Donnerstag, 15. Juni 2017

Great Women # 104: Theophanu


Mein heutiges Frauenporträt gilt einer Frau, die sicher weniger berühmt ist als Agrippina und sehr viel unbekannter als die Heiligen Drei Könige, gehört aber im gleichen Maße zur Geschichte der Stadt Köln wie diese und ist bis heute hier präsent, denn sie fand ihre letzte Ruhe in einer der zwölf großen romanischen Basiliken der Stadt, Sankt Pantaleon geweiht, dessen Reliquien sie einst mitgebracht hatte. Besonders aufmerksam auf sie wurde ich noch einmal, als meine damals noch recht jugendliche Tochter 1991 Jahren in einem Museumskurs Kostüme ihrer Zeit nacharbeitete, um aus Anlass ihres tausendsten Todestages ihren Einzug als deutsche Kaiserin nachzuspielen - Cosplay würde man das heute nennen. Die Rede ist von Theophanu, die am heutigen Tag vor tausendsechsundzwanzig Jahren in Nijmegen gestorben ist. 



Theophanu ( griechisch Θεοφανώ oder  Θεοφάνια ) kommt um 960 ( manche Quellen nennen 955, was aber eher unwahrscheinlich zu sein scheint ) im Oströmischen oder Byzantinischen Reich in einer Familie des byzantinischen Militäradels zur Welt. Historiker vermuten, dass die Geburt entweder in Armenien oder in einem der makedonischen Höfe der Familie Skleros erfolgt ist. 

Ihr Vater ist der Feldherr Konstantin Skleros, dessen Schwester Maria die erste Gattin des späteren oströmischen Kaisers Johannes I. Tzimiskes gewesen ist. Theophanus Mutter, Sophia Phokas, ist die Tochter des Großadmirals und Kuropalates Leo Phokas, Bruder des Kaisers Nikephoros II., dem Vorgänger von Johannes Tzimiskes.
Johannes Tzimiskes war ein einflussreicher General aus dem armenischen Fürstenhaus der Kurkuas am byzantinischen Hof. Sein Cousin Nikephoros Phokas hatte 963 nach dem gewaltsamen Tod des Kaisers Romanos II. den byzantinischen Thron bestiegen, die Kaiserinwitwe, seine Geliebte, geheiratet und die Vormundschaft über den unmündigen Thronerben Basileios (später Kaiser von 976–1025) erhalten. Nikephoros Phokas kommt 969 selbst zu Tode, und sein Verwandter Johannes Tzimiskes ergreift die Macht und wird Kaiser bis 976.  
Das antike Imperium Romanum war schon 396 in ein ost- und ein weströmisches Kaisertum zerfallen. Nach dem Untergang des weströmischen Reiches 476 war Ostrom ( auch griechisch - byzantinisches Reich, kurz Byzanz genannt ) der einzige Nachfolger des einst mächtigsten Imperiums geblieben, bis sich im 10. Jahrhundert unter der Dynastie der Ottonen aus dem ehemals karolingischen Ostfrankenreich heraus das Heilige Römische Reich (Deutscher Nation) konstituierte.
Theophanu wird wohl am Hof von Byzanz in der Umgebung der kaiserlichen Familie erzogen. 

In jenen Tagen ist der römisch - deutsche Kaiser Otto I. der Große - damals der bedeutendste europäische Herrscher seit Karl dem Großen - durch Eroberungen in Süditalien in Konflikt mit dem griechisch-byzantinischen Reich geraten. Unter dieser Prämisse entwickelt Otto der Große die Vorstellung, dass durch eine Heirat zwischen seinem 955 geborenen Sohn ( und Mitkaiser seit 967 ), Otto II., und einer Kaisertochter aus Konstantinopel - quasi als diplomatisches Faustpfand -  eine Befriedung herbeigeführt und gleichzeitig die Anerkennung seines westlichen Kaisertitels durch Byzanz betrieben werden könnte. Es geht also neben der Bereinigung von Konflikten auch um internationales Prestige.

