantgarde - Veranstaltungen, gute Lektüre, Theater, Kino, aber auch für Yoko die freie Liebe. Außerdem genießt sie die Bekanntschaft illustrer Künstler jener Tage wie eben John Cage, Merce Cunningham, Robert Rauschenberg, Allan Kaprow. Doch der Alltag ist hart: Yoko ist gezwungen, den Haushalt mit geringen Einkünften aus dem Stipendium ihres Mannes und ihrer kleinen Nebeneinkünfte als Dolmetscherin, Kalligraphie- & Origamilehrerin - die Schule hat sie nicht abgeschlossen - zu bestreiten, denn von ihren Eltern will sie nichts annehmen. Die Beziehung leidet bald, auch weil Yoko sich als kreative Künstlerin sieht und nicht als Hausfrau. Auf eine erste Abtreibung folgen bald weitere und es gibt viel Streit über ihre Promiskuität.

Gleichzeitig bekommt sie Zugang zur großartigen Künstler- & Musikerszene, die sich zu dieser Zeit in New York versammelt hat. Ab 1960 wird ihr Loft zum Event- Raum, es gibt immer mehr Happening-Aktionen mit ihr, zu der Leute wie Peggy Guggenheim ( siehe dieser Post ), Max Ernst, Marcel Duchamp kommen. In anderen Galerien kann sie ihre später im Buch "Grapefruit" veröffentlichten Ideen umsetzen wie die des "Smoke Painting":
"Brenne eine Leinwand oder ein fertiges Bild mit einer Zigarette an, so lange du willst. Verfolge die Bewegungen, die der Rauch macht. Das Gemälde ist fertig, wenn die Leinwand oder das Bild verschwunden ist."
( Konventionelle Bilder stellt sie allerdings auch aus. ) Auf diese Weise wird sie als einzige Frau Mitglied einer neuen Bewegung in der Kunst, die sich alsbald unter dem Namen "Fluxus" auch international ausbreitet, ab 1961 auch in Deutschland, u.a. mit Karlheinz Stockhausen ( siehe auch dieser Post ), Nam June Paik und Joseph Beuys.

1961 zieht sich Yokos Ehemann ohne sie nach Japan zurück, andere Liebhaber nehmen seine Stelle ein. Doch die Gesamtsituation, bestehend aus hoher Erwartungshaltung an sich selbst, solitärer Position in ihrer künstlerischen Blase und existenzieller materieller Nöte zwingen Yoko in die Knie und sie geht auch nach Japan zurück, wo sie alsbald zusammenbrechen wird. Als nämlich ein Auftritt in der Carnegie Hall mit ihren Werken, der ihr den künstlerischen Durchbruch bringen soll,  in der "New York Times" nur eine mäßige Kritik erhält, reagiert sie mit einer Mischung aus Arbeitswut und Depression. Im Sommer 1962 entzieht sie sich all dem und geht nach Tokio zu ihrem Ehemann.

Mit Tochter Kyoko
Doch Erfolg auf künstlerischem Gebiet wie in der Liebe bleibt auch dort aus. Yoko beschreibt später, dass sie sehr einsam gewesen sei. Sie nimmt eine Überdosis Schlaftabletten und landet in der Psychiatrie. Das ist die Stunde des Tony Cox, denn sie schon aus New York kennt und der sich ebenfalls zu diesem Zeitpunkt in Tokio aufhält. Der holt sie äußerst trickreich aus der Klinik: Yoko sei eine bekannte Künstlerin in New York und er werde dort einen Artikel über ihre Behandlung veröffentlichen. Der Rest ist schnell erzählt: Affäre, Schwangerschaft, überstürzte Heirat am 28. November 1962, ( nach Annullierung ein zweites Mal am 11. Juni 1963 ) erneutes Zerwürfnis mit den Eltern, prekäre Finanzlage. Die gemeinsame Tochter Kyoko Chan Cox kommt dann am 8. August 1963 zur Welt.

Auch diese Beziehung besteht bald nur aus Streitereien. Tony Cox entwickelt sich aber zu einem wertvollen künstlerischen Assistenten für Yoko. Er ist wesentlich daran beteiligt, Yokos Buch "Grapefruit", im Selbstverlag herausgebracht, unter die Leute zu bringen, erst in Tokio, dann in New York, wohin sie 1964 zurückkehren. Das Buch enthält "event scores", also Anleitungen für Performances verschiedenster Art, darunter auch analoge Flashmobs: "Lass 500 Menschen zu einer vorgegebenen  Zeit an dieselbe Telefonnummer denken" beispielsweise ( Yoko glaubt an die Macht gemeinsamer Gedanken ).

In New York geht das Leben in Geldnot & Chaos weiter. Das Paar muss dauernd umziehen, meist eine Abfallhalde hinterlassend. Außerdem hat Yoko die künstlerische Weiterentwicklung in New York "verpennt". Neidvoll sieht sie, wie frühere Kollegen nun von ihrer Kunst leben können. Tony verspricht ihr, sie als ihr Manager groß herauszubringen.

