Freitag, 21. September 2018

Meinungs- & Pressefreiheit II


Wenn ich hier freitags zum Zustand der Meinungs- und Pressefreiheit in arabischen oder islamischen Ländern referiere und Beispiele bringe wie die Ermordung von Bloggern auf der Straße in Bangladesh, die Religionsfreiheit oder das Recht auf Homosexualität gefordert hatten ( hier ) oder wie in Mauretanien vom Mob Druck auf die Gerichte ausgeübt wird, damit ein Todesurteil über einen Blogger gefällt wird, der die religiös verbrämte Ungleichbehandlung der Kasten in seinem Land angeprangert hat ( hier ), da wundert sich niemand. Ich finde Zuspruch und Unterstützung und auch Erleichterung darüber, dass das bei uns ja alles anders ist...

Mittlerweile beobachte ich jedoch auch in unserem Land eine zunehmende Tendenz, der Meinungs- und Pressefreiheit zumindest verbal an die Gurgel zu gehen. Da erzählen mir Journalisten, die den Auftrag zur Berichterstattung über die Vorkommnisse in jüngster Zeit in Sachsen hatten, was ihnen so widerfahren ist: Da ist die Rede von "der kriegt seine Strafe noch. Wir haben ja sein Foto." Oder man macht deutlich, dass man den Namen kenne, die Wohnung und Arbeitsstätte, auch, dass der Betreffende Kinder habe. Es gibt Journalisten, die sich inzwischen von Security - Leuten begleiten lassen oder solche Arbeitsaufträge ablehnen.

Opfermythen scheinen hier immer mehr die Gewalt gegen "die Presse" zu entgrenzen ( das sehe wohl nicht nur ich so )...

Die Vorkommnisse um den satirisch überzeichneten Film des Bloggers Christian Brandes machen mir deutlich, dass das altbewährte Mittel der Einschüchterung und Verhetzung zum Repertoire der Blauen gehören - "Hass ist nicht strafbar", so der Hundekrawattenträger im Bundestag -, man dringt in die Privatsphäre des Bloggers ein, postet das in einem Video, fordert auf, die Adresse aufzusuchen, deutet an, dass da ein jüdischer Name zu lesen ist und schon geht es in den Kommentaren los bis zu Aussagen wie "Ihr Juden seid ein Geschwür. Wir ermorden euch eines Tages."

Für mich ist nicht nachvollziehbar, wie sich Menschen von einem solchen zerstörerischen Gefühl bemächtigen lassen und bestimmte Gruppen anderer Menschen pauschal hassen und - noch - verbal attackieren und solche Drohhaltungen einnehmen, wie ich sie erzählt bekommen habe. In diesem Verhalten zeigt sich mir eindeutig eine faschistische Tendenz: In meinem weiteren Umfeld gab es einen jungen Fotojournalisten, der vor 82 Jahren von einem SA - Mann frühmorgens auf der Straße erstochen wurde... 

Was da im Umgang mit Andersdenkenden vor sich geht, dafür finde ich keine Rechtfertigung, empfinde es als Angriff auf unsere Freiheit. Und Freiheit kann es nur geben, wenn man sich anständig benimmt. Nicht zuletzt heißt der erste und wichtigste Satz unserer Verfassung: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."

Aber wem erzähle ich das...



11 Kommentare:

  1. Ich habe kürzlich in einem Artikel gelesen "Der Staat ist ewig, die Verfassung nur temporär." (Da ging es um das Selbstverständnis des von Nazis und Co durchsetzten Verfassungsschutzes, aber das Grauen, das er in sich trägt, strahlt da für mich deutlich drüber hinaus.)

    Weil ich gerade merke, dass ich in eine nachrichteninduzierte depressive Verstimmung rutsche, habe ich jetzt beschlossen, das Wochenende über möcglichst wenig online zu sein. Vielleicht hilft das ein bisschen. Am Montag komme ich dann vorbei und lese, was du über's Wochenende so geschrieben hast.

    Bis dahin tut es vielleicht wieder einmal gut zu wissen, dass ich mit meinen Sorgen nicht alleine bin.