Otto der Große schickt also eine erste Delegation an den Hof in Konstantinopel, um die byzantinische Prinzessin Anna, Tochter des verstorbenen Kaisers Romanos II., als Schwiegertochter zu gewinnen, hat aber erst Erfolg, als er eine dritte Mission nach der Palastrevolte des Johannes I. Tzimiskes auf den Weg schickt. Dieser neue byzantinische Kaiser bestimmt seine Nichte Theophanu, kaum den Kinderschuhen entwachsen, zum Unterpfand des weltpolitischen Interessenausgleiches...

Als der Kölner Erzbischof Gero, Leiter dieser Delegation, im italienischen Tarent landet, hat er mit Theophanu also keine Prinzessin von "purpurner Geburt" dabei, sondern nur die Tochter eines Schwagers des Kaisers. ( Das damalige byzantinische Recht erlaubte die Freigabe einer Purpurgeborenen für eine Auslandsehe allerdings auch nicht - wahrscheinlich ist das den Deutschen gar nicht vermittelt worden. )

Heiratsurkunde
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Otto II & Theophanu
werden von Christus gekrönt
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Die Sache kommt nicht gut an im Heiligen Römischen Reich und hätte leicht als Affront verstanden werden können. Dass Otto der Große die "unerwünschte Jungfrau" in allen Ehren aufnimmt, beweist neben der rein menschlichen Großzügigkeit seinen Friedenswillen und seinen politischen Realismus gegenüber der Vormacht des Ostens. Sozusagen um des lieben Friedens willen schickt er die avisierte Schwiegertochter nicht zurück, sondern es kommt am 14. April 972 im Petersdom zu Rom zur Vermählung mit seinem Sohn. Papst Johannes XIII. nimmt bei der Trauung gleichzeitig die Krönung zur Kaiserin vor.

Eine Prachturkunde ( heute in Wolfenbüttel ) belegt die Eheschließung. In der Hochzeitsurkunde verspricht Otto II. seiner Braut die "Teilhaberschaft am Reiche" ( "consortiumque imperii" ). Es wird sich zeigen, dass die junge Braut das nicht als Floskel verstanden hat. Die junge Griechin wird noch zu einer mächtigen Gestalt in der deutschen Geschichte werden.

Nach deutschem Eherecht erhält Theophanu von ihrem Gemahl bedeutende Liegenschaften in Italien und Deutschland. Man kann annehmen, dass sie damit auch noch die reichste Frau der damaligen Zeit im Reich ist.

Die Gesandtschaft bzw. Theophanu hat allerdings auch fürstliche Geschenke aus Byzanz mit im Gepäck, darunter die Reliquien des Heiligen Pantaleon:

Der Kölner "Brautführer" hat vermutlich der Prinzessin erzählt, dass in seiner Stadt eine diesem Heiligen gewidmete Kirche eingestürzt ist und wieder neu errichtet werden muss. Mit Theophanus finanzieller Unterstützung wird die Kirche wieder rekonstruiert und durch eine Apsis und das beeindruckende Westwerk erweitert ( während ihrer ganzen Regierungszeit wird sie eine enge Verbindungen zu St. Pantaleon und der dortigen Benediktinerabtei aufrechterhalten ). Außerdem sind im Gefolge Künstler, Architekten und Kunsthandwerker, die byzantinische Kunst & Kunsthandwerk im Reich verbreiten werden.

Darstellung am Kölner
Rathausturm
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Aber erst um 976 wird Theophanu Köln - mit seinen 4 000 Einwohnern die größte Metropole nördlich der Alpen - besuchen, die Stadt zu ihrem Witwensitz bestimmen und die Basilika mit den von ihr beigebrachten Reliquien zu ihrer Grabstätte wählen.

Vorerst bricht die an den Prunk des Palastes von Konstantinopel und die Pracht einer Hagia Sophia gewöhnte Theophanu an Ottos Seite im Herbst 972 von Italien in eine völlig fremde, raue Welt in Europas Norden auf:

Die gebildete Großstädterin erreicht das bis dahin kaum zivilisierte Sachsen, das erst 150 Jahre zuvor zum Christentum bekehrt worden ist, und ihr eigentliches Zuhause, die Pfalz in Quedlinburg, Ostern 973. Wie damals noch üblich zieht sie mit ihrem Gemahl von Pfalz zu Pfalz, wo er Recht spricht, für Ordnung sorgt oder Krieg führt. Theophanu scheint das harte Nomadenleben des Kaisers bereitwillig zu teilen - immer einen elfenbeinernen, faltbaren Thron in ihrem Gepäck

Durch Charme und Liebreiz gewinnt Theophanu anscheinend alsbald die Anerkennung ihres Schwiegervaters und anderer Würdenträger am deutschen Kaiserhof. Respekt verschafft ihr auch die Tatsache, dass sie mit ihrer Heirat die Anerkennung des Kaisertums der Ottonen durch die byzantinischen Herrscher gebracht hat.