Schon im Juli 1964 hat sie sich in Kyoto erstmals die Kleider vom Leib schneiden lassen. Ein Jahr später wiederholt Yoko ihr "Cut Piece" in New York im 3. Stock der Carnegie Hall:

Source

























Ein Interview mit Yoko im "Villager" erscheint vorher. Auch die "New York Times" berichtet über sie, nennt sie allerdings "egozentrisch" und vergisst den Ort ihrer Aufführung zu nennen. 
"Das war eine furchteinflößende Erfahrung. Und es machte mich verlegen. Aber ich wollte nicht anders. Ich sah es als eine Übung in der Zen-Tradition, wonach man tun soll, was einem am unangenehmsten ist. Man soll erleben, wie man darauf reagiert und wie man damit klarkommt", kommentiert sie später ihre berühmteste Performance. 

Die junge Familie lebt zunächst weiter am Rand des Existenzminimums und produziert fast ohne Ende Ideen, um Geld zu verdienen. Manchmal findet es auch einen Sponsor wie für das "Bag Piece", bei dem Yoko & Tony in einen schwarzen Sack kriechen und darin, was auch immer, tun. Yoko, die schüchtern ist, findet es großartig, durch zwei kleine Löcher die Zuschauer zu betrachten ohne gesehen zu werden. Es ist Yokos größter Erfolg in New York. 

Avantgardekunst und kommerzielle Überlegungen schließen sich jetzt plötzlich nicht mehr aus: Das Paar kann sich ein Film - Equipment zulegen und dreht kleine Filme, die heute als Klassiker des Underground- Films gelten. Am bekanntesten ist aber der 1966 in London gedrehte Film "No. 4 (Bottoms)", in dem 365 nackte Hintern von unbekannt bleibenden Künstlern wackelnd zu sehen sind. Sie zeigen ihn beim Symposium "Destruction In Art" in London, wo er sich prompt ein Aufführungsverbot einhandelt und dem Paar rasch einen hohen Bekanntheitsgrad und einiges Geld einbringt. 

Im Spätsommer des Jahres ist die Kleinfamilie also nach London gekommen. Dort ist die Neugier auf New Yorker Kunsttrends riesengroß und ihnen stehen Tür & Tor offen. Sie führen das "Cut Piece" und das "Bag Piece" auf und bekommen eine Ausstellungsmöglichkeit in der Indica Gallery.

1966

Dort kommt es am 9. November 1966 zur schicksalhaften Begegnung zwischen Yoko, schwarz gekleidet in völlig weißer Umgebung, mit John Lennon

"Wenig später stand er neben einer weiß gestrichenen Leiter. An der Decke hing ein schwarzes Bild mit einem weißen Punkt in der Mitte, daneben baumelte eine Lupe herab. John stieg hoch, nahm die Lupe und sah das Wort "YES" und war beeindruckt." 
Das bringt ihn dazu, in der Galerie zu verweilen und mit Yoko zu interagieren. Beide verspüren wohl die emotionale und kreative Kraft im anderen. Doch bis aus den beiden ein Paar wird, vergehen noch eineinhalb Jahre. Im Winter 1968 trennt sich Yoko von Tony und ihrer Tochter, indem sie aus der gemeinsamen Wohnung auszieht. Fast zeitgleich erscheint im November "Two Virgins", das erste gemeinsame Album von John & Yoko. Auf der Vorder- und Rückseite des Covers ist das Paar nackt von vorn und von hinten zu sehen. Für viele ist das schockierend, vor allem weil John doch eigentlich so ein "braver" Beatle ist. "Für Yoko ist das die Fortsetzung ihrer experimentellen Arbeit, für John die Befreiung vom Beatles-Korsett der schönen Melodien." Yoko befindet sich zu dieser Zeit allerdings ebenfalls in einer ambivalenten Situation, da sie für den Geschmack ihrer Avantgarde - Freunde viel zu viel Aufsehen erregt.

Ich glaube, es ist sehr viel publiziert worden über die Beziehung der beiden, besonders ihren Beginn, dass ich mich gar nicht darüber auslassen will. Nur so viel: John Lennon ist damals frustriert von seinem Indien - Trip heimgekehrt in einen ehelichen Leerlauf und politisiert sich immer mehr. Yoko bietet ihm geistige Anregung, zu der sich dann auch eine erotische Anziehung dazugesellt. Beide sind sich einig, dass Künstler am Weltgeschehen teilnehmen sollten.

"Ich bin in sie verliebt", sagt Lennon einmal der versammelten Presse, während Yoko daneben sitzt und zu diesem Thema schweigt und sich den Ruf der Schroffen, Unnahbaren einhandelt. Schnell macht das Gerücht die Runde, der Musiker sei seiner sieben Jahre älteren Partnerin hörig. Yoko muss rassistische  & sexistische Äußerungen ( "Japsenfrau", "Hexe", "der alte Drachen" ) und diskriminierende Verhaltensweisen, auch durch die anderen Bandmitglieder, aushalten. "The Ballad of John and Yoko" handelt davon.

