Mittwoch, 25. August 2021

Lieben Sie Lyrik? {13}

Theodor Däubler 
Weg

Mit dem Monde will ich wandeln:
Schlangenwege über Berge
Führen Träume, bringen Schritte
Durch den Wald dem Monde zu.

Durch Zypressen staunt er plötzlich,
Daß ich ihm entgegengeh.
Aus dem Ölbaum blaut er lächelnd,
Wenn michs friedlich talwärts zieht.

Schlangenwege durch die Wälder
Bringen mich zum Silbersee:
Nur ein Nachen auf dem Wasser,
Heilig oben unser Mond.

Schlangenwege durch die Wälder
Führen mich zu einem Berg.
Oben steht der Mond und wartet,
Und ich steige leicht empor.

 

Der am 17. August 1876 in Triest, dem damals wichtigsten Hafen Österreich-Ungarns, geborene Spross eines Augsburger Kaufmanns und seiner schlesischen Frau, ist zweisprachig aufgewachsen. Ab 1910 wurden die ersten Werke Theodor Adolph Johannes Eduard Däublers herausgebracht und von den Dichterkolleg*innen des gerade aufkommenden Expressionismus begeistert aufgenommen. Allein das wortmächtige Versepos "Das Nordlicht" in drei Bänden mit 30.000 Versen, an dem er seit 1898 gearbeitet hat, beeindruckt.

Diese phantastisch-visionäre däublersche Vorstellung von der Entstehung und Entwicklung des Kosmos mündet in einer Botschaft vom Sieg des Geistes in der Welt ( "Die Welt versöhnt und übertönt der Geist" ), wovon die damalige literarische Welt wiederum begeistert gewesen ist. Vertreter der expressionistischen Bewegung jener Zeit feierten ihn als Gleichgesinnten, darunter Else Lasker-Schüler ( "Fürst von Triest" ), Johannes R. Becher ( der ihm sein Gedicht "Brudertag" widmete ) und Franz Pfemfert ( der ihm 1916 ein ganzes Heft seiner Zeitschrift "Die Aktion" zueignete ). 

Der Altersgenosse Hugo von Hofmannsthal, der eher dem Symbolismus zugerechnet wird und dem  Ästhetizismus Stefan Georges verpflichtet, urteilte über den Lyrikerkollegen:

"Däublers lyrische Sprache ist wie die unterirdischen und astralen Kurven seines Geistes schwer zugänglich. Sie ist neu, kühn, futuristisch, expressionistisch, – wenn man darunter nicht modern, absichtlich, spitzfindig, krampfhaft versteht; sie ist konservativ, traditionell, klassisch im Gegensatz zu reaktionär, ideenlos, weimarisch."
Und Katharina Kippenberg, Frau des Eigners des Leipziger Inselverlages, die Theodor Däubler gefördert & publiziert hat:

"Wenn Däubler dichtet, so scheint er immer im Luftschiff zu fahren, wo die Erde merkwürdig zusammengeballt, in ihren einzelnen Linien und Gegenständen überschnitten und unerkennbar kraus unter ihm liegt."

Dem mag ich nichts mehr hinzufügen als ein paar dürre Daten: Ab 1921 lebte Däubler in Griechenland, bereiste den Nahen Osten und kurte zum ersten Mal im Schweizer Arosa. Nach einer längeren Erkrankung begann er wieder in ganz Europa zu reisen, - "ein anarchistischer Wanderbarde", finanziell immer unterstützt von seinen Verehrern. 1932 erkrankte er an Tuberkulose, 1933 erlitt Däubler einen Schlaganfall und starb mit 57 Jahren 1934 in St. Blasien im Schwarzwald.





6 Kommentare:

  1. Liebe Astrid,

    danke für dieses Gedicht, das ich bis jetzt nicht kannte. Manche Zeilen lösen eine schöne Ruhe aus, besonders der letzte Vers.

    So ähnlich ergeht es mir mit Joseph von Eichendorffs "Und meine Seele spannte.."
    Liebe Grüße
    Claudia

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  2. Guten Morgen liebe Astrid, danke für diesen Beitrag, der mir grad meine Morgenstunde bereichert und erhellt (diese Reihe von Dir könnte ruhig öfter erscheinen).
    Das Glück, unterstützt zu werden, hatte nicht jeder Dichter und so hats wohl auch nicht immer zu 30.000 Versen gereicht... ich bin mir auch etwas im Zweifel, obs bei mir reichen würde, diese heute noch zu lesen -
    Als Kind mochte ich die alten, in Versen geschriebenen Kinderbücher immer ganz besonders, schade, dasz später so viel Genuszfähigkeit im Alltag untergeht!
    Herzlichst
    Mascha

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  3. Welch abendliche Lyrik am frühen Morgen. Noch dazu eine so eigenwillige und mir völlig unbekannte. Das ist echt eine schöne Morgengabe!

    Triest hat eine tolle Ausstrahlung. Immer noch. Ich war schon einige Male da und es muss zu seiner Zeit eine ganz besondere Welt-Stadt gewesen sein.
    Danke für das Vorstellen des Dichters und für das besondere Gedicht. Grad gestern hat der Mond wieder so voll durchs Fenster geschienen bei uns. Am Abend könnte ich es ihm vorlesen...
    Herzlichst, Sieglinde

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  4. Das passt ja wunderbar zur derzeitigen Mondstimmung. Da hatte er ja Glück, dass Däubler so viel Unterstützung durch seine Leserschaft bekam.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  5. Wunderbar leicht und doch tief in seinen Gedanken!Danke, Sunni

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  6. Wunderschön! Auch deine Collage!
    Liebe Grüße
    Ingrid

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