Im Jahr nach ihrer Eheschließung wird der achtzehnjährige Otto II. durch den Tod seines Vaters Kaiser, seine Ehefrau erhält nun den Titel "consors regni". Zwischen den Eheleuten scheint ein menschlich wie politisch gutes Verhältnis zu herrschen -  viele Urkunden belegen das. Darin bezeichnet Otto II. Theophanu als seine "liebste" und "vielgeliebte Gattin". In einigen Urkunden findet sie gar als "coimperatrix" Erwähnung. 

Drei Jahre nach der Eheschließung bringt sie dann ihre erste Tochter Sophia, die spätere Äbtissin von Gandersheim und Essen, zur Welt. 977 folgt die zweite Tochter, Adelheid, die spätere Äbtissin von Quedlinburg, 979 die dritte, Mathilde. Und 980 kommt der Thronfolger zur Welt, der spätere Otto III., zusammen mit einer Zwillingsschwester, die wohl alsbald verstirbt.
Otto II. versucht, die Politik seines Vaters fortzusetzen und die Vormachtstellung des Deutschen Reiches als alleiniger Vertreterin des christlichen Abendlandes weiter auszubauen. Theophanu unterstützt seine Ambitionen, da sie sich nach dem Sturz ihres Onkels als Kaiser nicht mehr zur Loyalität gegenüber der byzantinischen Herrschaft verpflichtet fühlt. Anfang 982 zieht Otto II. in einen Krieg gegen die Sarazenen, die von Sizilien aus auf das italienische Festland vorgedrungen sind und beabsichtigt, byzantinischen Restgebiete Süditaliens zu erobern. Die Schlacht gegen die Araber scheint für die Deutschen bereits gewonnen, als sich das Blatt wendet, und Ottos Heer vernichtend geschlagen wird. Der Kaiser selbst rettet sich durch Flucht auf ein byzantinisches Schiff.
Trotz der Niederlage bleibt die Stellung des Kaisers im Reich unerschüttert, und die deutschen Fürsten versagen ihm nicht die weitere Unterstützung seiner Pläne. Nach dem Reichstag von Verona im Mai 983 verfügt Otto II., dass sein Sohn am Weihnachtsfest des Jahres in der Pfalzkapelle Karls d. Gr. gekrönt werden soll, bevor er sich erneut nach Süden zu weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen aufmacht.
Am 7. Dezember 983 stirbt Otto II., gerade 28 Jahre alt, in Theophanus Anwesenheit in Rom an Malaria und findet seine letzte Ruhe in St. Peter. Die Krönung seines dreijährigen Sohnes Otto III. erlebt er also nicht mehr, ja, die Nachricht von seinem Tod trifft erst kurz nach diesem Ereignis am Hof ein. 

Der dreijährige Herrscher kann natürlich seine Herrschaft in diesem Alter nicht wirklich ausüben. Auf dem Reichstag in Rohr bei Meiningen übergibt 984 Heinrich von Bayern, der als nächster männlicher Verwandter der herrschenden Dynastie Ansprüche auf die Vormundschaft und Regentschaft erhoben und Otto III. seiner Mutter entführt hat, den Unmündigen an Theophanu.  Im Mai 985 wird seiner Mutter in Frankfurt am Main endgültig die Herrschaft zugesprochen ( damit bahnt sich auch der Brauch der Erblichkeit der Krone im Reich an ).

Statue in Eschwege
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Zusammen mit der Witwe Ottos des Großen, der Kaiserinwitwe Adelheid, und Mathilde, Äbtissin von Quedlinburg, ihrer Tochter, trägt Theophanu zunächst die Last der Verantwortung um die Geschicke des Reiches. Das "Weiberregiment" beginnt, vor dem der bayerische Verwandte so eindringlich gewarnt hat. Ja, es gibt sogar damals schon ausländerfeindliche Parolen gegenüber Theophanu!