1969
Im November wird John geschieden, im Februar 1969 dann Yokos Scheidung von Tony Cox ausgesprochen, und Yoko bekommt das Sorgerecht für ihre Tochter Kyoko. Am 20. März 1969 geht sie nach einigen Komplikationen in Gibraltar in einer zehnminütigen Zeremonie ihre dritte Ehe mit John Lennon ein. 

Der eher privaten Hochzeit folgen Flitterwochen vor großem Publikum. Yoko und John veranstalten eine Reihe von öffentlichen Auftritten, die mit Unverständnis und manchmal Empörung aufgenommen werden. Dazu gehört auch das Konzept des "Bed-in", das darin besteht, Friedenstreffen - man befindet sich immerhin auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges - im Schlafanzug und im Bett abzuhalten. Die erste findet direkt im März in ihrer Hochzeitssuite im Amsterdam Hilton Hotel statt, Wien und Montreal folgen. Ein echtes Fluxus - Konzept! Und da ein Beatle im Bett ist, entsteht auch ein Song dazu: "Give Peace A Chance", im Hotelbett aufgenommen mit vielen Stars der Zeit wie Allen Ginsberg, Timothy Leary, Derek Taylor und Petula Clark als Background-Chor.

Ab März 1969 sind sie auch gemeinsam auf Bühnen zu sehen. Sie formieren die Plastic Ono Band, der zeitweilig auch Eric Clapton und Klaus Voormann angehören. Das gemeinsame Live-Album "Live Peace in Toronto 1969" erscheint im Dezember. Auf der Bühne kommt auch Yokos Bagism-Konzept zur Anwendung, und sie verhüllen sich in Laken oder Säcke. Musikalisch ist eine Mischung aus Rockmusik und experimentellen Klängen mit Yokos markantem Gesang angesagt. Im Dezember lancieren die beiden dann eine Plakat- und Posterkampagne "War Is Over", um für den Frieden zu werben. Diese Medienkampagne wird auf Dauer belastend für sie und lässt das symbiotische Verhältnis der beiden Künstler ganz langsam erodieren.

Im April des folgenden Jahres gibt Paul McCartney auf einer Pressekonferenz offiziell bekannt, dass sich die Beatles auflösen. Sofort bricht sich weltweit das Gerücht Bahn, Yoko Ono sei die "Zerstörerin der Beatles" ( McCartney wird es erst 43 Jahre später offiziell dementieren ). Die Realität ist viel komplexer und schwieriger gewesen, und heute gilt Yoko nicht mehr als der "kleine japanische Spaltpilz", kann man inzwischen auch wahrhaben, dass Yoko nach ihrem Zusammenkommen mit John sich viel weniger in der Öffentlichkeit entfalten kann als vorher und ihr Mann, eloquent wie er ist, dominiert und ihre Ideen & Konzepte dem Publikum erklärt, so dass sie verstanden & akzeptiert werden.

Von links:
Linda & Paul McCartney, Ringo Starr, Yoko & John Lennon
in Tittenhurst Park
"Die Schlagzahl der Ereignisse, die Yoko und John in die Medien brachte, blieb unvermindert hoch", schreibt Nicola Bardola in seiner Biografie. Strafen wegen Drogenbesitzes, Fehlgeburten, aber auch viele Projekte und musikalische Veröffentlichungen, eine vierwöchige  Primärtherapie bei Arthur Janov - alles findet mediales Interesse.

Seit August 1969 hat sich das Paar auf das 50 Meilen von den Abbey Road Studios entfernte, in Ascot liegende Anwesen Tittenhurst Park zurückgezogen, wo auch das Album "Imagine" mit dem dazugehörigen Video entstehen. Zum Album drehen John und Yoko einen teils dokumentarischen Film, der später im Dezember 1972 im amerikanischen Fernsehen gezeigt wird. Trotz der prominenten Drogentoten in ihrem Milieu steigt ihr Drogenkonsum in dieser Idylle wieder an, wird dann aber wegen einer weiteren Schwangerschaft reduziert. ( In dieser Zeit ist das letzte gemeinsame Werk der Fab Four, "Abbey Road", entstanden. ) Yoko verliert ihr Baby wie auch ein weiteres im August 1970. Inzwischen, inspiriert von Exmann Tony Cox und seiner neuen Frau, mit denen sie ein Weihnachtsfest gemeinsam verbringen, stellen sie ihre Ernährung um, verzichten auf Methadon und Nikotin und Yoko wendet sich esoterischen Ideen zu, die später bei persönlichen und geschäftlichen Entscheidungen eine wichtige Rolle spielen werden.