    Alles Liebe
    Sabrina

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  2. "Die Würde des Menschen ist unantastbar." heißt der erste und wichtigste Satz unserer Vefassung.
    Aber Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wurden niemals richtig umgesetzt, das ist das Problem!
    Statt Anstand und Herzensbildung wird dies von manchen Zeitgenossen nur mit Dummheit und roher Gewalt ausgeübt...denn es ist ja leichter einen Menschen niederzutrampeln als ihn zu vertehen.
    LG Gerda

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    1. Die Demokratie ist nicht perfekt, aber bietet uns hierzulande ein Leben in größtmöglicher Freiheit & Individualität. Da war ich mir vorgestern mit meinem ehemaligen Kollegen einig, der schon in den 1980er Jahren als Kurde bei uns politisches Asyl bekommen hat. Viel hat sich auch in meinen über 6 Lebensjahrzehnten entwickelt in Richtung Freiheit, Gleichheit ( die Brüderlichkeit bleibt manches Mal dabei etwas auf der Strecke ). Aber das lehnen ja die blauen Herrschaften ab, sie wollen zurück zur Herrschaft einer (vermeintlichen ) Mehrheit über alle anderen. Oder wie ihr Brandenburger Chef sagt: "Wir sind die Totengräber dieser fauligen Reste der 68er-Zersetzung."
      Hinterher will es dann keiner mehr gewesen sein, wenn wir in der alten Sch... sitzen.
      LG

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    2. Danke, liebe Astrid, du hast vollkommen Recht!

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  3. Da sprichst du ein wahres Wort, liebe Astrid: Ich kann das auch nicht nachvollziehen. Und viel schlimmer: ich kann es manchmal gar nicht glauben was alles so aus dieser braunen Dreckecke kommt, es erscheint mir unfassbar. Denn in meinem Ort, in meinem Leben ist mir solch ungebildete Verbohrtheit, solcher Hass und solches Verleugnen jeglicher Realität schlicht noch nicht wirklich begegnet. Gut- die Arschlochdichte (Entschuldigung) wächst auch in so einem kleinen Ort wie unserem, aber der Vorteil der realen Welt ist hier zumindest noch: sie sind in der Minderheit und krakeelen hier nur so vor sich hin ohne größeren Schaden anzurichten.
    Was drumherum geschieht, bereitet mir viel größere Sorgen und vermittelt ein viel größeres Ohnmachtsgefühl. Zu dem einen Dummschwätzer im Ort kann ich zur Not ja noch hingehen und diskutieren. Mit den Hundert- und Tausenden die andernorts auf die Straße gehen, funktioniert das nicht.
    Und dann verhält sich unsere Regierung so erschütternd dämlich, dass man meinen könnte sie würden gerne so schnell wie möglich alles an die braune Bande abgeben. DAS ist die wirkliche Katastrophe die gerade geschieht.

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  4. Ja, was für eine Wahlkampfmunition mit der unsere Regierung derzeit die angebliche Alternative füttert! Es ist nicht zu glauben.
    Und dann die subtilen oder offenen Drohungen gegen Journalisten. Nichts scheint langsam mehr unmöglich, was noch vor einiger Zeit doch so war.
    Erschütternd finde ich das.
    GlG Sieglinde



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    1. Da kann ich Sieglinde nur zustimmen. Hätte man mir diese Situation vor 10 Jahren prognostiziert, ich hätte es nicht für möglich gehalten.
      Liebe Grüße
      Andrea

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  5. die Zivilisation ist leider nur eine sehr dünne Schicht
    und wird sie angekrazt kommt das "Tier" zum Vorschein
    bei manchen geht das ganz schnell
    ich frage mich so oft wie diese Leute erzogen wurden
    da nuss so manches im Argen gelegen haben
    meine Eltern haben mir Anstand bei gebracht
    und vorgelebt dass man allen mit Achtung entgegen tritt
    diese ganzen Beschimpfungenn und Bedrohungen machen mich fassungslos
    traurige Grüße
    Rosi

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  6. Rosi hat Recht. Man reibt sich die Augen und denkt, es kann doch nicht alles vergessen sein. Also, wach bleiben. Nicht nachlassen!
    LG
    Magdalena

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  7. Liebe Astrid,
    danke für deinen Post über die Presse- und Meinungsfreiheit und deinen Mut darüber zu schreiben. Ich beobachte mit Sorge, wie vieles in den Medien und in der Politk hochgespielt wird. Wochenlang wird über Flüchtlinge diskutiert, obwohl kaum noch welche kommen - es wird nur über sie statt mit ihnen gesprochen.
    Liebe Grüße
    Agnes/www.Gartenbienenweide.de

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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