Dass sie als Gewinnerin aus den innenpolitischen Querelen hervorgeht, ist ihrer Kampfbereitschaft, ihrer Zähigkeit, ihrem überlegenen politischen Verstand und einer Wendigkeit geschuldet, die sie vor der versuchten Isolierung am Hof schützt. Binnen kurzer Zeit übernimmt sie als Mutter des kindlichen Königs und "coimperatrix" die alleinige Leitung, und ihre Schwiegermutter Adelheid tritt zunehmend in den Hintergrund. Unterstützung erfährt sie durch Erzbischof Willigis von Mainz und den Kanzler Hildebald von Worms.

Ottos plötzlicher Tod bringt sie auch in anderer Hinsicht in eine neue Verantwortung: Sie wird zuständig für die Erziehung des königlichen Kindes bis zu seiner Regierungsfähigkeit mit 16 Jahren. Sie erzieht ihren Sohn (wie ihre Töchter auch! ) dreisprachig – deutsch, lateinisch und griechisch -, lehrt ihn Lesen und Schreiben ( Otto dem Großen ist das von seinem Vater noch verboten gewesen! ) und vertraut ihn einem griechischen Erzieher, Johannes Philagathos, an.

Von 984 bis 991 regiert sie nun als von allen Seiten respektierte Kaiserin in der Vormundschaft ihres Sohnes:

Wie schon ihr Schwiegervater, setzt sie mit Geschick fähige Leute, meist Kirchenmänner, in Schlüsselpositionen in Regierung und Verwaltung ein und stärkt die bis dahin immer noch unterentwickelte Zentralgewalt in ihrem Reich.

Darstellung in der
Nikolauskapelle
in Groesbeek/NL
Mit diplomatischem Geschick erreicht sie den Schutz der Ostgrenzen gegen immer wiederkehrende Slawenaufstände, indem sie sich mit dem zuverlässigen polnischen Fürsten Mieszko I. verbündet. Außerdem treibt sie die Christianisierung der nord- und osteuropäischen Völker entscheidend voran, wobei sie die Missionierung der Dänen, Polen, Böhmen und Ungarn im Geiste der römischen Kirche fördert, trotz ihres eigenen griechisch-orthodoxen Glaubens. Von daher gilt sie bis heute als letzte ökumenische Figur vor dem "Großen Schisma". ( In Byzanz hat man Kirche aber auch immer als Dienerin des Staates betrachtet, nicht mehr und nicht weniger. )

Und den Frieden für die Westgrenzen ihres Reiches sichert sie, indem sie Hugo Capet, den Herzog von Franzien, unterstützt, den Thron der französischen Könige zu erhalten, nachdem Erbstreitigkeiten nach dem Tod Ludwigs V. von Frankreich im Jahre 987 für labile Zustände gesorgt haben.

Besondere Anstrengungen unternimmt die Kaiserin, das oberitalienische Regnum Italicum als festen Bestandteil ihres Reiches zu sichern. Ihre kaiserliche Kanzlei stellt das Beweismaterial zusammen, welches ihr Sohn später nutzen wird, um  die "Konstantinische Schenkung", auf der die Existenz des Kirchenstaates beruht, als Fälschung zu entlarven ( was damals allerdings folgenlos blieb ).

Mit einer Romreise 989/990 bekräftigt sie ihre und die Ansprüche ihres Sohnes: Die "Goldene Stadt" mit ihrem hohen Symbol- und Prestigewert ist der Angelpunkt des ehrgeizigen, auf die Erneuerung des Römischen Weltreiches durch das deutsche Kaisertum gerichteten Projekts, das ihr Sohn später zu realisieren versucht. Ihre von Rom aus gerichtete große Politik ist immer auch eine gegen Byzanz gerichtete Machtdemonstration. Und es fehlt bei ihr nur der kleine Schritt bis zu den Plänen Ottos III., ein wiederaufgebautes Rom als festen Regierungssitz zu beziehen und zum neuen Weltzentrum zu machen.