Angestoßen von Janov beschäftigen sie sich in Tittenhurst mit ihren Problemen aus Gegenwart und Vergangenheit, und dank dieser Gespräche entsteht das Zwillingsalbum "Yoko Ono/Plastic Ono Band" und "John Lennon/Plastic Ono Band", veröffentlicht im Dezember 1970. Zuvor hat Yoko John zu einer Reise nach New York überredet, wo sie mit Jonas Mekas zwei Filme drehen, darunter "Fly" ( im Jahr darauf in Cannes gezeigt ), der eindeutig Yokos Handschrift trägt. Auch eine Reise nach Japan findet statt, bei der eine Versöhnung mit den Eltern möglich wird, die Yokos dritten Ehemann endlich akzeptieren. Ansonsten ist die private Sphäre eher belastet: Tony Cox ist mit der gemeinsamen Tochter untergetaucht und beide unauffindbar, als Yoko & John ein gemeinsames Sorgerecht beantragt haben.

Anfang September 1971 verlässt Yoko mit John London endgültig Richtung New York und dort legen sie ein weiter gesteigertes Arbeitstempo an den Tag. Yoko veröffentlicht ihr erstes Solo-Doppelalbum "Fly", mit dem sie  gut ankommt. "Der  Erfolg sorgte für Adrenalinschübe und für neue Projekte", so Nicola Bardola. Schon im Monat darauf hat Yoko ihre erste Retrospektive im "Everson Museum of Art" in Syracuse/New York, es folgen Theateraufführungen und Performances - alles ohne John. Zusammen finden sie Anschluss an die Antikriegsbewegung, schließen sich einer Protestaktion für die Rechte der amerikanischen indigenen Bevölkerung ein und sammeln Geld für die Angehörigen der Opfer eines Gefängnisaufstandes in Attica ein. Und schließlich und endlich kommt am Ende des Jahres "Happy Xmas ( War is Over)" heraus.

Sie nutzen ihre Popularität, um sich in TV-Shows und Zeitungsartikeln für den Frieden & die Bürgerrechte der Afroamerikaner stark zu machen. Ihr unermüdlicher, fantasievoller & begeisternder Einsatz macht sie verdächtig, und - zunächst ohne ihr Wissen - das FBI legt eine Akte über sie an. Ein fünfjähriger Kleinkrieg beginnt, während dem sie stets mit ihrer Ausweisung rechnen müssen. Doch sie sind stolz darauf, sich als Rebellen fühlen zu können. 

Ein neuer Song - "Woman Is The Nigger Of The World" - macht sie dann anschlussfähig an die Frauenbewegung, deren Hymne es wird. Ihr gemeinsames Doppelalbum "Some Time In New York City" von 1973 wird zwar weniger gekauft, gilt heute allerdings als Klassiker der politischen Rockmusik.

Trotz gewonnener Sorgerechtsprozesse bleibt Yokos Tochter nach wie vor verschwunden, und das Paar wendet Zeit & Geld darauf, sie durch Detektive wiederfinden zu lassen. Doch Tony Cox ist zusammen mit seiner neuen Frau und dem Mädchen in Kalifornien bei einer Sekte namens "Church Of The Living Word" untergetaucht, hat der Neunjährigen eine neue Identität verpasst und sich in die ländliche Isolation begeben.

Im März 1973 erhält Yoko die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für die USA. Ihr Mann soll das Land aber binnen sechzig Tagen verlassen, sonst drohe die Ausweisung. Auf einer Pressekonferenz ruft das Paar das Land Nutopia aus, dessen Botschafter sie seien und kauft sich ein erstes Apartment im Dakota Building in der 72. Straße, Ecke Central Park West. Yoko nimmt ein neues Album - "Feeling The Space"- mit renommierten Jazz-Musikern auf. Daraus der Titel "Men, Men, Men", in dem sie frauenfeindliche Äußerungen umkehrt:


John unterstützt ihr Engagement für den Feminismus und ist Co-Produzent. Ein kommerzieller Erfolg ist dem Album nicht beschieden, ganz im Gegensatz zu seinem neuen Album "Mind Games".