So erreicht sie 990 den Zenit ihrer Macht:
Darstellung am Braunschweiger Rathaus
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In einer Urkunde vom 1. April des Jahres signiert sie, ganz in byzantinischer Tradition, als Kaiser, nicht als Kaiserin ( "Theophanius gratia divina imperator augustus /Theophanius, durch göttliche Gnade erhabener Kaiser" ). Das dazugehörige Siegel in der Chronik des Klosters von Farfa zeigt einen männlichen, bärtigen Herrscherkopf mit dickem Zopf. Der sächsische Geschichtsschreiber Thietmar von Merseburg schreibt später voller Bewunderung:
"Theophanu, wenn auch vom schwachen Geschlecht, hat mit Besonnenheit gleichwohl dem Selbstvertrauen, und, weil es in Griechenland vorzugsweislich ist, mit rühmlichen Lebenswandel die Herrschaft wie zugleich die Behütung ihres Sohnes errettet durch männliche Wachsamkeit in ganzer Pflicht zum Land ..."



Ein wichtiger Aspekt des Wirkens Theophanus  ist bisher noch nicht zur Sprache gekommen, nämlich ihr kultureller Einfluss:

Durch Theophanu ist die hellenistische Kunst und die antike Bildung, die griechische Sprache und Gelehrsamkeit, byzantinische Mode und Sitten - zum Beispiel das in Byzanz gepflegte Schachspiel - in das damalige Entwicklungsland Deutschland eingekehrt. Bei Hofe, in Klöstern und Domschulen wird dies nun gepflegt und jene Blütezeit ausgelöst, die bis heute "Ottonische Renaissance" bezeichnet wird - ein Kulturschub ohnegleichen für das Reich! Übrigens gehört dazu auch die Einführung des Nikolausbrauches...

Im einfachen Volk finden hingegen Klatschgeschichten, die einen schlechten Lebenswandel der Kaiserin suggerieren, Verbreitung - angesichts der ungewohnten Prunkentfaltung byzantinischen Vorbilds am deutschen Kaiserhof nicht verwunderlich und der Tendenz, allem Fremdartigen zu misstrauen. Und aus eigener Anschauung kennt keiner die Kaiserin, denn die entzieht sich nach dem Vorbild der byzantinischen Herrscher dem Blick der Untertanen und gibt sich kühl & reserviert.

Sankt Pantaleon Köln
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Als Theophanu am 15. Juni 991 stirbt, ist sie kaum 35 Jahre alt, eher 31.

Der Tod ereilt sie während außenpolitisch heikler Aktivitäten: In der niederrheinischen Pfalz Nijmegen hat sie versucht, die nach wie vor verworrenen französischen Verhältnisse diplomatisch ( und gegebenenfalls militärisch ) zu lösen. Möglicherweise ist sie Opfer eines Giftattentats geworden, welches der skrupellose Hugo Capet - ja nur dank Theophanus Unterstützung auf dem westfränkischen Thron! - initiiert hat. Gründe hat er genug, um die übermächtige deutsche Kaiserin zu fürchten. Auch wenn sich der Mordanschlag nicht direkt nachweisen lässt – das frühe Ende der großen Kaiserin hat die politische Selbstbehauptung des Capetingers aber entscheidend erleichtert.

Der Leichnam Theophanus wird mit dem Schiff rheinaufwärts bis nach Köln gebracht und sie wird dort im Beisein ihres Sohnes Otto III. entsprechend ihrem Wunsch in der Kirche St. Pantaleon beigesetzt.


Sarkophag heute
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Mindestens vier Mal werden ihre Gebeine in St. Pantaleon zu Köln umgebettet. Erst 1962 finden - die übrigens nur noch spärlichen Überreste -  der Kaiserin des Heiligen Römischen Reichs im Westwerk der Basilika ihre letzte Grablege in einem neu geschaffenen Sarkophag aus griechischem Marmor.

Acht Jahrhunderte lang wird es am 15. Juni eines jeden Jahres eine Gedenkmesse zu ihren Ehren geben, bis Napoleon 1803 die Abtei Sankt Pantaleon auflöst. Erst 1991, zum tausendsten Todestag Theophanus, nimmt die Pfarrgemeinde mit einer europäisch angelegten Feier diese Tradition wieder auf, wohl auch, weil inzwischen in Theophanu eine Vorläuferin der Idee einer europäischen Friedensordnung gesehen wird.

Ansonsten ist Theophanu im historischen Bewusstsein der Gegenwart fast nicht präsent. In Sachsen-Anhalt erinnern noch Initiativen zur Erforschung der Frauengeschichte an sie als eine historische Leitfigur für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der Politik.

Und wie ist es mit Theophanus Sohn Otto III. weiter gegangen?
Otto III. war mit elf Jahren noch nicht volljährig, so dass seine Großmutter, die Kaiserinwitwe Adelheid, bis 996 die Vormundschaft übernahm. Als er 997 zum Italienzug aufbrach, vertraute er die Statthalterschaft in Deutschland seiner Tante Mathilde an, die ihre Aufgabe mit Bravour erfüllte, jedoch schon im Februar 999 starb. Seine Großmutter überlebte alle ihre Kinder, bevor sie im Dezember 999 starb. Nur sechs Jahre eigener Regierungszeit verblieben Otto III., der schon 1002 unverheiratet und ohne Erben zu Tode kam.
Geschichte kann doch spannend sein, oder?








19 Kommentare:

  1. Das war mehr als spannend, liebe Astrid, ich glaube, ich habe beim lesen die Luft angehalten.
    glg Susanne

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  2. Liebe Astrid, mit Spannung erwartet - der Lebenslauf dieser beeindruckenden Frau, der ja ganz in unserer Nähe einmal die Wege hier gekreuzt hat. Sehr, sehr interessant. Und dass das klitzekleine Rohr einmal solche Bedeutung hatte, war mir tatsächlich neu. Lieben Dank und Gruß, Sunni

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  3. Liebe Astrid,
    ich finde Geschichte immer sehr spannend, was viele allerdings nicht verstehen, und auch Deinen Artikel habe ich mit großem Interessen gelesen. Ich bin manchmal aber auch erstaunt, dass vor über tausend Jahren etwas möglich war, was in vielen Ländern dieser Erde heute völlig undenkbar ist, dass Frauen Staatsgewalt ausüben. Ganz so Rückständig war man vor so langer Zeit dann doch nicht.
    Ich wünsche Dir einen schönen Feiertag.

    Viele liebe Grüße
    Wolfgang

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  4. Und wie spannend! Tolle Frau, toll von Dir vorgestellt.
    Eine echte kleine Geschichtsstunde voller Esprit. Wunderbar.
    GlG Sieglinde

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  5. Guten Morgen Astrid, was für ein toller Post. Vielen Dank dafür! Ich habe irren Respekt vor Deiner Recherchearbeit. Ich bin ja ein Geschichtsfan, wenn auch nur von etwa zwei Jahrhunderten, das 13. und das 16., aber immerhin. Beim Ausdruck Cosplay im Zusammenhang mit living History weiss ich nicht ob ich schallend lachen soll oder weinen. Polyester gegen Handwebstoffe. Schön übrigens ein historisches Ereignis nachzuspielen, wenn man es mit der nötigen Erfurcht betreibt. Dann hat es Gänsehautfaktor und ist durch nichts zu toppen. Wobei kein heutiger Mensch sich in die damalige Zeit wirklich eindenken und einfühlen kann. Nur annährend, aber das ist schon ein irres Gefühl.
    Vielleicht kennst Du meinen Post
    http://tinaspinkfriday.blogspot.de/2016/05/living-history-zeitreise-ist-viel-kopf.html

    hach durch Deine Anregung habe ich jetzt bestimmt eine Stunde damit verbracht um die Geschichte der Kaiserin rumzulesen.... es wird Zeit für Frühstück. :)
    Einen schönen Donnerstag, liebe Grüße Tina

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    1. Ich habe damals auch schallend gelacht, WIE der Kursleiter die Kleider zugeschnitten hat, so frei Schnauze. Aber für die Kinder war das ein großer Spaß, Kettenhemden selber zu machen usw. Am sinnlich erfahrbarsten war im Unterricht immer, wenn wir nach Originalrezepten gekocht haben und das nachher gegessen - das war schon herbe für die Kinder!
      Deinen Post lese ich nachher. Jetzt will ich einen Ausflug riskieren....
      LG

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    2. Oh jeh die Orginalrezepte! :)) Das verstehe ich :)
      Schönen Ausflug. Ich drück die Daumen fürs Laufen.