Es ist nicht nur diese Diskrepanz in puncto Erfolg, die dem Paar zusetzt, juristische Auseinandersetzungen um das Beatles - Erbe, die Tochter und die Aufenthaltsgenehmigung zermürben und bedingen einen hektischen Lebensrhythmus. Eine Trennung ist im Oktober 1973 die Folge, von Yoko initiiert. Dass Yoko einen Freiraum für sich als Künstlerin braucht, wird ihr wieder als Egoismus ausgelegtJohn zieht also in Begleitung von Yokos Assistentin May Pang nach Los Angeles. Yoko selbst bleibt in New York zurück, vermutlich mit dem Gitarristen David Spinozza als Geliebten, mit dem sie auch ein weiteres Album aufnimmt, das jedoch dann erst 1997 erscheint.
Die Versuche Yokos, auch in ihrem Heimatland, als eigenständige Popkünstlerin Erfolg zu haben, schlagen allerdings fehl. Es tut ihr aber gut, wieder ganz alleine auf der Bühne zu stehen, hat sie doch dadurch die Gewissheit, dass die Leute wegen ihr kommen. Währenddessen veröffentlicht ihr Ehemann u.a. seinen einzigen US-Nr.1-Single Hit. Yoko sieht sich danach in ihrem Anspruch gescheitert, den Gedanken der Gleichheit auch auf die musikalische Kreativität übertragen zu können.
Anlässlich seines Konzerts im ausverkauften Madison Square Garden im Dezember 1974 kommt es in der Garderobe zu einem Gespräch zwischen den Ehepartnern, in dessen Folge sie ihre Beziehung wieder aufnehmen. John beendet seine Affäre mit May Pang, zieht wieder ins Dakota und dort leben sie, auf Drogen verzichtend und sich vegetarisch ernährend, weil sie ein gemeinsames Kind haben wollen. An Johns 35. Geburtstag bringt Yoko schließlich den gemeinsamen Sohn Sean zur Welt, nachdem zwei Tage vorher auch Lennons Ausweisung aus den Staaten von einem Berufungsgericht abgelehnt worden ist. 
John nimmt sich eine künstlerische Auszeit als Hausmann und Vater, Yoko kümmert sich fortan sehr geschickt & erfolgreich um die Finanzen ( obwohl sie Geld für etwas Unanständiges hält ). Mit dieser Umkehrung der Geschlechterrollen leben sie nun ein zurückgezogenes, drogenfreies und künstlerisch sehr minimalistisches Familienleben, reisen viel - auch ein monatelanger Aufenthalt bei Yokos Eltern in Japan gehört dazu.
Verwunderung löst dann eine Veröffentlichung auf einer ganzen Seite in der "New York Times" am 27. Mai 1979 aus, in der sie ihre Zurückhaltung thematisieren. Ein geschickter Werbeschachzug? Denn bald entstehen Songs für "Double Fantasy", darunter das Aufsehen erregende "Kiss Kiss Kiss", das auch als Single erscheint.







 

 







"Man hört, wie eine Frau zum Höhepunkt kommt [...] Das wird kontrovers diskutiert werden,  weil die Leute immer noch das Gefühl haben, dass das Geräusch einer Concorde oder die Zerstörung der Atmosphäre und die Umweltverschmutzung natürlicher sind als die Lustschreie einer Frau", so Yoko vor dem Erscheinen des Albums.
Was sie für eine Frau ist, erklärt sie am 5. Oktober 1980 einem Journalisten:
"Ich würde mich als eine Frau bezeichnen, die nicht stehen bleibt. [...] Ich bin immer eher weitergezogen, als mich mit Beziehungsproblemen zu beschäftigen. Damit gehöre ich als Frau  zu den sehr wenigen Überlebenden. Normalerweise interessieren sich Frauen mehr für Männer, aber ich nicht."
Am 8. Dezember 1980 dann, kurz nach 23 Uhr, wird ihr Ehemann John Lennon vor ihrem Wohnhaus am Central Park in New York erschossen. Kurz darauf stirbt er, 40 Jahre alt. Bald gibt Yoko eine Pressemitteilung heraus:
"Die einzige 'Rache', die uns irgendwas bedeuten würde wäre, die Gesellschaft zu formen zu einer Gesellschaft, die auf Liebe und Vertrauen basiert, so wie John glaubte, es könnte sein." 
Warum sie schon bald, noch unter Schockstarre, ihr Leben in Kunst verwandeln kann, lässt einen erstaunen. So fotografiert sie die zerborstene Brille ihres Mannes für das Cover von "Season Of Glas", das sechs Monate nach dem Attentat herauskommt, darauf ein mit tiefer Stimme gesungenes Dokument ihrer Trauer, "I don't know Why", was sie zwei Tage nach dem Tod John Lennons aufgenommen hat.

"Überleben ist eine positive Sache an sich, jede Zelle in deinem Körper multipliziert sich und lebt dennoch weiter, das ist gut. Nach Johns Tod war ich sehr aufgebracht und traurig und wollte es nicht wahrhaben, dass er nicht mehr Teil meines Lebens ist. Aber ich musste eine Entscheidung treffen. Ich wollte für meinen Sohn da sein, der seinen Vater verloren hatte. Nach all den Jahren habe ich es heute geschafft, auch wieder froh zu sein." ( Quelle hier )

Natürlich ist all ihr Tun wieder umstritten. Manche Weggefährten der vergangenen Jahre ziehen sich zurück bzw. hintergehen sie wie Fred Seaman, ihr langjähriger Sekretär. ( 2006 wird sie ihr langjähriger Fahrer, Koral Karsan, erpressen und sie und ihren Sohn mit dem Tod bedrohen. )

Künstlerisch wird sie offen und direkt bleiben, doch ihr Privatleben lässt sie immer stärker nach dem Attentat abschirmen. So zeigt sie sich kaum mit ihrem neuen Partner ab 1981, Sam Havadtoy, einem ungarisch-britisch-amerikanischen Künstler und Interior Designer, der zu dem Künstlerzirkel um Warhol, Jasper Johns und Keith Haring gehört. Zwanzig Jahre wird diese Beziehung dauern. Yoko bewegt sich nur noch in einem Universum aus Sicherheitskräften, bis zu sechs Vollzeitkräfte und eine Handvoll Teilzeitmitarbeiter.   

Auch die Kunst, besonders die Musik, gibt ihr Sicherheit, wenn auch auf andere Art, an ihr kann sie sich festhalten. 

"Ich habe meine Kunst und Musik immer als Sicherheitsdecke benutzt. Zeiten, in denen ich mich emotional unsicher fühlte — wie nach Kyokos Verschwinden —, führten zu extremen Schaffensperioden. Ich konnte ja nicht ständig nur weinen, also konzentrierte ich mich auf meine Arbeit. Angst, Wut und Verzweiflung mussten aus mir heraus. Diese Gefühle gingen dann direkt in die Kunst." ( Quelle hier )

Doch großer Erfolg ist ihr damit nicht mehr beschieden. Nach "Starpeace" 1985, eine Replik auf Ronald Reagans "Krieg der Sterne", ist sie völlig entmutigt, weil es "keinen Bedarf für das gab, was ich machte. [...] Vergiss Yoko Ono." Und sie wendet sich den Dingen zu, die sie als Yoko Ono Lennon zu tun hat, denn sie will ihre Energie nicht mehr verschwenden. Zehn Jahre wird sie kein neues Album mehr herausbringen. Erst 1994 gibt es ein Broadway-Musical - "New York Rock" - das ihre Geschichte mit John variiert, dann noch "Rising", zusammen mit ihrem Sohn, im Jahr darauf. Auch das kein Erfolg, aber eine spätere Fundgrube für bei den Jüngeren beliebte Mixes.

1986 hat es ein neues Lebenszeichen von Tom Cox geben - nach dem Attentat hat er Yoko ein Beileidstelegramm geschickt -, und Yoko schreibt einen öffentlichen Brief an ihre Tochter Kyoko. Aber erst 1997 nimmt die inzwischen 31-jährige Kyoko, verheiratet & selbst Mutter, Kontakt zu Yoko Ono auf. Nach ihrer eigenen Bekundung lässt sich das durch die Trennung entstandene Loch nicht schließen, doch der Kontakt ist inzwischen gut.

Aus dem vielseitigen Portfolio an Unternehmungen & Werken der Yoko Ono in den 42 Jahren nach dem Tod ihres Mannes möchte ich noch zwei Projekte weiter ausführen:




Da ist einmal ihre Initiative ab 1984, im Central Park gegenüber von ihrem Wohngebäude einen "Garten des Friedens" auf einer Fläche von einem Hektar Größe zu schaffen, nach John Lennons Song "Strawberry Fields" getauft. Unermüdlich hat sie in allen Ländern der Welt um Unterstützung für dieses Projekt gebeten, und 2010 kann eine Plakette enthüllt werden, auf der sich 121 Ländernamen befinden. 

Die DDR hat z.B. schon direkt am Anfang einen Baum gestiftet, mittlerweile sind es Bäume aus 161 Ländern. Das schwarz-weiße Mosaik, gestaltet in unmittelbarer Nähe des Attentats, ist eine Schenkung der Stadt Neapel. "Es ist schön, die ganze Welt hier an einem Ort vereint zu wissen, gemeinsam lebend und friedlich weiterwachsend," sagt sie. Ein typischer Yoko - Gedanke! 

Der Park ist der Ort, an dem sie mit ihrem Mann ein letztes Mal spazieren gegangen ist. Yoko weicht der Trauer also nicht aus, sondern schafft Trauerverarbeitungsaktionen. Gleichzeitig entsteht ein Beispiel für "Grünes Design", lange Zeit bevor der Begriff überhaupt in Mode kommt. Dass man sie in ihren Vorhaben & Vorstellungen belächelt, ja, für naiv und verrückt hält, hält sie aus.



Das zweite Projekt ist der "Imagine Peace Tower" in Reykjavik, 2007 an John Lennons Geburtstag nach exakt einem Jahr Bauzeit zum ersten Mal in Aktion getreten. Eine gigantische Lichtsäule, die der Turm erzeugt, leuchtet seitdem in jeder Nacht zwischen dem 9. Oktober, dem Geburtstag, und dem 8. Dezember,  dem Todestag des Ex-Beatle. Darüberhinaus ist die Lichtinstallation in der Zeit zwischen der Wintersonnwende und Neujahr sowie in der ersten Frühlingswoche zu bestaunen. Unsichtbar sind unter der Basis des Turms über eine Millionen Wünsche vergraben, die Yoko im Rahmen eines ihrer anderen Projekte, den "Wish Trees", von ebenso vielen Menschen gesammelt hat. Warum in Island? Yokos Argumente haben mit ihren Hauptanliegen zu tun: Das Land verfügt über kein eigenes Heer und produziert seine Energie ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen.