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  6. Liebe Astrid,
    was für ein spannendes Porträt einer spannenden Frau. Und wie krass, dass sie so vergessen wurde...
    Liebe Grüße,
    Sabrina

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    1. Ha, vorhin vergessen: Dank deiner Frauen-Porträts bin ich gerade völlig begeistert von Kurz-Biographien und habe in den vergangenen Monaten gleich zwei Sammelbände über tolle Frauen gelesen. Auch online begegnen mir derzeit immer wieder Lebensgeschichten, die so spannend sind, dass ich mittlerweile selbst große Lust hätte, nicht nur zu lesen, sondern gezielt zu recherchieren und vielleicht sogar zu schreiben. Vielen Dank für diesen Stubser, liebe Astrid!

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  7. Was für eine mir bekannte < Familien<geschichte ::) Die Oma von Otto III. ist meine Namensgeberin: die Kaiserin Adelheid- und auch sonst bin ich ( kunsthistorsich) bei den Ottononen zu Hause. soviel gibt es in Köln von Theophanu zu erleben-was wäre der Kölner Dom ohne das Gerokreuz. Theophanu war eine geniale Politikerin und Lehrmeisterin in Sprachen und Kunst. Und auch ihre Töchter sind bedeutende Perönlichkeiten, was wäre das STift Essen ohne sie!! Ach ich gerate gerade ins Schwärmen. Vielen Dank für Theophanu!!
    Gruß zu dir und einen schönen Feiertag
    heiDE

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  8. Klar, Geschichte ist so interessant. Ich kann mich sogar noch an die Unterrichtseinheit über die Ottonen in der Schule erinnern - Theophanu fand
    leider nur sehr kurz Erwähnung...
    Wie schön, dass ich da jetzt meinen Horizont erweitern konnte! Danke!
    Liebe Grüße
    Andrea

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  9. Liebe Astrid,
    wieder ein interessantes und faszinierendes Frauenprotrait.
    Geschichte ist immer spannend. Du hast uns das Leben dieser
    Frau anschaulich nahegebracht.
    Liebe Grüße zu dir
    Irmi

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  10. interessant.
    aber mich ärgert das eine ANDERE KULTUR als das fehlen von kultur/zivilisation dargestellt wird. das ist sowas von bürgerlich-chauvinistisch 19. jahrhundert.... ebenso sehe ich die christliche zwangsmissionierung kritisch.
    meine meinung als slawische "heidin".
    xxx

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    1. Du slawische Heidin hast natürlich Recht, dass das ein Blick ist, denn frau in Frage stellen sollte. Doch nicht Lesen & Schreiben zu können, finde ich persönlich schon einen argen Missstand. Und was Religion anbelangt und die Missionierung insbesondere habe ich sicher einen anderen Standpunkt, als Theophanu damals. Aber die Geschichte ist halt aus genau den Gründen so abgelaufen, wie sie abgelaufen ist, und unsere andere Weltsicht kann daran nichts ändern. Höchstens daraus lernen...
      LG

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    2. die slawen östlich der elbe - meine vorfahren - konnten vll. nicht lesen&schreiben - aber sie haben es auch nicht gebraucht bei ihrem einfachen, naturverbundenem leben. das prima funktionierte. sie haben weder die wälder gerodet noch die tiere ausgerottet - das fing alles erst an nachdem die "christlichen" franken "macht euch die erde untertan" in die köpfe getrichtert hatten - und die leute mit steuern und abgaben auspressten. dafür brauchte man dann auch schriftkunde - damit man nicht gänzlich übers ohr gehauen wurde....

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  11. Der Enkel schläft, der Gefährte ist noch auf der Autobahn, beste Gelegenheit noch was Gehaltvolles zu lesen vorm Abendessen 😃. Und da bist du eine gute Adresse! 💛 Viel mehr als der Name war mir nicht mehr in Erinnerung. Danke, dass du der aufgeholfen hast. Tolle Frau. Lieben Gruß Ghislana

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  12. Hochinteressant.
    Na jedenfalls sind sie alle früh gestorben ;-)
    Haben aber die wenige Lebenszeit, die sie hatten gut genutzt.

    LG Astrid

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  13. Sehr interessant liebe Astrid. Ich kannte sie gar nicht.
    Liebe Grüsse zu dir.
    Nica

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  14. ja richtig spannend und da Hugues Capet auch dabei "mitspielt" wollte ich unbedingt alles genau lesen...
    lieber gruss

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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