"Der Imagine Peace Tower ist – ganz im Gegensatz zu anderen Werken der nicht für ihre einfache Zugänglichkeit bekannten Yoko Ono – klar in seiner Aussage und Ausstrahlung und setzt vor allem auf Ästhetik. Dennoch ist das Kunstwerk durch seine Veränderung bei verschiedenen Wettereinflüssen stets im Wandel und kann völlig unterschiedliche Eindrücke bei den Betrachtenden erzeugen", schreibt Jan Schäfer an dieser Stelle

In ihrer Eröffnungsrede macht Yoko wieder einmal deutlich, wem ihr  unbedingter "Glaube" gehört: der Liebe und dem Frieden.  Wenn es dann immer wieder heißt: "Yoko Ono ist als Einfrau-Friedensbewegung unterwegs mit schwarzem Hut und Anzug" wie an dieser Stelle, dann weiß ich nicht unbedingt, ob es anerkennend gemeint ist oder auch nach wie vor so ein kleines bisschen mysogyn. "Man muss schon schockgefroren sein, um Yoko Ono, ihren Willen und ihr Wirken, nicht auf irgendeine Weise anrührend zu finden", so Michael Pilz im selben Artikel anlässlich ihrer Ausstellung 2010 in Berlin.

Offensichtlich verstehen jüngere Menschen ihre Kunst besser, weil sie besser in die heutige Zeit passt, weil Themen wie Rassismus, Sexismus, Umweltzerstörung, friedfertiges Miteinander inzwischen eine viel breitere Basis in der menschlichen Gemeinschaft gefunden haben. Auch die Verschmelzung des Konzeptuellen, des Poetischen, des Spirituellen und des Performativen ist ihnen nicht mehr so fremd, wie es im letzten Jahrhundert noch der Fall gewesen ist. Und: Die Leute heute haben nicht mehr dieses Bild von ihr als verrückte, böse Drachendame im Kopf wie meine Generation. Sie sehen eher, wie leise & humorvoll Yoko ist und welch sanfte Seele sie hat, schätzen ihren eisernen Willen und ihre "ausufernde Kreativität". Valie Export, sieben Jahre jünger und eine ebenso revolutionäre Künstlerin, betont in ihrer Laudatio 2012 anlässlich der Verleihung des Oskar-Kokoschka- Preises an Yoko diese Qualität der Geehrten, die aber immer im Zusammenhang mit politischen Zielen steht.

2020


Das zeigen auch die Preise & Stiftungen wie der "Yoko Ono Lennon Courage Award for the Arts", der seit 2009 verliehen wird oder der "Never-Ending-Bus-Tour", die seit 1998 zehn Monate im Jahr durch die USA fährt und Jugendlichen ermöglicht ihren Traum von einem eigenen Song in professioneller Manier umzusetzen, immer auch mit Unterstützung anderer prominenter Künstler der Musikszene. 

Ich könnte jetzt noch lange weiterschreiben, meine aber genug Anregung gegeben zu haben, sich weiter zu informieren und zu beschäftigen, auch auf der Internetseite imaginepeace.com. Nicht unterlassen will ich aber Yoko Ono zu wünschen: Happy Birthday!





Nachtrag: Wer auf die Veröffentlichung des Posts gewartet hat: Ich hatte nach einer geringfügigen Änderung im Text dicke Probleme mit Blogger, der mir nicht nachvollziehbar Textpassagen durcheinander gebracht hat - deshalb auch das kuriose Layout zwischendurch. Deshalb fehlen dort auch vorgesehene Bilder. Um euch, liebe Leser*innen nicht allzu lange warten zu lassen, habe ich verzichtet, weiter um ein besseres Erscheinungsbild zu kämpfen...

14 Kommentare:

  1. Liebe Astrid,

    danke dir für diesen Post.

    Yoko Ono - Die Frau, die die Beatles trennte. Nicht!

    Der 8. 12. 1980, immer in meiner Erinnerung, als ich die Nachricht hörte.

    So, ich denke, es war mit Sicherheit nicht einfach, mit John Lennon zusammen gewesen zu sein. Nach seinem Tod weiterzumachen, Anfeindungen ausgesetzt gewesen zu sein, Sean allein groß zu ziehen. Weiterhin im öffentliche Interesse zu stehen.

    Liebe Grüße
    Claudia

    Give Peace a Chance!!!

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  2. ein äußerst spannendes portrait einer künstlerin, die mich in vielen jahren immer mal wieder begleitet hat, besonders natürlich ende der 1960er und zu beginn der 70er jahre. leider habe ich 2019 ihre ausstellung in leipzig verpasst, weil diese mehrfach verschoben wurde. das bedaure ich heute nach deinem beitrag ganz besonders.
    danke für diese würdigung und wertschätzung ihrer arbeit!
    liebe grüße
    mano

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  3. Für mich ist sie ein ganz neuer Typ Frau - auch in dieser ost-west Kombination und dem Denken in ganz anderen Visionen und Öffentlichkeiten.
    Kein Wunder, dass sie angefeindet wurde und verfemt.
    Ein Wunder jedoch, wie sie all das gemeistert hat und noch künstlerlich weiterentwickelt hat.
    Eine einfache Person war sie sicherlich nicht und mir bleibt sie auch in gewisser Weise fremd. Aber bewundert habe ich sie immer.
    Du hast Dir sehr viel Arbeit gemacht mit dieser Biografie, nicht nur durch die Unbillen der Software. Ich bin voller Respekt vor Deinen Mühen!
    Danke sagt Sieglinde

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  4. Du hast wieder so wunderbar die Puzzlesteine, die ich über diese fantastische Frau wusste, zusammengefügt und spannend ergänzt. Den Stempel als Verursacherin der Beatles-Auflösung musste sie jahrzehntelang tragen. Es wird Zeit, dass diese Vorstellung in unseren Köpfen mal ausgelöscht und richtig gestellt wird.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  5. Liebe Astrid,

    jetzt habe ich erst einmal ein bisschen auf deinem Blog nachgelesen, da ich nicht alles zuletzt angeschaut und gelesen hatte. Manchmal ist die Zeit halt knapp, weil mit anderen Dingen der Tag verplant ist.

    Was für eine tolle Recherche du betrieben hast über Yoko Ono. Da gibt es Vieles in ihrem Leben, was ich bisher nicht wusste.
    Geprägt von einer strengen Erziehung im Elternhaus mit dem Hintergrund besagter Vorfahren ist es kein Wunder, dass sie irgendwann man anfing zu rebellieren.
    Mit all deinem zusammen getragenen Wissen erscheint sie in einem ganz anderen Licht.
    Vielen Dank für deine Mühe. :-)

    Liebe Grüße und ich hoffe, der Sturm wütet nicht zu arg in der Domstadt
    Christa

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  6. Liebe Astrid,
    wundervoll, wie Du Yoko Ono porträtiert hast.
    viele Grüße Margot
    P.S. Der Gefährte hat mich auf Alexandra David-Néel aufmerksam gemacht, falls Du irgendwann auf der Suche nach einer weiteren Great Woman bist ;-).

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    1. Ich suche nie, ich finde 🤣 meine Liste ist so lang, dass ich sie wahrscheinlich in meinem Leben nicht mehr abarbeiten kann. Irgendwann funkt es zwischen mir und der Frau, und dann kommt sie dran.
      LG

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  7. Danke dir für das tolle Porträt dieser faszinierenden Frau. Ja, was waren wir unglücklich, als sich die Beatles trennten. Yoko Ono hab ich daran eigentlich nie die Schuld gegeben. Und es kam ja noch soviel nach... Von allen. Lieben Abendgruß aus Sachsen Ghislana

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  8. Liebe Astrid,

    ich danke Dir auch für diesen Post den Du trotz der Umstände uns hier präsentierst. Mit viel Interesse habe ich das gelesen und vieles so nicht gewußt was aber sicher daran lag dass ich eben damals auch noch zu jung war. Ich finde es sehr bewundernswert dass sie sich nicht von ihrem Weg abbringen hat lassen.

    Liebe Grüße
    Kerstin und Helga

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  9. Die Hintergründe um diese, doch fast jedem bekannten Frau, kannte ich überhaupt nicht. Ich gestehe, dass sie trotz ihrers Bekanntheitsgrades eigentlich nur als Künstlerin und Aktivistin neben John Lennon bekannt war, mich aber nie so "abgeholt hat". Und daß ein Mitschülerin sie als Grund für die Trennung der Beatles immer wieder erbost nannte (grosser Fan)
    Ich habe schon gehört, dass es wohl ein Update gab, welches wieder mal zu "Umständen" geführt hat.
    Der Text ist ja bei Dir das Wichtigste, Danke, dass Du nicht gezögert hat und trotzdem veröffentlicht hat
    Liebe Grüße
    Nina

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  10. liebe Astrid
    welch eine Arbeit!!!
    Ich möchte gar nicht wissen, es dennoch..wie viele Stunden und Tage es dich gekostet hat, - denn sie hat mich tief beeindruckt diese ganz besondere Biographie in der ich dein Herz entdecke...
    mit den Beatles aufgewachsen, deren Musikstile bewundert und geliebt hat mich die Biographie von Joko ono ganz besonders mitgenommen, nachdem ich Zeit und Raum während des lesens ganz vergessen habe...zutiefst berührt...morgen wird sie 89 - welch ein besonderes schwieriges kompliziertes Leben.. einer herausragenden und faszinierenden Persönlichkeit....
    ich kann
    dazu nur Danke sagen....
    du verzeihst - angelface bin viel zu berührt um mehr zu sagen...

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  11. Ich danke dir für dieses ausführliche Portrait. Ich fand sie immer sehr interessant und habe ihren Mut bewundert. Es ist nicht jedem gegeben, gegen alle Konventionen zu leben und dabei nicht völlig unterzugehen. Was wäre die Welt ohne diese besonderen Menschen.
    LG
    Magdalena

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  12. Liebe Astrid,
    ein tolles Porträt und wie schlimm - was die Gesellschaft, aber auch besonders die Medien und Framing Menschen antun können.
    Eine interessante und mutige Frau!
    Liebe Grüße Urte

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  13. da hast du aber wieder viel Mühe gemacht
    mir war sie als Künstlerin gar nicht bekannt
    nur als Frau von John Lennon
    ein langes Leben mit Höhen und Tiefen
    aber immer sich selber treu
    es war sehr interessant für mich zu lsen
    dankeschön

    Rosi

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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